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Jemen | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Jemen

Marie-Christine Heinze

/ 8 Minuten zu lesen

Seit 2015 tobt ein Mehrfrontenkrieg im Jemen, in den Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate interveniert haben. Eine politische Lösung ist in weite Ferne gerückt. Mit der Ausbreitung von Covid-19 droht dem Land eine weitere humanitäre Katastrophe.

Flüchtlingslager in der Amran-Provinz im Nordjemen am 25.11.2019: 3,65 Mio. Binnenflüchtlinge werden in Lagern versorgt. (© picture-alliance, AA)

Aktuelle Konfliktsituation

Seit Beginn des Krieges Ende 2014/Anfang 2015 hat sich die humanitäre Lage im Jemen dramatisch verschlechtert. Bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 29 Mio. müssen 3,65 Mio. Binnenflüchtlinge in Lagern versorgt werden. 20,1 Mio. Menschen haben keinen sicheren Zugang zu Nahrung, 14,3 Mio. Menschen sind akut von Hunger bedroht. Nach den ersten Covid-19-Erkrankungen im Jemen wird angesichts des am Boden liegenden Gesundheitssystems, jahrelangen Hungers und Mangelernährung vieler Menschen und der längst nicht überwundenen Cholera-Epidemie eine weitere humanitäre Katastrophe befürchtet.

Die wichtigsten Konfliktparteien sind die Huthi-Rebellen auf der einen Seite und die international anerkannte Regierung und der Südübergangsrat auf der anderen Seite. Die Huthis waren 2014 eine Allianz mit dem 2011 gestürzten Präsidenten Ali Abdallah Salih eingegangen. Diese Allianz kontrollierte seit September 2014 die Hauptstadt Sanaa. Im Dezember 2017 wurde Salih von den Huthis getötet, die seitdem die alleinige Kontrolle über Sanaa und den Norden des Landes haben. Die Regierung unter Präsident Abd Rabbu Mansur Hadi ist im Januar 2015 zurückgetreten. Dieser hält sich seither im Exil in Riad (Saudi-Arabien) auf. In ihrem Bemühen, die politische Macht im Jemen wiederzuerlangen, wird die Hadi-Regierung von einer von Saudi-Arabien geführten Koalition (SGK) politisch und militärisch unterstützt. Der Koalition gehören mehrere, vor allem sunnitische Staaten an, darunter die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Das militärische Eingreifen der Koalition wird durch Resolution 2216 des UN-Sicherheitsrats legitimiert, die u.a. den Rückzug der Huthis aus allen Gebieten fordert, einschließlich der Hauptstadt Sanaa.

Die temporäre Hauptstadt Aden, die im Süden des Landes liegt, wird derzeit vom Südübergangsrat und den mit ihm liierten Sicherheitskräften kontrolliert, die in Aden als "Sicherheitsgürtel" bezeichnet werden. Der 2017 gegründete Südübergangsrat reklamiert für sich, die Interessen aller Südjemeniten zu vertreten und strebt langfristig die Etablierung eines unabhängigen "Südarabiens" an. Der Südübergangsrat wird von den VAE und die Hadi-Regierung von Saudi-Arabien unterstützt. Die im August 2019 eskalierten Spannungen zwischen dem Südübergangsrat und der Hadi-Regierung sollten eigentlich mit dem im November 2019 unter saudischer Vermittlung ausgehandelten Riad-Abkommen beigelegt werden. Doch der Südübergangsrat hat im April 2020 der Hadi-Regierung die Rückkehr nach Aden verweigert und die Selbstverwaltung des Südens ausgerufen. Allerdings erkennen nicht alle Südjemeniten den Südübergangsrat als legitime politische Vertretung an. Es droht eine Fragmentierung der Anti-Huthi-Koalition.

Um die Kontrolle der Huthi über den Norden und deren Angriffe auf saudisches Territorium zu beenden, bombardiert die von Saudi-Arabien geführte Koalition Stellungen der Huthis, verhindert die Nutzung des Flughafens von Sanaa und erschwert den Zugang zu al-Hudayda, dem größten Hafen des Landes am Roten Meer. Zu den lokalen Verbündeten der Koalition zählen vor allem oppositionelle Stämme im Nordosten, wie z.B. in Ma’rib und al-Jawf, sowie mit der Islah-Partei (u.a. Muslimbrüder) und der Salafiyya liierte Kämpfer, wie z.B. im südwestlichen Taiz. Die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage im Land, die Belagerung durch die Koalition, vor allem des Hafens al-Hudayda, und die Nichtzahlung von Gehältern im öffentlichen Sektor haben zu einer dramatischen humanitären Lage geführt, die sich durch den Ausbruch von Covid-19 noch weiter verschlimmern wird.

Gewaltsame Ereignisse im Jemen. (mr-kartographie) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Ursachen und Hintergründe

Der Krieg im Jemen ist Resultat des gescheiterten Transitionsprozesses nach den Umbrüchen des "Arabischen Frühlings" von 2011. Nach dem in der Golfkooperationsrats (GKR)-Initiative vereinbarten Rücktritt von Präsident Salih, gegen dessen Regime sich die Proteste hauptsächlich richteten, übernahm im Februar 2012 sein Stellvertreter Abd Rabbo Mansur Hadi als Übergangspräsident die Regierungsgeschäfte. Doch die in der GKR-Initiative vereinbarten Reformen wurden nur halbherzig umgesetzt. So sollte eine Reform des Sicherheitssektors und eine Nationale Dialogkonferenz (NDK) dabei helfen, die im Zuge der Protestbewegung entstandene Spaltung von Bevölkerung, Politik und Militär zu überwinden. Eine neue Verfassung und Wahlen sollten folgen. Die Reformen krankten u.a. daran, dass neue politische Kräfte, wie die Huthis, die an den Protesten von 2011 beteiligte "Jugend" und die "Südliche Bewegung", die die Unabhängigkeit des Südens anstrebt und aus der der Südübergangsrat hervorging, vom Transitionsprozess ausgeschlossen blieben. Teile der "Südlichen Bewegung" beteiligten sich auch nicht an der NDK, weil die von ihnen geforderte Teilung des Landes nicht Bestandteil der Verhandlungen sein sollte.

Die Entwicklung lief auf die Fortsetzung der Herrschaft der alten Eliten hinaus. Die Übergangsregierung unter Hadi wurde von der alten und neuen Regierungspartei "Allgemeiner Volkskongress" (AVK) und der ehemaligen Oppositionspartei Islah gebildet. Ex-Präsident Salih blieb Vorsitzender des AVK. Der versprochene Abbau von Korruption und die Verbesserung der humanitären und wirtschaftlichen Lage blieben ein Lippenbekenntnis. In der Folge verlor die Regierung rapide an Vertrauen und Legitimität, und regierungskritische Gruppen, wie die Huthis und die Südliche Bewegung, gewannen als neue gesellschaftliche Kräfte weiter an Zulauf.

Parallel zu den Verhandlungen versuchten starke politische Fraktionen im Norden (z.B. Verbündete von Salih, AVK, Islah, Huthis), ihre Interessen mit Waffengewalt durchzusetzen und die von ihnen kontrollierten Gebiete auszuweiten. Im September 2014 nahm die Huthi/Salih-Allianz die Hauptstadt Sanaa ein und zwang die Übergangsregierung zum Rücktritt. Eine neue Regierung aus Technokraten unter Premierminister Khaled Bahah wurde eingesetzt, trat dann jedoch im Januar 2015 aus Protest gegen die fortgesetzte Einmischung der Huthis in die Regierungsarbeit zurück. Zuvor war bereits der Konflikt zwischen Übergangspräsident Hadi und den Regierungstruppen auf der einen Seite und Kräften der Huthi/Salih-Allianz auf der anderen Seite eskaliert.

Schiitische Huthi-Rebellen in Sanaa, Jemen, am 22.10.2015. (© picture-alliance/AP)

Für Saudi-Arabien stellt das seit März 2015 andauernde militärische Engagement im Jemen eine enorme Belastung dar. Die saudische Regierung sieht sich wegen der Bombardierung ziviler Ziele und der (Teil-)Blockade von Flughäfen und Häfen mit massiver Kritik aus der internationalen Gemeinschaft (darunter auch die Vereinten Nationen) konfrontiert. Die Reputation des Königshauses und insbesondere von Mohammed bin Salman, dem einflussreichen Kronprinzen und Verteidigungsminister, wurde massiv beschädigt. Zum anderen konnte die Absicht, die Huthis militärisch zu besiegen, bislang nicht realisiert werden. Weiterhin bestehen Spannungen zwischen den beiden Verbündeten Saudi-Arabien und den VAE, die sich vor allem auf die Unterstützung der Emirate für den Südübergangsrat zurückführen lassen. Die Gesamtkosten des militärischen Engagements im Jemen seit 2015 werden auf über 100 Mrd. USD geschätzt. Infolge des "doppelten Schocks" aufgrund des gefallenen Ölpreises und der COVID-19-Pandemie befindet sich die saudische Wirtschaft in einer zunehmend prekären Situation.

Es ist daher im Interesse des Königreichs, sein Engagement im Jemen-Konflikt so schnell wie möglich zu beenden, allerdings unter Wahrung seiner fundamentalen Interessen – und der des Kronprinzen. Im Ringen um regionalen Einfluss mit dem Rivalen Iran muss Saudi-Arabien akzeptieren, dass dessen Rolle im Jemen eher zugenommen hat. Der Anschlag auf saudische Ölraffinieren im September 2019 hat Riad die eigene Verwundbarkeit vor Augen geführt, was zu einem schrittweisen Strategiewechsel geführt hat. Wurde bislang die Zurückdrängung des iranischen Einflusses (auch im Jemen) mit Unnachgiebigkeit und Interventionismus verfolgt, zeichnet sich inzwischen ein vorsichtigerer Kurs ab. Dies zeigt ich auch in aktiveren diplomatischen Bemühungen, ein Ende des Jemen-Konflikts zu erreichen.

Vor diesem Hintergrund ist das Scheitern des Riad-Abkommens ein schwerer Rückschlag. Offenbar verliert Saudi-Arabien im Jemen zunehmend an Einfluss, da es sich weder militärisch noch politisch behaupten kann und durch die Konflikte mit den VAE weiter isoliert wird. Weiterhin fürchtet Riad, dass sich der Einfluss militanter Kräfte, wie al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP), ausweiten und sich – wie zuletzt im März 2020 –, die Raketenangriffe vom jemenitischen Territorium fortsetzen könnten.

Bearbeitungs- und Lösungsansätze

Die UNO bemüht sich seit Beginn des Konfliktes vergeblich um eine Beendigung der militärischen Auseinandersetzung. Die im Dezember 2018 in der Nähe von Stockholm organisierten Friedenskonsultationen haben nicht zu dem erhofften Durchbruch geführt. Inzwischen hat sich im Jemen eine prosperierende Kriegsökonomie herausgebildet, von der Eliten auf allen Seiten profitieren. Präsident Hadi befürchtet zudem, bei erfolgreichen Verhandlungen sein Amt zu verlieren. Die Huthis sehen sich ihrerseits als Sieger und sind nicht zu den von der Hadi-Regierung geforderten Kompromissen bereit. Doch selbst wenn es zu einem Friedensschluss kommen sollte, ist keine schnelle Befriedung der Lage zu erwarten, denn viele weitere auf lokaler Ebene kämpfende Akteure, u.a. AQAP, werden sich nicht daran gebunden fühlen. Daher bemüht sich die internationale Gemeinschaft zurzeit, mehr Akteure in einen erweiterten Friedensprozess einzubinden.

Der Westen erkennt die Exilregierung in Riad und Präsident Hadi weiterhin als die legitimen Vertreter des Jemen an. Im Hinblick auf die Positionierung gegenüber der saudischen Intervention ist der Westen jedoch gespalten: Vor allem die USA und Großbritannien spielen eine aktiv unterstützende Rolle (Waffenlieferungen, Informationsbereitstellung, Planung) bei den militärischen Operationen. Dagegen hat die deutsche Bundesregierung zwar "Verständnis" für das Vorgehen der saudisch-geführten Koalition geäußert (und lässt auch zu einem geringeren Maße Waffenlieferungen zu), bemüht sich jedoch vor allem auch auf diplomatischer Ebene in Zusammenarbeit mit der UNO um eine Beendigung des Konflikts. Dies gilt auch für die Europäische Union als weiteren wichtigen Akteur.

Demonstranten fordern Rücktritt und strafrechtliche Verfolgung von Präsident Ali Abdullah Saleh, Dezember 2011. (© AP)

Geschichte des Konflikts

Die Wurzeln der aktuellen Konflikte liegen in der zunehmend autoritären und spalterischen Herrschaft des Langzeit-Präsidenten Ali Abdallah Salih, der seit 1978 Nordjemen und seit der Vereinigung mit dem Süden 1990 den gesamten Jemen regierte. Insbesondere im Norden säte Salih Misstrauen zwischen den Stämmen, um sie gegeneinander aufzubringen und ihre Handlungsfähigkeit zu schwächen. Zudem marginalisierte er die mit dem traditionellen Herrschaftssystem verbundene schiitische Strömung der Zaydiyya, der er selbst entstammt. Das Herzland der Zaydiyya liegt in der Provinz Sa’da an der Grenze zu Saudi-Arabien. Aus der religiösen Elite der Zaydiyya, den als Haschemiten bezeichneten Prophetennachkommen, gingen bis zur Revolution in den 1960er Jahren die Imame hervor, die im Norden herrschten.

Die Marginalisierung der Zaydiyya gelang Salih u.a., indem er Saudi-Arabien erlaubte, die Ausbreitung der Wahhabiyya im Jemen zu fördern. Auch aufgrund dieser Politik entstanden die Huthis, die sich im Widerstand gegen die politische und kulturell-religiöse Marginalisierung der Zaydiyya formierten. Von 2004 bis 2010 lieferten sich die Huthis in der Provinz Sa’da mit der Regierung Salih eine Abfolge von sechs brutalen Kriegen. Der Name der Rebellengruppe geht auf die sie anführende Familie al-Huthi zurück. Doch nicht alle Zayditen unterstützen die Huthis.

Jemen administrativ. (mr-kartographie) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Auch die Südliche Bewegung ist aus einer systematischen ökonomischen, politischen und kulturellen Marginalisierung unter der Salih-Regierung nach dem Bürgerkrieg 1994 hervorgegangen, in welchem der Süden kurz nach der Vereinigung der beiden Landesteile 1990 seine Unabhängigkeit zurückerlangen wollte. Der Norden gewann diesen Konflikt militärisch. In der Folge entließ Salih tausende südjemenitische Bedienstete aus Militär und Verwaltung. Wichtige Posten im Süden wurden mit Nordjemeniten besetzt; strategisch wichtiges Land an nordjemenitische Eliten vergeben und die eigenständige Geschichte des Südjemen vor 1990 verleugnet. Den ersten Protesten 2007 schlossen sich zunehmend mehr Unterstützer an, auch, weil Salih diesen Protesten immer wieder mit Gewalt begegnete.

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ist Vorstandsvorsitzende von CARPO – Center for Applied Research in Partnership with the Orient. Sie forscht seit 2008 im Jemen und hat im Oktober 2015 an der Universität Bielefeld zum modernen Jemen promoviert. Sie berät darüber hinaus Institutionen aus Politik und EZ zum Jemen. E-Mail: E-Mail Link: heinze@carpo-bonn.org