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Weg zur Weltmacht 1898 bis 1945 | USA – Geschichte, Wirtschaft, Gesellschaft | bpb.de

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Weg zur Weltmacht 1898 bis 1945

Jörg Nagler

/ 10 Minuten zu lesen

Das Eingreifen der USA ist mitentscheidend für den Ausgang des Ersten Weltkrieges. Danach sind sie die größte Handelsmacht, leiden aber auch besonders unter der globalen Wirtschaftskrise. Aus dem Zweiten Weltkrieg gehen sie als Supermacht hervor.

1904 sichern sich die USA die Oberhoheit über den Panama-Kanal, eine militärstrategisch und wirtschaftlich wichtige Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik. Eröffnungsfahrt der "Ancona" am 15. August 1914 (© akg-images)

Der erfolgreiche Ausgang des Spanisch-Amerikanischen Krieges führte zu einer machtbetonten Außenpolitik der USA. Dabei waren sie unter Präsident Theodore Roosevelt (1901-1909) im ostasiatischen Raum auf eine Gleichgewichtspolitik bedacht, um dort nach dem Russisch-Japanischen Krieg von 1904/05 weder Russland noch Japan zur beherrschenden Großmacht werden zu lassen. Allerdings verkannte Roosevelt das entschlossene japanische Vordringen und unterschätzte auch die negative außenpolitische Wirkung der restriktiven und diskriminierenden US-Einwanderungsgesetze gegen Japaner von 1907, sodass der US-amerikanische Einfluss in Ostasien zunächst begrenzt blieb.

In Mittelamerika und der Karibik wurde indessen eine konsequente Durchsetzung der eigenen wirtschaftlichen und geostrategischen Vorteile verfolgt. Dem damaligen strategischen Denken gemäß bildete die Flotte das Kernstück imperialer Macht, und es galt als wünschenswert, die beiden ihr als Operationsfelder dienenden Ozeane, Atlantik und Pazifik, durch einen mittelamerikanischen Kanal unter eigener Kontrolle zu verbinden. Nachdem Großbritannien sich aus der Karibik zurückgezogen hatte, unterstützten die Vereinigten Staaten daher die panamesische Unabhängigkeitsbewegung gegen Kolumbien und erhielten im Gegenzug die Zusicherung entsprechender Privilegien in der Kanalzone. Als der Panama-Kanal 1914 eingeweiht wurde, hatte sich die US-amerikanische Einflusssphäre in der Karibik bereits erheblich ausgedehnt. Die Jungferninseln und Puerto Rico waren in den Besitz der USA gekommen; Haiti, die Dominikanische Republik, Nicaragua, Panama und Kuba hatten den Status von Protektoraten.

Die amerikanische Gesellschaft hatte dagegen bis zum Eintritt in den Ersten Weltkrieg eine Krise der eigenen nationalen Identität durchlebt. Geschuldet war dies einerseits der noch unsicheren Rolle in der Weltpolitik, andererseits den Folgen der raschen Industrialisierung. Hatte sie das soziale Gefüge bereits verändert, so wurde es durch die Masseneinwanderung seit den 1880er-Jahren noch zusätzlich erschüttert.

Ab den 1890er-Jahren stammte diese sogenannte Neue Einwanderung erstmals nicht mehr überwiegend aus Westeuropa, sondern aus Süd- und Osteuropa. Sie löste eine Welle von Fremdenfeindlichkeit aus, da diese Immigranten im Ruf standen, nicht assimilierungswillig zu sein und unfähig, die amerikanische Demokratie und ihre Werte zu verstehen und zu akzeptieren. Vielfach rief man nach Einwanderungsbeschränkungen und der Einführung eines Kriterienkatalogs, den Immigranten bei Einwanderung erfüllen sollten, wie zum Beispiel Schreib- und Lesetests. In jene Zeit fiel die Uraufführung von Israel Zangwills Theaterstück "The Melting Pot". Seither gilt der "Schmelztiegel"-Begriff als Bild für eine Einwanderungsgesellschaft, in der die verschiedensten Gruppen sich zu einem Ganzen vereinen. Die schnelle Verstädterung sowie die zunehmende Anzahl und Größe von Immigranten-Ghettos in den Zentren der Ostküste und des Mittelwestens führten zu sozialen Problemen und der Furcht vor Keimzellen sozialen Unfriedens und Aufruhrs in Großstädten. Hatte 1870 jeder vierte Amerikaner in einem urbanen Umfeld gewohnt, so war es 1890 etwa jeder dritte, und bis Ende des Ersten Weltkrieges 1918 wohnten mehr Menschen in Städten als auf dem Land.

Erster Weltkrieg



Als unter den europäischen Nationen 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, rief US-Präsident Woodrow Wilson (1913-1921) seine Landsleute zu strikter Neutralität auf. Die vielen europäischen Immigranten – 1910 hatte der Anteil der im Ausland Geborenen mit nahezu 15 Prozent seinen Höchststand erreicht – ermahnte er, amerikanisch zu denken und alte Loyalitäten aufzukündigen. 1910 lebten immerhin über acht Millionen Erst- und Zweitgenerationsangehörige deutscher Herkunft in den USA, gemessen an der Gesamtbevölkerung von etwa 92 Millionen also ein erheblicher Anteil.

Die kulturelle Nähe der Vereinigten Staaten – insbesondere der Ostküsten-Elite – zu Großbritannien führte indessen bald zu einem Kurs der "parteiischen Neutralität". Gegen die britische Seeblockade, die Deutschland faktisch von der Außenwelt abschnitt und ihm große Versorgungsschwierigkeiten bereitete, gab es nur halbherzige offizielle Proteste von Seiten der USA. Dem Deutschen Reich wurden dagegen aufgrund des U-Boot-Krieges Sanktionen angedroht. Die durch die britische Blockade hervorgerufenen Außenhandelseinbußen wurden durch die Kapitalnachfrage der westlichen Alliierten und ihren Bedarf an Waffen aus den USA ausgeglichen, sodass sich die US-Wirtschaft schnell von einer zwischenzeitlichen Depression erholen konnte.

Entscheidend für die zunehmend kritische Haltung der Vereinigten Staaten gegenüber Deutschland wurden zum einen der Einmarsch deutscher Truppen in das neutrale Belgien und zum anderen die Versenkung des britischen Passagierschiffes "Lusitania" im Mai 1915, bei der auch 128 Männer, Frauen und Kinder aus den USA den Tod fanden. Den endgültigen Kriegseintritt am 6. April 1917 bewirkten vor allem zwei Ereignisse: der deutsche uneingeschränkte U-Boot-Krieg, der weiterhin amerikanisches Leben und Eigentum bedrohte, und eine deutsche Note an Mexiko, die im Falle eines Kriegseintrittes der USA ein deutsches Bündnis mit Mexiko vorschlug. Das verschlüsselte Telegramm war vom britischen Geheimdienst dekodiert und der US-Regierung übermittelt worden.

Das Eingreifen in den Ersten Weltkrieg traf in den Vereinigten Staaten durchaus nicht auf ungeteilte Zustimmung. Immerhin entschieden sich im Repräsentantenhaus von 423 Stimmberechtigten 50 dagegen, im Senat sechs von 88; die nationale Öffentlichkeit war zunächst eher gespalten. Doch die geistige Mobilisierung gelang der Regierung ebenso schnell wie die militärische und wirtschaftliche. Durch die Entsendung von über zwei Millionen Soldaten zum europäischen Kriegsschauplatz erwies sich das amerikanische Engagement als entscheidend für den Ausgang des Krieges. Mit den "Vierzehn Punkten" vom Januar 1918 definierte Präsident Wilson seine Kriegsziele und Vorstellungen einer friedlichen Nachkriegsordnung, über die ein Völkerbund wachen sollte. Im November 1918 erklärte das Deutsche Reich seine Kapitulation.

Kriegsfolgen



Die USA hatten 116 000 Todesopfer und 200 000 Verwundete zu beklagen, und auch die politischen und wirtschaftlichen Folgen der Intervention waren erheblich. Dagegen blieben die Ergebnisse der Versailler Friedenskonferenz (Januar bis Juni 1919) hinter den hochgesteckten amerikanischen Erwartungen zurück. Wilson wurde zu Hause direkt für den Misserfolg verantwortlich gemacht. Weitreichende Konsequenzen für die globale Nachkriegsordnung sollte die Senatsentscheidung vom November 1919 haben, die Unterzeichnung des Versailler Vertrages und den Beitritt der USA in den Völkerbund abzulehnen. Die Nation wollte sich offenbar vom Schicksal Europas abwenden und zum Isolationismus zurückkehren, einer Haltung, die der mit großer Mehrheit neugewählte republikanische Präsident Warren G. Harding (1921-1923) durch seinen berühmten Wahlkampfslogan "Zurück zur Normalität" ausdrückte. Hiermit brachte er die Stimmung einer Gesellschaft zum Ausdruck, die nach der Reform- und Kriegszeit dem Idealismus à la Wilson nun überwiegend kritisch gegenüberstand. Mit Harding wurde die Dominanz der Republikanischen Partei eingeleitet, die in ungebrochener Folge bis 1933 auch die Präsidenten stellte. Wirtschaftlich wurde das Land unter Hardings Regierung zur bedeutendsten Handelsmacht und von einer Schuldnernation zum größten Gläubiger der Welt; neben London etablierte sich New York als Zentrum der Weltfinanz. Trotz isolationistischer Außenpolitik blieben die USA in der Außenhandelspolitik aktiv. Sie erwarteten die Rückzahlung der alliierten Schulden und hatten ebenso ein Interesse, die Reparationszahlungen der Besiegten mitzugestalten. Im "Dawes-Plan" von 1924 wurde ersichtlich, dass sie für die deutschen Rückzahlungsschwierigkeiten größeres Verständnis aufbrachten als England und Frankreich: Sie setzten eine Angleichung der Zahlungen an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Deutschen Reiches durch und stellten ihm eine erhebliche Anleihe zur Verfügung. Als sich die Forderungen erneut als zu hoch erwiesen, wurden die jährlichen deutschen Zahlungsraten 1929 auf amerikanischen Druck hin nochmals reduziert, was dokumentierte, dass den Vereinigten Staaten an einer europäischen Stabilität gelegen war, nicht zuletzt um eigene Investitionen dort zu sichern.

Zwischenkriegszeit



Während im Europa der Nachkriegsjahre fundamentale gesellschaftliche Umwälzungen stattfanden, war diese Phase in den USA durch Kontinuität gekennzeichnet – die "Goldenen Zwanziger" standen im Zeichen von Genuss und Konsum. Unterstützt wurde diese Haltung durch eine florierende und dynamische Wirtschaft, die die Verbraucherbedürfnisse im Zeichen eines ungezügelten Kapitalismus durch Werbung weiter hochschraubte und bei Vollbeschäftigung jährliche Wachstumsraten von fünf Prozent verzeichnete.

Die seit 1920 bestehende Prohibition, das Verbot von Herstellung und Konsum alkoholischer Getränke (1933 wieder aufgehoben), führte derweil durch illegale Alkoholproduktion und Schmuggel zum Aufblühen des organisierten Verbrechens. Gleichzeitig galten die Vereinigten Staaten als Symbol von Modernität schlechthin: unverwechselbar und eindrucksvoll schon rein äußerlich durch die schwindelerregenden neuen "Wolkenkratzer" New Yorks und Chicagos, klanglich durch die weltweite Verbreitung des Jazz, individuell durch das Automobil als Ausdruck persönlicher Mobilität im American way of life. Jeder fünfte der nunmehr 120 Millionen US-Amerikaner besaß 1929 ein Kraftfahrzeug, ein Verhältnis, das in der Bundesrepublik Deutschland erst 1965 erreicht wurde.

Große Depression



Umso dramatischer wurde dann der Wirtschaftszusammenbruch während der Großen Depression erlebt, die mit dem New Yorker Börsenkrach im Oktober 1929 ihren Anfang nahm. Die Folge waren Konkurse und eine hohe Arbeitslosigkeit, die 1933 mit 25 Prozent ihren Höhepunkt erreichte. Bis 1932 war das Bruttosozialprodukt um 43,5 Prozent gefallen, und die Industrieproduktion hatte sich halbiert.

Andere Wirtschaftszweige, wie die Landwirtschaft, wurden noch mehr geschädigt: Der Preisverfall für Agrarprodukte verringerte die Bruttoeinkommen der Farmer um mehr als 50 Prozent. Dadurch konnten sie ihre Hypothekenzinsen nicht mehr bezahlen, mussten vielfach ihre Farmen zwangsversteigern und sich als Landarbeiter durchschlagen. Viele von ihnen machten sich auf den Weg nach Kalifornien, in der (oft vergeblichen) Hoffnung, ihre Familien dort besser versorgen zu können – Schicksale, die John Steinbeck in seinem Roman "Früchte des Zorns" (1939) eindringlich beschrieb.
Ebenso schwerwiegend wie die wirtschaftliche Not erwies sich die Demoralisierung der Bevölkerung. Das jahrzehntelange Vertrauen in den Laissez-faire-Kapitalismus wich über Nacht – wie auch vielerorts im Ausland – einer tiefen gesellschaftlichen Verunsicherung, die die Grundfesten bisheriger Lebensanschauungen und Werte erschütterte. Damit erhob sich die Kernfrage, ob eine liberale Demokratie noch in der Lage sein würde, dieser Krise etwas entgegenzuhalten.

QuellentextWolkenkratzer

Kein anderer Gebäudetypus ist so eng mit der Stadt- und Architekturgeschichte der USA verbunden wie der Wolkenkratzer (skyscraper), der in den 1890er-Jahren seinen Namen erhielt. Die typisch amerikanische Konstruktion entstand in Chicago und New York in der Phase des Hochkapitalismus, in der der teure Grund und Boden der Innenstädte zahlreiche Spekulanten auf den Plan rief. Die Erkenntnis, dass das jeweils höhere Haus mehr Nutzfläche und damit, angesichts der ständig steigenden Grundstückspreise, einen höheren ökonomischen Wert besaß, löste zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen Bauboom aus. Dieser Bauboom sollte die Silhouette der amerikanischen Innenstädte verändern und erzeugte mit der Skyline ein völlig neues Stadtbild, das zum Symbol urbaner und wirtschaftlicher Macht avancierte. Voraussetzung für die Erfindung und die steile Karriere der amerikanischen Wolkenkratzer waren technische Neuentwicklungen. Zu diesen technischen Innovationen zählten zum Beispiel der hydraulische "Sicherheitsaufzug", der erstmals 1857 in einem New Yorker Haus installiert wurde, die Entwicklung feuerfester Baustoffe sowie der Stahl- und Gusseisen-Skelettbau, der ab 1879 im First Leiter Building in Chicago realisiert wurde.

Das pragmatische Kalkül der potenten Bauherrn förderte die Ausprägung einer zweckorientierten und wirtschaftlichen Architektur. Spätestens in den 1920er-Jahren waren die Skyscrapers der USA weltweit zum Symbol des prosperierenden Kapitalismus geworden, dessen kulturelle Symbolik beispielsweise in Deutschland weitgehend abgelehnt wurde. Ein Essay Siegfried Kracauers in der Frankfurter Zeitung von 1921 spiegelte eine weit verbreitete Meinung wider, wenn es heißt: "Die Hässlichkeit der New Yorker City ist jedermann bekannt. Turmartige Ungetüme, die ihr Dasein dem ungezügelten Machtwillen raubtierhaften Unternehmertums verdanken, stehen dort wild und regellos nebeneinander, außen und innen häufig mit einer prunkvollen Scheinarchitektur verkleidet."

In der Anfangseuphorie wurden Amerikas Hochhäuser in beliebiger Form und Höhe gebaut. Erst ab 1916 setzten sich, zunächst in New York City, Richtlinien durch, die mit zunehmender Höhe eine Verjüngung des Baukörpers verlangten, damit die Wolkenkratzer den Städtern nicht "den Himmel stehlen" würden. Die pyramidenartige Zuspitzung der amerikanischen Hochhäuser ist demnach keine künstlerische Erfindung, sondern ein Gestaltungsprinzip, das zwischen dem Profitstreben der Auftraggeber und den Bebauungsrichtlinien der Städte vermittelte.

Seit 1892, als die Trophäe für den höchsten Wolkenkratzer innerhalb von wenigen Monaten von Chicago nach New York (Pulitzer Building) und wieder zurück nach Chicago (Masonic and Women’s Temple) wanderte, bestimmte der Wettlauf um die Vertikale die Physiognomie der beiden Metropolen. Besondere Dramatik erfuhr der Kampf zwischen den Giganten Ende der 1920er Jahre, als gleich zwei Konkurrenten offen um den Titel des höchsten Hauses der Welt wetteiferten: die Bank of the Manhattan Company und das Chrysler Building. Den Sieg trug damals das Chrysler Building davon, da der Architekt die siebenstöckige Art-Deco-Spitze heimlich im Innern des Hochhauses hatte zusammensetzen lassen, um nur wenige Stunden nach Fertigstellung des Nachbargebäudes mit einem neuen Gebäudehelm auftrumpfen zu können. Nach dem 1972 erbauten New Yorker World Trade Center erlangte 1973 der Sears Tower in Chicago den Titel "höchstes Gebäude der Welt". Auch wenn Hongkong seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert für sich beanspruchen kann, über mehr Wolkenkratzer als New York City zu verfügen, und die höchsten Häuser der Welt heute in Asien stehen, geht der Wettlauf in die Höhe, als Demonstration von Technologiebeherrschung und wirtschaftlicher Potenz, auch in den USA weiter. […]

Christof Mauch, Die 101 wichtigsten Fragen. Amerikanische Geschichte, C.H. Beck Verlag, München 2008, Seite 58 f.

New Deal



Der 1932 gewählte demokratische Präsident Franklin D. Roosevelt (1933-1945) vermochte es, der Bevölkerung erneutes Vertrauen in die Zukunft zu vermitteln. Sein von 1933 bis 1939 durchgeführtes ehrgeiziges Wirtschafts- und Sozialprogramm New Deal versuchte die Krise durch groß angelegte Maßnahmen zu bewältigen. In den "ersten hundert Tagen" seiner Regierung gelang es Roosevelt, ein ganzes Bündel von Reformen auf den Weg zu bringen, die jeden Wirtschaftsbereich erfassten: den industriellen Sektor, die Landwirtschaft, das Bankensystem, das Sozialwesen und den Arbeitsmarkt. Für die Umsetzung der Reformen wurden zahlreiche Exekutivbehörden gegründet, die die bundesstaatliche Bürokratie stark anwachsen ließen und die Kompetenz des Präsidenten verstärkten. Im Zuge von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bauten 8,5 Millionen Beschäftigte ca. 122 000 öffentliche Gebäude, über eine Million Kilometer neuer Straßen, rund 80 000 Brücken und Großprojekte wie Staudämme und Kraftwerke.

In Teilbereichen erwies sich der New Deal als durchaus erfolgreich. Neu und hilfreich war beispielsweise die Orientierung auf die soziale Verantwortung des Staates, erstmals wurde ein Sozialversicherungssystem geschaffen. Es gelang jedoch nicht, die strukturell bedingte Wirtschaftskrise völlig zu beheben. Erst nach Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg im Dezember 1941, als die Produktion von Kriegsgütern für weitere Beschäftigung sorgte, wurde die Krise überwunden.

QuellentextDust Bowl

Ein Reporter des Washington Evening Star Press prägte den Begriff "Dust Bowl" (Staubschüssel), als im April 1935 ein schwerer Staubsturm über die südlichen Great Plains von Kansas, Colorado, Oklahoma, Texas und New Mexico hinwegfegte und eine Fläche (fast doppelt so groß wie die Bundesrepublik) in eine trostlose Wüste verwandelte. Selbst im 2 500 Kilometer entfernten New York City verdunkelte der Staub fünf Stunden lang die Stadt. "Die schwerste Umweltkatastrophe in der Geschichte der weißen Bevölkerung in Nordamerika", wie sie der Historiker Donald Worster nannte, war zum einen die Konsequenz einer Trockenperiode, die bereits in den 1930er-Jahren eingesetzt hatte. Zum anderen resultierte sie aus dem profitorientierten und rücksichtslosen Umgang der Farmer mit ihrem Land. Die Parole "Der Weizen wird den Krieg gewinnen" und die ständig steigenden Preise, die um die Jahrhundertwende – vor allem aber seit dem Ersten Weltkrieg – für Weizen bezahlt wurden, hatten die Great Plains in ein riesiges Getreideparadies verwandelt. Im Zentrum der Dust Bowl waren 1888 nur 3 Prozent Weizen angebaut worden, 1930 machte "King Wheat" über 90 Prozent der Ernte aus. Dass die riesigen Mähdrescher, deren Arbeitsbreite rasch von drei auf über sieben Meter anstieg, die dünne Ackerkrume der Prärie rasch zerstoben oder abtrugen, störte nur wenige der Bauern, von denen in den 1930er-Jahren fast ein Fünftel – als Spekulanten und "suitcase farmers" – ihren Hauptwohnsitz in den Städten hatten.

Hunderttausende Menschen verloren als Folge der Dust Bowl-Katastrophe ihre Lebensgrundlage. So wanderten allein aus Oklahoma 15 Prozent der Bevölkerung nach Kalifornien aus. (Bald wurden alle Dust Bowl-Migranten, unabhängig von ihrer Herkunft, "Okies" genannt). Hilfsprogramme der Bundesregierung, Bewässerungsprojekte und die Einübung von nachhaltigen Formen der Bodenbewirtschaftung konnten die Sandstürme der Prärie nicht völlig eindämmen. Sie verhinderten jedoch eine große Katastrophe vom Ausmaß der Dust Bowl der 1930erJahre. In den Gedichten von Archibald McLeish, den Fotografien von Dorothea Lange, den Balladen eines Woody Guthrie (der selbst "Okie" war), in John Steinbecks grandiosem Roman "Früchte des Zorns", im gleichnamigen Film von John Ford und in Theaterstücken von Frank Galati lebt die Dust Bowl wie keine andere Naturkatastrophe als kollektive Erinnerung der Amerikaner fort.

Christof Mauch, Die 101 wichtigsten Fragen. Amerikanische Geschichte, C. H. Beck Verlag, München 2008, Seite 86

Zweiter Weltkrieg



Als in Europa und Asien zunehmend Anzeichen eines erneuten Krieges sichtbar wurden, nahm die isolationistische Stimmung in der Bevölkerung weiter zu, und der überwiegend ähnlich gesinnte Kongress verabschiedete mehrere Neutralitätsgesetze, die den außenpolitischen Handlungsspielraum des Präsidenten erheblich einschränkten. Nach einer Gallup-Umfrage vom September 1939, kurz nach Hitlers Angriff auf Polen, waren 84 Prozent der Befragten gegen ein amerikanisches Eingreifen. Auch Roosevelt bekannte sich öffentlich zu Neutralität.

Doch gleichzeitig wurde die nationale Verteidigung durch ein gewaltiges Rüstungsprogramm, die Einführung der Wehrpflicht und die Errichtung einer 300 bis 1 000 Meilen breiten Sicherheitszone um den amerikanischen Kontinent vorbereitet. Ab November 1939 wurde ausländischen Mächten der Kauf amerikanischer Waffen gestattet, und im Herbst 1940 erwarben die USA neue Militärstützpunkte im Atlantik und in der Karibik.

Im August 1941 kam es vor Neufundland zu einem geheimen Treffen Roosevelts mit dem britischen Premierminister Winston Churchill. Das Ergebnis war eine Erklärung über gemeinsame amerikanisch-britische Prinzipien – die "Atlantik-Charta". Sie vertrat das Selbstbestimmungsrecht der Völker, den Zugang zum freien Welthandel zur Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation der Völker, die Freiheit der Meere und die Entwaffnung von Aggressorstaaten. Im September 1941 befahl Roosevelt den Schutz britischer Schiffe durch die US-Flotte, was eine militärische Konfrontation mit Deutschland heraufbeschwor.

Angriff auf Pearl Harbor



Dennoch traf der japanische Flugzeugangriff auf den Stützpunkt der US-Pazifikflotte in Pearl Harbor/Hawaii am 7. Dezember 1941 die USA völlig überraschend. Über 2 400 US-Soldaten kamen ums Leben, und große Teile der Flotte wurden zerstört.

Aufgrund dieses "Tages der Schande" schlug die bis dahin immer noch isolationistische Stimmung in den USA über Nacht um. Anders als im Ersten Weltkrieg befürwortete nun eine überwältigende Mehrheit den Krieg gegen die Achsenmächte. Der Konflikt schmiedete die Nation zusammen, die umgehend zur Mobilisierung ihrer Ressourcen überging. Etwa elf Prozent der Gesamtbevölkerung leisteten Kriegsdienst.

Binnen Kurzem bauten die Vereinigten Staaten die größte Kriegsmaschinerie der Geschichte auf. Im Zeitraum von 1939 bis 1945 wurde die Industrieproduktion mehr als verdoppelt. Nach der gewonnenen Seeschlacht bei den Midway-Inseln Anfang Juni 1942 gelang es der US-Pazifik-Flotte, zum Gegenangriff auf die Japaner überzugehen. Das verbündete China erhielt Militär- und Materialhilfe im Kampf gegen die japanische Besetzung.

Die Kooperation mit Großbritannien und ein stabiles Bündnis mit der Sowjetunion waren für die weitere Kriegführung zentral. Um die enormen Verluste der Sowjets zu mindern, sollte möglichst früh eine "zweite Front" etabliert werden. Da ein Angriff auf die französische Atlantikküste 1942 militärisch noch nicht umsetzbar war, entschieden Roosevelt und Churchill, den deutschen Kontrollbereich vom Mittelmeerraum aus anzugreifen. Nach der erfolgreichen Invasion in Nordafrika kamen sie darüber hinaus im Januar 1943 auf der Konferenz in Casablanca überein, von Deutschland und Japan ausschließlich eine bedingungslose Kapitulation (unconditional surrender) zu akzeptieren.

Invasion in der Normandie



Gleichzeitig wurde der Zeitpunkt einer alliierten Invasion in Frankreich auf das Jahr 1944 festgelegt. Nach Abschluss der Mobilisierung und Ausschaltung der deutschen U-Boote im Atlantik gelang am 6. Juni 1944 unter dem Oberbefehl General Dwight D. Eisenhowers die alliierte Landung in der Normandie und die Eroberung der schwer befestigten Küste. Durch sowjetische Erfolge im Osten und das gleichzeitige Vorrücken alliierter Truppen in Italien und Frankreich wurde Deutschland zunehmend eingekreist. Die deutsche Kapitulation am 8. Mai 1945 erlebte Roosevelt nicht mehr, er starb am 12. April 1945. Sein Nachfolger, Vizepräsident Harry S. Truman (1945-1953), einigte sich auf der Potsdamer Konferenz (17. Juli bis 2. August 1945), dem letzten Gipfeltreffen der Alliierten, mit Stalin und Churchill über die Modalitäten der Besetzung Deutschlands, das in vier Zonen aufgeteilt und als Wirtschaftseinheit behandelt werden sollte; die sowjetische Seite sagte eine Kriegserklärung an Japan zu. Im Pazifik tobte der Kampf noch immer unerbittlich weiter. Als für die USA ersichtlich wurde, dass Japan nicht ohne erbitterten Widerstand kapitulieren würde, verstärkten sie die Bombardements auf das japanische Festland; schließlich entschied sich Truman für den Abwurf zweier Atombomben auf Hiroshima (6. August 1945) und Nagasaki (9. August 1945), dem Hunderttausende von Menschen zum Opfer fielen. Am 14. August kapitulierte Japan und wurde von amerikanischen Truppen besetzt.

Prof. Dr. Jörg Nagler war Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut Washington, D.C., Direktor des Kennedy Hauses Kiel und lehrt seit 1999 Nordamerikanische Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Sozial- und Politikgeschichte der USA im 19. und 20. Jahrhundert, Krieg und Gesellschaft in den USA, Immigrationsgeschichte, deutsch-amerikanischer Kulturtransfer und afroamerikanische Geschichte.