Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

18. März 1848: revolutionärer Aufstand in Berlin | Der 18. März in der deutschen Demokratiegeschichte | bpb.de

Der 18. März in der deutschen Demokratiegeschichte Freiheitstraditionen in der deutschen Geschichte 18. März 1990 18. März 1793 18. März 1848 Erinnerung und Erinnerungsorte Literaturhinweise und Internetadressen Impressum

18. März 1848: revolutionärer Aufstand in Berlin

Gernot Jochheim

/ 17 Minuten zu lesen

18./19. März 1848 in Berlin: Einsatz von Reitersoldaten zur Räumung des Schlossplatzes am frühen Nachmittag des 18. März (© bpk / Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin / Knud Petersen)

Der 18. März 1848, ein Samstag, war ein warmer Vorfrühlingstag. Am Morgen konnten die Bewohnerinnen und Bewohner Berlins in der Presse und auf Bekanntmachungen des Magistrats, der Stadtregierung, sensationelle Nachrichten lesen. König Friedrich Wilhelm IV. hatte ein "Gesetz über die Presse" erlassen. Danach war die Zensur aufgehoben; die Pressefreiheit wurde vorbehaltlos gewährt. Mehr noch: Zugleich hatte der König in einem "Patent" (so hieß seit dem Mittelalter ein offener Brief eines Landesherrn) den "Vereinigten Landtag" – kein Parlament, sondern die Ständeversammlung der preußischen Provinzen, in der Adelige, Großbauern und städtische Großgrundbesitzer zusammenkamen – vorfristig zu Beratungen einberufen. In dem "Patent" fanden sich einige Programmpunkte des Königs hinsichtlich einer politischen Neugestaltung des Deutschen Bundes. Der Monarch verlangte unter anderem, "dass Deutschland aus einem Staatenbund in einen Bundesstaat verwandelt werde". Und während Friedrich Wilhelm IV. noch im April 1847 eben dieser Versammlung gegenüber geäußert hatte, er werde es nicht zulassen, dass sich zwischen ihm, dem König von Gottes Gnaden, und dem Volk ein "beschriebenes Blatt", also ein Verfassungstext, "eindränge", bekundete der König nun, dass eine zukünftige "Bundespräsentation eine constitutionelle Verfassung aller deutscher Länder nothwendig erheische (verlange)". Begeistert nahmen die Menschen diese Botschaften auf. Nicht allein, dass der König sich der Einführung demokratischer Rechte nicht länger zu versperren schien – offenbar wollte er sich als Repräsentant des größten deutschen Staates, nämlich Preußens, sogar an die Spitze der in den deutschen Staaten und Reichsstädten mittlerweile immer entschiedener auftretenden Bewegung für die Einheit Deutschlands stellen.

Gegen Mittag zogen Tausende Berliner und Berlinerinnen aus allen Bevölkerungsschichten zum Schlossplatz, um dem König zu danken. Unter donnerndem Beifallsgeschrei betrat er mit dem Ministerpräsidenten gegen vierzehn Uhr einen der Balkone des Schlosses. Die Rede des Ministerpräsidenten ging ebenso im tosenden Jubel unter wie die durch ihn gesprochenen Dankesworte des Königs. In großer Zahl wurde das Extrablatt der "Allgemeinen Preußischen Zeitung" mit den Texten des Pressegesetzes und des Einberufungspatents verteilt. Trotz entsprechender Gesten des Königs verließen die freudig erregten Menschen den Schlossplatz nicht.

Die Stimmung schlug um, als Demonstrierende, die an den Portalen zu den Schlosshöfen standen, einsatzbereite Militärabteilungen sahen. Erste Rufe waren zu vernehmen: "Militär zurück!" Die Menschen erinnerten sich an die Zusammenstöße von Bürgern mit dem Militär an vergangenen Tagen, als es sogar einen Toten gab. Auf dem Platz häuften sich die lautstarken Forderungen: "Die Soldaten fort!" – "Das Militär zurück!" Eine bedrohliche Unruhe kam auf. Da erschien am Rande des Platzes eine Schwadron Dragoner, etwa 50 Reiter. Der Kommandierende zog den Säbel, so auch die Soldaten. Aus einem der Portale des Schlosses rückte eine Kompanie Grenadiere an. Das Militär hatte offenbar den Befehl erhalten, die Menschen zurückzudrängen und den Platz zu räumen. Da erschallten zwei Schüsse. In einer panikartigen Reaktion flohen die Menschen in die Straßen, die zum Schlossplatz führten. "Verrat! Verrat! Der König schießt auf das Volk!" Sturmglocken läuteten. Innerhalb weniger Stunden wurden im Stadtgebiet spontan und völlig planlos etwa 200 Barrikaden errichtet – Barrikaden aus Fuhrwerken und Droschken, aus Türen, Toren und Fässern, aus Balken und Bohlen, befestigt mit Pflastersteinen und Steinplatten. Sie sollten ein Vordringen des Militärs verhindern. Auf einigen der Barrikaden wehte eine schwarz-rot-goldene Fahne, das Symbol der Bewegung für Einheit und Freiheit.

So planlos wie der Barrikadenbau war der Widerstand gegen das anrückende Militär. Die Verteidiger waren überwiegend Handwerker, Arbeitsleute und Studenten. Praktisch waffenlos. Vereinzelt waren auch Frauen und Kinder zu sehen. Planvoll handelte jedoch die Militärführung. Sie wollte die Kontrolle über die Innenstadt erlangen, zog einen schützenden Ring um das Schloss und stellte Verbindungen zu den Munitions- und Proviantdepots her. Barrikade um Barrikade wurde niedergemacht. Die helle Vollmondnacht wurde von Feuerschein, Schüssen, Brüllen, Schreien und Trommelwirbel der Straßenkämpfe zerrissen. In den frühen Morgenstunden des Sonntags stellte das Militär den Kampf ein. Nur wenige Barrikaden hatten standgehalten. So jene am Alexanderplatz.

Die Tage danach


Die Barrikadenkämpfe verunsicherten den König und seine Berater nachhaltig. Der König, der von sich schrieb, er habe keinen anderen Gedanken als den, "die Revolution zu bekämpfen und zu vernichten", war um Schadensbegrenzung bemüht.

Noch in der Nacht zum 19. März verfasste er eine Proklamation "An meine lieben Berliner!". Die Geschehnisse des Vortages wären durch fremde Ruhestörer und Aufrührer provoziert worden, war da zu lesen, und die Kavallerie wäre auf dem Schlossplatz mit "eingesteckter Waffe" vorgegangen. Diese Unwahrheiten förderten in der Bürgerschaft nicht gerade die Glaubwürdigkeit des Monarchen.

An diesem Tag gab es zudem einen ersten Überblick über die Opfer der Barrikadenkämpfe. Auf Seiten der Bürger waren letztlich 270 Tote zu beklagen, darunter 11 Frauen und 10 Kinder bzw. Jugendliche. Beinahe zwei Drittel der Gefallenen waren Handwerker, mehr als ein Viertel Arbeiter und Dienstboten. 1000 Menschen hatten Verletzungen davongetragen. Eine große Zahl der Toten wurde in einem der Schlosshöfe aufgebahrt, wo sich der König – an seiner Seite die Königin – vor ihnen verneigte. Unter den Soldaten hatte es etwa 200 Tote und 250 Verletzte gegeben. Noch am 19. März befahl der König den Abzug des Militärs aus der Stadt und genehmigte eine Bürgerbewaffnung.

Am 21. März kursierte eine Proklamation ohne Unterschrift in Berlin, die allerdings in der Hofdruckerei hergestellt worden war:
"An die deutsche Nation! Eine neue glorreiche Geschichte hebt mit dem heutigen Tage für Euch an! Ihr seid fortan wieder eine einige große Nation, stark, frei und wichtig im Herzen von Europa! Preußens Friedrich Wilhelm IV. hat Sich, im Vertrauen auf Euren heldenmütigen Beistand und Eure geistige Wiedergeburt, zur Rettung Deutschlands an die Spitze des Gesamt-Vaterlandes gestellt. Ihr werdet Ihn mit den alten, ehrwürdigen Farben Deutscher Nation noch heute zu Pferde in Eurer Mitte erblicken. Heil und Segen dem constitutionellen Fürsten, dem Führer des gesamten deutschen Volkes, dem neuen Könige der freien, wiedergeborenen deutschen Nation. Berlin, den 21. März 1848

Tatsächlich ritt der König an diesem Tage, geschmückt mit einer Armbinde und unter einer Fahne mit den Farben Schwarz-Rot-Gold, die er insgeheim ablehnte, durch die Stadt. Er selbst interpretierte die Farben allerdings nicht als das Zeichen der Freiheitsbewegung in Deutschland, sondern als Farben des mittelalterlichen Reiches deutscher Nation, dessen Wiedererrichtung sein Traum war. An mehreren Orten der Stadt, so vor der Universität, hielt der König kurze Ansprachen. Sein (zu diesem Zeitpunkt nicht ohne weiteres erkennbares) Scheinbekenntnis zur Freiheits- und Einheitsbewegung brachte ihm von Kritikern die Titulierung "Staatsschauspieler" ein. Begleitet wurde das Schauspiel von einem weiteren königlichen Aufruf ("An mein Volk, an die deutsche Nation!"). Er werde nun die "Leitung" der deutschen Einheitsbewegung übernehmen, kündigte der König an und stellte sodann fest: "Preußen geht fortan in Deutschland auf." Zugleich gab er den Befehl, dass die Soldaten neben der preußischen nunmehr die "deutsche Kokarde", also die Farben Schwarz-Rot-Gold, zu tragen hätten.

Am 22. März wurden die Märzgefallenen beigesetzt. Der schier nicht enden wollende Trauermarsch zum Friedrichshain vor dem Königstor führte von der Neuen Kirche am Gendarmenmarkt, dem heutigen Deutschen Dom, vorbei am Schloss. Auf dem Schlossbalkon nahmen der König und die Minister zur Ehrung der Toten Helme bzw. Hüte ab.

Am 29. März berief Friedrich Wilhelm IV. den rheinischen Bankier Ludolf Camphausen zum Ministerpräsidenten und den Bankier und Großunternehmer David Hansemann zum Finanzminister, beide Liberale. Nun hatte Preußen wie andere deutsche Staaten auch ein bürgerliches "Märzministerium". All das ließ den Eindruck und die Hoffnung aufkommen, dass sich die revolutionären Forderungen erfüllen könnten.

Zum geschichtlichen Zusammenhang


Das Jahr 1848 war von Beginn an ein Jahr der revolutionären Erhebungen in Europa. Diese nahmen ihren Ausgang in Italien, das ebenso wie Deutschland keine nationale Einheit besaß, dessen Norden zudem teilweise dem österreichischen Kaiserreich einverleibt war. Im März 1848 setzte ein Aufstand der Ungarn gegen die habsburgische Fremdherrschaft ein. Aufstände in Posen und Prag wurden von Preußen wie von Österreich blutig niedergeschlagen. Im März hatten auch in den Staaten des deutschen Bundes demokratisch motivierte Aktivitäten eingesetzt, die am 18. März in Berlin einen vorläufigen dramatischen Höhepunkt fanden. Mit Dieter Langewiesche (Europa zwischen Restauration und Revolution. München 1985, S. 71) lässt sich von drei Zielsetzungen dieses revolutionären Aufbegehrens sprechen:
1. Staatenbildung nach dem Nationalitätenprinzip, 2. Demokratisierung des Herrschaftssystems und 3. Neuordnung der Sozialverfassung (Überwindung der Ständegesellschaft / Herausbildung und Ausgestaltung von klassengesellschaftlichen Strukturen). An den verschiedenen Orten waren diese Zielsetzungen unterschiedlich ausgeprägt, was unter anderem zur Folge hatte, dass sich kein gesamteuropäischer Revolutionsverlauf herausbildete. Gemeinsam ist jedoch die letztendliche gewaltsame Niederschlagung all der freiheitlich motivierten Aufbrüche und Aufstände durch die Herrschenden. Im Folgenden soll das Revolutionsgeschehen lediglich mit Blick auf die Freiheitsbewegung in den deutschen Staaten skizziert werden.

Vordergründig prägten zunächst Liberale und Demokraten, also Gruppen des Bürgertums, die revolutionären Aktivitäten (siehe rechte Spalte). Zunehmend wurde jedoch das Geschehen mitgeprägt durch die mehr und mehr anwachsende Schicht einer industriellen Arbeiterschaft. Damit stellte sich eine neue soziale Konfliktlage ein (Ausbeutung, Verelendung). Im Übrigen betrafen elende Lebensverhältnisse nicht allein das sogenannte Proletariat. Generell litten große Teile der immens angewachsenen städtischen Unterschichten wie auch der Handwerksgesellen an Armut und Beschäftigungslosigkeit sowie unter Missernten und damit verbundenen Teuerungen (Pauperismus). Diese Gegebenheiten schufen eine Frontstellung der Arbeiterschaft wie der verarmten Schichten, mit denen sich manche bürgerliche Intellektuelle solidarisierten, gegen das Besitzbürgertum und gegen die sich entwickelnde industriekapitalistische Wirtschaftsordnung.

Üblicherweise wird die Ausrufung der Republik in Frankreich am 24. Februar 1848 als Anlass für das demokratische Aufbegehren gegen das Unterdrückungssystem in den Staaten des Deutschen Bundes angeführt. Tatsächlich waren die Ereignisse in Frankreich für Liberale und Demokraten das Signal, nunmehr entschiedene Forderungen nach Einheit und Freiheit zu stellen. Doch schon zuvor hatte die Unzufriedenheit mit den herrschenden Verhältnissen in Deutschland gegärt, insbesondere im südwestdeutschen Raum.

So hatte am 12. September 1847 im badischen Offenburg eine Versammlung "entschiedener Freunde der Verfassung", einberufen von den beiden Demokraten Friedrich Hecker und Gustav Struve, "Forderungen des Volkes" beschlossen. In den 13 Artikeln des Textes finden sich alle Elemente historischer Freiheitsdokumente, allen voran die Forderung nach Menschen- und Bürgerrechten. Bemerkenswert sind sozialpolitische Forderungen wie kostenlose Bildung, eine "progressive Einkommensteuer" und schließlich "Ausgleich des Mißverhältnisses zwischen Arbeit und Capital". Flugblätter mit der Offenburger Proklamation fanden in allen deutschen Staaten Verbreitung. Wesentliche ihrer Programmpunkte finden sich 1848 in den sogenannten Märzforderungen wieder, die vielerorts formuliert wurden.

QuellentextAus dem Stichwort „Liberalismus“ im Brockhaus-Lexikon von 1837:

"In neuester Zeit hat sich in ganz Europa ein Kampf entzündet, ursprünglich zwischen der Partei, welche die bestehenden Rechtsverhältnisse der geistigen Würde des Menschen nicht überall angemessen fand und damit auf Umgestaltung derselben antrug, und der Partei, welche um der Vortheile willen, welche das Bestehende ihm (dem Menschen – Anm. d. Red.) darbot, diese aufrecht zu erhalten bestimmt war. Die erstgenannte Partei war so ursprünglich allerdings die des Liberalismus; bald aber haben sich diese ehrende Bezeichnung ihrer Gesinnung alle Diejenigen angemaßt, denen es aus welchem Grunde auch immer um Umsturz eines Bestehenden zu tun war."

QuellentextAus dem Stichwort „Demokratisches Princip“ im Staatslexikon von Carl von Rotteck und Carl Welcker von 1837

"Es hat sich in der neuesten Zeit eine […] ausgesprochene Scheu vor demokratischer Gesinnung oder Richtung – sei es in Theorie oder Praxis – kund gethan, und bei der fast babylonischen Sprachverwirrung, welche in Folge des blind leidenschaftlichen politischen Parteienkampfs eintrat, sind die Benennungen Demokrat, Demagog und Revolutionär fast für gleichbedeutend erklärt und geachtet worden."

Diese Auszüge aus zwei Lexikon-Beiträgen des Jahres 1837 charakterisieren, wenn auch nicht ganz wertfrei, die oppositionellen politischen Lager in den deutschen Staaten. Auf der einen Seite standen die Liberalen mit ihrem Anliegen nach "Umgestaltung" der "Rechtsverhältnisse" im Sinne der "geistigen Würde des Menschen". Das bedeutete in der Praxis die Forderung nach einer konstitutionellen Monarchie mit der Gewährung bürgerlicher Freiheitsrechte und einer Volksvertretung, die Einfluss auf die gesellschaftlichen und politischen Entscheidungen haben sollte. Auf der anderen Seite standen die feudalen und konservativen Kräfte, die die Vorteile der bestehenden Verhältnisse bewahren wollten.

Aus der politischen Strömung des Liberalismus heraus entwickelte sich die demokratische Bewegung. Darin fanden diejenigen zusammen, die angesichts der offensichtlich nicht vorhandenen Bereitschaft der Fürsten, freiheitliche Verfassungen zu gewähren und die staatliche Einheit der Deutschen anzustreben, nun nicht mehr irgendeine Form der konstitutionellen Monarchie anstrebten, sondern die Verwirklichung von Menschenrechten und das Ende von Fürstenherrschaft schlechthin, also eine Verwirklichung der Souveränität des Volkes und somit die Schaffung einer Republik.

Die Liberalen hatten ihre soziale Basis in der Studentenschaft, unter den Bildungsbürgern und im Besitzbürgertum, die Demokraten bei kleinbürgerlichen Intellektuellen, bei den häufig verarmten Handwerkern und Kleinhändlern – damals sehr große städtische Bevölkerungsgruppen – sowie bei "Arbeitsleuten", die als gesellschaftliche Gruppe im Zuge der in Deutschland allmählich fortschreitenden Industrialisierung anwuchsen, jedoch ohne Mitte der 1830er-Jahre zugleich bereits ein spezifisches Klassenbewusstsein entwickeln. Besonders intellektuelle Demokraten – unter ihnen namhafte Dichter – wurden in den meisten deutschen Staaten als kriminelle Volksverhetzer verfolgt.



Der Aufstand in Berlin am 18. März beschleunigte die Initiativen für Wahlen zu einer verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, die am 18. Mai 1848 in der Frankfurter Paulskirche zusammentrat. Das Projekt der Nationalversammlung lautete: Gründung eines bundesstaatlich verfassten deutschen Nationalstaates auf der Grundlage einer konstitutionellen Monarchie.

Neben der Nationalversammlung bildete sich mit Schwerpunkt im deutschen Südwesten unter anderem in der Tradition des Offenburger Manifestes von 1847 eine gleichsam "außerparlamentarisch" agierende radikaldemokratische Bewegung. Hecker und Struve forderten auf einer zweiten Offenburger Volksversammlung am 19. März 1848 erstmals eine republikanische Staatsform. Auf einem Flugblatt war zu lesen: "Die Frage ist einfach: Können wir frei werden und einig und wohlfeil regiert unter 34 Fürsten?" Am 12. April riefen Hecker und Struve in Konstanz eine Republik aus, die mit einem Aufstand durchgesetzt werden sollte – ein Unternehmen ("Heckerzug"), das letztlich erfolglos blieb.

Es war wiederum ein Geschehen in Paris, das den Verlauf der Revolution in Deutschland beeinflusste. Am 22. Juni erhoben sich dort Zehntausende Arbeiter, als die Regierung die Weiterführung der staatlich geförderten Arbeitsangebote einstellte. Nach drei Tagen wurde der Aufstand blutig niedergeschlagen; 3000 Arbeiter waren bei den Barrikadenkämpfen umgekommen. Im Bürgertum rief dies wohl einen später so bezeichneten "Anti-Chaos-Reflex" hervor: die Furcht vor unkontrollierbaren Aufständen der Unterschichten und vor den damit einhergehenden Unwägbarkeiten. Die Folge war eine gesteigerte Kompromissbereitschaft gegenüber den alten Mächten. Jedenfalls blieben Widerstandsaktionen aus, als die herrschenden Fürsten im Sommer nach und nach ihre Zugeständnisse aus dem März zurücknahmen.

Ein erstes Projekt der Paulskirchenversammlung betraf die "Grundrechte des deutschen Volkes", die am 27. Dezember 1848 beschlossen und später Bestandteil der Verfassung wurden. In diesem Dokument finden sich die modernen Freiheits- und Eigentumsrechte, aber keine Anrechte auf soziale Sicherung. Dagegen wurden im Zusammenhang mit dem Gleichheitsgrundsatz die Auflösung aller Standesvorrechte und die Abschaffung des Adels festgelegt, was die alten gesellschaftlichen Mächte besonders herausgefordert haben dürfte. Abschließend unternahm die Nationalversammlung den Versuch einer staatlichen Einigung auf Basis einer "kleindeutschen Lösung" (Zusammenschluss der deutschen Staaten ohne Österreich). Am 28. März 1849 beschloss sie eine Reichsverfassung und entsandte eine Delegation, um dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. die Kaiserkrone anzutragen. Doch dieser lehnte ab.

Insbesondere radikale Liberale und Demokraten im deutschen Südwesten wollten diese Entwicklung nicht mittragen und versuchten, in einzelnen Staaten die Grundlagen der Reichsverfassung oder sogar eine republikanische Staatsordnung durchzusetzen. Im Mai 1849 gab es Aufstände und Massenproteste – nicht allein in Baden, auch in der bayerischen Pfalz, in Sachsen, in Westfalen und in der preußischen Rheinprovinz. Zeitgleich mit der dritten Offenburger Volksversammlung am 12./13. Mai 1849 meuterten in der Festung Rastatt Soldaten und schlossen sich den Aufständischen an. Im Juli 1849 war die Festung der letzte Zufluchtsort der revolutionären Truppen, die sich nach dreiwöchiger Belagerung am 23. Juli 1849 ergaben. Gegen die Freiheitskämpfer ergingen zahlreiche Todesurteile, und in großer Zahl wurden langjährige Freiheitsstrafen verhängt.

In allen deutschen Staaten hatte die Konterrevolution gesiegt. Liberalen und Demokraten war es nicht gelungen, gegen die von den machthabenden Fürsten aktivierten Gewalt- und Unterdrückungsinstrumente eine Gegenmacht zu entwickeln – weder im militärischen noch im zivilen Bereich. Die Gehorsamsverweigerung in Rastatt blieb der einzige Vorfall, bei dem Soldaten ihre Loyalität gegenüber der herrschenden Autorität aufkündigten. Widersetzlichkeiten von Landwehrmännern kamen über Unmutsbekundungen nicht hinaus. Formen der Steuerverweigerung blieben in Ansätzen stecken.

Die deutschen Fürsten, die im Frühjahr 1848 kurzzeitig zum Schein auf freiheitliche Forderungen eingegangen waren, setzten unter Führung der Herrscher von Österreich und Preußen zur Niederschlagung der Freiheitsbewegung ein mächtiges Militärpotenzial ein und zeigten bei dessen Einsatz keine Hemmungen. Städte wie Prag, Wien und Dresden wurden durch Artillerie beschossen. Abertausende Menschen verloren ihr Leben; materielle Güter wurden zerstört. Militär vertrieb die Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung ebenso wie jene des Rumpfparlaments in Stuttgart. Eine besondere Rolle bei der rücksichtslosen Niederschlagung revolutionärer Aufstände nahmen der österreichische Feldmarschall Alfred Windisch-Graetz und der Bruder des preußischen Königs, Prinz Wilhelm ein – ab 1871 als Wilhelm I. deutscher Kaiser. Die Sicht der deutschen Fürsten dokumentiert eine Redewendung vom Herbst 1848, die bald darauf Titel einer Publikation wurde: "Gegen Demokraten helfen nur Soldaten." So hatte die Konterrevolution ihre Parole.

"Wir sind das Volk!" – revolutionäre Streitkultur 1848/49


In der Revolutionszeit fand eine in den deutschen Staaten zuvor nie gekannte Vielfalt von öffentlichen Aktionen statt. Manifeste, Proklamationen, Plakatanschläge, Flugblätter, Versammlungen mit teilweise großen Teilnehmerzahlen wurden zum Ferment einer demokratischen Protestkultur. In kürzester Zeit entstand ein pluralistisches Zeitungswesen. Die politische Karikatur gelangte zu einer bemerkenswerten Blüte und Bedeutung. Zu den Figuren, die das revolutionäre Geschehen interpretierend begleitet und überdauert haben, zählt der "deutsche Michel". Auch aktionistische Elemente gehörten zur Konfliktaustragung, wobei Barrikadenbau und Freischaren vor allem Stoff zur Mythenbildung boten. Die parlamentarische Arbeit der Nationalversammlung, mit der die meisten Abgeordneten Neuland betraten, darf als konstruktiver Beitrag zur politischen Streitkultur gelten.

Auch in der Revolution von 1848/49 war der Ruf "Wir sind das Volk!" zu vernehmen. In zwei Zusammenhängen ist dies verbürgt. In dem berühmten Gedicht "Trotz alledem!" des westfälischen Freiheitsdichters Ferdinand Freiligrath aus dem Frühsommer 1848 heißt es in der letzten Strophe unter anderem: "Wir sind das Volk, die Menschheit wir, / Sind ewig drum, trotz alledem!" Zum anderen war die Parole "Wir sind das Volk, das seine Freiheit fordert!" zu hören, als sich die aufständischen Soldaten der Festung Rastatt im Mai 1849 mit der Erhebung der Bevölkerung solidarisierten.

Zu den politisch-gesellschaftlichen Auswirkungen der Revolution von 1848/49


Nach dem Scheitern der revolutionären Bewegung wurden in allen deutschen Staaten jegliche demokratischen Bestrebungen unterdrückt, politische Vereine verboten und die Pressefreiheit aufgehoben. Die deutschen Fürsten hatten den Grundsatz der monarchischen Souveränität gegen die revolutionären Herausforderungen verteidigt, und der Adel nahm weiterhin eine gesellschaftlich dominierende Stellung ein. Der Deutsche Bund wurde wiederhergestellt und zum Instrument der Unterdrückungspolitik. Unter anderem hob er am 23. August 1851 die von der Nationalversammlung beschlossenen Grundrechte, die eigentlich am 17. Januar 1849 für das gesamte Reichsgebiet Rechtskraft erlangt haben sollten, auch formal wieder auf. Die ungebrochene Macht der deutschen Fürsten schlug sich 1871 auch in der durch den damaligen Reichskanzler Bismarck erarbeiteten Verfassung des Deutschen Kaiserreiches nieder: Die Staatsgewalt ging nicht vom Volke aus, also nicht vom gewählten Parlament, dem Reichstag. Das nach der Verfassung maßgebliche Entscheidungsorgan war im Kaiserreich vielmehr die Versammlung der Fürsten, der Bundesrat.

Die Niederschlagung der revolutionären Bewegung und die Verfolgung ihrer Akteure bewirkten in Deutschland einen nachhaltigen intellektuellen Aderlass. Bereits die staatliche Repression nach dem Hambacher Fest 1832 hatte viele Liberale und Demokraten zur Emigration in die Vereinigten Staaten veranlasst. Während der folgenden zweieinhalb Jahrzehnte zog es über eine Million Deutsche in die USA. Selbst wenn auch wirtschaftliche Gründe eine Rolle spielten, so befanden sich unter den Auswandernden vor allem nach 1849 doch Tausende politische Emigranten und Emigrantinnen, die vor Strafverfolgung und Unfreiheit flohen. Diese "Forty-Eighters", wie zuvor die "Thirties", beeinflussten in ihrer Wahlheimat das gesellschaftliche, wissenschaftliche und politische Leben und engagierten sich in den dortigen Streitfragen, insbesondere im Kampf gegen die Sklaverei. 1860 würdigte der demokratische Senator von Missouri, James S. Green, in einer Rede diesen Umstand: "Wo immer die Deutschen hingekommen, empfanden sie die Aufgabe, der Freiheit eine Gasse zu brechen. […]" (zit. n.: Ricarda Huch: Männer und Mächte um 1848, Berlin o. J., S. 10). Die demokratische Entwicklung in Deutschland wurde durch ihren Fortgang jedoch nachhaltig geschwächt.

Um die Erinnerung an die Revolution von 1848/49 entfachte sich in der Folgezeit ein politisch-gesellschaftlicher Deutungsstreit. Konservativen Kreisen war jede Form der Diskriminierung der Akteure und ihrer Ziele recht. Die Organisationen der Arbeiterbewegung und Teile der Linksliberalen hingegen sahen in den Geschehnissen Bestandteile ihrer politischen Tradition. Der Dissens manifestierte sich insbesondere in einem Flaggenstreit, der für ein Jahrhundert die deutsche Geschichte durchzog. Die Frankfurter Nationalversammlung hatte am 31. Juli 1848 beschlossen, dass die Reichsflagge "aus drei gleich breiten, horizontal laufenden Streifen, oben schwarz, in der Mitte roth, unten gelb" bestehen sollte. Die Farben Schwarz, Rot und Gold blieben auch nach dem Scheitern der Revolution Symbolfarben der demokratischen Bewegung in Deutschland und als solche Objekt von Verboten und Verfolgung. Der erste deutsche demokratische Staat, die "Weimarer Republik", führte Schwarz, Rot und Gold als "Reichsfarben" ein, ließ jedoch als Zugeständnis an die demokratiefeindliche Rechte die Farben des Kaiserreichs (Schwarz, Weiß und Rot) als Handelsflagge mit den Reichsfarben in einer Ecke des schwarzen Streifens zu. Nach der Übergabe der Macht in Deutschland an die Nationalsozialisten hatte der demokratisch gewählte, aber monarchistisch gesinnte Reichspräsident Paul von Hindenburg keine Probleme, die schwarz-rot-goldene Fahne, unter der er seinen Amtseid geleistet hatte, wieder abzuschaffen. Beide deutsche Staaten führten dann 1949 wieder Schwarz-Rot-Gold als Staatsflagge ein, wobei sie sich jeweils auf die verschiedenen sozialen Stränge der Revolution von 1848/49 bezogen.

Faktisch alle politischen Strömungen in Deutschland haben ihre Wurzeln in der 1848er-Revolution. In der Paulskirchenversammlung gab es erste relativ festgefügte Zusammenschlüsse von Abgeordneten mit ähnlichen politischen Interessen, die sich nach ihren Tagungsorten in Hotels oder Gasthäusern benannten und als Keimzellen späterer parteilicher Organisationen von Konservativen und Liberalen gelten. In den "überfraktionellen" Zusammenkünften von katholischen Abgeordneten lassen sich zudem die historischen Ansätze einer katholischen Sammlungspartei sehen. Aufgrund der Sitzordnung in der Nationalversammlung entstand das politische Rechts/Links-Schema. Nicht vertreten in der Paulskirche waren Arbeiter und Frauen. Beide traten in der Revolutionszeit – gleichsam "außerparlamentarisch" – als politisch-soziale Bewegungen auf die historische Bühne. Zur Arbeiterbewegung seien für das Jahr 1848 als Stichworte genannt: "Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie" in Köln; Beginn der Verbreitung des "Manifests der Kommunistischen Partei"; Gründung der "Allgemeinen Deutschen Arbeiterverbrüderung" mit 170 Vereinen und etwa 15.000 Mitgliedern unter dem Motto "Wir Arbeiter müssen uns selbst helfen" auf einem Arbeiter-Kongress im August/September in Berlin. Der Beginn der Frauenemanzipation in Deutschland während der Revolutionszeit wird nachfolgend exemplarisch skizziert.

Besondere Bedeutung für die politische Geschichte der Deutschen erlangte das erste Gesetz der Frankfurter Nationalversammlung, der einstimmig beschlossene Grundrechtskatalog, später Teil VI des Verfassungstextes. Die Grundrechte wurden nicht wie die Menschenrechtserklärungen als eine Proklamation verstanden, sondern als unmittelbar geltende Rechte, um die "freie Existenz der Bürger" und ein "Aufblühen der Gemeinschaften" zu gewährleisten (so der Historiker Theodor Mommsen, 1849). Da es demnach in keinem deutschen Bundesstaat rechtliche Regelungen hätte geben dürfen, die die Grundrechte beschränkten, verstand die Nationalversammlung sie als Klammer der angestrebten Einheit Deutschlands. Für die deutsche Verfassungsgeschichte wie für die Rechtsgeschichte generell hat der Grundrechtskatalog der Frankfurter Nationalversammlung eine wichtige Rolle gespielt. Die Weimarer Verfassung und das Grundgesetz der Bundesrepublik (GG) vom 23. Mai 1949, dessen Beratungen 100 Jahre nach 1848er-Revolution begannen, greifen teilweise in wörtlichen Anlehnungen auf den Grundrechtskatalog der Nationalversammlung zurück. Gemeinsam mit der Paulskirchen-Verfassung betont das GG die Festlegung der Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht sowie die Einführung einer Verfassungsgerichtsbarkeit. Im GG wurde das Gewicht der Grundrechte durch Art. 19 Abs. 2 GG betont, wonach kein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden darf.

Die Bedeutung der revolutionären Ereignisse 1848/49 für die deutsche Geschichte dokumentiert nicht zuletzt der Umstand, dass in Bezug auf die Märzereignisse 1848 in den Geschichtswissenschaften von einem "Vormärz" und einem "Nachmärz" gesprochen wird, wobei die zeitlichen Begrenzungen Gegenstand von Diskursen sind.

Frau und frei – Aufbruch in der Revolutionszeit


Die Aufklärung hatte nicht allein Männern ein kritisches Instrumentarium zur Einschätzung der sozialen Verhältnisse und die Ermutigung zum "Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit" (Kant, 1784) an die Hand gegeben. Frauen – vornehmlich aus dem Bildungsbürgertum – griffen es ebenfalls auf. Die Problemfelder lagen auf der Hand: Mädchenerziehung und -bildung, gesellschaftliche Entfaltung der Frauen und politische Teilhabe, autonome Lebensführung, Frauenerwerbstätigkeit, Ablehnung der sozialen Zwänge zu einer "standesgemäßen" Heirat (Konvenienzehe). Die meisten bürgerlichen Frauen, die im Vormärz und während der Revolutionsphase hervortraten, die sich artikulierten und engagierten, hatten bereits einen individuellen Emanzipationsprozess durchlebt, indem sie etwa die traditionelle Frauenrolle ehelicher Fügsamkeit aufgekündigt hatten oder diese Rolle erst gar nicht eingegangen waren.

Auf zahllosen Darstellungen von öffentlichen Manifestationen und Versammlungen der Jahre 1848 und 1849 sind Frauen auszumachen. Viele nutzten die Möglichkeit, die Debatten auf den Versammlungen der Männer zu verfolgen. In der Paulskirche wurde für sie ein Bereich mit 200 Plätzen eingerichtet. Frauen waren auch an den gewaltsamen Auseinandersetzungen jener Zeit beteiligt, wie zahlreiche Bilder von Barrikadenkämpfen und den Kämpfen der badischen Freischärler sowie die Listen von Verurteilten und Getöteten belegen. Nicht zuletzt war die Feder eine "Waffe" im Kampf der Frauen um ihre Emanzipation, indem sie Periodika herausgaben oder in anderen publizistischen Formen ihre Auffassungen und Forderungen darlegten. Nach der Niederlage der Revolution wurden von Frauen zahlreiche Hilfsvereine für Hinterbliebene sowie für Gefangene und ihre Familien gegründet.

Bürgerliche Frauen hatten sich seit je auch für die Belange der Unterschichten eingesetzt, namentlich für die große Gruppe der Hausarbeiterinnen, die mit wenigen Ausnahmen in vollkommen willkürlichen Abhängigkeits- oder sogar Ausbeutungsverhältnissen tätig waren. Mit der Revolution kam es zu ersten Formen der Selbstorganisation in Vereinen, wobei Dienstmädchen den Anfang machten.

Um den Aufbruch von Frauen in der Mitte des 19. Jahrhunderts würdigen zu können, gilt es sich zu vergegenwärtigen, dass sie in einer extrem männlich geprägten und emanzipationsfeindlichen Umwelt lebten. Konservative, Liberale und Demokraten einte die Ablehnung einer "Emanzipation" der Frauen; insbesondere ihres Anspruches, an den politischen Angelegenheiten mitwirken zu können. 1849 resümierte Louise Otto in ihrer "Frauen-Zeitung" mit Blick auf die von der Männerwelt vertretenen bürgerlichen Freiheitsforderungen: "Wo sie das Volk meinen, zählen die Frauen nicht mit."

Dr. Gernot Jochheim lebt in Berlin, wo er als Lehrer tätig gewesen ist. Er hat zur Sozialgeschichte der Gewaltfreiheit gearbeitet, eine Vielzahl von Lernmaterialien zur politischen und sozio-historischen Bildung publiziert sowie an Projekten zur schulischen Gewaltprävention mitgewirkt. Für die bpb hat er bereits das infoaktuell "27. Januar – Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus" (2012) verfasst.