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Analyse: Pragmatisch, taktisch, opportun: Die russisch-iranische Allianz im Nahen Osten | Russland-Analysen | bpb.de

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Analyse: Pragmatisch, taktisch, opportun: Die russisch-iranische Allianz im Nahen Osten

Azadeh Zamirirad

/ 10 Minuten zu lesen

Seit der russischen Militärintervention in Syrien bilden Moskau und Teheran eine taktische Allianz. Beide Länder sind fest entschlossen, ihre Beziehungen weiter auszubauen. Weshalb es sich aber dennoch um eine Partnerschaft mit Grenzen handelt, erläutert die folgende Analyse.

Moskau und Teheran eint ungeachtet aller Differenzen mehr, als es auf den ersten Blick ersichtlich ist. (© picture-alliance/AP)

Zusammenfassung

Das russisch-iranische Verhältnis ist ambivalent. Einerseits haben Moskau und Teheran ihre Kooperationsbemühungen deutlich intensiviert und bilden heute in Syrien eine maßgebliche militärische Allianz. Andererseits sind die Beziehungen nach wie vor einem grundlegenden Misstrauen, divergierenden Interessen und engen Grenzen unterworfen, die einer in höherem Maße strategisch ausgerichteten Partnerschaft im Wege stehen. Bruchstellen im bilateralen Verhältnis werden vor allem in Syrien deutlich, wo sich unterschiedliche Vorstellungen über die politische Zukunft des Landes entgegenstehen. Zugleich nimmt für Iran durch den Rückzug der USA aus der Atomvereinbarung die Bedeutung Russlands zu. Trotz bestehender Differenzen ist daher auch weiterhin mit einem verstärkten Ausbau der russisch-iranischen Zusammenarbeit zu rechnen.

Einleitung

Eine enge Partnerschaft zwischen Moskau und Teheran mag in vielerlei Hinsicht abwegig erscheinen. Russland und Iran blicken auf eine lange Geschichte kriegerischer Auseinandersetzungen und gegenseitigen Misstrauens zurück. Als ressourcenreiche Staaten sind sie Rivalen auf dem Energiemarkt, und es ist ihnen bislang nicht gelungen, nennenswerte Wirtschaftsbeziehungen jenseits des Nuklear- oder Militärsektors zu etablieren. Auch auf kultureller Ebene bestehen nur wenige Anknüpfungspunkte. Der wechselseitige gesellschaftliche Einfluss ist äußerst gering. Schließlich bestehen auch ideologisch kaum Überschneidungen. Dem säkularen russischen Staat steht in der Islamischen Republik Iran eine religiös geprägte politische Ordnung gegenüber. Doch ungeachtet aller Differenzen eint Moskau und Teheran mehr, als auf den ersten Blick ersichtlich ist.

Gemeinsame Ordnungsvorstellungen

Ordnungspolitisch besteht zwischen Russland und Iran eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Beide wenden sich gegen eine maßgeblich von den USA geprägte Weltordnung und setzen darauf, den US-amerikanischen Einfluss im Nahen und Mittleren Osten einzuschränken. Dies geht auch mit der Ablehnung einer NATO-Präsenz in der Region einher. Da Washington sukzessive Bedeutung im Nahen und Mittleren Osten eingebüßt hat, versuchen sowohl Moskau als auch Teheran, diesen Umstand geopolitisch für sich zu nutzen. Russland und Iran streben dabei eine multipolare Weltordnung an, in der sie als einflussreiche Akteure eine herausragende politische Geltung beanspruchen können. Das gilt für Russland auf globaler und für die Islamische Republik auf regionaler Ebene. Dabei kommt Teheran zugute, dass Moskau – im Gegensatz zu Washington – Iran als Regionalmacht anerkennt. Russland verfolgt gegenüber Iran weder eine regime-change-Politik noch einen Ansatz aktiver Eindämmung. Die russisch-iranischen Beziehungen stehen nicht unter dem Vorbehalt, gemeinsame Wertvorstellungen teilen oder Menschenrechtsfragen diskutieren zu müssen. Auch fordert Russland von Iran nicht, das Existenzrecht Israels anzuerkennen. Gleichzeitig gehört Russland zu den wenigen Staaten, die bereit sind, Iran militärtechnisch zu unterstützen. Größere Exporte russischer Waffensysteme könnten nach Ablauf des bestehenden Embargos der Vereinten Nationen schon ab 2020 möglich werden. Darüber hinaus teilen Moskau und Teheran Bedrohungswahrnehmungen. Beide sehen nicht nur in terroristischen Bewegungen, sondern auch in separatistischen Bestrebungen ethnischer Minderheiten eine gravierende sicherheitspolitische Gefahr. Während die Entstehung unabhängiger Staaten mit Blick auf die Minderheiten im eigenen Land den russischen bzw. iranischen Interessen entgegensteht, zeigen sich beide Staaten anderswo durchaus bereit, Autonomie anzuerkennen, beispielsweise in Irakisch-Kurdistan. Russland und Iran teilen die Vorstellung, dass politische Umstürze einen Ordnungszerfall in der Region nur beschleunigen, und setzen daher auf den Erhalt bestehender Grenzen. Zu diesem Zweck sind sie bereit, staatliche Strukturen notfalls auch mit gewaltsamen Mitteln aufrechtzuerhalten, so etwa in Syrien. Zwar ist Iran Russlands Militärmacht nicht gewachsen, doch können Irans direkte Einflussmöglichkeiten diejenigen Russlands in einigen Konfliktgebieten deutlich übersteigen, beispielsweise in Syrien oder dem Irak. Teheran könnte zudem seinen Einfluss auf zentralasiatische Republiken oder den Kaukasus dazu nutzen, um in russischer Nachbarschaft Konflikte zu schüren. Angesichts der Möglichkeit, den Interessen des jeweils Anderen in der Region entgegenzustehen, sind Moskau und Teheran bestrebt, Konfrontationen überall dort zu vermeiden, wo ihre außenpolitischen Kernziele nicht im Widerspruch stehen. Dass Russlands und Irans Interessen in der Region sich in zentralen Fragen nicht kategorisch ausschließen, hat eine engere sicherheitspolitische Zusammenarbeit erst ermöglicht. Wie ambivalent die Kooperation dennoch ist, zeigt sich in Syrien.

Moskau als Mit- und Gegenspieler Teherans in Syrien

Seit der russischen Militärintervention in Syrien im September 2015 bilden Moskau und Teheran eine Allianz, die das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad an der Macht halten soll. Während Russland Unterstützung aus der Luft leistet, operiert die Islamische Republik am Boden durch die Entsendung paramilitärischer Kräfte sowie mit Hilfe verbündeter Milizen. Die iranische Zusammenarbeit mit Russland ist inkonsistent, aber weitreichend. So hat Teheran Moskau nicht nur Überflugrechte im iranischen Luftraum gewährt, sondern im August 2016 russischen Kampfjets sogar einen eigenen Luftstützpunkt in Hamedan zur Verfügung gestellt. Die russische Intervention wurde zwar von Teheran begrüßt, ging aber zugleich mit einer Minderung des iranischen Einflusses einher. So nahm in der Folge nicht nur Irans Bedeutung als militärischer und politischer Verbündeter Assads ab, sondern auch der Spielraum, um Verhandlungen oder die politische Zukunft Syriens maßgeblich prägen zu können. Auch wenn Iran noch immer eine ernstzunehmende Rolle als spoiler spielen kann, ist in Syrien nicht Teheran, sondern Moskau federführend. Das russisch-iranische Verhältnis bleibt trotz der bisherigen militärischen Erfolge schwierig. So haben Moskau und Teheran unterschiedliche Vorstellungen davon, wie die politische Zukunft Syriens aussehen sollte. Russland setzt auf ein föderales Modell, das den Kurden im Land eine Selbstverwaltung ermöglicht. Teheran setzt dagegen auf eine starke syrische Zentralregierung und lehnt die Idee einer föderalen Struktur ab, die unterschiedliche Einflusszonen zur Folge haben und damit die Regierung in Damaskus schwächen könnte.

Unterschiedliche Vorstellungen bestehen aber auch hinsichtlich der Frage, wie die Integration der bewaffneten Milizen nach Beendigung des militärischen Konflikts bewerkstelligt werden sollte. Moskau schwebt vor, paramilitärische Kräfte der Kontrolle zentral gesteuerter, regulärer Streitkräfte zu unterstellen. Lange Zeit sah Russland dabei davon ab, von Iran den Abzug nahestehender Milizen aus Syrien zu fordern. Noch im Herbst 2017 gab der russische Außenminister Sergej Lawrow an, dass Irans Präsenz in Syrien legitim sei und sich Moskau daher nicht dazu verpflichtet sehe, einen Rückzug iranischer Kräfte aus Syrien sicherzustellen. Dieser Ansatz scheint jedoch nicht länger Bestand zu haben. Nach einem Treffen mit Assad im Mai sprach Wladimir Putin davon, dass ausländische Truppen in absehbarer Zeit aus Syrien abgezogen werden sollten. Die Aussage des russischen Präsidenten wurde von Alexander Lawrentjew, seinem Sonderbeauftragten für Syrien, konkretisiert. Lawrentjew ließ wissen, dass damit sowohl die USA und die Türkei, als auch Iran und die Hisbollah gemeint seien. In Teheran stießen diese Aussagen auf scharfe Kritik.

Die veränderten Töne aus Moskau sind unter anderem der Sorge Russlands vor einer militärischen Eskalation zwischen Iran und Israel geschuldet. Tel Aviv hat wiederholt deutlich gemacht, dass es eine langfristige militärische Präsenz Irans in Syrien notfalls auch mit militärischen Mitteln unterbinden werde. Die ohnehin angespannte Lage zwischen Teheran und Tel Aviv hat sich weiter zugespitzt, seit im April eine iranische Drohne in den israelischen Luftraum eingedrungen ist. Gegenseitige Anschuldigungen und militärische Vergeltungsschläge haben das Risiko einer direkten militärischen Konfrontation seither kontinuierlich erhöht. Die aktuelle Lage steht Russlands Interessen in vielerlei Hinsicht entgegen. Zum einen wächst die Gefahr, dass Washington sein Engagement in Syrien verstärkt. Dies würde ein größeres russisches Eingreifen in Syrien erfordern, während Moskau daran gelegen ist, sich zeitnah aus Syrien zurückziehen zu können. Zum anderen möchte Russland es vermeiden, sicherheitspolitisch zwischen die Fronten einer kriegerischen Auseinandersetzung zu geraten. Moskau hat kein Interesse daran, seine guten Beziehungen zu Israel oder aber zu Iran (auf dessen Unterstützung es in Syrien angewiesen ist), zugunsten einer der beiden Seiten zu gefährden und sich in einen weiteren Regionalkonflikt reinziehen zu lassen. Mit Blick auf die unterschiedlichen Interessen der regionalen Akteure in Syrien dürfte es Russland schwerfallen, seine Ausbalancierungspolitik auf Dauer aufrechtzuerhalten, solange es selbst in Syrien noch aktiv ist. Die Basis für eine langfristige russisch-iranische Zusammenarbeit hat damit klare Grenzen.

Partnerschaft mit Grenzen

Ob die Kooperation zwischen Russland und Iran in Syrien ein Modell für künftige Allianzen dieser Art sein kann, ist ungewiss. Fraglich ist aber auch, ob die Partnerschaft eine grundlegende geopolitische Verschiebung im Nahen und Mittleren Osten einläutet. Teheran steht der Vorstellung einer längerfristigen oder gar strategischen Partnerschaft mit Moskau skeptisch gegenüber. Einer solchen Partnerschaft stehen aus Sicht der Islamischen Republik vor allem drei Hindernisse im Weg: Erstens behindern Moskaus Beziehungen zu Teherans regionalen Gegenspielern einen substanziellen Ausbau der bilateralen Beziehungen. Moskau hat kein Interesse daran, sein gutes Verhältnis zu solchen wesentlichen Regionalakteuren wie Israel oder Saudi-Arabien zugunsten eines exklusiven Bündnisses mit Teheran aufzugeben. Zudem möchte Russland es vermeiden, einseitig als schiitische Unterstützungsmacht in der Region wahrgenommen zu werden. Eine sicherheitspolitische Kooperation, die Iran für den Ernstfall auch militärische Unterstützung gegenüber seinen regionalen Rivalen zusichern könnte, ist damit ausgeschlossen. Zweitens ist sich die Islamische Republik der Asymmetrie des Machtverhältnisses zwischen dem eigenen Status als Regionalmacht und jenem der globalen Großmacht Russland bewusst. Iran sieht die Gefahr, zum Spielball russischer Außenpolitik zu werden, die im Bedarfsfall den Juniorpartner leicht seinen Interessen auf internationaler Ebene unterordnen könnte. Drittens schließlich sieht Teheran in Moskau einen Akteur, dessen Außenpolitik in erster Linie taktischen und nicht strategischen Erwägungen folgt und damit für langfristige Planungen ungeeignet erscheint. Dabei herrscht die Vorstellung, dass Russland seine Interessen vornehmlich aus nationaler und nicht aus globaler Sicht definiere. Ein solcher Staat kann aus Sicht der Islamischen Republik nicht als effektive Ordnungsmacht gelten, mit der gemeinsame Ziele in der Region umgesetzt werden könnten. Iran sieht damit grundlegende Parameter einer strategischen Partnerschaft nicht erfüllt. Eine solche wäre erst dann gegeben, wenn Moskau Teheran auch Sicherheitsgarantien bereitstellen könnte oder aber willens wäre, iranische Interessen auch im UN-Sicherheitsrat zu vertreten. Bislang sind die Beziehungen mehr von gezielter taktischer Zusammenarbeit als von einvernehmlicher strategischer Planung gekennzeichnet.

Russlands gestiegene Bedeutung nach dem Rückzug der USA aus der Atomvereinbarung

Durch die Ankündigung des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump, sich nicht länger an die nukleare Übereinkunft mit Iran halten zu wollen, haben sich die Vereinigten Staaten einseitig aus der Atomvereinbarung zurückgezogen. Mit dieser Entscheidung hat Washington Russlands sicherheitspolitische Bedeutung für Iran auf absehbare Zeit erhöht. Der russische Einflussgewinn ist dabei sowohl mit Chancen, als auch mit Risiken verbunden. Russland hält trotz des Rückzugs der USA an der Atomvereinbarung fest, solange Iran seinen Verpflichtungen nachkommt. Moskaus Interesse am Erhalt der Übereinkunft ist vielfältig. Russland hat viel Zeit und Ressourcen in die diplomatischen Bemühungen um die 2015 getroffene Vereinbarung investiert. Ein Scheitern würde dagegen die Gefahr einer militärischen Eskalation erhöhen, in die Akteure wie die USA, Israel oder Saudi-Arabien involviert sein könnten. Auch würde das Risiko nuklearer Proliferation in der Region steigen. Eine potenzielle weitere Destabilisierung des Nahen und Mittleren Ostens könnte sich auch auf die Stabilität im Kaukasus oder Zentralasien auswirken. Russland will im Nahen und Mittleren Osten keinen weiteren militärischen Konfliktherd riskieren, der ein russisches Eingreifen oder gegebenenfalls auch eine klare Positionierung erfordern würde. Moskau kann sich weder eindeutig an die Seite Teherans stellen, noch seine taktische Allianz mit Iran riskieren, solange Russland noch immer militärisch in Syrien involviert ist. Moskau wäre auch deshalb von einer gescheiterten Vereinbarung betroffen, weil derzeit im iranischen Atomkraftwerk in Buschehr mit russischer Unterstützung zwei weitere Reaktoren gebaut werden. Die Gefahr, dass Buschehr Ziel direkter Militärschläge externer Akteure werden könnte, wäre hoch. Im Falle eines Scheiterns der nuklearen Übereinkunft würde allerdings Russlands Bedeutung für die iranische Außenpolitik steigen. Im Übrigen würde ein Ende der Vereinbarung nicht nur die Glaubwürdigkeit der europäischen Verhandlungsparteien, sondern auch deren politisches Gewicht drastisch mindern. Innerhalb Irans könnten sich damit vor allem Verfechter einer stärkeren politischen Anbindung an Moskau im Rahmen der Politik des "Blicks nach Osten" durchsetzen, die verstärkt auf politische Kooperation mit Staaten wie Russland oder China baut. Russland würde aber vor allem von einem Fortbestehen der Atomvereinbarung profitieren. Schließlich ist sich nicht nur Moskau, sondern auch Teheran der Gefahr einer militärischen Eskalation, auch unter den derzeitigen Bedingungen, bewusst. Iran will dabei verhindern, russischen Interessen derart entgegenzustehen, dass Moskau sich von seiner weitgehenden Duldungspolitik gegenüber dem iranischen Vorgehen in der Region abwendet oder sich in Syrien unmissverständlich auf die Seite Tel Avivs stellt. Zugleich dürfte die iranische Erwartungshaltung gegenüber Russland zunehmen. Teheran verspricht sich eine direkte politische Unterstützung Russlands im UN-Sicherheitsrat, um gegebenenfalls per Veto die Durchsetzung von nuklearbezogenen Sanktionen gegen Iran zu verhindern. Hier wird sich zeigen, ob Moskau bereit ist, zugunsten Irans und gegen die Interessen der USA Stellung zu beziehen.

Ausblick

Moskau und Teheran sind fest entschlossen, ihre Beziehungen auf wirtschaftlicher, nukleartechnischer und sicherheitspolitischer Ebene auszubauen. Dabei stellt das Verhältnis kein langfristiges oder stabiles Militärbündnis dar, sondern vielmehr eine lose taktische Allianz, die pragmatischen Erwägungen folgt. Zwar weichen Irans und Russlands geopolitische Interessen in der Region in vielen Bereichen voneinander ab, schließen sich aber nicht kategorisch aus. So ergibt sich für beide Seiten die Möglichkeit, ihre Regionalpolitik aufeinander abzustimmen. Aufgrund ihrer jeweiligen geopolitischen Bedeutung ist es keiner Seite möglich, ihre regionalpolitischen Interessen gegen den Willen des Anderen durchzusetzen. Teheran benötigt Russlands Unterstützung, wenn es in Syrien seine langfristigen politischen Ziele umsetzen will. Moskau wiederum ist darauf angewiesen, dass Iran seine vielfältigen Möglichkeiten, in zahlreichen Konfliktherden der Region russischen Interessen zuwiderzuhandeln, nicht ausschöpft. Ob das Bündnis ein Modell für weitere temporäre Allianzen sein kann, wird davon abhängen, inwieweit es beiden am Ende gelingt, ihre Ziele in Syrien umzusetzen. Sollte es tatsächlich gelingen, diese Hürde zu nehmen, ist auch in Zukunft mit der Bildung einflussreicher russisch-iranischer Machtkonstellationen in der Region zu rechnen.

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Fussnoten

Azadeh Zamirirad ist Politikwissenschaftlerin und arbeitet bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf der Islamischen Republik Iran, insbesondere der iranischen Atom- und Regionalpolitik sowie Irans Außenbeziehungen. Als Iran-Expertin der SWP berät sie die Bundesregierung, den Bundestag sowie weitere politische Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel in Fragen der iranischen Außen- und Sicherheitspolitik.