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Venezuela | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Venezuela

Claudia Zilla

/ 9 Minuten zu lesen

Der Konflikt in Venezuela hat zu einer ökonomischen, sozialen und humanitären Krise geführt. Das populistische Reformprojekt des ehemaligen Präsidenten Hugo Chávez (1999-2013) hat sich unter Nicolás Maduro in ein autoritäres, zivil-militärisches Projekt verwandelt. Hinter einer demokratischen Fassade dominieren repressive Herrschaftsmethoden.

Caracas 10.03.2020: Unterstützer des Oppositionsführers Guaido gehen gegen eine Straßenblockade der Polizei vor, die den Weg zur Nationalversammlung abschneidet. (© picture-alliance, NurPhoto | Jonathan Lanza)

Aktuelle Konfliktsituation

Seit dem Wahlsieg der Opposition bei den Parlamentswahlen 2015 regiert Präsident Nicolás Maduro zunehmend autoritär. Demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien wurden weitgehend aufgehoben. Regimetragende Kräfte sind dabei die chavistische Regierungspartei PSUV (Partido Socialista Unido xde Venezuela) und die Streitkräfte. Das Militär spielt nicht nur im Bereich der Sicherheit, sondern auch in der Politik und Wirtschaft eine zentrale Rolle. Die Regierung stützt sich zudem auf Milizen (Milicia Bolivariana), ursprünglich irreguläre Sturmgruppen bewaffneter Zivilisten, die im Februar 2020 in die regulären Streitkräfte (Fuerza Armada Nacional Bolivariana) integriert wurden.

Venezuela hat sich in eine Autokratie verwandelt, bei der manipulierte Wahlen als demokratisches Feigenblatt fungieren. Die Einschränkung des Pluralismus und der Abbau institutioneller Kontrollen gehen mit wachsender politischer Verfolgung und Repression der Bevölkerung durch den Sicherheitsapparat einher. Politisch motivierte Festnahmen von Zivilisten und Militärs, Plünderungen und Lynchaktionen, Folter in Gefangenschaft sowie außergerichtliche Hinrichtungen sind an der Tagesordnung. Bürgerinnen und Bürger haben kaum Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren. Rechtsstaatliche Garantien gibt es nicht mehr. Die Justiz ist gleichgeschaltet und Zivilisten werden bisweilen von Militärrichtern verurteilt.

Das Missmanagement der Regierung, gekoppelt mit niedrigeren Ölpreisen bei starker Rohstoffabhängigkeit, führte zu einer Wirtschafts- und Versorgungskrise. Hinzu kommen die verheerenden Effekte der Covid-19-Pandemie, deren Ausmaß noch nicht akkurat erfasst werden kann. Für 2020 wird erwartet, dass die Wirtschaft im Vergleich zum Vorjahr um weitere fünfzehn Prozent schrumpft und die jährliche Inflationsrate die 15.000-Prozent-Marke erreicht. Mit 44% weist Venezuela die höchste Rate erwerbsfähiger Personen in Lateinamerika auf, die nicht beschäftigt sind. In dem Land mit den größten Erdölreserven der Welt, das mittlerweile Brennstoff aus Iran importiert, können sich heute 79,3% der Bevölkerung den Basiskorb notweniger Lebensmittel nicht leisten; 96% der Haushalte leben in Armut und 79% in extremer Armut. Es wird geschätzt, dass 30% der Kinder unter fünf Jahren an chronischer Unterernährung leiden. Die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten, die größtenteils importiert werden müssen, ist katastrophal. Schwarzmarkt und grenzüberschreitender Schmuggel florieren.

Venezuela. (mr-kartographie) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Die Notlage fördert die Emigration, vor allem in die Nachbarländer – ein Phänomen, das mittlerweile als regionale Flüchtlingskrise bezeichnet wird. Rund 2,3 Mio. Menschen haben im Zeitraum 2017-2019 Venezuela verlassen. Mittlerweile befinden sich 5 Mio. Venezolanerinnen und Venezolaner in der Diaspora, während 28,4 Mio. noch in dem Land leben. Die Corona-Krise hat die Situation von Geflüchteten und Migranten insofern erheblich verschlechtert, als viele von ihnen, in Grenzgebieten und Flughäfen gestrandet, bisweilen gleichermaßen vom Herkunft- wie Zielland im Stich gelassen werden.

Ursachen und Hintergründe

Der demokratische Erosionsprozess und der wirtschaftliche Niedergang setzten bereits unter der Regierung von Hugo Chávez (1999-2013) ein. Sie verschärften sich unter Nicolás Maduro, der im Dezember 2012 vom totkranken Chávez persönlich zu seinem Nachfolger ernannt wurde. Im Unterschied zu Chávez stand Maduro ungleich größeren Herausforderungen gegenüber: Folgen der Misswirtschaft bei deutlich niedrigeren Erdölpreisen, Ausgaben für den Staatsausbau, Abnutzungstendenzen durch langes Regieren, Unzufriedenheit der Bevölkerung und Erstarken der Oppositionsparteien.

Der Beginn von Maduros Amtszeit fiel zusammen mit dem Ansehens- und Mehrheitsverlust des Chavismo. Um den Verlust der Macht zu verhindern, manipuliert Maduro die Wahlen, das Wahlrecht und das Wahlsystem. Die gleichschaltete Wahlbehörde und Judikative sicherten seit der letzten Niederlage 2015 mehrfach den Wahlbetrug ab. Der Übergang zu einem autoritären System wurde durch die Entmachtung der von der Opposition dominierten Nationalversammlung (Parlament) besiegelt. Seit August 2017 hat die neu geschaffene verfassunggebende Versammlung, die ausschließlich aus regierungstreuen Repräsentanten besteht, die legislativen Aufgaben übernommen.

Der Oberste Gerichtshof geht massiv gegen die Opposition vor, indem er ihre Führungsfiguren verhaftet und die Leitungsgremien der Parteien mit regimetreuen Personen besetzt. In dieser Situation kämpfen die heterogenen oppositionellen Parteien, die sich größtenteils 2008 als Runder Tisch der Demokratischen Einheit (Mesa de Unidad Democrática, MUD) zusammengeschlossen haben, um ihr Überleben.

Anfang 2019 trat der Konflikt in eine neue Phase ein. Am 10. Januar erklärte die Nationalversammlung die Wiederwahl Maduros vom Mai 2018 für ungültig und erkannte ihm sein Amt ab. Am 15. Januar 2019 erklärte sie dann durch einen legislativen Akt die Präsidentschaft als vakant und Maduro zum Usurpator. Nachdem die Nationalversammlung den Abgeordneten der Partei Volkswille (Voluntad Popular), Juan Guaidó, als ihren Vorsitzenden gewählt hatte, ernannte sie ihn mit Rückgriff auf die Verfassung (Artikel 233, 333 und 350) am 23. Januar 2019 auf einer Großkundgebung in Caracas zum Interimspräsidenten.

Hinter den bis dahin weitgehend unbekannten charismatischen jungen Politiker stellten sich große Teile der Bevölkerung sowie der internationalen Gemeinschaft (darunter Deutschland). Guaidó beansprucht die legitime Präsidentschaft Venezuelas für sich, ohne jedoch die tatsächliche Macht im Land, also die effektive Kontrolle über Streitkräfte, Verwaltung und Territorium ausüben zu können. Somit blieben die Rechtsakte der Nationalversammlung wirkungslos, die den Weg zu einer demokratischen Transition ebnen sollen.

Als im Januar 2020 die Amtszeit Guaidós als Vorsitzenden der Nationalversammlung auslief, verhinderten Regimekräfte eine ordentliche Abstimmung im Plenum. Eine Minderheit regimetreuer und übergelaufener Parlamentarier wählte das ehemalige Mitglied der Oppositionspartei Zuerst Gerechtigkeit (Primero Justicia), Luis Parra, als neuen Vorsitzenden, der auch von Maduro in dieser Funktion anerkannt wurde. Aber auch Guaidó wurde von einer Mehrheit der Nationalversammlung im Amt bestätigt.

Vor den für den 6. Dezember 2020 anberaumten Parlamentswahlen sieht sich die Opposition wieder einmal vor dem Dilemma, sich an manipulierten Wahlen zu beteiligen und diese dadurch zu legitimieren oder durch einen Boykott gegen die nicht-demokratischen Wahlbedingungen zu protestieren. Am 14. Juni 2020 erklärten elf politische Parteien der Opposition offiziell, dass sie die bevorstehende "Wahlfarce" weder durch ihre Teilnahme validieren noch die Ergebnisse anerkennen werden.

Bearbeitungs- und Lösungsansätze

Zur Stärkung des Sicherheitssektors kann das Maduro-Regime auf kubanische Beratungskräfte sowie russische Waffen zurückgreifen. Außerdem erhält Venezuela großzügige Kredite aus China und Unterstützung für den Erdölsektor aus dem Iran. Bezeichnenderweise waren diese Staaten bisher nicht an Verhandlungsinitiativen beteiligt. Der letzte Dialogversuch zwischen Regierung und Opposition fand im Jahr 2019 unter Vermittlung Norwegens in Oslo (und auf Barbados) statt. Er ist wie die Gespräche zuvor gescheitert.

Trotz des starken, bisweilen mehr persönlichen als institutionellen Engagements seines Generalsekretärs, Luis Almagro, gab es unter den Mitgliedern der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) keinen ausreichenden Konsens für Sanktionen gegen Venezuela, genauso wenig einen gangbaren Ansatz zur Konfliktlösung. Dennoch erntete die Regierung Maduro von der großen Mehrzahl der lateinamerikanischen Staaten Kritik und politische Isolierung.

Im August 2017 wurde Venezuela vom Integrationsblock Mercosur unter Anwendung der Demokratie-Klausel suspendiert. Im selben Monat konstituierte sich in der peruanischen Hauptstadt die "Lima-Gruppe" mit dem Ziel, sich über Auswege aus der Krise in Venezuela auszutauschen und einen demokratischen Wandel in Venezuela zu unterstützen. Der Gruppe gehören Argentinien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Guatemala, Honduras, Kanada, Kolumbien, Mexico, Panama, Paraguay und Peru an.

Eine Reaktivierung erlebte die Lima-Gruppe ab Januar 2019, wobei sie auch die Zusammenarbeit mit extraregionalen Akteuren, darunter der Europäischen Union (EU) intensivierte. Trotz interner Spaltung über das geeignete Vorgehen in der Venezuela-Krise hat die EU eine internationale Kontaktgruppe (IKG) gebildet, zu der die EU, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Portugal, Spanien, Schweden sowie Bolivien, Costa Rica und Ecuador gehören. Die IKG nahm ab dem 7. Februar 2019 an mehreren Zusammenkünften mit anderen lateinamerikanischen Staaten, sowie an technischen und politischen Missionen teil und veröffentlichte zahlreiche Erklärungen. Doch blieben diese regionalen wie internationalen Bemühungen weitgehend erfolglos.

Die USA, über lange Jahre Hauptabnehmer venezolanischen Erdöls, verhängen seit 2015 zunehmend härtere Sanktionen gegen Venezuela. Diese umfassen Visabeschränkungen, das Einfrieren von Eigentum und Vermögenswerten, das Verbot für US-Staatsangehörige und -Institutionen, Transaktionen mit Personen durchzuführen, die auf einer entsprechenden Liste stehen, die Stornierung von Öllieferungen der größten venezolanischen Erdölgesellschaft PDVSA sowie die Übertragung der Kontrolle über deren in Texas ansässige Tochtergesellschaft CITGO und über die venezolanischen Staatskonten im Hoheitsgebiet der USA an Guaidós Interimsregierung.

Am 31. März 2020 legten die USA das "Rahmenwerk für einen demokratischen Wandel für Venezuela" (Democratic Transition Framework for Venezuela) vor. Das ist ein Katalog von Schritten, die die US-Regierung von dem Maduro-Regime auf dem Weg zur demokratischen Transition fordert. Er enthält auch die Gegenleistungen, die Washington dafür in Aussicht stellt. Gleichzeitig wird der Druck auf Maduro und seine Vertrauten aufrechterhalten. Zu dieser Doppelstrategie gehört z.B., dass am 26. März 2020 in den USA Anklage gegen Führungspersonen des Regimes wegen "Drogen-Terrorismus" erhoben und ein Kopfgeld ausgesetzt wurde.

Die EU hat im November 2017 ein Waffenembargo sowie eine Reihe personenbezogener Sanktionen gegen Vertreterinnen und Vertreter des Regimes erlassen (z.B. Einfrieren der Vermögen und Einreiseverbot in die EU), die im Laufe der Zeit ausgebaut wurden. Weitere europäische Staaten, wie die Schweiz und Norwegen, schlossen sich den EU-Sanktionen an. Seit der Verschärfung der politischen Krise in 2019 sowie als Reaktion auf die Corona-Krise unterstützt die EU die venezolanische Bevölkerung verstärkt mit Soforthilfen und mit finanziellen Zuschüssen im Rahmen multilateraler Initiativen.

Konfliktgeschichte

Der Chavismo à la Maduro kann als dritte Phase der jüngsten politischen Entwicklung Venezuelas angesehen werden. Eine erste Zäsur bildete der unter Chávez zwischen 2002 und 2006 vollzogene Übergang von der "Bolivarischen Revolution" zum "Sozialismus des 21. Jahrhunderts", der als Radikalisierung seines politischen Projekts zu verstehen ist. Sechs Jahre nach einem gescheiterten Putschversuch im Jahr 1992 gewann der Offizier Chávez die Präsidentschaftswahlen mit dem Versprechen, die Demokratie partizipativer zu gestalten, den Ölreichtum gerechter zu verteilen und die Korruption zu bekämpfen. Dazu dienen sollten die Neugründung des Landes durch eine neue Verfassung, eine aktive Sozialpolitik mit vielfältigen Sozialprogrammen, die stärker politische Lenkung des staatlichen Erdölkonzerns PDVSA und die Beteiligung der Streitkräfte an entwicklungspolitischen Aufgaben.

Im Zuge von Generalstreiks und Demonstrationen durch Unternehmer und Gewerkschaften wurde Chávez am 12. April 2002 verhaftet und seines Amtes enthoben. Der Chef des Unternehmensverbandes Fedecámaras, Pedro Carmona, übernahm die Amtsgeschäfte und kündigte Wahlen an. Eine Gruppe von Generälen unterstützte den Staatsstreich, der jedoch nur zwei Tage anhielt, bis Chávez-treue Gruppen in der Gesellschaft und im Militär mobil machten und ihm zurück an die Macht verhalfen. Diese Putscherfahrung auf beiden Seiten prägte das gegenseitige Feindbild nachhaltig und führte zu einem Vertrauensverlust zwischen Regierung und Opposition. Ab 2002 radikalisierte Chávez seine Politik der politischen Lenkung von Gesellschaft und Wirtschaft. Er distanzierte sich zunehmend von den Prinzipien und Regeln der Demokratie, Marktwirtschaft und der sogenannten westlichen Weltordnung. Chavez starb am 5. März 2013 in Caracas. Mit der Regierung seines Nachfolgers, Maduro, versank Venezuela immer tiefer in einer politischen, soziökonomischen und humanitären Krise, in deren Kontext die Menschenrechte massiv verletzt werden.

Weitere Inhalte

Claudia Zilla, geb. 1973, ist Senior Fellow in der Forschungsgruppe Amerika an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Berlin. Sie studierte Politikwissenschaft, Soziologie und Psychologie an der Universität Heidelberg, wo sie auch promoviert wurde. Fragen der Demokratie und Entwicklung sowie der regionalen und internationalen Politik lateinamerikanischer Staaten stehen im Mittelpunkt ihrer Forschung.