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Zentralafrikanische Republik | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Zentralafrikanische Republik

Helga Dickow

/ 9 Minuten zu lesen

Seit 2013 versinkt die Zentralafrikanische Republik in Gewalt – mit dramatischen humanitären Folgen. Weder der Regierung unter Präsident Touadéra noch internationalen Vermittlungsbemühungen gelingt es, das Land zu stabilisieren. Mit Ausnahme der Hauptstadt wird das Land weitgehend von Rebellengruppen beherrscht.

Flüchtlinge in Bangui, Zentralafrikanische Republik, im Januar 2014. (© picture-alliance)

Aktuelle Konfliktsituation

Die aktiven Kämpfe im Frühjahr 2020 konzentrieren sich vornehmlich auf die Region um Ndélé im überwiegend von Muslimen besiedelten Nordosten des Landes. Die Auseinandersetzungen begannen, nachdem die einflussreiche "Front Patriotique pour la Renaissance de la Centrafrique", die weite Teile des Nordostens beherrscht, und andere islamisch geprägte Milizen ihre Zustimmung zum Friedensvertrag von Bangui vom Februar 2019 zurückgezogen hatten. Bei den Kämpfen geht es vornehmlich um die Kontrolle von Rohstoffen (Diamanten, Uran, Gold) und Weidegebieten.

Im chronisch vernachlässigten Norden nahm 2013 auch der Bürgerkrieg seinen Ausgang. 2012 hatten muslimische Aufständische die Regierung unter Druck gesetzt, die nördlichen Regionen stärker an den nationalen Ressourcen zu beteiligen. Die Regierung hielt sich nicht an die Absprachen, die Rebellenallianz Séléka ("Koalition") eroberte die Hauptstadt Bangui und stürzte im März 2013 Präsident Bozizé. Den Aufständischen stellten sich die Kämpfer der Anti-Balaka ("Gegen die Macheten") entgegen. Der lose Verbund aus Milizen war aus dörflichen Selbstverteidigungsgruppen der christlichen Bevölkerung in den südlichen Landesteilen hervorgegangen.

Seit dem Beginn des Bürgerkrieges kamen bei Angriffen, Überfällen und Racheakten von Rebellengruppen und kriminellen bewaffneten Gruppen tausende Menschen ums Leben. Beide Konfliktparteien begingen grausame Menschenrechtsverbrechen. Bei einer Bevölkerung von knapp fünf Millionen gelten über 700.000 Menschen als Binnenflüchtlinge, mehr als 610.000 suchen in Flüchtlingslagern in Nachbarländern Schutz. Laut Schätzungen der UNO sind über zweieinhalb Millionen Menschen von Nothilfe abhängig. Sieben von zehn Menschen sind arm. Rebellengruppen und Milizen kontrollieren ca. 80% des Landes; weite Teile gelten als unregierbar. Die Gewalt macht auch vor der UN-Einsatzgruppe MINUSCA, internationalen Hilfsorganisationen und Journalistinnen und Journalisten nicht halt. Regelmäßig werden sie von bewaffneten Gruppierungen gezielt angegriffen und Soldaten bzw. Mitarbeitende getötet.

Die Wahl von Faustin Archange Touadéra im Februar 2016 zum Präsidenten des Landes beendete die Übergangsperiode unter Präsidentin Catherine Samba-Panza. Der ehemalige Mathematikprofessor Touadéra gewann als unabhängiger Kandidat 63% der Stimmen. Er kann aber weder die in ihn gesetzten Hoffnungen auf Frieden und Wiederherstellung des Gewaltmonopols des Staates erfüllen, noch gelingt es der Regierung, die Rebellengruppen zu entwaffnen. Macht und Einfluss der Regierung in Bangui reichen trotz der Unterstützung zahlreicher internationaler Organisationen und Akteure kaum über die Grenzen der Hauptstadt Bangui hinaus.

Nach dem Friedensvertrag von Bangui, der 2019 unterzeichnet wurde, hat Präsident Touadéra die Regierung zweimal umgebildet, um den Milizen eine größere Regierungsbeteiligung zu ermöglichen. Doch auch der achte Friedensvertrag zwischen Regierung und Rebellengruppen innerhalb von zwei Jahren wird nicht eingehalten. Präsident Touadéra und Premierminister Firmin Ngrébada versuchen vergeblich zu vermitteln, um die für Dezember 2020 geplanten Präsidentschaftswahlen nicht zu gefährden.

Zentralafrikanische Republik. (mr-kartographie) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Ursachen und Hintergründe

Die rohstoffreiche ZAR gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Im Human Development Index der UNO von 2019 rangiert es unverändert an letzter Stelle von 188 Staaten. Die Provinzen im Nordosten sind nur schwer erreichbar und wurden von der Regierung völlig vernachlässigt. Straßen, Krankenhäuser oder Schulen sind hier nicht zu finden – dafür aber Erdöl, Uran und Diamanten. Traditionell leben in der Provinz Vakaga muslimische Bevölkerungsgruppen. Viele sind als Viehnomaden oder als Händler tätig.

Der Konflikt zwischen Muslimen und Christen hat auch eine historische Dimension: In der ZAR fanden schon in vorkolonialer Zeit Sklavenraubzüge arabisch-muslimischer Gruppen aus dem heutigen Sudan statt. Das ist tief im Gedächtnis der lokalen Bevölkerung verankert. Auch schwelt ein traditioneller Konflikt zwischen den sesshaften (christlichen) Bauern und arabischstämmigen nomadisierenden Viehhirten. Die Mehrheit der von der Subsistenzwirtschaft lebenden Bevölkerung des Südens fühlt sich gegenüber den wohlhabenderen Muslimen benachteiligt, die den größten Teil des Kleinhandels im gesamten Land kontrollieren. Umgekehrt werden Muslime noch in zweiter oder dritter Generation als Zuwanderer und Fremde angesehen und politisch diskriminiert. Sie wurden auch von der politischen Macht ausgeschlossen.

Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich und der Tschad tragen eine Mitverantwortung für den Konflikt. Beide Länder prägen seit Langem die politische Entwicklung der ZAR. Mit ihrer Unterstützung gelangte zunächst Ange-Félix Patassé (1993 bis 2003) und dann François Bozizé (2003 bis 2013) an die Macht. In der Geschichte des Landes hat es bislang noch keine wirklich demokratischen Strukturen oder gar einen demokratischen Machtwechsel gegeben. Die Abhängigkeit der politischen Elite von Frankreich ermöglichte französischen Unternehmen die Ausbeutung der Rohstoffe und dem französischen Militär bis 1998 die Nutzung der Militärbasen im Land. Als Bozizé sich von seinen ehemaligen Schutzmächten zu lösen versuchte und sich anderen internationalen Partnern zuwandte, nämlich China und Südafrika, ließen ihn Paris und N‘Djamena fallen.

Wegzölle ebenso wie der Handel mit Rohstoffen sind für Milizen und Rebellengruppen eine bedeutende Einnahmequelle. Daher verschärft sich auch der Kampf um die Kontrolle der rohstoffreichen Gegenden und Diamantenminen. Neben Frankreich profitieren inzwischen auch Staaten, wie China und Russland, vom Rohstoffhandel.

Bearbeitungs- und Lösungsansätze

Die Zentralafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECCAS) versuchte, sofort nach dem Ausbruch der Kämpfe 2013 eine politische Lösung zwischen den Konfliktparteien (Präsident Bozizé, SELEKA, Anti-Balaka, Übergangsregierung) zu finden. Unter der Ägide der ECCAS wurden mehrere Verträge abgeschlossen. Im Vertrag von Libreville (Gabun) vom Januar 2013 wurde ein Übergangsprozess vereinbart und in der Erklärung von N’Djamena vom 18. April 2013 erneut bekräftigt. Die Übergangsperiode unter einer Regierung der Nationalen Einheit endete vertragsgemäß mit den Wahlen von 2016. Damit galt auch der Bürgerkrieg als überwunden. Doch die Kämpfe zwischen den verschiedenen Fraktionen und ehemaligen Kombattanten der Ex-SELEKA und Anti-Balaka brachen schnell wieder aus.

Noch während der Übergangsphase kamen Vertreter der Ex-SELEKA, der Anti-Balaka, Mitglieder der Übergangsregierung und der Zivilgesellschaft auf Einladung des kongolesischen Präsidenten und Mediators der ECCAS für die Krise in der ZAR, Denis Sassou N’Guesso, in Brazzaville zu Verhandlungen zusammen. Die Teilnehmer am "Forum von Brazzaville" unterzeichneten am 23. Juli 2014 den Vertrag von Brazzaville, der die sofortige Beendigung der Feindseligkeiten vorsah. Dieser Übereinkunft schlossen sich am 22. Januar 2015 ebenfalls auf Vermittlung von N‘Guesso im Vertrag von Nairobi weitere Vertreter von Abspaltungen der Anti-Balaka und der Ex-SELEKA an. Sie vereinbarten zusätzlich einen Waffenstillstand und eine Amnestie. Am 14. April 2015 unterzeichneten auch die Ex-Präsidenten Bozizé und Djotodia den Vertrag.

Der UN-Sicherheitsrat stimmte am 10. April 2014 für die Entsendung einer Blauhelm-Mission (Resolution 2149 (2014) und Resolution 2217 (2015)). Die Mission MINUSCA bestand zunächst aus 10.000 Militärs und 1.800 Polizisten sowie zivilen Beratern. Zu ihren Aufgaben gehören u.a. der Schutz von Zivilisten, die Unterstützung bei der Organisation von Wahlen, einer Polizei- und Justizreform sowie der Entwaffnung, Demobilisierung, Wiedereingliederung und Repatriierung der Angehörigen der Milizen. Am 15. September 2015 löste die UN-Mission sowohl die französische Militärmission Sangaris als auch die Mission der Afrikanischen Union (AU) MISCA ab. Frankreich beendete die Mission Sangaris offiziell am 30. Oktober 2016. Das aktuelle Mandat der UN-Mission läuft bis zum 15. November 2020. Afrikanische Staaten stellen neben Pakistan und Bangladesch den größten Teil des inzwischen 13.252 Militärs und Polizisten umfassenden Kontingents. Trotz ihrer Zahl können sie die Zivilbevölkerung nicht ausreichend schützen.

Christliche und muslimische Führer und Amtsträger arbeiten eng zusammen, um die Menschen vom friedlichen Miteinander zu überzeugen. Im November 2015 besuchte der Papst das Land und betete in einer Moschee im muslimischen Viertel PK5. Im Mai 2015 versuchte das "Forum von Bangui" auf Initiative religiöser Führer, die Gewaltspirale zu stoppen. Ca. 600 Teilnehmer aller Konfliktparteien, der Regierung und der Zivilgesellschaft einigten sich auf die Entwaffnung und Demobilisierung aller Kämpfer und ihre Integration in die nationale Armee. Unmittelbar nach Beendigung des Forums gingen die Kämpfe allerdings weiter.

Auch die katholische Laienorganisation Sant‘Egidio beteiligte sich vergeblich an den Friedensbemühungen: Die mit ihrer Unterstützung ausgehandelten Friedenverträge von Rom wurden am 19. Juni 2017 von der Regierung und dreizehn Milizen und Rebellengruppen über eine sofortige Waffenruhe unterzeichnet. Aber eine interne Abspaltung der Ex-SELEKA, die "Front Populaire pour la Renaissance de la Centrafrique" (FPRC), nahm umgehend die Kämpfe wieder auf und verübte Massaker an der Zivilbevölkerung.

Im November 2018 wurden zum ersten Mal zwei ehemalige Milizenchefs der Anti-Balaka, Alfred Yekatom und Patrice-Edouard Ngaïssona, an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ausgeliefert und dort wegen Verbrechen an der muslimischen Bevölkerung während der Jahre 2013 und 2014 angeklagt. Die Vorverhandlungen sind abgeschlossen, und der Prozess wird voraussichtlich 2020 beginnen. Abdoulaye Miskine, der Chef der "Groupe Armé Front Démocratique du Peuple Centrafricain", wurde im November 2019 im benachbarten Tschad verhaftet und dort nun wegen Gründung und Führung einer Aufstandsbewegung angeklagt – obwohl ihm eine große Nähe zur tschadischen Führung nachgesagt wird.

Am 6. Februar 2019 unterzeichneten Regierung und 14 Rebellengruppen den unter der Ägide der AU und von Nachbarstaaten in Karthum ausgehandelten Friedensvertrag von Bangui. Neben Entwaffnung sieht er die Schaffung einer Sondereinheit aus Sicherheitskräften vor, die aus Milizen und staatlichen Sicherheitskräften zusammengesetzt sein soll. Zusätzlich wurde eine Vertretung der beteiligten bewaffneten Gruppen in einer "inklusiven Regierung" vereinbart. Daraufhin ernannte Präsident Touadéra ein neues Kabinett und nach Nachverhandlungen in Addis Abeba ein weiteres im März 2019, um Forderungen einzelner Milizen nach größerer Repräsentanz entgegenzukommen. Der Kompromiss hielt allerdings nicht lange. Mindestens sieben Gruppierungen, darunter die "Union pour la Paix en Centrafrique" von Ali Darassa und erneut die FPRC von Nourredine Adam kündigten im April 2020 den Friedensvertrag.

Verträge und Verpflichtungen werden immer wieder gebrochen, weil sich politische Gruppierungen und Rebellengruppen von der Weiterführung der Kampfhandlungen mehr Einfluss auf die politische Entwicklung des Landes sowie Zugriff auf Bodenschätze und andere Ressourcen versprechen. Angesichts der zunehmenden Zersplitterung haben auch kleinere Gruppen die Macht, einen tragfähigen Frieden zu verhindern.

Geschichte des Konflikts

Seit der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1960 sind gewaltsame Machtwechsel in der ZAR die Regel. Wie schon in der Kolonialzeit verkaufte die jeweilige Regierungselite Konzessionen zur Ausbeutung der Rohstoffe des Landes an französische und andere internationale Konsortien. Unterdessen verarmte die Bevölkerung; das gilt insbesondere für die wenig erschlossenen Regionen im Norden des Landes.

Präsident Patassé wurde 2003 von seinem Generalstabschef Bozizé mit tschadischer Unterstützung gestürzt. Doch Bozizés Herrschaft – er gehört zur größten ethnischen Gruppe der Gbaya – beschränkte sich lediglich auf den Großraum Bangui. Sie war gekennzeichnet durch die Begünstigung seiner Familie und seines Clans. Seine Anhänger besetzten die wichtigsten Posten in Wirtschaft und Politik. Gegen Bozizé gab es immer wieder Aufstände. Noch 2007 hatten französische und tschadische Militärs muslimische Rebellen aus Birao im Nordosten vertrieben. Aber als 2012 die Séléka vom Norden in Richtung Bangui marschierte, reagierten Paris und N’Djamena abweisend auf den Hilferuf Bozizés. In überwiegend christlich geprägten Regionen formierten sich schon existierende dörfliche Selbstverteidigungsgruppen zur Anti-Balaka.

Der Chef der Séléka-Rebellen, Michel Djotodia, rief sich beim Einmarsch in Bangui im März 2013 zum ersten muslimischen Präsidenten der ZAR aus. Er setzte die Verfassung außer Kraft und ernannte einen Übergangsrat, an dem auch Mitglieder der alten Regierung und Opposition beteiligt waren. Doch wurde er auf Betreiben Frankreichs und des Tschad schon am 10. Januar 2014 wieder seines Amtes enthoben. Der Nationale Übergangsrat wählte daraufhin am 20. Januar 2014 die Bürgermeisterin von Bangui, Catherine Samba-Panza, zur Interimspräsidentin. In der Übergangsregierung waren sowohl Angehörige der Séléka und der Anti-Balaka als auch der gestürzten Bozizé-Regierung vertreten.

Der Übergangsregierung gelang es nicht, das Land zu befrieden. Gruppen der Séléka zogen marodierend durchs Land. Schnell eskalierten die Auseinandersetzungen zu einem blutigen Konflikt zwischen Christen und Muslimen. Was als Widerstand gegen den Putsch islamischer Aufständischer begann, weitete sich zu einer Hetzjagd gegen Muslime aus. Alle Muslime wurden pauschal verdächtigt, die Séléka zu unterstützen, und deshalb brutal verfolgt, ermordet und vertrieben.

Die im Vertrag von Libreville vereinbarte Übergangsphase endete am 13. Dezember 2015 fristgerecht mit einem Verfassungsreferendum. Im Dezember sowie im Februar und März 2016 fanden Präsidentschafts- und die Parlamentswahlen statt. Der neue Präsident, Faustin Archange Touadéra, übernahm sein Amt am 30. März 2016. Einen Neuanfang verkörperte der neue Präsident indes nicht; schließlich war er von 2008 bis 2013 bereits Ministerpräsident unter Bozizé. Die größte Gefahr geht von der zunehmenden Zersplitterung der Rebellenbewegungen aus. Inzwischen kämpfen mindestens vierzehn Fraktionen der Ex-Séléka und Anti-Balaka um einen möglichst großen Anteil an der politischen Macht und um die Kontrolle von Gebieten und Bodenschätzen.

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Dr. Helga Dickow ist seit 1988 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Arnold-Bergstraesser-Institut. 1996 bis 1998 war sie am Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung in Frankfurt, 1999 bis 2002 als Referatsleiterin beim Diakonischen Werk der EKD und von 2002 bis 2004 für die GTZ im Tschad tätig. Forschungsschwerpunkte: Zentrales und Südliches Afrika, Transformationsprozesse, ethnische und religiöse Konflikte, Evangelikale (Charismatische) Kirchen.