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Fünf Jahre NEPAD | Afrika | bpb.de

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Fünf Jahre NEPAD

Cord Jakobeit

/ 11 Minuten zu lesen

Das Bekenntnis zur Eigenverantwortung der afrikanischen Staats- und Regierungschefs kann als das zentrale Element von NEPAD gelten. Die Staatslenker akzeptieren Ziele wie Transparenz, Rechenschaftspflicht, Rechtsstaatlichkeit sowie die Bedeutung der Einhaltung zentraler Kriterien einer guten Regierungsführung. Der Beitrag schildert die im Jahr 2001 gegründete "Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung" (NEPAD) für die wirtschaftliche und politische Entwicklung des Kontinents.

Auszug aus:
Interner Link: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 32-33/2006) - Fünf Jahre NEPAD

Einleitung

Die "New Partnership for Africa's Development" (NEPAD) wurde am 23. Oktober 2001 von 15 afrikanischen Staats- und Regierungschefs in Abuja, der Hauptstadt Nigerias, ins Leben gerufen. Mit dieser Reforminitiative, der inzwischen alle 53 Staaten der Afrikanischen Union (AU) angehören, ist auch in Afrika "ein Paradigmenwechsel" vollzogen worden. Statt wie noch in den 1980er Jahren die Staaten des Westens mit Vorwürfen und Anschuldigungen wegen der Sklaverei und der kolonialen Ausbeutung vergangener Jahrhunderte anzuprangern, um daraus Forderungen für Schuldenerlass und deutliche Steigerungen bei Entwicklungshilfe sowie Technologietransfers abzuleiten, steht NEPAD für das erste afrikanische Wirtschaftsstrategiedokument, das die Problemdiagnose des Westens für Afrikas Misere teilt. Das Bekenntnis zur Eigenverantwortung der afrikanischen Staats- und Regierungschefs kann als das zentrale Element von NEPAD gelten. Die Staatslenker akzeptieren Ziele wie Transparenz, Rechenschaftspflicht, Rechtsstaatlichkeit, die Stärkung autonomer Institutionen, die stärkere Einbindung in die internationalen Wirtschaftsbeziehungen, die Priorität der Armutsbekämpfung, die Notwendigkeit von friedensschaffenden und -sichernden bzw. konfliktpräventiven Maßnahmen sowie die Bedeutung der Einhaltung zentraler Kriterien einer guten Regierungsführung. In Begrifflichkeit und Intention bekennt sich NEPAD damit zum entwicklungspolitischen Diskurs über Afrika, wie er seit Ende der Ost-West-Konfrontation in den internationalen Finanzinstitutionen und in der Gebergemeinschaft dominiert. Die Ursprünge von NEPAD gehen auf den damaligen südafrikanischen Vizepräsidenten Thabo Mbeki zurück, der als designierter Nachfolger von Nelson Mandela Mitte der neunziger Jahre nach einer eigenen Vision für die Zukunft seines Landes wie für die des Kontinents suchte. Er fand diese Vision in dem Leitbegriff von der "afrikanischen Renaissance", die er seit 1996 beharrlich in den Mittelpunkt seiner Reden und offiziellen Äußerungen stellte. Auch außenpolitisch machte sich Mbeki seit Mitte 1999 als Präsident Südafrikas daran, nach Verbündeten und Befürwortern seines Erneuerungsprogramms zu suchen. Mit vier weiteren "Schwergewichten" der afrikanischen Politik - zunächst mit den Staatspräsidenten von Nigeria (Olusegun Obasanjo) und Algerien (Abdelasis Bouteflika), dann auch mit Unterstützung von Ägypten (Hosni Mubarak) und aus dem Senegal (Abdoulaye Wade) - legte Thabo Mbeki Anfang 2001 den ersten Entwurf eines Strategiedokuments für die weitere Entwicklung des Kontinents, das "Millennium African Renaissance Programme" (MAP) vor. Nach intensiven Konsultationen und der Integration weiterer programmatischer Entwürfe entstand daraus schließlich im Oktober 2001 die afrikanische Reforminitiative NEPAD, die auf einem Gründungsdokument beruht und inzwischen über ein Sekretariat mit 130 Mitarbeitern in Südafrika verfügt.

Mit seinen Bemühungen um ein innerafrikanisches Programm zur Erneuerung des Kontinents stieß Mbeki bereits im Jahr 2000 beim Gipfeltreffen der acht wichtigen Industrieländer (G8) in Japan auf offene Ohren. Die hohe Zahl innerstaatlicher Konflikte, die HIV/Aids-Pandemie, steigende Flüchtlingszahlen, Staatsverfall und Staatszerfall, die Zunahme der Massenarmut und die unverkennbare Abkoppelung des Kontinents von den dynamischen Globalisierungsprozessen der Weltwirtschaft waren den Staats- und Regierungschefs westlicher Länder nicht entgangen. Nachdem sich die Zusammenführung der diversen afrikanischen Programmentwürfe abzuzeichnen begann, beschloss der G8-Gipfel in Genua 2001 die Einsetzung von Afrika-Beauftragten, die dem G8-Gipfel in Kanada im folgenden Jahr einen G8-Afrika-Aktionsplan vorlegten. Dieser Aktionsplan griff die Themen von NEPAD auf, machte die Unterstützung durch die G8-Staaten aber indirekt von der Akzeptanz stärkerer Mechanismen der Überwachung und Selbstkontrolle abhängig. Der "African Peer Review Mechanism" (APRM), der 2003 als Teil von NEPAD verabschiedet wurde, gilt seither als der innovativste Bestandteil der afrikanischen Reforminitiative, auch wenn die Verabschiedung dieses "afrikanischen Regierungs-TÜVs" nicht problemlos über die Bühne ging. Zahlreiche Staaten der Afrikanischen Union (AU), die 2002 die Nachfolge der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) angetreten hatte, verwahrten sich gegen diese weitere Form der indirekten Konditionalität durch die westlichen Geber. Der Kompromiss bestand letztlich darin, dass NEPAD offiziell zur AU-Initiative erklärt wurde, die Teilnahme an den Überprüfungen durch andere Mitglieder (peer reviews) aber auf freiwilliger Basis erfolgen sollte.

Gleichwohl setzten die G8-Staaten den Dialog und die Unterstützung von NEPAD fort. So verabschiedete der G8-Gipfel 2003 in Frankreich eine Initiative zum Ausbau der Fähigkeiten Afrikas zur Konfliktprävention und -bewältigung, u.a. mittels der Förderung von Kapazitätsbildung sowie von Trainings- und Ausbildungsstätten für afrikanische Friedenstruppen. Auch der G8-Gipfel in Schottland 2005 widmete sich in einem Schwerpunkt erneut den Problemen des Kontinents und wiederholte das Bekenntnis zum Erreichen der Millenniumsziele, um auch in Afrika bis 2015 eine Halbierung der Armut zu erreichen. Zweifellos hat NEPAD dazu beigetragen, das Interesse und die Aufmerksamkeit für die (Fehl-)Entwicklungen Afrikas zu schärfen und gleichzeitig neue Perspektiven zu eröffnen.

Erfahrungen mit der Selbstüberwachung

Ziel des "African Peer Review Mechanism" ist es, Regierungen durch Regierungen anderer afrikanischer Staaten unter sanften Druck zu setzen, die im Rahmen von NEPAD festgesetzten Standards und Ziele, insbesondere die Kriterien einer "guten Regierungsführung", auch einzuhalten. Zwar gibt es wie bei den Überprüfungen einzelner Politikfelder im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) keine harte Bestrafung bei Zuwiderhandlung. Dennoch kann der APRM das Verletzen der gemeinsam vereinbarten Normen und Prinzipien öffentlich machen und die betreffende Regierung notfalls an den Pranger stellen ('naming and shaming'). Der Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, dass die Staaten, die sich freiwillig zur Mitarbeit bekannt haben, mit größerer Wahrscheinlichkeit die Forderungen und Empfehlungen ihrer afrikanischen Kollegen befolgen werden als die oktroyierten Maßgaben von IWF, Weltbank, EU oder den bilateralen Gebern. Die Konditionen werden nicht einseitig von außen festgelegt, sondern gemeinsam erarbeitet. Im positiven Sinne geht es mithin nicht um einen Sanktions-, sondern um einen Korrekturmechanismus, der nicht auf die Abstrafung von Regierungen zielt, "sondern auf Hilfe, um Fehlverhalten zu korrigieren".

Ob diese Zielsetzung auch erreicht werden kann, lässt sich noch nicht beurteilen. Zweifel erscheinen zumindest angebracht. Dass die ursprünglich vereinbarten Zeitpläne für Beginn und Verlauf des Prozesses nicht eingehalten werden konnten, finanzielle und administrative Ressourcen für die Durchführung fehlen oder knapp sind und die Transparenz des Prozesses verbesserungsfähig erscheint, gehört zu den wohl unvermeidlichen Startproblemen einer solchen Initiative in Afrika. Immerhin beteiligen sich am APRM inzwischen 25 der insgesamt 53 NEPAD-Mitgliedsstaaten (Stand vom Frühjahr 2006). Ghana und Ruanda, deren Überprüfungen im Mai 2004 begonnen wurden, haben als erste Staaten den vierstufigen Prüfungsprozess abgeschlossen. Die betreffenden Länderberichte sollen demnächst veröffentlicht werden. Sie werden jedoch voraussichtlich keine großen Überraschungen enthalten: Der Reformmusterschüler Ghana wird vermutlich wegen seiner überbordenden Bürokratie und Ruanda wegen des Mangels an Verwaltungskapazität auf milde Weise kritisiert werden. Als Nächstes wird dann vermutlich der Länderbericht über Kenia veröffentlicht werden; auch die Selbstüberwachungsprozesse in Südafrika, Mauritius und Nigeria sind vergleichsweise weit fortgeschritten. Dagegen steht der APRM für die Mitgliedsstaaten Sudan und Angola noch am Anfang, während es die eigentlichen Problemfälle, wie z.B. Simbabwe, DR Kongo oder Elfenbeinküste, vorgezogen haben, sich dem APRM gar nicht erst anzuschließen.

Letztlich wird die Entscheidung über Erfolg oder Scheitern des APRM davon abhängen, ob alle Staaten des Kontinents APRM beitreten und wie die Regierungen und Zivilgesellschaften, die bisher erst in Ansätzen in den Selbstüberwachungsprozess einbezogen worden sind, auf die Kritik bzw. die Empfehlungen reagieren werden. Der APRM wird mit Unterstützung des Westens erst dann zu einer echten Erfolgsgeschichte werden, wenn es gelingt, die groben Verstöße und eigentlichen Problemfälle nicht nur offen zu benennen, sondern durch ein geschlossenes Vorgehen aller anderen Staaten des Kontinents auch zu beseitigen. Den Prozess jedoch von Beginn an als Farce zu verurteilen, verkennt die Chancen, die der APRM bietet, um die ramponierte Glaubwürdigkeit und mangelnde Entwicklungsorientierung der politischen Eliten Afrikas von innen heraus zu thematisieren und offen zu kritisieren.

Ökonomische Zwischenbilanz

Stein des Anstoßes in der ökonomischen Debatte über NEPAD war von Beginn an eine Zahl, die bereits im Gründungsdokument auftaucht. Ganz in der Tradition früherer afrikanischer Wirtschaftsstrategiedokumente wird auf eine finanzielle Ressourcenlücke in Höhe von 64 Mrd. US-Dollar verwiesen, die es zu schließen gelte, um die weitere ökonomische Abkoppelung des Kontinents zu stoppen und umzukehren. Zwar wird im Gründungsdokument auch deutlich, dass diese Lücke nicht allein durch die Ausweitung der Mittel der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) zu schließen ist, sondern die Mobilisierung des endogenen Sparpotenzials wie die Ausweitung der ausländischen Direktinvestitionen von zentraler Bedeutung sind, aber dennoch war damit das Misstrauen geweckt. NEPAD - so die Befürchtung - sei nichts anderes als die Wiederholung des bekannten afrikanischen Rufs nach mehr Entwicklungshilfe, nur mit dem Unterschied, dass man sich inzwischen an die Leitbegriffe des herrschenden entwicklungspolitischen Diskurses geschickt angepasst habe.

Tatsächlich haben die ominösen 64 Mrd. US-Dollar einen anderen Hintergrund: Einmal handelt es sich dabei um ein Zugeständnis von Thabo Mbeki an den "Omega-Plan" des senegalesischen Präsidenten Abdoulaye Wade, der weit offener als die programmatischen Vorstellungen von Mbeki die großen Lücken in der afrikanischen Infrastruktur benennt und neue und zusätzliche ODA einfordert. Dass die Zahl im NEPAD-Gründungsdokument auftaucht, ist auch darauf zurückzuführen, dass NEPAD alle damals kursierenden afrikanischen Programmentwürfe berücksichtigen musste. Unabhängig von diesen Querelen ist es kein Geheimnis, dass der schlechte Zustand der Infrastruktur, unsichere Transportwege und hohe Transportkosten die Entfaltung wirtschaftlicher Produktivkräfte in Afrika massiv behindern.

Der andere Grund ist dagegen vorwiegend rechnerischer Natur. Während die südost- und ostasiatischen Schwellenländer über lange Zeiträume eine Investitionsquote von über 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aufrechterhalten konnten, lagen die vergleichbaren Quoten für Afrika südlich der Sahara zuletzt unter 20 Prozent. Das Wachstum des BIP betrug im Durchschnitt der Jahre 1960 bis 2000 zudem nur zwei Prozent pro Jahr, weit unter den ca. vier bis fünf Prozent, die notwendig wären, um das gegenwärtige Armutsniveau zu halten, bzw. noch weiter unter der Marke des jährlichen Wachstums des BIP von sieben Prozent, das pro Jahr bis 2015 benötigt würde, um die Millenniumsziele zu erreichen. Unterstellt man die für Afrika niedrige Kapital-Output-Relation, wäre eine rechnerische Lücke von ca. zehn Prozent des BIP zu schließen, um dauerhaft Wachstumsraten von sieben Prozent zu erreichen. Diese Lücke entsprach auf der Grundlage der Zahlen von 2001 einer Größenordnung von 64 Mrd. US-Dollar.

Wird eine vorläufige Bilanz der ökonomischen Aspekte von NEPAD gezogen, so erweist sich der Streit um die Interpretation der 64 Mrd. US-Dollar im Gründungsdokument eher als nachrangig. Zwar gibt es inzwischen spezielle Investitionsprogramme im Rahmen von NEPAD - z.B. für regionale und kontinentweite Infrastrukturmaßnahmen über einen längeren Zeitraum mit einem Volumen von acht Mrd. US-Dollar oder über ein "Comprehensive Africa Agricultural Development Programme" (CAADP), das die Weltbank mit 500 Mio. US-Dollar unterstützt -, aber die Weichenstellungen für die ökonomische Entwicklung des Kontinents werden andernorts vorgenommen. Das zuletzt robuste weltwirtschaftliche Wachstum hat zu einer steigenden Nachfrage und höheren Preisen für afrikanisches Öl und andere mineralische Rohstoffe geführt. Insbesondere die verstärkte Nachfrage aus den asiatischen Regionalmächten China und Indien hat zu einer Diversifizierung der afrikanischen Exportziele geführt und neue ausländische Direktinvestitionen generiert, die jedoch wie in der Vergangenheit in erster Linie in die Erschließung der afrikanischen Rohstoffreserven fließen.

Auch die Hoffnungen, die öffentliche Entwicklungshilfe für Afrika nach den Tiefstständen von Mitte der neunziger Jahre wieder signifikant anzuheben, wobei NEPAD in Verbindung mit den Millenniumszielen zumindest als Katalysator fungieren sollte, haben sich nur bedingt erfüllt. Die jüngste Zwischenbilanz der Weltbank über die Verwirklichung der Millenniumsziele zeigt schonungslos auf, dass in Afrika südlich der Sahara bisher kein bzw. nur ein sehr geringer Fortschritt zu verzeichnen ist und 44 Prozent der Bevölkerung weiter als extrem arm gelten müssen. Setzen sich die Trends der Vergangenheit fort, wird Afrika diese Ziele frühestens Mitte des 22. Jahrhunderts erreichen.

Was die öffentliche Entwicklungshilfe betrifft, so ist zwar mit den neuen Zusagen der OECD-Staaten und der Selbstverpflichtung der EU, den Anteil der ODA bis 2015 auf 0,7 Prozent des BIP anzuheben, inzwischen wieder ein markanter Anstieg zu verzeichnen, aber das Niveau von Anfang der neunziger Jahre ist noch nicht wieder erreicht worden. Zu fragen bleibt grundsätzlich, ob mehr Hilfe auch mehr hilft. Zudem ist der Zuwachs überwiegend auf Schuldenstreichungen für Länder wie den Irak oder Afghanistan zurückzuführen. Wenn die Ausgaben für die Unterbringung und Versorgung von zusätzlichen Flüchtlingen aus Afrika oder die Aufwendungen für die Ausbildung ausländischer Studierender an Europas Universitäten in die Berechnung der ODA-Quote einfließen, dann darf es nicht verwundern, dass andere Faktoren als die Armutsreduzierung den großen Teil der ODA-Zahlungen bestimmen.

Fazit und Perspektiven

Fünf Jahre nach dem Inkrafttreten der NEPAD-Initiative fallen die politischen und ökonomischen Bilanzierungsversuche notgedrungen unvollständig aus. Der APRM steckt noch in den Kinderschuhen und muss sein Potenzial erst noch unter Beweis stellen. Die am stärksten betroffenen Länder haben sich dem Prozess der Selbstüberwachung bisher entzogen. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wurden von NEPAD allenfalls am Rande mit beeinflusst, ohne dass bisher eine signifikante Verbesserung der tiefgreifenden Probleme des Kontinents zu verzeichnen wäre. NEPAD ist daher eher als ein mögliches Hoffnungszeichen denn als tatsächliche Erfolgsgeschichte zu deuten. Jubelchöre sind ebenso wenig angebracht wie Frontalkritik.

NEPAD stellt den selbstkritischen, aber auch selbstbewussten Versuch afrikanischer Staats- und Regierungschefs dar, sich den Globalisierungsprozessen zu öffnen und sich in erster Linie auf das endogene Entwicklungspotenzial und einen strukturierten Kontroll- und Selbstreinigungsprozess zu besinnen. Im Umfeld der Verkündung der Millenniumsziele und der Ereignisse vom 11. September 2001 hat NEPAD mit dazu beigetragen, der weiteren Marginalisierung Afrikas entgegenzuwirken.

Die Herausforderungen für NEPAD werden in den nächsten Jahren darin bestehen, den Vorwurf des "Elitenprojekts" weiter zu entkräften und die afrikanische Zivilgesellschaft umfassend in die Selbstüberwachung und die Beobachtung der politischen wie der sozioökonomischen Parameter einzubeziehen. Bisher sind noch zu viele afrikanische Staats- und Regierungschefs den nachhaltigen Beweis schuldig geblieben, dass Armutsbekämpfung und Entwicklungsorientierung ohne das Beachten aller Ziele einer guten Regierungsführung wirklich erreicht werden können. Der Westen bleibt aufgefordert, Afrika auf seinem schwierigen Weg weiter zu begleiten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. www.nepad.org (2. 6. 2006).

  2. Wie bei der AU gehören alle afrikanischen Staaten mit der Ausnahme Marokkos der NEPAD an. Marokko ist wegen des ungelösten Konflikts um die Westsahara ausgeschlossen.

  3. Konrad Melchers, Die Neue Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas (NEPAD), in: entwicklung & ländlicher raum, (2005) 1, S. 7

  4. Vgl. zu den Zielen im Gründungsdokument der NEPAD vom Oktober 2001 www.nepad.org/2005/files/documents/inbrief.pdf (1. 6. 2006).

  5. Vgl. Rainer Tetzlaff/Cord Jakobeit, Das nachkoloniale Afrika. Politik - Wirtschaft - Gesellschaft, Wiesbaden 2005, S. 208.

  6. Vgl. Cord Jakobeit, Afrikanische Diskussionen zur Entwicklung des Kontinents - das Beispiel ,African Renaissance`, in: Journal für Entwicklungspolitik, (2000) 2, S. 149 - 160.

  7. Vgl. etwa das Basisdokument zum APRM www.nepad.org/2005/files/documents/49.pdf (4. 6. 2006).

  8. Vgl. zu dieser Formulierung Volker Weyel, Ghana wieder erster. Gegenseitige Evaluierung der afrikanischen Staaten, in: eins Entwicklungspolitik, (2006) 10, S. 33 - 37.

  9. Vgl. Harald Heubaum, Making the African Peer Review Mechanism (APRM) Work. A rough road ahead for NEPAD's key component, Stiftung Wissenschaft und Politik Working Paper FG 6/05, December, Berlin 2005.

  10. Vasu Gounden/Senzo Ngubane, Afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme: NEPAD und die afrikanische Renaissance, in: Rolf Hofmeier/Andreas Mehler (Hrsg.), Afrika Jahrbuch 2001, Opladen 2002, S. 44.

  11. Vgl. Sven Grimm/Prince Mashele, The African Peer Review Mechanism - How Far so Far?, DIE Briefing Paper 2, Bonn 2006.

  12. Vgl. Tom Amadou Seck, Eine wenig hilfreiche Partnerschaft für Afrikas Entwicklung, in: Le Monde Diplomatique vom 12. 11. 2004.

  13. Vgl. Ian Taylor, Can NEPAD Succeed Without Prior Political Reform? Danish Institute for International Studies Working Paper 23, Copenhagen 2005.

  14. Vgl. NEPAD (Anm. 4).

  15. Vgl. K. Melchers (Anm. 3), S. 8 f.

  16. Vgl. Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD), African Economic Outlook 2005/06, Paris 2006.

  17. Vgl. The World Bank, Can Africa Claim the 21st Century?, Washington, D.C. 2000.

  18. Vgl. The World Bank, Global Monitoring Report 2006. Strengthening Mutual Accountability: Aid, Trade and Governance, Washington, D.C. 2006.

  19. Die ODA-Zahlungen wurden von 80 Mrd. US-Dollar im Jahr 2004 auf 106 Mrd. US-Dollar 2005 gesteigert.

  20. Vgl. William Easterly, The White Man's Burden. Why the West's Efforts to Aid the Rest Have Done so Much Ill and so Little Good, New York 2006.

  21. Vgl. Oxfam International. EU countries exposed for misleading claims, press release, 3. 4. 2006, http://www.oxfam.org/en/news/pressreleases2006/pr060403_eu (14. 6. 2006).

Dr. rer. pol., MPA (Harvard University), geb. 1958; Professor für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Internationale Politik, Department Sozialwissenschaften, Universität Hamburg, Allende-Platz 1, 20146 Hamburg.
E-Mail: E-Mail Link: cord.jakobeit@uni-hamburg.de