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Resettlement in Deutschland | Legale Zugänge zum Flüchtlingsschutz: Resettlement und andere Aufnahmeprogramme für Flüchtlinge | bpb.de

Resettlement Was ist Resettlement? Historische Entwicklung Resettlement durch UNHCR Resettlement im Vergleich zu anderen Aufnahmeprogrammen Aufnahme und Integration EU und Resettlement Deutschland Zukunft des Resettlements Literatur

Resettlement in Deutschland

J. Olaf Kleist

/ 4 Minuten zu lesen

Die Geschichte des Asylrechts reicht bis in das Altertum zurück. Demgegenüber wurden Programme zur Neuansiedlung von Flüchtlingen in Drittstaaten (Resettlement) erst Anfang des 20. Jahrhunderts ins Leben gerufen und in den 1990er Jahren formalisiert. In Deutschland gibt es seit 2012 ein festes Resettlementprogramm. Allerdings hatte die Aufnahme größerer Flüchtlingskontingente bereits vorher Tradition.

Dezember 2015: Eritreische Flüchtlinge nach ihrer Ankunft im Flughafen Kassel. Sie kommen auf Einladung der deutschen Behörden. (© picture-alliance/dpa)

Entwicklung des Resettlements in Deutschland

Die Geschichte des Flüchtlingsschutzes in Deutschland ist in weiten Teilen eine des Resettlements. Viele der großen und bekannten Flüchtlingsgruppen (s. unten) beantragten nicht individuell Asyl in Deutschland, sondern wurden direkt aus anderen Staaten aufgenommen. Man sprach hier ursprünglich von sogenannten Kontingentflüchtlingen, weil sie in Kontingenten auf die Bundesländer verteilt wurden. Der Begriff wurde später für alle Flüchtlinge benutzt, die durch Aufnahmeprogramme nach Deutschland kamen, ist heute aber nicht mehr üblich. Auch hat sich die gesetzliche Grundlage seitdem geändert.

Zu den Kontingentflüchtlingen gehörten ungarische Flüchtlinge, die 1956 aus Österreich aufgenommen wurden, chilenische Flüchtlinge Anfang der 1970er Jahre und vietnamesische Flüchtlinge in den 1980er Jahren. Auch Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien, die in den 1990er Jahren aus Bosnien und Kosovo kamen, wurden so bezeichnet, obwohl sie nur humanitäre Visa erhielten. Es bestand in all diesen Fällen keine besondere rechtliche Regelung für die Aufnahme. Bis 2005 erhielten Flüchtlinge, für die eine Übernahme ausgesprochen wurde, für die Ausreise nach Deutschland im Aufenthaltsland eine Aufenthaltserlaubnis beziehungsweise eine Aufenthaltsbefugnis. Eine Ausnahme waren zum Beispiel jugoslawische Bürgerkriegsflüchtlinge der 1990er Jahre, da sie keine individuelle Verfolgung nachweisen konnten. Sie erhielten kein Asyl, sondern eine Duldung, was zu nachhaltigen Problemen bei ihrem teils langjährigen Aufenthalt in Deutschland führte.

Erst mit dem Zuwanderungsgesetz von 2005 wurden Regelungen in das Aufenthaltsrecht aufgenommen, die eine humanitäre Aufnahme zuließen. Auf dieser Grundlage beteiligte sich die Bundesrepublik auch erstmals an einem Resettlementprogramm und nahm 2005 14 usbekische Flüchtlinge auf und dann 2008 rund 2.500 irakische Flüchtlinge. Nach jahrelangem Lobbying durch Kirchen und andere zivilgesellschaftliche Akteure führte Deutschland schließlich 2012 eine jährliche Resettlementquote von 300 Flüchtlingen ein, die ab 2015 auf 500 Flüchtlinge pro Jahr erhöht und verstetigt wurde. Seit 2015 sind Resettlementflüchtlinge mit anerkannten Flüchtlingen nahezu gleichgestellt, um damit auch den Erfordernissen von UNHCR gerecht zu werden. Zusätzlich zum regulären Resettlementprogramm beschloss die Bundesregierung ab 2013 ein Interner Link: humanitäres Aufnahmeprogramm (siehe Kapitel Interner Link: Resettlement im Vergleich zu anderen Aufnahmeprogrammen), durch das sie zusammen mit den Bundesländern fast 30.000 Syrern temporären Schutz gewährte.

Rechtsgrundlagen der Neuansiedlung

Es besteht kein Rechtsanspruch auf Resettlement. Anders als beim Asyl ist Deutschlands Teilnahme am Resettlement eine freiwillige politische Entscheidung. Hierbei wurde früher bei Flüchtlingen im Herkunfts- oder Erstzufluchtsland als Sichtvermerk im Reisepass eine Aufenthaltserlaubnis verliehen, die Einreise und Aufenthalt in Deutschland ermöglichte. Seit 1965 konnte der Bundesinnenminister mit einer Übernahmeerklärung nach § 22, später § 33 des Ausländergesetzes aus völkerrechtlichen, politischen oder menschlichen Gründen Ausländern im Ausland eine Aufenthaltsbefugnis zusprechen. Mit dem Gesetz über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge (HumHAG) von 1980 wurden so aufgenommene Flüchtlinge anerkannten Asylbewerbern in der Bundesrepublik gleichgestellt. Hierbei mussten Bundesländer einer Aufnahme zustimmen, was häufig politischen Abwägungen unterlag.

Seit 2005 ersetzt das Zuwanderungsgesetz das HumHAG. Die §§ 22, 23 und 24 des Aufenthaltsgesetzes regeln Aufnahme und Aufenthaltsstatus von Ausländern aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen. Die Entscheidungen darüber liegen nach wie vor beim Bundesministerium des Innern und den obersten Landesbehörden. Die Erteilung einer Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis nach § 23 I oder II, wie bei den HAPs für syrische Flüchtlinge, bieten dabei nur einen temporären und beschränkten Status; sie erlauben beispielsweise keine Familienzusammenführung. Auch die Aufenthaltsbestimmungen für Resettlementflüchtlinge blieben hinter den Rechten anerkannter Flüchtlinge der Asylverfahren zurück.

2015 ist mit § 23 IV für das Resettlement von Flüchtlingen eine explizite Gesetzesgrundlage eingeführt worden, die das Quotenverfahren vereinfacht, in die Hände von Bundesministerium des Innern und Interner Link: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) legt und Resettlementflüchtlinge anerkannten Flüchtlingen wieder weitgehend gleichstellt*. Ihr Schutzstatus ist damit dauerhaft angelegt und gibt ein Anrecht auf Unterkunft, auf Sozialleistungen ("Hartz IV") und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Resettlementflüchtlinge können an Integrationskursen teilnehmen und erhalten Unterstützung bei Behördengängen, Arbeits- und Wohnungssuche. Zudem ist ein Familiennachzug möglich und es kann ein Flüchtlingspass zum Reisen ausgestellt werden.

* Ibid.

Verfahren und Integration

Jedes Jahr im Frühsommer nehmen Vertreter des Auswärtigen Amtes (AA), des Bundesministeriums des Innern (BMI) sowie des BAMF an den Annual Tripartite Consultations on Resettlement (ATCR) in Genf teil (siehe Kapitel Interner Link: Wie funktioniert Resettlement durch UNHCR?). Hier wird der weltweite Resettlementbedarf diskutiert und festgelegt, für welche Flüchtlingsgruppen eine Neuansiedlung besonders sinnvoll oder dringlich ist. Auf dieser Grundlage und in Zusammenspiel mit Empfehlungen der EU-Kommission und zivilgesellschaftlicher Akteure legt das BMI fest, wie viele Flüchtlinge einer jeweiligen Gruppe aus welchem Land im kommenden Jahr aufgenommen werden sollen. In der Regel geht es um die Erfüllung der jährlichen Aufnahmequote, die aber manchmal um zusätzliche Resettlementplätze ergänzt wird.

UNHCR übermittelt dann Dossiers mit Informationen über mögliche Resettlementkandidaten an das BAMF. Die Anzahl der in den Dossiers erfassten Personen liegt um ein bis zwei Drittel höher als die zur Verfügung stehende Zahl an Plätzen. Mitarbeiter des BAMF führen dann vor Ort, oder unter Umständen per Skype, Interviews mit den Kandidaten, auf deren Grundlage eine Auswahl getroffen wird. Kriterien für die Auswahl mögen sowohl Schutzbedarf als auch Integrationspotenzial sein.

Nachdem die Flüchtlinge über ihre Aufnahme informiert worden sind, werden sie einem Gesundheitstest unterzogen und sie erhalten ein Visum zur Einreise. Die Interner Link: Internationale Organisation für Migration (IOM) organisiert im Auftrag der Bundesregierung erste Vorbereitungs- und Sprachkurse, bevor sie die Flüchtlinge nach Deutschland ausfliegt. Die Neuankömmlinge leben zunächst für einige Wochen oder auch Monate im Erstaufnahmelager Friedland in Niedersachsen, wo weitere Registrierungen und Kurse stattfinden.

Aus Friedland werden Flüchtlinge auf die Bundesländer und Gemeinden verteilt. Dort haben in der Regel Wohlfahrtsverbände, im Auftrag des Bundeslandes, zusammen mit Ehrenamtlichen die Ankunft vorbereitet, eine Wohnung angemietet und Möbel besorgt. In vielen Städten gibt es "Save Me"-Kampagnen, die ihre Gemeinden dazu aufrufen, Resettlementflüchtlinge aufzunehmen und sich ehrenamtlich für ankommende Flüchtlinge zu engagieren und sie zum Beispiel bei der Wohnungssuche, der ersten Orientierung, bei Übersetzungen und auch bei der längerfristigen Integration zu unterstützen.

Dieser Text ist Teil des Kurzdossiers Interner Link: Legale Zugänge zum Flüchtlingsschutz: Resettlement und andere Aufnahmeprogramme für Flüchtlinge.

Weitere Inhalte

Dr. phil., Politikwissenschaftler und Mitglied am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS), Universität Osnabrück; Gründer des Netzwerks Flüchtlingsforschung.