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Das Asylverfahren in Deutschland: Schema des Ablaufs

Vera Hanewinkel

/ 7 Minuten zu lesen

Wie verläuft das Asylverfahren in Deutschland? Der Beitrag skizziert die einzelnen Schritte von der Erstregistrierung bis zur Entscheidung über den Asylantrag.

Eine Sprachmittlerin hilft in der Registrierungsstelle für Flüchtlinge in Berlin einer Familie aus Bagdad (Irak) beim Ausfüllen eines Fragebogens. (© picture-alliance/dpa)

Ankunft, Äußerung des Asylbegehrens und Registrierung

Ausländer, die nach Deutschland einreisen und Asyl beantragen wollen, können ihr Asylbegehren bei den Grenzbehörden vorbringen. Befinden sie sich schon im Inland, so können sie ihr Asylbegehren auch gegenüber anderen staatlichen Institutionen wie Ausländerbehörden, der Polizei oder in Aufnahmeeinrichtungen äußern. Sie werden daraufhin registriert. Die Registrierung kann vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, einer Erstaufnahmeeinrichtung, Ausländerbehörde oder der Bundes- und Landespolizei vorgenommen werden. Dabei werden Stammdaten (Name, Alter, Herkunftsland etc.) erfasst, Finderabdrücke genommen und ein biometrisches Passfoto des Asylsuchenden gemacht. Die bei der Ersterfassung erhobenen Daten werden in einem Kerndatensystem gespeichert, auf das alle am Asylverfahren beteiligten Behörden Zugriff haben. So sollen Mehrfachregistrierungen vermieden und sichergestellt werden, dass jeder Asylsuchende jederzeit eindeutig identifiziert werden kann. Mit der Erstregistrierung wird auch eine Sicherheitsprüfung des Asylsuchenden vorgenommen. Zudem können die Behörden überprüfen, ob der Asylsuchende bereits in einem anderen EU-Mitgliedsland einen Asylantrag gestellt hat, es sich also um einen sogenannten Dublin-Fall handelt. Trifft dies zu, so ist Deutschland für das Asylverfahren nicht zuständig und kann eine Überstellung in das entsprechende EU-Land beantragen.

Nach der Erstregistrierung erhält der Asylsuchende einen Ankunftsnachweis, der die erhobenen Daten sowie Informationen über die zuständige Erstaufnahmeeinrichtung und eine eindeutige Identifikationsnummer des Ausländerzentralregisters enthält. Mit dem Ankunftsnachweis haben Asylsuchende Zugang zu staatlichen Leistungen wie Unterbringung, Verpflegung, Gesundheits- und Geldleistungen. Der Ankunftsnachweis, der bis Mitte 2016 flächendeckend eingeführt werden soll, ersetzt die bis dahin bei der Ersterfassung ausgestellte Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (BüMA) – ein vorläufiges Aufenthaltspapier, das bestätigt, dass sich die schutzsuchende Person zum Zwecke der Asylantragstellung in Deutschland aufhält.

Asylverfahren in Deutschland (Interner Link: Grafik zum Download 73 KB) (© bpb)

Verteilung der Asylbegehrenden auf die Bundesländer

Mithilfe des Systems zur Erstverteilung Asylbegehrender (EASY) wird ermittelt, welches Bundesland auf der Basis des Quotensystems "Königsteiner Schlüssel" für die Aufnahme des Asylsuchenden zuständig ist. Er wird daraufhin an die zuständige, vom Land betriebene Erstaufnahmeeinrichtung weitergeleitet. Dort findet eine Gesundheitsuntersuchung einschließlich einer Röntgenaufnahme der Atmungsorgane statt, bei der geprüft wird, ob der Asylsuchende unter einer ansteckenden Krankheit leidet. Das im Oktober 2015 in Kraft getretene Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz sieht vor, dass Asylsuchende bis zu sechs Monate, im Falle von Asylsuchenden aus sogenannten Interner Link: sicheren Herkunftsstaaten auch bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens, in einer Erstaufnahmeeinrichtung leben müssen. Erst im Anschluss daran werden sie auf die Kommunen verteilt.

Persönliche Antragstellung bei der zuständigen Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge

Für die Durchführung des Asylverfahrens ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zuständig. Neben seiner Zentrale in Nürnberg unterhält das BAMF im Bundesgebiet mehr als 40 Außenstellen (Externer Link: Stand: März 2016 ). Die Außenstellen sind den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder zugeordnet. Asylsuchende müssen ihren Asylantrag persönlich bei der für sie zuständigen Außenstelle stellen. Dazu erhalten sie vom BAMF einen Termin, bei dem auch ein Sprachmittler anwesend ist bzw. per Videokonferenz zugeschaltet wird. Die Asylsuchenden werden zudem über ihre Rechte und Pflichten im Asylverfahren aufgeklärt. Das BAMF legt eine elektronische Akte über den Asylbewerber an und stellt ein Ausweisdokument, die Aufenthaltsgestattung, aus. Damit erlischt die Gültigkeit des zuvor ausgestellten Ankunftsnachweises. Die Aufenthaltsgestattung berechtigt den Asylbewerber in Deutschland zu bleiben, bis sein Asylverfahren abgeschlossen ist.

Prüfung Dublin-Verfahren

Das Interner Link: Dublin-Abkommen aus dem Jahr 1990, das seit Anfang 2014 in seiner dritten Fassung in Kraft ist (Dublin III), legt auf der Basis verschiedener Kriterien fest, welches Mitgliedsland der Europäischen Union bzw. Norwegen, Island, die Schweiz oder Liechtenstein, die ebenfalls dem Dubliner Übereinkommen beigetreten sind, für die inhaltliche Prüfung des Asylantrags zuständig ist. In der Regel handelt es sich dabei um das Land, in das der Asylsuchende als erstes eingereist ist. Bei der Asylantragstellung in Deutschland prüft das BAMF daher zunächst, ob es überhaupt für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Ist dies nicht der Fall, beantragt es bei dem zuständigen Dublin-Mitgliedstaat die Überstellung des Asylbewerbers. Stimmt dieser der Überstellung zu, stellt das BAMF einen Bescheid aus, der die Überstellung anordnet. Für die Überstellung sind die Ausländerbehörden und die Bundespolizei verantwortlich. Der Asylbewerber kann gegen die Entscheidung zur Überstellung Rechtsmittel einlegen. Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zufolge dürfen Asylbewerber nicht in Länder überstellt werden, in denen ihnen unmenschliche oder erniedrigende Behandlung nach Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) droht bzw. deren Asylsystem "systemische Mängel" aufweist. Asylsuchende werden seit 2011 daher von Deutschland aus nicht mehr nach Griechenland überstellt. Auch Überstellungen in andere Vertragsstaaten sind umstritten. So haben verschiedene deutsche Verwaltungsgerichte in Einzelfällen beispielsweise Überstellungen nach Ungarn untersagt.

Anhörung

Ist Deutschland für die inhaltliche Prüfung des Asylverfahrens zuständig, erhält der Asylbewerber eine Einladung zu einer persönlichen Anhörung. Bei der Anhörung sind ein Mitarbeiter des BAMF (Entscheider) und ein Dolmetscher anwesend, ggf. auch der Rechtsbeistand und eine Vertrauensperson des Antragstellers. Der Asylantragsteller wird zu seinen Lebensumständen befragt und ist dazu aufgefordert, seine Fluchtgründe umfassend, logisch, nachvollziehbar und widerspruchsfrei vorzutragen. Über die Anhörung wird ein schriftliches Protokoll angelegt. Der Antragsteller erhält eine Kopie dieses Berichts. Die Anhörung ist das Kernstück des Asylverfahrens, denn Entscheidungen über einen Asylantrag müssen grundsätzlich auf der Basis einer Betrachtung des Einzelschicksals erfolgen.

Entscheidung

Vor dem Hintergrund der Schilderungen des Antragstellers während der Anhörung entscheidet ein Mitarbeiter des BAMF, ob eine der folgenden Interner Link: Schutzformen gewährt wird: Flüchtlingseigenschaft, Asylberechtigung, subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbot. Zusätzlich zu den Ausführungen des Antragstellers kann der Entscheider auch weitere Informationen über das BAMF-Informationszentrum Asyl und Migration einholen, das zum Beispiel Informationen über die Situation im Herkunftsland des Asylbewerbers in einer Datenbank zusammenstellt. Ebenso kann der Entscheider die Echtheit von Dokumenten und vom Antragsteller vorgelegten Beweismitteln überprüfen lassen, medizinische Gutachten anfordern oder anhand von Sprach- und Textanalysen ermitteln, ob der Antragsteller tatsächlich aus dem Land stammt, das er als sein Herkunftsland angegeben hat.

Die Entscheidung über den Asylantrag wird dem Asylantragsteller schriftlich mitgeteilt. Er wird in diesem Bescheid auch über die Gründe für die Entscheidung sowie Möglichkeiten, Rechtsmittel einzulegen, informiert. Ist der Asylentscheid positiv, wird der Aufenthalt des Asylsuchenden in Deutschland legalisiert: Er erhält eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung. Die Dauer des gestatteten Aufenthalts richtet sich dabei nach der gewährten Schutzform.

Wird der Antrag auf Schutz dagegen abgelehnt, ist der Antragsteller zur Ausreise verpflichtet. Es besteht allerdings die Möglichkeit, gegen die Entscheidung des BAMF Klage einzureichen. Das Gericht kann in diesem Fall entweder eine Schutzberechtigung feststellen oder die Entscheidung des BAMF bestätigen und die Klage abweisen. Wird die Klage abgewiesen, ist der Asylsuchende zur Ausreise verpflichtet. Kommt er dieser Aufforderung nicht freiwillig nach, wird er in sein Herkunftsland abgeschoben. Zuständig für die Abschiebung ist die jeweilige Ausländerbehörde. Die Durchführung erfolgt durch die Bundespolizei. Es kommt vor, dass abgelehnte Asylbewerber nicht abgeschoben werden können, weil tatsächliche oder rechtliche Gründe dagegen sprechen, etwa wenn ein genereller Abschiebestopp verhängt wurde oder Identitätspapiere wie Reisepässe fehlen. In diesem Fall kann die Ausländerbehörde eine Duldung oder eine Aufenthaltserlaubnis erteilen.

Ausblick: Integriertes Flüchtlingsmanagement

Zukünftig soll nach Plänen des für das Asylverfahren zuständigen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Aufnahme und Erstunterbringung von Asylsuchenden in den 16 Bundesländern über sogenannte Ankunftszentren erfolgen. Äußert ein Ausländer bei seiner Einreise nach Deutschland gegenüber der Bundes- oder Landespolizei den Wunsch, Asyl zu beantragen, wird er von den Polizeibeamten direkt an ein Ankunftszentrum weitergeleitet. Asylsuchende, die sich bereits im Inland befinden, müssen sich ebenfalls an ein Ankunftszentrum wenden. Dort soll neben der Registrierung des Asylsuchenden wenn möglich auch das gesamte Asylverfahren durchlaufen werden. Wie lange der Asylsuchende in einem Ankunftszentrum verbleibt, hängt dabei von seinem Herkunftsland und seinem Reiseweg ab. Asylsuchende werden auf dieser Basis in vier Gruppen (Cluster) eingeteilt:

Bei der ersten Gruppe (Cluster A) handelt es sich um Asylsuchende aus Herkunftsländern mit sehr guter Bleibeperspektive. Darunter fallen Syrer, Eritreer, Iraner und religiöse Minderheiten aus dem Irak (Stand: April 2016). In den vergangenen Jahren waren die Anerkennungsquoten für diese Herkunftsgruppen sehr hoch, d.h. mehr als 50 Prozent der Asylantragsteller erhielten humanitären Schutz. Das Asylverfahren von Personen, die in dieses Cluster fallen, soll innerhalb von 48 Stunden abgeschlossen werden. Sie erhalten von Beginn an Zugang zu Integrationsmaßnahmen wie Integrationskursen und Arbeitsmarkt. Bereits im Asylverfahren wird ihr (Berufs-)Qualifikationsprofil erfasst. Nach Abschluss des Verfahrens werden sie direkt an die Kommunen weitergeleitet. Dort sollen sie durch Integrationslotsen bei der der gesellschaftlichen Integration unterstützt werden.

Zur zweiten Gruppe (Cluster B) zählen Asylsuchende, die aus sogenannten Interner Link: sicheren Herkunftsländern stammen und deren Asylantrag damit fast durchgängig negativ beschieden wird. Ihre Verfahren sollen ebenfalls innerhalb von 48 Stunden abgeschlossen werden. Im Anschluss verbleiben sie solange im Ankunftszentrum, bis sie freiwillig ausreisen oder abgeschoben werden.

In das dritte Cluster (Cluster C) fallen komplexe Fälle. Sie werden vom Ankunftszentrum an eine Landeserstaufnahmeeinrichtung weitergeleitet und durchlaufen das Asylverfahren in der zugeordneten Außenstelle des BAMF.

Bei der vierten Gruppe (Cluster D) handelt es sich um sogenannte Dublin-Fälle, Asylsuchende also, deren Asylantrag laut Dublin-Verordnung Deutschland nicht bearbeiten muss. Sie werden in eine sogenannte Wartezone weitergeleitet, bis ihre Überstellung an den für das Asylverfahren verantwortlichen Dublin-Vertragsstaat erfolgen kann.

Das neue Modellverfahren des sogenannten Externer Link: integrierten Flüchtlingsmanagements wurde zunächst in zwei Ankunftszentren – Heidelberg (Baden-Württemberg) und Bad Fallingbostel (Niedersachsen) – getestet und soll bis Mitte 2016 an je einem Standort pro Bundesland eingeführt werden.

Zum Thema

Dieser Text ist Teil des Kurzdossiers Interner Link: "Flucht und Asyl: Grundlagen".

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Vera Hanewinkel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück und Redakteurin bei focus Migration.
E-Mail Link: vera.hanewinkel@uni-osnabrueck.de