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Wer war "Täter"? | Stasi | bpb.de

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Wer war "Täter"?

Jens Gieseke

/ 9 Minuten zu lesen

Im Fokus stehen oft nur die Stasi-Spitzel. Aber wer leitete sie an? Wer hatte das Sagen? Oft vergessen werden die SED als Auftraggeber sowie die Führungsoffiziere als eigentliche Anstifter von Verrat. Sie waren rigide von ihren Feindbildern überzeugt.

Stasi-Führungspersonal bei einer Festveranstaltung des MfS. (© BStU, MfS, ZAIG, Fo 96, Bild_31)

Die Träger der politischen Verantwortung: Parteiführung und Parteiapparat der SED

Wenn über die Verfolgung und Überwachung durch die Stasi gesprochen wird, stehen als "Täter" meist die Offiziere der Staatssicherheit und ihre Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) im Vordergrund. Tatsächlich aber ist zunächst an die politischen Verantwortungsträger für das Wirken der Geheimpolizei zu erinnern: die SED und ihre Parteiführung. Sie hat 1950 das Ministerium für Staatssicherheit ins Leben gerufen und in seiner Verfolgungstätigkeit angeleitet. Schon im ersten "Statut des Staatssekretariats für Staatssicherheit" wurde am 23. September 1953 festgelegt, dass als "Grundlage für die Arbeit des Staatssekretariats für Staatssicherheit....die Beschlüsse und Direktiven des ZK bzw. des Politbüros der SED, die Gesetze und Verordnungen bzw. die Anweisungen des Ministerpräsidenten sowie die Befehle und Anweisungen des Ministers des Innern" zu gelten haben, damit verbunden war "das Recht: a) Verhaftungen von feindlichen Spionen, Agenten und Diversanten vorzunehmen, [...] c) zur Aufdeckung, Unterbindung und Entlarvung feindlicher Tätigkeit die Zensur, die Beobachtung und die Verwendung technischer Mittel (Abhören) durchzuführen, [...] e) sich der Möglichkeit zu bedienen, die andere Polizeiorgane oder sonstige Einrichtungen haben, um die feindliche Tätigkeit erfolgreich zu bekämpfen."

Im Politbüro, dem obersten Gremium der SED, war die Anleitung der Staatssicherheit traditionell "Chefsache", in den ersten Jahren hatten allerdings Instrukteure des sowjetischen KGB einen noch größeren Einfluss. Der Erste Sekretär bzw. Generalsekretär, also bis 1971 Walter Ulbricht, danach Erich Honecker, führte persönlich die Aufsicht über die Geheimpolizei. Als Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates war der Parteichef zugleich Oberkommandierender aller bewaffneten Organe, also der Nationalen Volksarmee, der Volkpolizei und der Staatssicherheit. Der Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, und SED-Chef Erich Honecker trafen sich jeden Dienstag nach der Politbürositzung, um alle anstehenden Fragen, z.B. das Vorgehen gegen wichtige Oppositionelle, zu besprechen. Beide entschieden in ihren "Dienstaggesprächen" auch, welche Informationen an das übrige Politbüro weitergegeben wurden.

Daneben gab es in der SED-Führung auch noch einen Sekretär für Sicherheitsfragen, dies war bis 1989 Egon Krenz. Auch in jedem der 15 Bezirke und 208 Kreise der DDR leiteten die Ersten Sekretäre der SED-Bezirks- und Kreisleitungen die örtliche Staatssicherheit an, entschieden über die Verfolgung von missliebigen Personen, z.B. Ausreiseantragstellern oder aufmüpfigen Kirchenmitarbeitern, und nahmen die Lageberichte entgegen. Diese politische Verantwortung und die konkreten Anweisungen unterlagen strenger Geheimhaltung. Dadurch konnten sich die Parteifunktionäre in der Öffentlichkeit als gütige Landesväter präsentieren, ohne mit der Staatssicherheit sichtbar in Verbindung gebracht zu werden.

Was bedeutete es, ein Tschekist zu sein? Die hauptamtlichen Mitarbeiter der Staatssicherheit

"Genossen erster Kategorie" nannte Wilhelm Zaisser, der erste Minister für Staatssicherheit, 1953 die Mitarbeiter des Ministeriums. Man fühlte sich als Elite im Dienst der "Diktatur des Proletariats". Die hauptamtlichen Mitarbeiter der Stasi verstanden sich als "Tschekisten". Sie stellten sich damit in die Tradition der 1917 von den Bolschewiki gegründeten russischen Geheimpolizei Tscheka (russ.: Außerordentliche Kommission zur Bekämpfung von Konterrevolution und Sabotage). Von deren erstem Vorsitzenden Feliks E. Dzierżyński soll auch der propagandistische Leitspruch der MfS-Mitarbeiter stammen: "Tschekist sein kann nur ein Mensch mit kühlem Kopf, heißem Herzen und sauberen Händen."

Die Personalauswahl für den geheimen Apparat erfolgte nach strengen Regeln: Die Initiative musste von der Stasi ausgehen. Wer sich selbst bewarb, wurde verdächtigt, feindlicher Spion zu sein. Politische Linientreue und die geheimdienstliche Abschottung waren die wichtigsten Kriterien - die Mitgliedschaft in der SED war faktisch vorgeschrieben. Aus Furcht vor dem Eindringen gegnerischer Geheimdienste durften die Mitarbeiter sowie ihre Familie keine persönlichen Verbindungen in den Westen unterhalten. Gab es Verwandte im Westen, so war der Kontakt abzubrechen.

Bei der Nachwuchssuche verließ sich die Stasi in erster Linie auf ihr näheres Umfeld: In den fünfziger Jahren kamen viele junge Mitarbeiter aus Arbeiterfamilien über die Volkspolizei oder SED- und FDJ-Funktionen zur Staatssicherheit. Dies war auch in Richtlinien zur Kaderarbeit von 1953 vorgeschrieben: "Die Einstellung in das Staatssekretariat für Staatssicherheit wird aus überprüften und politisch einwandfreien Mitgliedern der SED und FDJ vorgenommen" (Dienstanweisung 43/53 vom 6.11.1953). Seit den sechziger und siebziger Jahren kam mehr als die Hälfte der eingestellten Nachwuchskräfte aus Funktionärsfamilien. Die Bezahlung der MfS-Mitarbeiter war für DDR-Verhältnisse weit überdurchschnittlich; besondere Einkaufsmöglichkeiten und weitere Privilegien kamen hinzu.

Weltweit höchste Mitarbeiterdichte

Zur Schau getragene Feindbilder. Stasioffiziere bei einer internen Feier in den Kostümen ihrer Zielgruppen, darunter Ökonomen, Juristen, Ärzte, Pfarrer, Sportler, Umweltschützer. (© BStU, MfS, BV Bln, Fo-0758, Bild 41)

Der hauptamtliche Apparat des Ministeriums für Staatssicherheit hat im Laufe der Jahrzehnte einen gewaltigen Personalzuwachs erlebt. Zuletzt brachte er es auf rund 91.000 Mitarbeiter (31. Oktober 1989) und war damit – gemessen an der Bevölkerungszahl – der wohl größte geheime Sicherheitsapparat der Welt. Während in der DDR auf einen hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiter etwa 180 Einwohner kamen, waren es zum Beispiel in der UdSSR fast 600 auf einen Mitarbeiter des sowjetischen KGB.

Eine besondere Gruppe waren die zuletzt etwa 2.200 Offiziere im besonderen Einsatz (OibE). Sie arbeiteten verdeckt in "sicherheitspolitisch relevanten Positionen", zum Beispiel als Sicherheitsbeauftragte in großen Betrieben, in wichtigen Positionen anderer bewaffneter Organe wie der Zollverwaltung oder der Volkspolizei, oder als Geheimdienstresidenten in Auslandsvertretungen der DDR.

An der Spitze des Apparates stand seit seiner Gründung 1950 ein harter Kern von kommunistischen Untergrundkadern. Straßenkämpfe und Saalschlachten während der Weimarer Republik, Widerstand gegen den Nationalsozialismus in der Illegalität, Haft in Zuchthaus und Konzentrationslager, Emigration in die Sowjetunion, Militärdienst im Spanischen Bürgerkrieg, Partisanen- und Agenteneinsätze im Zweiten Weltkrieg – das waren typische Lebensstationen der ersten DDR-Geheimpolizeifunktionäre. Einige von ihnen prägten die Atmosphäre im Apparat bis in die späten Jahre, wie der seit 1957 amtierende Minister, Armeegeneral Erich Mielke (1907-2000). Er hatte 1931 in Berlin zwei Polizisten erschossen und war danach in die Sowjetunion geflohen. Er blieb zeitlebens ein überzeugter Stalinist, wie etwa ein MfS-interner Tonbandmitschnitt von 1984 zeigt: "Wenn wir nicht gerade hier in der DDR wären […], wenn ich in der glücklichen Lage wäre wie in der Sowjetunion, dann würde ich einige erschießen lassen. Revolutionäre Gesetzlichkeit […], nicht etwa den Prozess machen, so meine ich [das]." (zitiert nach: Joachim Walther (Hg.): Mielke – ein deutscher Jäger, Audio-CD, München 1995).

Da es aber nur einige hundert solcher alten Kommunisten gab, kamen überwiegend junge Männer in den Apparat, die durch die Hitlerjugend und den Krieg geprägt worden waren. Die alten Kommunisten waren für sie große Vorbilder. Der spätere Mielke-Stellvertreter Rudi Mittig (1925 1994) erinnert sich:

"Es ging darum, am Schutz der neuen Republik mitzuwirken. Dass es Feinde zur Genüge gab, das war jedermann bekannt. […] Natürlich stand die Frage: Wem ordne ich mich unter? Meine damaligen Vorgesetzten, ich lege Wert auf die Betonung militärische Vorgesetzte, waren durchweg antifaschistische Widerstandskämpfer, die teilgenommen hatten am spanischen Bürgerkrieg, am Kampf der Roten Armee gegen den Faschismus, die im Konzentrationslager waren. […] Sie hatten sich – im Gegensatz zu mir – in der Zeit des Faschismus bewährt." (Rudi Mittig, in: Riecker, Schwarz, Schneider: Stasi intim, 1990, S. 166-168)

"Ständige Verschärfung des Klassenkampfs"

Prägend für diese Generation waren die Indoktrination durch Stalins Lehren von der "ständigen Verschärfung des Klassenkampfs" sowie die alltäglichen Erlebnisse im Apparat: die Suche nach angeblichen oder tatsächlichen Agenten westlicher "Feindorganisationen", die Verhaftungen und nächtelangen Verhöre bis zum Geständnis, das Gefühl der schrankenlosen Macht.

Für die Funktionärskinder der späteren Jahre stellte sich die Welt der Tschekisten etwas anders dar. Der 1978 eingestellte Andreas K. erinnert sich:

"Ich habe das MfS kennengelernt durch meinen Vater. Er war Kreisdienststellenleiter, und ich muss sagen, er hatte ein Arbeitskollektiv, wo wirklich einer für alle da war. [...] Nach der Lehre fing ich dann an in der Bezirksverwaltung Halle in der Untersuchungshaftanstalt, damit ich gleich den Gegner richtig kennenlerne, in persona. […] Das einzige, wo ich schon Probleme bekam, war, dass ich dort nicht die Geborgenheit fand, die ich von der Kreisdienststelle gewohnt war, von meinem Vater und seinen Genossen. Da gab es schon die ersten Konflikte, weil ich auch Leute kennenlernte, die bloß das Geld von der Staatssicherheit wollten." (Gisela Karau: Stasiprotokolle, Frankfurt/Main 1992, S. 155)

Frauen waren im Stasi-Apparat mit einem Anteil von unter 20 Prozent stets eine Minderheit und überwiegend auf typische Berufsrollen wie Sekretärinnen usw. festgelegt. In der eigentlichen geheimdienstlichen Arbeit spielten sie nur in der Informationsauswertung sowie bei der Postkontrolle eine Rolle.

Ausstieg nur ausnahmsweise möglich

Intern standen die Mitarbeiter unter den Anforderungen militärischer Unterordnung. Ein Ausstieg war nur ausnahmsweise möglich und führte zu lebenslanger Überwachung. "Verrätern", die Kontakte zum Westen suchten, drohte bis in die achtziger Jahre hinein die Todesstrafe. 1981 wurde der letzte MfS-Mitarbeiter wegen versuchter Spionage hingerichtet.

Doch in den achtziger Jahren machte sich unter den Mitarbeitern Frustration breit: Die DDR geriet immer weiter in die Krise; die Stasi durfte aus Furcht vor Image-Schäden gegen Oppositionelle nicht mehr so hart durchgreifen wie zuvor; politische Häftlinge wurden häufig durch die Bundesrepublik "freigekauft"; die wachsende Zahl der Ausreisewilligen war nicht in den Griff zu bekommen.

Für Verunsicherung sorgten ab 1985 die Reformpolitik des sowjetischen Staats- und Parteichefs Michail Gorbatschow und die damit verbundenen Deklarationen zum Abbau der Ost-West-Feindbilder. 1989 schlug die schleichende innere Zerrüttung schließlich im Angesicht der Massendemonstrationen in offene Hilflosigkeit um. Obwohl bis an die Zähne bewaffnet, wehrten sich die Stasi-Mitarbeiter weder gegen die Maueröffnung noch gegen die Besetzung ihrer Dienststellen noch - zu guter Letzt - die komplette Auflösung ihres Ministeriums. Auch die ersatzweise Umwandlung in eine Art Verfassungsschutz fand keinen gesellschaftlichen Rückhalt mehr.

Das MfS in der Endphase 1989/90, schon als AfNS. Die Partei noch dabei: Regierungschef Hans Modrow (SED) mit der neuen Geheimdienstspitze. (© BStU,MfS, BdL, Fo 0206, Bild 0290)

Die Informanten der Staatssicherheit

Geheimdienste greifen in ihrer Arbeit auf die Hilfe von Informanten zurück, von denen sie verdeckt Berichte in Empfang nehmen oder ihnen Aufträge geben. Bei der Staatssicherheit bekamen diese Helfer anfänglich die Bezeichnung "Geheime Informatoren" und wurden ab 1968 "Inoffizielle Mitarbeiter" (IM) genannt – das sollte nach einer ebenso heimlichen wie ehrenvollen Tätigkeit klingen. Tatsächlich aber war es das Ziel der Führungsoffiziere, die Informanten im Sinne ihrer Ziele zu lenken und auszunutzen, damit sie mögliche "staatsfeindliche" Aktivitäten möglichst umfassend meldeten.

Schon seit den fünfziger Jahren war die Staatsicherheit bemüht, ihr Informantennetz auszubauen. Allerdings sprangen damals sehr viele Angeworbene nach kurzer Zeit wieder ab oder flohen nach der Verpflichtung in den Westen. Später ging die Staatssicherheit systematischer vor und betrieb die Anwerbung in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Die IM galten der Staatssicherheit als "Hauptwaffe" im Kampf gegen den Feind, wichtiger als alle anderen Überwachungsmethoden wie das Abhören von Telefonen oder die Briefkontrolle. Das MfS entwickelte ein aufwendiges Regelwerk und ausgefeilte Methoden, um Personen zur Verpflichtung zu bewegen und ihre inneren Widerstände zu unterlaufen.

Die Bereitschaft, über Freunde, Nachbarn oder Arbeitskollegen an die Staatssicherheit zu berichten und sie zu denunzieren, war unterschiedlich ausgeprägt. Unter den Zehntausenden von "IM" gab es viele parteitreue Mitglieder der SED, die es als Pflicht betrachteten, den sozialistischen Staat zu schützen. Andere trauten sich nicht, der Stasi gegenüber "nein" zu sagen, oder sahen eine Gelegenheit, persönliche Streitigkeiten auf diesem Wege zu ihrem Vorteil zu lösen. Wenn es sein musste, konnte die Staatssicherheit auch mit Vergünstigungen locken oder Nachteilen drohen, um jemanden zur Informantentätigkeit zu drängen. Die hohe Zahl von bis zu 189.000 IM kann man deshalb ganz gegensätzlich interpretieren: als Symptom für den allgegenwärtigen Überwachungsstaat, aber auch als Zeichen, dass sich die Staatsicherheit nicht allein auf Denunziationen aus eigenem Antrieb verlassen konnte und eigentlich auf wenig Zustimmung in der Bevölkerung stieß.

Abgelegte IM-Akten im Archiv der Stasi-Unterlagen-Behörde. (© Holger Kulick)

Die Frage also, ob man jemanden, der von der Staatssicherheit angeworben wurde, als "Täter" betrachten kann, hängt von einer genauen Betrachtung des Einzelfalls ab. Die IM standen am unteren Ende der Befehlskette und konnten oft gar nicht abschätzen, wofür die von ihnen gelieferten Informationen verwendet wurden. Ihre Gefährlichkeit ergab sich also in erster Linie daraus, dass sie unerkannt aus dem nahen Umfeld von möglichen Opfern der Stasi-Verfolgung berichteten oder deren Leben beeinflussten. Dieser Vertrauensbruch ließ die Informanten nach der Öffnung der Akten in den Mittelpunkt der Stasi-Debatte rücken.

In den erhalten gebliebenen Stasi-Akten findet man unter den "inoffiziellen Mitarbeitern" ein breites Spektrum von Verhaltensweisen: den leidenschaftlichen Anschwärzer, der seinen Führungsoffizier unaufgefordert mit Denunziationen überschüttet hat, den Informanten, der sein Machtgefühl auskostete oder sich die Kooperation mit Westreisen oder anderen Privilegien vergelten ließ, aber auch Menschen, die Gewissensbisse plagten und nur widerstrebend über ihre Umgebung berichteten, bis hin zu denjenigen, die bei der ersten Gelegenheit einen Vorwand suchten, um wieder auszusteigen. Die einzelnen Fälle zu beurteilen ist eine schwierige Aufgabe, denn meistens gibt es nur die vom Führungsoffizier erstellte IM-Akte, aus der mögliche Skrupel oder Vorsichtsmaßnahmen nicht immer zu erkennen sind.

Der Historiker Jens Gieseke ist seit 2008 Projektleiter der Abteilung "Kommunismus und Gesellschaft" am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam. Er ist Verfasser des Buchs "Die DDR-Staatssicherheit: Schild und Schwert der Partei" der Bundeszentrale für Politische Bildung. Seine jüngste Publikation zum Thema MfS-Aufarbeitung: The History of the Stasi, East Germany's Secret Police, 1945-1990, New York 2015.