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Soziale Bewegungen in Honduras | Lateinamerika | bpb.de

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Soziale Bewegungen in Honduras

Ina Hilse

/ 6 Minuten zu lesen

Obwohl soziale Bewegungen in Honduras immer wieder durch Spaltungen und Opportunismus geschwächt wurden, haben sie wichtige Ziele erreicht. Dazu gehören mehr Rechte für Arbeiter und ein Gesetz zum Schutz der Frauen.

Arbeiter protestieren im November 2003 in Tegucigalpa, Honduras gegen den Internationalen Währungsfond. (© AP)

Honduras galt lange als das Land mit dem geringsten Organisierungsgrad in Zentralamerika. Dies spiegelt die Abwesenheit einer nationalen Wirtschaftsstruktur wider, in der Kleinproduktion und Subsistenzwirtschaft vorherrschten. In den 1920er-Jahren entstanden die großen Bananenplantagen im Norden von Honduras, die hauptsächlich für den Export produzierten, als erste Enklave industrieller Produktion. Gewerkschaftliche Organisierung war auf den Plantagen verboten, Mitglieder der Kommunistischen Partei versuchten allerdings immer wieder, diese Wand zu durchbrechen. Nur langsam formierte sich Widerstand gegen die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen. 1954 forderten die Bananenarbeiterinnen und -arbeiter in einem großen Streik 50 Prozent mehr Lohn, Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen, vor allem aber das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung. Der Streik dauerte insgesamt 69 Tage und legte zeitweise 60 Prozent der Wirtschaft lahm. Als Ergebnis wurde ein Recht auf Organisierung festgeschrieben, sowie die Grundlagen für die 1959 gültig werdende Arbeitsgesetzgebung geschaffen.

Auch für die soziale Bewegung war der Streik ein zentrales Moment, weil er den Weg für soziale Organisierung geöffnet hat. Zwischen 1955 und 1960 entstanden 77 Gewerkschaften im Land, insbesondere im öffentlichen Sektor. Die Schlagfertigkeit der Gewerkschaften nahm jedoch durch Korruption und Spaltungen ab. Die Schwierigkeit, Forderungen und Ziele abzustimmen, ist darin begründet, dass sie unterschiedlichen politischen Linien zuzuordnen sind. Es gibt drei Dachverbände: CTH (Confederación de Trabajadores de Honduras, gegründet 1964), CGT (Central General de Trabajadores, gegründet 1970), und die CUTH (Confederación Unitaria de Trabajadores, gegründet 1992).

Prekäre Arbeitsbedingungen

In den 1980er-Jahren, als die ökonomische Krise und die Umsetzung neoliberaler Politik begannen, war die Gewerkschaftsbewegung sehr geschwächt. In dieser Zeit bildeten sich neue Organisationen vor allem aus der studentischen Protestbewegung, die gegen die Menschenrechtsverletzungen und die Politik des Verschwindenlassens der Militärregierungen protestierten.

In den jüngsten Jahren haben sich die Gewerkschaften im Widerstand gegen die Privatisierungen der öffentlichen Dienste wieder stärker eingebracht. Auch bei den Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika haben sich einige Gewerkschaften organisiert, zum Beispiel im "Bloque Popular", der eine Nichtunterzeichnung des Abkommens forderte, und in der "Coalicion Nacional de Resistencia Popular" (CNRP). In den Freihandelszonen, in denen nach wie vor hauptsächlich Frauen arbeiten, werden die Arbeitsrechte nicht eingehalten und die Arbeitsbedingungen sind prekär: Arbeitstage überschreiten den Acht-Stunden-Tag bei Weitem, es gibt nicht ausreichend Pausen, Kündigungen werden unbegründet ausgesprochen, Abfindungen nicht gezahlt, Organisierungsversuche sind verboten. Es drehen sich also auch heute noch die Kämpfe in einem wichtigen Sektor der sozialen Bewegung um das grundlegendste aller Arbeitsrechte, das Recht auf Organisierung. Neben den erwähnten Fabriken der Freihandelszonen sind dies häufig Franchise-Unternehmen oder die Sicherheitsbranche.

Ungerechte Landverteilung

Die ungerechte Landverteilung ist ein weiteres Thema des sozialen Widerstandes in Honduras. Eine der ersten Organisationen von Bäuerinnen und Bauern war FENACH (Federacion Nacional de Campesinos de Honduras), später wurde ANACH gegründet, die eine konservativere Linie verfolgte. Spaltungen schwächten jedoch auch diese Bewegung; der aktuellste Versuch, die zersplitterte Bauernbewegung zu vereinen, ist die Gründung von COCOCH (Consejo Coordinador de Organizaciones Campesinas de Honduras) Ende der 1980er.

1962 wurde das Agrarreform-Gesetz gültig, das auf Druck der USA zustande kam. Um den nach der kubanischen Revolution stärker werdenden linken Gruppierungen den Wind aus den Segeln zu nehmen, sprach sich die US-Regierung damals für Landreformen in Mittelamerika aus. Land, das die Größe von 1.000 bis 2.000 Hektar überschritt und nicht bewirtschaftet wurde, konnte enteignet und an Landlose übertragen werden. Ausgenommen waren die großen Bananenplantagen der US-Konzerne sowie die Zuckerrohrfelder und Ölpalmenwälder. In der Praxis wurde das Land jedoch häufig nur vergeben, wenn die Bauern selbst die Initiative ergriffen und Land besetzten. Vor allem in den 1970er-Jahren kam es so zu verstärkten Landbesetzungen. Es wurden Kooperativen gegründet, die vom honduranischen Agrarreform-Institut Besitzurkunden erhielten. Bis Anfang der 1990er-Jahre wurden 400.000 Hektar verteilt. Nur vier Prozent aller Personen, die im Rahmen der Agrarreform zwischen 1962 und 1991 Landtitel bekamen, waren Frauen. Die Regierung begleitete den Prozess jedoch nicht durch Beratungsprogramme für die Kooperativen oder durch Krediterleichterungen, sodass ein beträchtlicher Teil des Landes nicht bebaut wurde und nur wenige Genossenschaften Gewinne erwirtschaften konnten.

1992 erließ die Regierung ein Gesetz, das den Verkauf des Kooperativenlandes erlaubte und den Zugang zu ungenutztem Land erheblich erschwerte. Damit wechselte ein Großteil des Kooperativenlandes in die Hände von nationalen Großgrundbesitzern und der Standard Fruit Company. Die Struktur dieser Situation hat sich bis heute kaum verändert. Nach wie vor besitzen nicht die Bauern das Land, das sie bestellen, sondern sie müssen es "besetzen", um eine Lebensgrundlage zu haben, und werden in der Folge kriminalisiert. Besetzte Landstriche werden immer wieder von Militär und Polizei geräumt. So ist zum Beispiel im August 2005 auf elf Bauernführer der Region Bajo Aguan ein Haftbefehl ausgestellt worden. Mit 151 weiteren Personen von acht Organisationen werden sie krimineller Handlungen beschuldigt, weil sie sich für die Verwirklichung ihres Rechts einsetzten. COCOCH versucht, das Thema Landreform erneut in die politische Debatte zu bringen, unter anderem, indem ungenutztes Land wieder zugänglich gemacht werden soll.

Organisierte Frauenbewegung

Organisierte Frauenbewegung gibt es in Honduras seit 1926, als sich die "Sociedad Cultural Femenina" für ökonomische und politische Rechte von Frauen einsetzte. Visitación Padilla und Graciela García waren zentrale Figuren dieser Frauenbewegung. Sie hat für Bildungsmöglichkeiten ärmere Frauen eingesetzt und begriff sich als Teil der Arbeiterbewegung. In den 1950er-Jahren erkämpfte die Bewegung das Frauenwahlrecht, das 1954 als letztes Land in Lateinamerika eingeführt wurde.

Im Rahmen der Menschenrechtsbewegung wurde 1984 das "Movimiento de Mujeres por la Paz Visitacion Padilla" gegründet, benannt nach der Aktivistin Visitación Padilla. Die Frauen setzten sich mit Sitzblockaden, Demonstrationen vor den Militärstützpunkten, Hungerstreiks und kulturellen Aktionen gegen die Präsenz des US-Militärs und der Kontra-Bewegung in Honduras ein. In Hochzeiten waren zum diesem Zeitpunkt 60.000 Soldaten aus den USA in Honduras stationiert.

Die feministische Frauenbewegung in Honduras entstand zu einem beträchtlichen Teil aus den aus dem Exil zurückgekehrten Aktivistinnen der studentischen Protestbewegung der 1980er-Jahre. Im Exil waren sie mit feministischen Ideen in Kontakt gekommen, die ihre Unzufriedenheiten in den studentischen oder gewerkschaftlichen Organisationen, in denen sie bis dahin aktiv gewesen waren, aufgriffen. Zurückgekehrt nach Honduras, bildeten sie Gruppen, die zunächst Selbstreflektion und die Analyse der Situation von Frauen in der Gesellschaft zum Thema hatten, ähnlich der Frauenbewegung der 1970er-Jahre in der BRD. Ab Anfang der 1990er bildeten sich Gruppen, die auch an die Öffentlichkeit gingen und eine Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse anstrebten. Grundlage ihrer Forderungen ist, dass Frauen sich grundsätzlich in einer sozial benachteiligten Situation gegenüber Männern befinden und politische, soziale und ökonomische Veränderungen sich daher immer in ungleichem Maße auf die Situation von Frauen auswirken. Zu diesen Gruppen gehören das Zentrum für Frauenrechte CDM (Centro de Derechos de Mujeres), gegründet 1992, CEM-H (Centro de Estudios de la Mujer) gegründet 1987, und das Colectivo Feminista de Mujeres Universitarias COFEMUN, entstanden zwischen 1992 und 1994. Alle wollen durch politische und/oder juristische Einflussnahme einen Beitrag zur Veränderung dieser benachteiligten Situation von Frauen und der Machtbeziehung zwischen Männern und Frauen leisten.

Gewalt gegen Frauen

Zwei Verdächtige werden in Tegucigalpa, Honduras, von der Polizei verhaftet. Sie sollen zur Jugendgang Mara 18 gehören. Von den in ganz Lateinamerika verbreiteten Gangs soll es allein in Honduras mehr als 500 geben, denen 100.000 Mitglieder angehören. (© AP)

Das größte Thema der honduranischen Frauenbewegung war und ist Gewalt gegen Frauen. In einer Gesellschaft, die vom Machismo geprägt ist, werden Frauen oft nur als Sexualobjekte und billige Arbeitskräfte gesehen. Sexueller Missbrauch und Vergewaltigung von Mädchen durch männliche Familienmitglieder sind nicht ungewöhnlich. Gewalt gegen Frauen ist an der Tagesordnung: Allein von Januar bis Oktober 2006 fanden 128 Frauen in diesem Umfeld einen gewaltsamen Tod.

Angeboten wurde von den feministischen Frauengruppen dazu zunächst psychologische Unterstützung. Eine spätere Aktionslinie bestand darin, die Situation von Frauen auch gesetzlich abzusichern, sodass es in Honduras seit 1998 ein Gesetz gegen häusliche Gewalt gibt. Im Laufe der 1990er-Jahre differenzierten die Themen stärker aus. So hat die Frauenbewegung in den jüngsten Jahren wichtige Arbeit geleistet, um die Partizipation von Frauen in öffentlichen Räumen und die Einrichtung von Frauenbüros voranzubringen, Arbeitsrechte von Frauen zu verankern sowie sexuelle und reproduktive Rechte zu thematisieren.

Die soziale Bewegung in Honduras ist immer wieder durch Spaltungen, Verfolgung kurzsichtiger Interessen und Opportunismus sowie persönliche Konflikte unter den Führungspersonen und interne Machtkämpfe geschwächt worden. Dennoch hat sie verschiedene Ziele im Laufe der Zeit erreicht, beispielsweise Arbeitsgesetzgebung, ein institutionalisiertes Agrarreform-Programm, Sozialgesetzgebung, Mindestlöhne, Gesetze zum Schutz von Frauen. Aktuell sind im NGO-Sektor Organisationen zu Themen wie Armutsbekämpfungsstrategie, Umwelt- und Ressourcenschutz, Migration, ethnische Zugehörigkeiten engagiert.

Links

Externer Link: Arbeitsbedingungen Sicherheitsbranche (spanisch)

Externer Link: Frauenrechte, Maquila: CDM (spanisch)

Externer Link: CEM-H (spanisch)

Externer Link: Landrechte (englisch)

Alternative Informationen

Externer Link: Conexihon.com - Periodismo de Honduras (spanisch)

Externer Link: Portal de Desarrollo Sostenible (spanisch)

Externer Link: Comité de Familiares de Detenidos Desaparecidos en Honduras COFADEH (spanisch)

Weitere Inhalte

Ina Hilse, Jahrgang 1970, Diplom-Sozialwirtin, war von 2000 bis 2002 in der Informationsstelle Guatemala e.V. tätig. Sie ist Autorin für die Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika ila. Von 2003 bis 2007 engagierte sie sich zudem für den Deutschen Entwicklungsdienst DED als Beraterin im Zentrum für Frauenrechte CDM in Tegucigalpa/Honduras.