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Ägypten | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Ägypten

Jan Claudius Völkel Ola Kubbara

/ 7 Minuten zu lesen

Die ägyptische Regierung geht hart gegen Oppositionelle und Kritiker vor. Auf anhaltende Terroranschläge auf der Sinai-Halbinsel und in Kairo reagiert sie vor allem militärisch. Die wirtschaftliche Misere, einer der Hauptgründe für die Konfliktanfälligkeit des Landes, verschärft sich durch die Covid-19-Pandemie weiter.

Sicherheitskräfte nach einer islamistischen Demonstration in den Straßen Alexandrias (03.01.2014). (© picture-alliance, abaca)

Die aktuelle Situation

Der Ausbruch der Covid-19 Pandemie hat Ägypten hart getroffen. Der internationale Tourismus, wichtige Einnahmequelle für Millionen Ägypter, wurde nahezu vollständig lahmgelegt. Obgleich die offiziellen Infektions- und Todeszahlen im internationalen Vergleich relativ niedrig sind, wird die Pandemie die ohnehin schon schwierige sozioökomische Lage und damit die allgemeine Konfliktanfälligkeit des Landes weiter verschärfen. Schon vor der Pandemie mussten 27% der Ägypter mit weniger als 3,20 US-Dollar pro Tag auskommen. Beobachter befürchten pandemiebedingt einen weiteren Anstieg der Armutsrate sowie die Zunahme sozialer Spannungen und politischer Konflikte.

Trotz massiver Ausweitung der Befugnisse der Sicherheitskräfte hat die Gefahr terroristischer Anschläge in Ägypten nicht abgenommen. Diese richten sich überwiegend gegen staatliche Einrichtungen, wie Polizeistationen und Militärposten, aber auch gegen Kirchen und Moscheen, mit Hunderten von Opfern. Allein 2020 haben bereits mehrere schwere Attentate stattgefunden. Bei einem Anschlag von Islamisten auf der Sinai-Halbinsel am 30. April 2020 wurden zehn Armeeangehörige getötet. Der "Islamische Staat" (IS) bzw. dessen lokaler Ableger "Wilayat Sina", übernahm in den meisten Fällen die Verantwortung für die Angriffe.

Als Reaktion töteten Spezialeinheiten Anfang Mai 2020 im nördlichen Sinai nach Angaben des Innenministeriums 18 Terroristen, bereits am 16. März 2020 waren sechs und am 11. Februar 2020 weitere 17 Terroristen in Feuergefechten im Bezirk Obeidat in Arish nahe der Grenze zum Gaza-Streifen erschossen worden. Allerdings bezeichnet die Regierung undifferenziert nahezu alle Aufständischen, manchmal auch die beduinischen Einwohner des Sinai, pauschal als "Terroristen". Der Anti-Terror-Kampf wird bewusst mit dem vergleichbar rabiaten Vorgehen gegen örtliche Mafiaclans und kriminelle Netzwerke vermischt.

Wer immer sich kritisch über die Regierung äußert, muss wegen "Gefährdung der staatlichen Sicherheit" oder "Unterstützung von Terrorismus" mit langen Gefängnisstrafen oder gar der Todesstrafe rechnen. Nach Schätzungen von Amnesty International darben zwischen 40.000 und 60.000 politische Häftlinge in überfüllten Gefängnissen. Die Regierung geht in ihrer kompromisslosen Verfolgung seit einigen Jahren selbst gegen Familienangehörige von emigrierten Oppositionellen vor. Bei nächtlichen Hausdurchsuchungen werden immer wieder Menschen verhaftet und teils zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt.

Ein inneres und regionales Stabilitätsrisiko stellt die Verwicklung Ägyptens in die Konflikte in den Nachbarländern dar: Libyen, Sudan und Jemen. Gerade die rund 1.000 km lange Grenze zu Libyen gilt als wichtiger Schmuggelweg für Waffen, Söldner und Terroristen. Organisationen wie al-Qaida oder der IS haben in Libyen sichere Rückzugsräume gefunden. Präsident Abdel Fattah al-Sisi kündigte im Juni 2020 an, dass sich die ägyptische Armee auf eine eigene "Militärmission" in Libyen einstellen müsse – eine Drohung, die der libysche Regierungschef Fayez al-Sarraj umgehend als illegitime Einmischung in die inneren Angelegenheiten seines Landes verurteilte.

Der Konflikt mit den südlichen Anrainerstaaten um Nutzungsrechte des Nilwassers macht die existenzielle Abhängigkeit Ägyptens mit seiner schnell wachsenden Bevölkerung (über 100 Mio.) in dramatischer Weise deutlich. Insbesondere das äthiopische Staumauerprojekt "Grand Ethiopian Renaissance Dam" (GERD) lässt in Ägypten die Furcht vor sinkenden Pegelständen wachsen. Dadurch dürften sich die Dürreperioden weiter verschärfen. Die Regierung forderte im Juni 2020 den UN-Sicherheitsrat auf, Äthiopien daran zu hindern, ohne eine vertragliche Einigung einseitig mit der Auffüllung des GERD-Reservoirs zu beginnen. Außenminister Sameh Shoukry schloss ein militärisches Vorgehen gegen Äthiopien nicht mehr explizit aus.

Ursachen und Hintergründe des Konflikts

Das Ende des Regimes von Hosni Mubarak (Amtszeit 1981-2011) war ein hoffnungsvoller Moment für alle Ägypter, die sich nach einem freien, demokratischen und gerechten Ägypten sehnen. Die verkrusteten staatlichen Strukturen, getragen von der in viele Bereiche hineinregierenden Armee und einer aufgeblähten, ineffizienten Bürokratie, schienen plötzlich überwindbar. Dies war eine Illusion. Heute sind weitgehend dieselben Kräfte an den entscheidenden Positionen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft wie unter Mubarak und den Regimen davor.

Die wichtigste Ursache der innerstaatlichen Konflikte in Ägypten ist die starke Trennung und Polarisierung zwischen Unterstützern und Kritikern des Regimes ohne Möglichkeiten einer demokratischen Konfliktschlichtung. Oppositionelle aus dem islamistischen, dem liberalen sowie linken Spektrum, darunter Studierende, Professorinnen und Professoren, Künstler und Medienschaffende, werden gleichermaßen verfolgt. Die Regierung hat seit 2011 mindestens 19 neue Gefängnisse errichten lassen, in denen Folter und Misshandlung von Gefangenen weit verbreitet sind. Viele der Aktivisten des Arabischen Frühlings 2011 wurden mit drakonischen Gefängnisstrafen belegt, teilweise für Kommentare in sozialen Medien. Strafbar ist die Beteiligung an Demonstrationen, egal ob gegen steigende Preise der Kairoer U-Bahn oder die drastischen Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit.

Der Kampf zwischen dem Regime und der Muslimbruderschaft hat nach dem einjährigen Intermezzo der Herrschaft von Präsident Mohamed Mursi (2012-2013) wieder stark an Bedeutung gewonnen. Präsident Abdel Fattah al-Sisi wirft der Muslimbruderschaft religiösen Extremismus und Staatsgefährdung vor und präsentiert sich selbst als Verteidiger des echten, gemäßigten Islams. Die oftmals pauschale Stigmatisierung von Anhängern der Muslimbruderschaft sowie liberalen und säkularen Regierungskritikern als "Terroristen" verhindert eine konstruktive und inklusive Lösung der Konflikte.

Gleichzeitig werden die wirtschaftlichen Spielräume des Regimes für die Finanzierung des Sozial-, Bildungs- und Gesundheitssystems immer enger. Ägypten hat wirtschaftlich jahrzehntelang über seine Verhältnisse gelebt. Externe Einkünfte wie die Schifffahrtsgebühren aus dem Suez-Kanal, Einnahmen aus dem Tourismus, die Rücküberweisungen von Auslandsägyptern und großzügige Unterstützung von Partnerländern und -organisationen halfen, die strukturellen Defizite der Volkswirtschaft einigermaßen auszugleichen.

Die aktuelle Covid-19-Pandemie macht die Versäumnisse schlagartig sichtbar. Konflikttreibend ist vor allem die hohe Arbeitslosigkeit, insbesondere unter Jugendlichen. 2019 lag die offizielle Arbeitslosenquote bei 11,29%, unter den 15-29-Jährigen, die etwa ein Fünftel der Gesamtbevölkerung ausmachen, gelten sogar 31,3% als beschäftigungssuchend.

Ein Großteil der ärmeren Schichten verdingt sich als Tagelöhner oder im informellen Sektor, hat also keinen Schutz gegen Ausbeutung oder Verdienstausfälle bei Krankheit, Verletzungen oder Wirtschaftsflauten. Sinkende Direktinvestitionen aus dem Ausland (FDIs) reduzierten sich im Zeitraum Juli 2018 bis März 2019 von 6,2 Mrd. US-Dollar auf 4,6 Mrd. US-Dollar. Weitere Gründe für die Wirtschaftsmisere sind die hohe Korruption sowie das zunehmende Übergewicht der Firmen des "militärischen Komplexes" gegenüber privaten Unternehmen. Militärische Firmen bezahlen kaum Steuern und oftmals auch keine Löhne. Zudem müssen sie bei Missachtung von Umwelt- und Arbeitsstandards keinerlei Sanktionen befürchten. Die Sicherheitsorgane fungieren teilweise als "Staat im Staat" und haben sich jeglicher zivilpolitischen Kontrolle entzogen.

Ägypten. (mr-kartographie) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Bearbeitungs- und Lösungsansätze

Bei der Gewährleistung der inneren Sicherheit setzt die Regierung auf Härte. Hunderte, vor allem junge Ägypter, verschwinden plötzlich. Auch wenn die Regierung in vielen Fällen die Vorwürfe dementiert, ist davon auszugehen, dass die Verschwundenen von Polizeikräften verhaftet werden und sich dann ohne Gerichtsverfahren in Haft wiederfinden, oder aber von den Sicherheitskräften bereits zu Tode gefoltert bzw. hingerichtet wurden. Der Bericht "We do unreasonable things here" der Organisation Human Rights Watch vom September 2017 dokumentiert das "gewaltsame Verschwindenlassen" und die systematischen Folterungen auf bedrückende Weise.

Nur selten wendet sich das Regime von dieser Politik der Spaltung ab und zeigt Signale des guten Willens. Am 19. März 2020 wurden 15 prominente Oppositionelle aus der Haft entlassen, offiziell aus Gründen des Pandemie-Schutzes. Nur einen Tag später wurden allerdings erneut Regimekritiker verhaftet, die willkürlichen Polizeiaktionen werden also fortgesetzt. Insgesamt verbleibt die Situation für die zehntausenden Gefangenen verheerend. Die Kosten dieses umfassenden, repressiven Sicherheitsapparats sind immens, sowohl direkt als auch indirekt: Da sind zum einen die enormen Geldaufwendungen für den Betrieb und Unterhalt des Sicherheitspersonals und der Gefängnisse. Da sind andererseits die weggesperrten Menschen, deren Kompetenzen und kreatives Potenzial der Entwicklung des Landes verlorengehen. Hinzu kommt der massive Glaubwürdigkeitsverlust der Regierung bei internen wie externen Partnern.

Internationale Akteure, wie die EU oder die USA, befinden sich in einem Dilemma. Zwar appellieren sie an die Regierung, Demokratie und Menschenrechte zu wahren, setzen tatsächlich aber eher auf die Stärkung des Regimes, um eine befürchtete weitere Destabilisierung der Region zu verhindern. Die Haltung Ägyptens im Konflikt mit Libyen ist hierbei ebenso von Interesse wie die gegenüber Israel. Auch die Angst vor einer erneuten Zunahme der irregulären Migration über das Mittelmeer spielt eine große Rolle. Solange Kairo also die wirtschaftliche Kooperation und national wie regional ein Minimum an Stabilität gewährleistet, wird sich der externe Druck auf das Regime in engen Grenzen halten.

Geschichte des Konflikts

Die Niederhaltung und Verfolgung Andersdenkender begann im Schatten der Herrschaft von Ägyptens legendären Präsident Gamal Abdel Nasser (Amtszeit 1954-1971). Auf der einen Seite warb er für die "doppelte Einheit" – aller Ägypter und aller Araber. Die nasseristische Bewegung profilierte sich einerseits als Avantgarde des Pan-Arabismus. Andererseits wurde zunehmend jeglicher Widerspruch oder auch nur ein simples Hinterfragen von Regierungsdirektiven unterdrückt und Oppositionelle in den Untergrund gedrängt. Seit 1956 ermöglichte der nahezu ununterbrochen andauernde Ausnahmezustand den staatlichen Sicherheitsorganen ein weitgehend unkontrolliertes Vorgehen. Hier begann die Radikalisierung vieler oppositioneller Akteure, insbesondere aus dem islamistischen Spektrum.

Vor allem radikalisierte Muslimbrüder, aber auch andere islamistische Gruppen, wie "Gama’at al-Islamiyya" oder "Wilayat Sina", attackierten zunehmend staatliche Ziele und verübten Attentate. So wurde der ägyptische Präsident Anwar al-Sadat im Oktober 1981 von vier Islamisten der Gruppe "Al-Dschihad" ermordet. Auch touristische Attraktionen, wie der Hatschepsut-Tempel in Luxor (November 1997), das Hilton Hotel in Taba (Oktober 2004) oder ein Reisebus an den Pyramiden von Gizeh (Mai 2019), wurden zum Ziel von Anschlägen.

Die Muslimbruderschaft wurde 1928 von Hassan al-Banna, insbesondere aus Protest gegen die damals dekadente herrschende Klasse gegründet. Seitdem wurden ihre Mitglieder – mal mehr, mal weniger – als Feinde der Regierung wahrgenommen und politisch verfolgt, teils zu langen Haftstrafen verurteilt oder gar mit Todesurteilen belegt.

Nach den Erfolgen bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2011/2012 wähnten sich die Muslimbrüder mit dem Wahlsieg "ihres" Präsidenten, Mohammed Mursi, am Ziel und begannen, die Gesellschaft ihren islamistischen Vorstellungen gemäß umzustrukturieren. Ihre Verbannung von der Macht im Sommer 2013 läutete die Restaurierung des alten Regimes ein. Präsident al-Sisi ist nach Ansicht vieler Beobachter heute mit größerer Machtfülle ausgestattet als Mubarak, Sadat und Nasser. Das Ausmaß staatlicher Repression hat unter seiner Herrschaft nochmals zugenommen. Zum Beispiel gilt Ägypten laut "Reporter ohne Grenzen" als eines der gefährlichsten Länder für Journalisten.

Weitere Inhalte

Jan Claudius Völkel, geb. 1976, ist Senior Researcher am Freiburger Arnold-Bergstraesser-Institut und Regionalkoordinator Nordafrika/Nahost beim Bertelsmann Transformationsindex (BTI). Von 2013 bis 2017 war er DAAD-Langzeitdozent für Politikwissenschaft an der Cairo University, Faculty of Economics and Political Science, und von 2017 bis 2019 Marie Skłodowska-Curie Fellow am Institute for European Studies der Vrije Universiteit Brussel.

Ola Kubbara, geb. 1981, promovierte zu deutschen und europäischen Unterstützungsleistungen im ägyptischen Demokratisierungsprozess und schloss die Arbeit 2019 erfolgreich an der Cairo University, Faculty of Economics and Political Science, ab. Sie war Stipendiatin des Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) für einen längeren Forschungsaufenthalt am Freiburger Arnold-Bergstraesser Institut in den Jahren 2017 – 2018.