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Afrika und Europa

Susanna Wolf

/ 6 Minuten zu lesen

Einleitung

Vor ihrer Unabhängigkeit in den 1950er und 1960er Jahren war bis auf die Länder Äthiopien und Liberia der gesamte afrikanische Kontinent in den Händen europäischer Kolonialmächte. Die Kolonialisierung Afrikas blieb wie schon auch der Sklavenhandel ab dem 15. Jahrhundert nicht ohne Folgen für die weitere politische und wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents. Um nur ein Beispiel zu nennen, in der kolonialen Epoche nahm die einseitige Ausrichtung der afrikanischen Wirtschaften auf den Export von Rohstoffen ihren Anfang und hat bis in die heutige Zeit den Entwicklungsprozess Afrikas erschwert.

Heute werden die Beziehungen zwischen Afrika und Europa wesentlich durch den Handel, die Migration, die Entwicklungszusammenarbeit sowie Formen der politischen Kooperation sowohl bilateral zwischen den einzelnen Staaten als auch zwischen afrikanischen Ländern und der Europäischen Union bestimmt.

Handelsbeziehungen auf EU Ebene

Als 1975 das erste Lomé-Abkommen zwischen der EU und 46 Staaten in Afrika, der Karibik und dem Pazifik (AKP-Staaten) geschlossen wurde, galt dieses allgemein als Modell für eine Partnerschaft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Seit dem Jahr 2000 sind diese Beziehungen nach umfangreichen Reformen im Cotonou-Abkommen geregelt, an dem sich inzwischen 77 Länder beteiligen; darunter alle Länder des subsaharischen Afrika. Die Kooperation zwischen der EU und den AKP-Staaten basiert auf drei Säulen: gegenseitigen Handelserleichterungen, der Entwicklungszusammenarbeit und der politischen Kooperation. Mit den nordafrikanischen Mittelmeerländern unterhält die EU ebenfalls besondere Beziehungen, die seit 1995 im Euro-Mittelmeer-Abkommen festgeschrieben sind.

Die EU hat den afrikanischen Staaten weit reichende Präferenzen beim Zugang von Exporten zum EU-Markt eingeräumt. Rohstoffe sowie Agrarerzeugnisse, die nicht unmittelbar mit den unter die gemeinsame Agrarpolitik fallenden Erzeugnissen konkurrieren, können weitgehend ohne Zölle und Mengenbeschränkungen in die EU eingeführt werden. Einige für den afrikanischen Export wichtige Agrarprodukte bleiben hiervon jedoch ausgeschlossen. Der Anteil der afrikanischen AKP-Waren an den gesamten Importen der EU beschränkte sich im Jahr 2004 auf 2,4 Prozent, 1975 war er noch knapp dreimal so hoch. Afrikanische Länder exportieren vorrangig weiterhin Rohstoffe wie zum Beispiel Kupfer und Gold sowie landwirtschaftliche Anbauprodukte wie Kakaobohnen, Kaffee oder Baumwolle. Allerdings ist der Anteil dieser Rohstoffe am Welthandel insgesamt gesunken, während der weltweite Handel mit verarbeiteten Gütern und Dienstleistungen stark anstieg.

Die Ursachen für die geringe Exportsteigerung bei verarbeiteten Produkten liegen in vielen afrikanischen Ländern in einer unzureichenden Infrastruktur sowie in einer ausufernden Bürokratie und vielerorts in der Korruption. Aber auch die komplizierten Ursprungsregelungen des Lomé-Abkommens, in denen festgelegt ist, wie groß der Anteil am Produktwert sein muss, der in einem AKP-Land erstellt wurde, und die steigenden Qualitätsanforderungen im EU-Markt tragen dazu bei. Es gibt auf der anderen Seite durchaus Beispiele, wo sich die Handelspräferenzen positiv auswirken, etwa beim Export von Textilien aus Mauritius oder von Blumen, Obst und Gemüse aus Kenia.

In den vergangenen Jahrzehnten fand eine Erosion der Handelspräferenzen statt, der Zugang anderer Länder zum EU-Markt wurde verbessert und somit der Vorteil für die afrikanischen Staaten verringert. Jüngstes Beispiel ist die Reform des Welttextilmarktes. Seit Anfang 2005 sind Importbeschränkungen für wettbewerbsfähige Anbieter wie China weggefallen. Dies hat zu einer Verdrängung von afrikanischen Unternehmen geführt, was einen Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen im Textilsektor in Kenia zur Folge hatte.

Im Cotonou-Abkommen von 2000 wurde nach einer Verhandlungsphase bis 2007 und einer Übergangsphase von etwa zwölf Jahren die Einrichtung von Freihandelszonen zwischen afrikanischen Regionen und der EU vorgesehen. Die Einzelheiten werden dann in so genannten Wirtschaftspartnerschafts-Abkommen geregelt. Um den Regeln der Welthandelsorganisation zu genügen, sollen diese einen zollfreien Zugang für die meisten Produkte sowohl aus den afrikanischen Ländern in die EU, als auch umgekehrt, gewährleisten. Da die ehemaligen Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien den höchsten Marktanteil in Afrika haben, werden sie am meisten davon profitieren.

Mit den nordafrikanischen Ländern hat die EU individuell solche Assoziationsabkommen verhandelt, die in eine Euro-Mediterrane Freihandelszone münden sollen. Für die meisten afrikanischen Länder südlich der Sahara ist ein zollfreier Zugang von Importen aus der EU allerdings problematisch, da befürchtet wird, dass die heimische Produktion der Konkurrenz nicht standhalten kann. Außerdem ist ein bedeutender Rückgang an Zollerlösen zu erwarten, die immer noch ein wichtiger Bestandteil der Staatseinnahmen sind und etwa zur Finanzierung des Bildungs- und Gesundheitswesens verwendet werden. Solange die EU-Agrarpolitik weiterhin subventionierte Produkte auf den Weltmarkt bringt, die die heimische Produktion in Afrika verdrängen, ist auch nicht zu erwarten, dass die afrikanischen Länder von diesen neuen Handelsregelungen profitieren.

Politische und finanzielle Beziehungen zwischen Afrika und Europa

Die einst größten Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich haben auch heute noch ein besonderes Verhältnis zu Afrika. Mehr als 1,5 Mio. Afrikanerinnen und Afrikaner aus den ehemaligen Kolonien und hauptsächlich aus Algerien, Marokko und Tunesien leben in Frankreich (in Deutschland sind es nur 300.000) und etwa 192.000 Franzosen leben in afrikanischen Ländern. Der afrikanische Kontinent ist für Frankreich weiterhin ein wichtiger Lieferant von Rohstoffen. Außerdem spielen insbesondere die französischsprachigen Länder eine zunehmend bedeutende Rolle als Verbündete Frankreichs in internationalen Gremien wie in denen der Vereinten Nationen. Das wurde etwa im März 2003 bei der Ablehnung eines Militärschlags gegen den Irak durch die UN deutlich, als sich Frankreich für seine Position die Unterstützung von mehr als 50 Staaten und somit von mehr als einem Viertel der Mitgliedsländer der Vereinten Nationen sichern konnte. Zudem waren zu diesem Zeitpunkt mit Kamerun, Angola und Guinea drei dieser Länder nichtständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und Guinea führte im entscheidenden Monat den Vorsitz.

Die besondere Bedeutung Afrikas für Frankreich spiegelt sich in der Außenpolitik des Landes wider. 62 Prozent der französischen Entwicklungshilfe fließen nach Afrika. Darüber hinaus engagierte sich Frankreich auch immer wieder politisch und militärisch auf dem Kontinent, etwa in Algerien, Kongo, Ruanda oder seit 2001 vor allem in der Republik Cote d'Ivoire.

Großbritannien verfolgt ebenso bis in die heutige Zeit eigene Interessen auf dem afrikanischen Kontinent. Britische Firmen sind unter anderem stark im Rohölsektor in Nord- und Westafrika sowie im Abbau von Gold und Diamanten im südlichen Afrika involviert. Auch auf der politischen Ebene übt Großbritannien noch immer einen großen Einfluss auf die englischsprachigen Länder Afrikas aus. 16 afrikanische Staaten sind Mitglieder des "Commonwealth of Nations", einem losem Zusammenschluss von Staaten, der aus dem "British Empire" hervorging. Die Bedeutung Afrikas für Großbritannien wird unterstrichen durch die von Tony Blair im Jahr 2004 ins Leben gerufenen Kommission für Afrika, die Priorität Afrikas während seiner EU-Präsidentschaft und auf dem G8-Gipfel 2005 im schottischen Gleneagles.

Die allgegenwärtige Präsenz Europas in Afrika ist auch noch 50 Jahre nach der Kolonialzeit zu erkennen. Die EU finanziert gemeinsam mit ihren Mitgliedsländern mehr als 50 Prozent der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Wenn man berücksichtigt, dass Musterländer wie Uganda etwa die Hälfte ihres Staatshaushaltes mit Finanzhilfen aus der Entwicklungszusammenarbeit bestreiten, werden bestehende Abhängigkeiten schnell deutlich. Im Oktober 2005 hat die EU beschlossen, ihre Hilfe für Afrika in den nächsten fünf Jahren um 50 Prozent auf 30 Mrd. US-Dollar zu erhöhen. Diese Mittel dienen einerseits der Armutsbekämpfung im Hinblick auf die Millenniumsziele der Vereinten Nationen, aber auch der Bewältigung der Anpassungskosten, die durch die geplanten Freihandelszonen entstehen werden.

Inzwischen übersteigen allerdings in etlichen afrikanischen Ländern, wie zum Beispiel in Burkina Faso und Lesotho, die Geldüberweisungen der im Ausland lebenden Afrikaner die finanziellen Zuschüsse der Industrieländer. Das Geld dient nicht nur der Finanzierung von Nahrungsmitteln und dem Schulbesuch von Verwandten aus der Heimat, sondern wird zunehmend in kleine Unternehmen investiert und trägt somit zu verbesserten Zukunftschancen bei.

Wenn die Süd-Nord Migration auch die Entwicklung des afrikanischen Kontinents voran bringt, für Europa stellt sie eine Herausforderung dar. Europa hat daher zum einen ein eigenes Interesse an einer Verbesserung der Lebensbedingungen in Entwicklungsländern, da sich dann weniger Menschen veranlasst sehen würden, ihre Heimat zu verlassen. Dennoch wird es immer Migrationsströme geben, von denen typische Einwanderungsregionen wie Europa und die USA im Übrigen ebenso wirtschaftlich profitieren und auf die sie im Hinblick auf die Geburtenrückgänge auch in Zukunft angewiesen sind. Eine auf europäischer Ebene gesteuerte Zuwanderungspolitik gekoppelt mit nationalen Integrationsstrategien erweisen sich folglich als dringend notwendig, um die illegale Migration mit ihren Negativeffekten einerseits und das Abdrängen von Einwanderern an den Rand der Gesellschaft andererseits zu vermeiden und die Migration für beide Kontinente gewinnbringend zu gestalten.

Fussnoten

Susanna Wolf ist seit 2004 Mitarbeiterin bei der UN-Wirtschaftskommission für Afrika. Davor war sie tätig an der Universität Ghana und am Zentrum für Entwicklungsforschung der Universität Bonn. Dissertations-Thema: Handelsbeziehungen zwischen der EU und den AKP-Staaten.