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Meinung: Der Mali-Konflikt - nicht nur ein Sicherheitsproblem im Norden! | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Meinung: Der Mali-Konflikt - nicht nur ein Sicherheitsproblem im Norden!

Dr. Julia Leininger

/ 8 Minuten zu lesen

Die malische Krise hat vor allem sozio-ökonomische Wurzeln. Friedensstrategien müssen daher primär politisch sein und die Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft in den Blick nehmen. Vergangene Konfliktlösungs- und Präventionsstrategien wirkten zwar kurzfristig, versagten aber langfristig. Wie könnte eine erfolgreiche politische Strategie für Mali aussehen?

Julia Leininger (© Julia Leininger)

Die jüngste politische und militärische Krise Malis hat den Alltag im Zentrum und im Süden des westafrikanischen Landes kaum verändert. Für 90% der malischen Bevölkerung nimmt das Leben auch nach dem zeitweisen Verlust der Nordregionen Gao, Kidal und Timbuktu im Jahr 2012 seinen gewohnten Lauf. So scheint die Krise vor allem ein Sicherheitsproblem der drei malischen Nordregionen zu sein. Der Militärputsch gegen Staatspräsident Amadou Toumani Touré im März 2012 geriet über die anhaltenden Kämpfe im Norden mittlerweile in Vergessenheit. Es ist richtig, dass sich der Konflikt durch steigenden Drogenhandel verschärft und eine gefährliche Kriminalisierung erfahren hat. Das kann und darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Konflikt tief in der Geschichte der malischen Nation verankert ist und sowohl sozioökonomische als auch kulturelle Wurzeln hat. Ein Kernproblem besteht darin, dass sich die malische politische Klasse in einer Legitimationskrise befindet und ihren Rückhalt in der Bevölkerung verliert. Das hat sich nicht zuletzt 2012 durch die breite Unterstützung der Putschisten in den städtischen Zentren gezeigt.

Friedensstrategien müssen daher primär politisch sein und die Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft in den Blick nehmen. Langfristig lässt sich der Konflikt nur einhegen, wenn Konfliktbearbeitung und Krisenprävention klug kombiniert werden. In der Vergangenheit haben die Konfliktlösungs- und Präventionsstrategien der malischen Regierung und internationalen Gemeinschaft zwar kurzfristig gewirkt, nach 15 bis 20 Jahren aber immer wieder versagt. Umso wichtiger ist es nun, sich nicht in Pro- und Kontradebatten zu militärischen Einsätzen zu verzetteln. Vielmehr bedarf es einer Analyse, welche Fehler der Vergangenheit künftig vermieden und welche neuen Anknüpfungspunkte für den Frieden gefunden werden können. Wo liegen die Grenzen militärischen Engagements und wo die Möglichkeiten entwicklungspolitischer und diplomatischer Friedensbemühungen?

Entwicklungspolitik: Wo sie in Mali erfolgreich ist…

Entwicklungspolitik habe über Jahrzehnte versagt, so lauten viele Folgerungen aus der Krise in Mali. Doch zu erwarten, dass deutsche und internationale Entwicklungspolitik eine politische Krise wie in Mali komplett verhindern kann, wäre eine Überschätzung ihrer Möglichkeiten und ihrer Leistungsfähigkeit. Entwicklung, und das ist keine neue Erkenntnis, liegt in den Händen der Gesellschaften in den Entwicklungsländern selbst. Von außen kann allenfalls ein Anstoß für wichtige Politiken gegeben werden und ein Beitrag zu laufenden Prozessen geleistet. Im malischen Fall ist zu konstatieren, dass es zwar nur wenige strukturelle Verbesserungen durch entwicklungspolitische Maßnahmen für die Bevölkerung gegeben hat, sich die Lebenssituation der Menschen aber ohne Entwicklungspolitik heute auf jeden Fall schlechter darstellen würde. Daher lautet die zentrale Frage: Was kann deutsche und internationale Entwicklungspolitik in Zukunft besser machen?

Im Zusammenspiel mit der Außen- und Sicherheitspolitik zielen entwicklungspolitische Ansätze vor allem auf die langfristige Bekämpfung der Ursachen von Armut und Gewalt ab. Dreh- und Angelpunkt für nachhaltige Entwicklung ist die Zukunft der Jugend. Die Hälfte der malischen Bevölkerung ist unter 15 Jahre alt. Gravierende Probleme liegen im Bildungsmangel, der Chancenlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt und fehlenden strukturellen Wirtschaftsreformen. Insbesondere junge Männer in den Nordregionen scheinen mangels wirtschaftlicher Alternativen leicht für kriminelle Aktivitäten bewaffneter Gruppen rekrutierbar zu sein. Der malische Staat wird nur dann dauerhaft glaubwürdig sein, wenn er den strukturellen Wandel im wirtschaftlichen und sozialen Bereich sowie in Bezug auf die öffentliche Sicherheit voranbringt und damit Entwicklungserfolge erzielt. Voraussetzung hierfür sind funktionierende staatliche Strukturen und die entwicklungspolitische Beteiligung der Bevölkerung.

Für eine erfolgreiche Unterstützung von inklusiver Politik gab es von deutscher Seite bereits vielversprechende Programme. Im Rahmen der in den 1990er Jahren begonnenen Dezentralisierungsreform bieten sich geeignete Anknüpfungspunkte für die Bekämpfung von Armuts- und Konfliktursachen. Ein Blick in die Regionen und Gemeinden zeigt beispielhaft, dass und wie der politische Dialog und die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an lokaler Politik zur Verbesserung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gemeinden beitragen können, beispielsweise durch kontextangemessene Haushaltsplanung oder Steuererhebung. Auch Aussöhnungsprozesse im Norden und bei lokalen Konflikten, z.B. um Weideland, konnten durch die Unterstützung lokaler Politik angestoßen werden.

…und wo sie aus Fehlern der Vergangenheit lernen kann

Doch es gibt auch eine Kehrseite der Medaille. Entwicklungsreformen sind häufig erfolglos, weil das technische Know-how fehlt oder korrupte Machenschaften um sich greifen. Von der Angestellten in der Hauptstadt über den kleinen Beamten in der Lokalverwaltung bis hin zum hohen Politiker verschaffen sich Staatsbedienstete illegale Extraeinkommen, während mindestens 50% der Bevölkerung von weniger als 1,25 US-Dollar am Tag leben muss. Häufig sind diese korrupten Praktiken auf lokaler Ebene anerkannt, weil sie als Versorgungssystem für Familien verstanden und genutzt werden. Sie werden dann als problematisch angesehen, wenn damit eine massive Bereicherung politischer Eliten einhergeht.

Nach seinem Sturz durch einen Militärputsch 1991 wurde der ehemalige Präsident und Diktator Malis, Moussa Traoré (1968-1991), wegen menschlicher und wirtschaftlicher Verbrechen während seiner Amtszeit verhaftet und verurteilt. Diese Verurteilung hatte bei der Bevölkerung den Glauben in die damals aufblühende Demokratie gestärkt. Faktisch hat Traoré jedoch für seine Taten nicht büßen müssen. Er wurde 2002 endgültig entlassen. Umso mehr wertet die Bevölkerung heute das Fortbestehen struktureller und nur die Eliten begünstigende Korruption als Versagen der Demokratie und des Staates.

Internationale Partner der malischen Regierung – staatliche wie Nichtregierungsorganisationen – hätten in den vergangen Jahren und Jahrzehnten weitreichende Korruptionspraktiken auf höchster Staatsebene nicht kritiklos hinnehmen dürfen. Diese Praktiken unterminieren die Legitimität des Staates und machen eine langfristige Bekämpfung von Armuts- und Konfliktursachen unmöglich. Folglich besteht die Aufgabe der internationalen Politik in Zukunft darin, Krisenprävention hauptsächlich politisch zu gestalten, Kritik nicht zu scheuen und lösungs- wie ressourcenorientiert an erfolgreiche Erfahrungen anzuschließen. Die Verzahnung lokaler und nationaler politischer Prozesse darf dabei nicht vergessen werden.

Krisenbearbeitung: Bislang ohne nachhaltigen Erfolg…

Die Bearbeitung der eskalierten Konflikte im Norden erfordert auch den Einsatz militärischer und polizeilicher Mittel – idealerweise des malischen Staates. Dies hatte die internationale Politik – mit Ausnahme der Europäischen Union – vor 2012 nicht im Blick, obwohl sich die Sicherheitskrise im Norden schon seit 2006 abgezeichnet hatte. Die öffentliche Sicherheit im ganzen Land wird davon abhängen, ob die Polizei- und Militärreform dieses Mal gelingt und die Regierung von Präsident Ibrahim Boubacar Keïta passendere Lösungsstrategien für den jahrzehntelangen Konflikt Norden anbietet. Der Umgang mit dem Konflikt ist keine Einzelfrage, die losgelöst von anderen Geschicken des Landes gesehen werden kann. Vielmehr steht die Glaubwürdigkeit des Staates und der Regierung bei der Bevölkerung des ganzen Landes auf dem Spiel. Nachdem Verhandlungslösungen in den vergangenen 19 Jahren immer wieder gescheitert sind, hat die Bevölkerung ein geringes Vertrauen in den diplomatischen Dialog mit bewaffneten Gruppen aus dem Norden.

Auch das Wiederaufflammen der Gewalt nach 2006 führt die Bevölkerung auf eine falsche Politik der Regierung zurück. Zwar hatte die erste demokratische Regierung Malis unter Präsident Alpha Konaré mit dem Friedensabkommen von 1995 einen großen Erfolg gefeiert. Wichtige Eckpunkte dieser Vereinbarung zwischen Staat und Tuareg-Rebellen waren aber nicht mehr als Buchstaben auf geduldigem Papier. Auf die Umsetzung wartet die Bevölkerung im Norden noch heute. Neue Verhandlungslösungen, die derzeit zwischen dem malischen Staat, Algerien und einigen bewaffneten Gruppen aus dem Norden Malis vorbereitet werden, sollten die Umsetzungshindernisse der vergangenen Jahre berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für die Bereiche Dezentralisierung und die Reform des Sicherheitssektors.

…aber nicht aussichtslos, wenn Entwicklungs- und Sicherheitspolitik vernetzt werden

Die Dezentralisierungsreform zeigt bereits erste Erfolge bei der Verwaltung öffentlicher Belange und Güter auf der lokalen Ebene. Eine offene Frage bleiben aber seit 1997 die die Rechte und Pflichten der Nordregionen. Den Tuareg-Rebellen wurde in früheren Abkommen mit dem malischen Staat eine gesonderte Entwicklungsunterstützung für die drei Nordregionen zugesichert. Staatliche Gelder werden aber faktisch hauptsächlich nach einem Schlüssel verteilt, der sich an der Bevölkerungsdichte bemisst. In den drei Nordregionen leben auf einer Fläche, die 2,5 Mal so groß ist wie Deutschland nur ca. 10% der malischen Bevölkerung (etwa 1,6 Mio.). Entsprechend gering fällt die Verteilung staatlicher Einnahmen auf diese Regionen im Vergleich zu anderen, stärker besiedelten Gegenden aus. Um eine Verhandlungslösung mit einigen bewaffneten Gruppen zu ermöglichen und nachhaltig zu gestalten, wird sich der malische Staat auf finanzielle Zugeständnisse an die Nordregionen einlassen müssen.

Eine gerechte und den jeweiligen regionalen Bedürfnissen angemessene Ressourcenverteilung löst aber noch nicht das Gewaltproblem. Mittlerweile verschwimmen die Grenzen zwischen Tuareg-Rebellengruppen, organisierter Kriminalität und dschihadistischen Kämpfern. Gerade kriminellen, teilweise nicht-malischen Gruppen kann keine Beteiligung an malischen Ressourcen angeboten werden. Hier bedarf es polizeilicher und militärischer Maßnahmen. Die Reform des Sicherheitssektors ist daher eine drängende Voraussetzung für Frieden. Neben kurzfristigen Entwaffnungsmaßnahmen sind vor allem strukturelle Reformen notwendig.

Die 1996 geplante Militärreform gilt als gescheitert. Zwar wurden 1.810 ehemalige Kämpfer ins Militär und 420 in die Polizei integriert. Doch ohne Erfolg. Zum einen kooptierten die Präsidenten bestimmte Gruppen aus dem Norden. Zuletzt bevorzugte Präsident Amadou Toumani Touré Vertreter der Sonrai und der arabischen Bevölkerung. Dies hatte eine Abwendung der Tuareg vom malischen Staat zur Folge und führte zu etlichen Austritten aus dem Militär. Auch bestehende Hierarchien und traditionelle Strukturen der Gesellschaften im Norden wurden durch die Militärreform reproduziert und schürten den Konflikt. Außerdem haben sich die malischen Militärs aufgrund geringer Einkommen mit Schmugglerbanden im Norden verbündet und profitieren von den Gewinnen im Drogen- und Menschenhandel. Folglich kann eine Reform des Sicherheitssektors nur erfolgreich sein, wenn sowohl "weiche" Faktoren, wie ethnische Konstellationen, als auch "harte" Faktoren, wie die Ausstattung und Ausbildung des Militärs und der Polizei, Berücksichtigung finden.

Kehren wir zurück zum "großen Bild". Es ist nicht nur der Norden, der Entwicklung braucht und für den wirkungsvolle Strategien gefunden werden müssen. Konfliktprävention und -bearbeitung darf sich nicht allein auf Norden beschränken. Notwendig ist beispielsweises eine neue Aufgabenteilung zwischen der nationalen und lokalen Ebene und – damit einhergehend – auch eine gerechtere Ressourcenverteilung. Gerecht darf hier nicht mit einer bevorzugten Behandlung bestimmter Bevölkerungsgruppen im Norden gleichgesetzt werden. Denn der Großteil der malischen Bevölkerung sieht es mit Argwohn, dass diejenigen, die kämpfen und Unheil über das Land bringen, mit mehr Ressourcen bedacht werden sollen. Wenn sich dieser Eindruck bestätigen würde, könnte dies eine Gefahr für die Legitimität des malischen Staates bedeuten. Internationale Unterstützung kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie bei den politischen Strukturen auf den verschiedenen staatlichen Ebenen ansetzt.

Ob der in Deutschland jüngst eingeführte Ansatz der vernetzten Entwicklung hier einen Mehrwert bietet, wird sich zeigen. Jedenfalls bietet er Anknüpfungspunkte für die langfristige Lösung von Sicherheitsproblemen – nämlich dort, wo sie entstehen.

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ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Governance, Staatlichkeit und Sicherheit am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE). In Ihrer Forschung und Beratungsarbeit beschäftigt sich mit politischer Transformation und internationaler Demokratieförderung in Sub-Sahara Afrika und der Rolle von Religion in der Politik. In ihrer Arbeit über internationale Organisationen setzt sie sich insbesondere mit der Afrikanischen Union auseinander. Ihre aktuellen Projekte umfassen die Themen Transformation und Entwicklung in fragilen Staaten, der Rolle religiöser Akteure in Demokratisierungsprozessen und das Zusammenspiel informeller und formaler Institutionen in afrikanischen Staaten. Lehraufgaben nimmt sie an der Universität Konstanz, Universität Duisburg-Essen, im Postgraduiertenkurs für Fachkräfte in die deutsche Entwicklungszusammenarbeit und an der Global Governance School wahr.