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Umwelt

Helmut Weidner

/ 14 Minuten zu lesen

Umweltprobleme machen nicht an nationalen Grenzen halt, daher muss ihnen global begegnet werden. Herausforderungen von erheblicher Dringlichkeit und Tragweite steht aufseiten der Akteure ein komplexes Geflecht von Organisationen, Institutionen, Politiken und Instrumenten gegenüber, das effizientes Handeln erschwert.

Umweltprobleme belasten weltweit die Ökosysteme. Zu den Verursachern gehören Megatrends wie die zunehmende Verstädterung – im Bild Tokio als derzeit bevölkerungsreichste Metropole der Erde – … (© Imago/Westend61)

Herausforderungen


In der globalisierten Welt sind immer weniger Umweltprobleme rein binnenstaatlicher Natur. Das liegt an der gestiegenen Reichweite ihrer sozialen und ökonomischen Auswirkungen und an den zunehmend außer Landes liegenden Verursachungszusammenhängen. Auch inter- und supranationale Regulierungsmaßnahmen (umweltpolitischer) Art üben vermehrt Einfluss aus. So kann beispielsweise ein lokales Müllproblem grenzüberschreitende Effekte haben, etwa wenn Recycling zu Wertstoffexporten führt oder die Abfallmixtur auch von produktbezogenen Regelungen oder Freihandelsbestimmungen abhängt, die durch internationale Organisationen und Verträge festgelegt wurden. Luftverschmutzung und Lärm durch Kraftfahrzeug- und Flugverkehr sowie Boden- und Gewässerverunreinigung durch Chemikalien sind weitere Beispielfelder, in denen es zu einer Internationalisierung lokaler Umweltentwicklungen kommt.

Auf die ohnehin schon stark unter Druck geratenen weltweiten ökologischen Kreisläufe wirken sich seit rund drei Jahrzehnten zusätzlich globale Megatrends aus, die auch die entlegendsten Winkel dieser Erde erreichen. Verstädterung, Motorisierung, demografischer Wandel (Überalterung, Migration) und die Technisierung sowie Chemisierung der Landwirtschaft belasten zunehmend lokale, regionale und globale Ökosysteme. Sie überfordern die Regenerationsfähigkeit der Natur und mindern deren Schutz- und Wohlfahrtsfunktion: Überfischung der Meere, Erosion fruchtbarer Böden, Wüstenbildung, Entwaldung, Trink- und Gebrauchswasserverknappung, Artenschwund, Erschöpfung einheimischer Energieressourcen sowie Klimawandel und (zeitweilig starkes) Ausdünnen der gegen gefährliche Strahlungen schützenden Ozonschicht sind Beispiele dafür. Ihre sozial-ökologischen Folgeprobleme globalisieren sich ebenfalls: Verbreitung von (teils neuartigen) Krankheiten, zunehmende Ungleichheit in der Einkommensentwicklung, Schwächung öffentlicher Ordnungsstrukturen und der Anstieg lokaler Ressourcenkonflikte, die zu regionalen Gewalttätigkeiten führen oder gar, wie manche Experten befürchten, "Umweltkriege" auslösen könnten.

Risikofaktor Klima (© picture alliance / dpa-infografik, Globus 6528; Datenquelle: Germanwatch, Munich Re (Klima-Risiko-Index 2014))

Die weltweiten ökonomisch-finanziellen Verflechtungen, verbunden mit globalen wirtschaftlichen Wertschöpfungsketten, erleichtern es meist größeren Unternehmen, natürliche Ressourcen in allen Weltgegenden zu nutzen oder auszubeuten. Gleichzeitig erhöhen die ökonomischen Globalisierungsprozesse die Verwundbarkeit (Vulnerabilität) schwächerer Partner gegenüber Entscheidungen und Entwicklungen, die fern von ihnen stattfinden. Davon sind in besonderem Maße die Länder der sogenannten Dritten Welt betroffen, deren meist fragile politische Institutionen hierdurch unter zusätzlichen Stress kommen. Doch auch für die sogenannten Reichtumsländer, in denen die treibenden Kräfte der ökonomischen Globalisierung sitzen, bleibt dies nicht folgenlos. Am deutlichsten zeigen sich die Rückwirkungen wohl am dramatischen Anstieg von Wirtschaftsflüchtlingen, der von den negativen ökonomischen Konsequenzen der Umweltzerstörung mit verursacht wird ("Umweltflüchtlinge"). Das Eigeninteresse dieser Länder und der politische Druck von zunehmend global vernetzten Umweltorganisationen werden vermutlich die entscheidenden Motoren für effektive Reformen des globalen Umweltgovernance-Systems sein. Als globale Umweltgovernance soll hier die Gesamtheit aller Organisationen, Politiken, Instrumente, Finanzierungsmechanismen, Regeln und Verfahren verstanden werden, die eine Regulierung von Umweltbereichen mit (nahezu) globaler Dimension bezwecken und an der Akteure aller Gesellschaftssphären beteiligt sein können. Noch finden die wichtigsten solcher Aktivitäten unter dem Dach der Vereinten Nationen (UN) statt, aber zunehmend kommt es außerhalb und frei von den dort gegebenen Reglementierungen zu globalen Initiativen verschiedener Akteursgruppen.

QuellentextKiribati – bedrohtes Paradies

Aus der Luft betrachtet, ist Tarawa ein Paradies, aber seine Bewohner kämpfen gegen den Untergang. Hier, auf dem Hauptatoll der Inselrepublik Kiribati, spüren sie die Auswirkungen des Klimawandels schon lange. Weltweit lässt er den Meeresspiegel steigen, doch in der tropischen Südsee erhöht sich der Pegel besonders schnell. Die Erosion frisst an den Korallenriffen, das Grundwasser versalzt, Krankheiten breiten sich aus, Sturmfluten wüten immer heftiger. Der größte Teil Kiribatis ist nicht einmal zwei Meter hoch. Stünde Dirk Nowitzki am Strand von Tarawa, er könnte problemlos über das Atoll hinwegschauen – noch. Denn schon in wenigen Jahrzehnten könnte Kiribati zerstört sein.

Moralisch ist die Sache klar. Die Industriestaaten haben die Misere verursacht, also müssten sie die Verantwortung dafür übernehmen. Sie müssten alles tun, um Kiribati und die benachbarten Inseln zu retten. Vor allem müssten die Industrie- und Schwellenländer aufhören, das Treibhaus Erde weiter anzuheizen. Kiribatis Beispiel zeigt eindrucksvoll, wie sehr der Klimawandel die Menschen gerade in armen Ländern bedroht. Wer ernst nimmt, dass jeder mit unveräußerlichen Menschenrechten ausgestattet ist, etwa dem Recht auf Leben, Gesundheit und Nahrung, kann sich nur empören, dass die Abkehr von der fossilen Wirtschaft so langsam vonstattengeht.

Doch Realpolitik hat mit Menschenrechten oft wenig zu tun. In Deutschland, dem früheren Vorreiter der Klimapolitik, streitet die Regierung um die Zukunft der Kohlekraft. […] Auch die EU bremst. Immerhin haben sich die USA und China zuletzt bewegt.

Noch kämpfen die Jungen […] [in Kiribati] um ihre Heimat. Als Klimakrieger blockieren sie Kohlehäfen und bringen Banken dazu, der fossilen Industrie Kapital zu entziehen; und sie setzen ihre Politiker unter Druck, auf den Klimagipfeln härter zu verhandeln. Kiribatis Präsident Anote Tong aber hat bereits Land auf den Fidschi-Inseln gekauft. Es ist ein allerletzter Ausweg: Falls nichts Kiribati rettet, müssten seine rund 100.000 Bewohner nach Fidschi umsiedeln. Mit ihnen zöge der ganze Staat um. Wie das allerdings funktionieren soll, weiß noch niemand.

Alexandra Endres, "Vor dem Untergang", in: DIE ZEIT Nr.49 vom 27. November 2014


Eine globale Umweltgovernance, die ursachenorientiert, effektiv, fair und nachhaltig sein will, müsste die politischen, ökonomischen und sozialen Kontextbedingungen von ökologischen Systemen in der Politikgestaltung berücksichtigen, verschiedene Sachpolitikbereiche miteinander verbinden und nachhaltig wirken. Dem steht in der Realität eine stark fragmentierte internationale Politikarchitektur entgegen. Bildhaft gesprochen gibt es im UN-System nicht das eine große Umweltgebäude, sondern einen Wildwuchs von weltweit verstreuten Villen, Häusern und Mietwohnungen, deren Bewohner wenig miteinander kommunizieren, manchmal gar verfeindet sind und ihre Grundstücke mit hohen Zäunen gesichert haben. Diese Zersplitterung der globalen Umweltgovernance liegt nicht primär an mangelnder Organisations- und Koordinationsfähigkeit der vielen beteiligten Architekten, sondern ist vielmehr das Ergebnis von Kompromissen aus langwierigen macht- und interessengeleiteten Verhandlungsprozessen, in denen Akteure aus den westlichen Mitgliedstaaten und bestehenden, ebenfalls westlich dominierten internationalen Organisationen (einschließlich OECD, EU und sonstiger wichtiger Organisationen außerhalb des UN-Systems) die Hauptrolle spielen.

Diese schwierige Konstellation für eine globale Umweltgovernance wird noch verkompliziert durch den Aufstieg von Nichtregierungsorganisationen (Non-Governmental Organizations, NGOs) zu einflussreichen Akteuren in der internationalen Umweltpolitik. Ihre Mitwirkung in den UN-Umweltorganisationen verstärkt zuweilen Zielkonflikte, wie beispielsweise in den Meinungsunterschieden zwischen den Gruppen aus dem "Norden" und dem "Süden" deutlich wird. Auch ist die Legitimation der Gruppen, für das gesamtgesellschaftliche Umweltinteresse und andere Gemeinwohlziele zu sprechen, nicht zweifelsfrei. Sie sind wie andere Akteursgruppen nicht dagegen gefeit, zeitweilig organisatorischen Eigeninteressen mehr Gewicht zu geben als den Mitglieder- oder Allgemeininteressen.

Wann ist ein Umweltproblem global?

Ein globales Umweltproblem liegt vor, wenn

  • die Problemerzeugung (Emission) weltweit stattfindet,

  • diese Aktivitäten eine (nahezu) globale Wirkung auf das betroffene Umweltmedium haben, gleich an welchem Ort sie stattfinden,

  • die bewirkten Umweltveränderungen weiträumig-grenzüberschreitende oder globale Folgen (Treibhauseffekt, Ausdünnung der Ozonschutzschicht) haben und

  • Gegenmaßnahmen einer breiten Unterstützung durch viele andere Länder (im Sinne von globaler Governance) bedürfen, um global bis lokal Wirkungen zu zeitigen.

Die üblicherweise als global bezeichneten Umweltprobleme erfüllen in je unterschiedlichem Maße die genannten Kriterien, wie etwa Bodenerosion, Desertifikation, Umweltchemikalisierung, grenzüberschreitende Mülltransporte, Entwaldung und die Belastung von Süßwasserressourcen, Meeren und sonstigen Gewässern. Der Biodiversitätsverlust, der Verbrauch nicht erneuerbarer Energieträger, insbesondere aber die Zerstörung der Ozonschutzschicht und die steigende Erderwärmung durch den Klimawandel ("Treibhauseffekt") hängen mit allen vier Kriterien zusammen.

Ruft man sich in Erinnerung, wie mühsam es oft mit dem Umweltschutz auf nationaler Ebene vorangeht, dann wird deutlich, welch große politische Herausforderung sich für eine globale (effektive sowie möglichst effiziente und breit akzeptierte) Umweltgovernance angesichts der voranschreitenden globalen Probleme stellt.

Struktur der globalen Umweltgovernance

Ziele und Leitbilder


Den Auftakt zu einer breiten, internationalen Befassung mit Umweltschutzfragen von regionaler bis globaler Dimension gab die erste Weltumweltkonferenz der Vereinten Nationen (UN Conference on the Human Environment) 1972 in Stockholm. Im selben Jahr wurde das UN-Umweltprogramm (UN Environment Programme, UNEP) mit Sitz in Nairobi, Kenia, gegründet, auch um die enge Verbindung von Umweltschutz mit entwicklungspolitischen Zielen der Entwicklungsländer zu betonen. Auf der Stockholmer Konferenz wurde Umweltschutz als eine globale Menschheitsaufgabe definiert, die erfordert, grenzüberschreitende Umweltbelastungen zu vermeiden und zum Schutz von globalen öffentlichen Umweltgütern zusammenzuarbeiten.

Einen wichtigen Perspektivwechsel in der globalen Umweltgovernance bewirkte die von den Vereinten Nationen 1983 eingesetzte Weltkommission für Nachhaltige Entwicklung (World Commission on Sustainable Development, WCSD), nach ihrer Vorsitzenden auch "Brundtland-Kommission" genannt. Sie begründete mit ihrem Abschlussbericht von 1987 den systematischen Zusammenhang von Umweltschutz und Entwicklung sowie das Leitbild der "Nachhaltigen Entwicklung", das sehr schnell weltweit und in allen Gesellschaftssphären aufgegriffen wurde. Kurz gefasst besagt es, dass nahezu alle internationalen Umweltprobleme immer auch mit Fragen von Armut und Unterentwicklung zusammenhängen. Betont wird zudem die mehr als bloß moralische Pflicht der entwickelten Staaten, die Entwicklungsländer beim Umweltschutz beratend, technisch und finanziell zu unterstützen. Ohne rechtlich verbindlich zu sein, wurde das Nachhaltigkeitskonzept gleichwohl von allen internationalen Organisationen innerhalb und außerhalb der UN, wie Weltbank, Welthandelsorganisation, OECD, EU und anderen, übernommen.

Vereinbarungen und Handlungsempfehlungen


Seit 1972 wurden in rascher Folge weitere multilaterale Umweltvereinbarungen (Multilateral Environmental Agreements, MEA) abgeschlossen, oftmals unter Federführung oder mit Beteiligung von UNEP. Je nach den gewählten Kriterien werden bis zu 1000 MEAs gezählt. UNEP selbst spricht von über 500 MEAs, wovon rund 25 als im eigentlichen Sinne global gelten. Zu den größeren Abkommen von globaler Reichweite gehören das Washingtoner Artenschutzübereinkommen von 1973, der Wiener Vertrag von 1985 und das Montrealer Protokoll von 1987 zum Schutz der Ozonschicht, die Baseler Konvention über grenzüberschreitenden Transport von Sondermüll von 1989 und das Abkommen über Biodiversität von 1992, in dem es um den weltweiten Schutz biologischer Artenvielfalt geht.

Die Biodiversitäts-Konvention, die Klimarahmenrichtlinie und das Ozonschutzregime haben jeweils über 190 (in der Regel staatliche) Vertragspartner.

Unüberschaubar wird das Feld internationaler Steuerungsmittel dann, wenn die große Vielfalt nicht-förmlicher und zwischen verschiedenen Gruppen und Organisationen vereinbarten Abkommen und Willenserklärungen hinzugerechnet wird. Insgesamt haben rechtlich nicht bindende Vereinbarungen in den letzten Jahrzehnten rasant zugenommen, mutmaßlich erheblich stärker als in anderen Politikbereichen. Maßgeblich für die Zunahme waren Reaktionen auf Defizite und Lücken der offiziellen internationalen Umweltgovernance. Dazu gehören auch als "soft law" bezeichnete Handlungsempfehlungen und Resolutionen privater, staatlicher und internationaler Organisationen wie Principles of Conduct, Guidelines (Agenda 21), oft geschlossen in der Hoffnung, viele Akteure zur Übernahme der Empfehlungen anzuregen. So empfiehlt die auf dem UN-Umweltgipfel in Rio de Janeiro 1992 (UN Conference on Environment and Development, UNCED) verabschiedete "Agenda 21" nachdrücklich die Kooperation von Akteuren verschiedener Sphären und Ebenen. Und im Gefolge des UN-Nachhaltigkeitsgipfels (UN Conference on Sustainable Development, UNCSD) in Johannesburg im Jahr 2002 warben UN-Organisationen für ihre Global Compact-Initiative, mit der sich private Unternehmen und andere Organisationen unter anderem auf gute Umweltstandards verpflichten sollen. Der UN-Fonds für Internationale Partnerschaften (UN Fund for International Partnerships, UNFIP) unterstützt die Partnerschaftsbildungen.

Der Global Compact ist nur eine von inzwischen vielen weiteren Formen der Kooperation zwischen internationalen und staatlichen Organisationen und privaten Akteuren (aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft), die gemeinhin als öffentlich-private Partnerschaften (Public-private-Partnerships, PPPs) bezeichnet werden.

Akteure


Der Vielfalt der Kooperationsformen entspricht die Vielfalt der beteiligten Akteure. Diese kommen aus allen Sphären von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Neben den internationalen Organisationen findet man häufig Repräsentanten verschiedener staatlicher Ebenen (Regierungs-, Länder- und Kommunalebene), Vertreter von Unternehmen und ihren Verbänden, Mitarbeiter zivilgesellschaftlicher gemeinnütziger Organisationen (kirchlicher, sozialer und natürlich entwicklungspolitischer Organisationen) sowie Experten und Expertinnen aus dem Wissenschaftsbereich. Sie kooperieren in allen denkbaren Kombinationen miteinander. So arbeiten Staatsvertreter mit Wirtschafts- und Umweltverbänden oder mit Wissenschaftlern zusammen (wie im Intergouvernemental Panel for Climate Change, IPCC). Das Climate Action Network und das Pesticide Action Network sind hingegen Netzwerke von Umweltverbänden verschiedener Länder, während die Coalition for Environmental Economies eine Initiative der Wirtschaft und das ICLEI (International Council for Local Environmental Initiatives, seit 2003 Local Governments for Sustainability), eine Institution der Kommunen vieler Länder ist. Alle genannten Gruppen arbeiten in der Organisation Renewable Energy Policy Network for the 21st Century (REN 21) zusammen.

Das Bild der internationalen Kooperationslandschaft wird noch bunter durch die zunehmende Beteiligung von internationalen Organisationen, deren Primäraufgaben nicht im Umweltbereich liegen: Internationale Energieagentur (IEA), Weltbank, Entwicklungsprogramm der UN (UNDP), Welthandelsorganisation (WTO), Weltgesundheitsorganisation (WHO), Weltorganisation für Meteorologie (WMO), Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO), Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und EU, um nur die wichtigeren zu nennen. Auch auf den Gipfeltreffen der in der Weltwirtschaft führenden Länder (G 7 / G 8) werden seit Ende der 1990er-Jahre vermehrt Klima- und Energiefragen behandelt, manchmal mit hoher Priorität wie 2005 im schottischen Gleneagles und 2007 in Heiligendamm. Aus all diesen unkoordinierten Aktivitäten eine kohärente und schlagkräftige globale Umweltgovernance zu formen, bleibt eine immense politische Herausforderung – ohne dass es Unterstützung durch eine Organisation mit übergreifender Autorität, umfassenden Kompetenzen und adäquaten Handlungskapazitäten auf UN-Ebene gibt.

Auf UN-Ebene gibt es vielmehr rund 40 Einrichtungen, die mehr oder weniger mit Umweltschutzaufgaben befasst sind. Die wichtigsten Organisationen für die globale Umweltgovernance sind UNEP und, mit erheblichem Abstand, die 1991 gegründete Globale Umweltfazilität (Global Environmental Facility, GEF), eine Institution zur Finanzierung von Umweltschutzprojekten in Entwicklungsländern sowie bis vor kurzem die Kommission für Nachhaltige Entwicklung (Commission for Sustainable Development, CSD).
Hinsichtlich ihrer Ressourcenausstattung werden die genannten drei UN-Organisationen allerdings von einigen der auf multilateralen Verträgen beruhenden Umweltregime weit übertroffen. Denn die spröde Fachbezeichnung "Multilateral Environmental Agreement" (MEA) lässt leicht übersehen, dass ein MEA nicht nur ein Vertragswerk (eine Institution) ist, sondern zugleich eine sehr komplexe Organisation sein kann, ausgestattet mit etlichen Nebenorganisationen, die an verschiedenen Standorten technisch-wissenschaftliche Koordinations-, Monitoring-, Implementations- und Kontrollaufgaben erfüllen. Das gilt etwa für die Klimarahmenrichtlinie in Verbindung mit dem Kyoto-Protokoll und seinen Instrumenten, das Ozonregime und die Biodiversitätskonvention. Diese MEAs haben alle einen großen Verwaltungsunterbau, Mitarbeiterstab (Sekretariat) und Entscheidungsgremien, in denen rund 190 Mitgliedsländer vertreten sind. Sie veranstalten alljährlich Vertragsstaatenkonferenzen, die – wie anlässlich der Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 – auch schon mal von fast 30.000 Teilnehmern, darunter rund 120 Staats- und Regierungschefs, besucht werden.

Die 1993 eingerichtete Kommission für Nachhaltige Entwicklung wurde wegen zu geringer Erfolge bei der Förderung und Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen 2012 aufgelöst und durch ein hochrangiges politisches Forum (High-level Political Forum on Sustainable Development) ersetzt, in dem die zuständigen Minister und alle vier Jahre die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten vertreten sind. Das Forum tagte erstmals im September 2013.

Die Globale Umweltfazilität (GEF) finanziert verschiedene Umweltkonventionen sowie Umwelt- und Nachhaltigkeitsprojekte in Entwicklungsländern, die von UNDP, UNEP und von der Weltbank, die gesamtadministrativ federführend ist, durchgeführt werden. GEF bietet den NGOs weitgehende Konsultations- und Teilnahmemöglichkeiten. Die Verteilung der Aufgaben auf wesentlich drei Organisationen und die Federführung der Weltbank spiegeln die unterschiedlichen Interessen der UN-Organisationen und der Mitgliedsländer an umwelt- und entwicklungspolitischen Aufgaben wider, wodurch sich der Koordinationsaufwand für die globale Umweltgovernance beträchtlich erhöht.

UNEP ist keine völkerrechtlich eigenständige Institution, sondern ein sogenanntes Nebenorgan mit begrenzter formaler Autorität, das dem UN Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) zugeordnet ist. Gleichwohl soll es laut Mandat die führende Rolle bei der Initiierung und Gestaltung von globalen Umweltpolitiken und der Koordination von Umweltaktivitäten innerhalb des UN Systems spielen. UNEP wurde 1972 bewusst als Programm gegründet, weil man sich davon hohe Flexibilität und Kooperationsfähigkeit erwartete. Trotz finanzieller und personeller Zuwächse im Zeitverlauf blieb UNEP mit gegenwärtig rund 600 Mitarbeitern und einem Budget von über 400 Millionen US-Dollar eine vergleichsweise kleine Einrichtung.

Schon wenige Jahre nach Gründung wurde erheblicher Reformbedarf festgestellt, und seitdem wurde kontinuierlich über notwendige Reformen debattiert. Zeitweilig schien sogar die Gründung einer eigenständigen UN-Umweltorganisation nahe zu sein, letztlich setzten sich aber bis heute die Gegner einer starken finanziellen und autoritativen Aufwertung von UNEP durch, unter ihnen oftmals die USA, Indien und etliche weitere Entwicklungsländer. Auch innerhalb des UN-Systems und unter außerhalb stehenden Experten gibt es erhebliche Bedenken oder Widerstände gegen eine starke eigenständige Umweltorganisation. Die einen befürchten hierdurch die Schwächung des Einflusses ihrer Organisationen, die anderen einen übermäßigen Bedeutungsgewinn von Umwelt- gegenüber Entwicklungs- und Wirtschaftsinteressen, wodurch sich aus ihrer Sicht bestehende Konflikte und Koordinationsaufgaben noch erhöhen würden.

Einige finanzielle und organisatorische Verbesserungen hat es gleichwohl gegeben. Verschiedene Umweltkonventionen wurden besser miteinander vernetzt, wie im Fall von Umweltchemikalien. Wichtig war die Einrichtung des Globalen Ministerforums Umwelt (Global Ministerial Environment Forum, GMEF), das im Unterschied zum vorherigen UNEP-Steuerungsgremium, dem nur 58 Mitglieder umfassenden Governing Council, nun die Umweltminister aller 193 Mitgliedstaaten umfasst. Es wird wohl ersetzt werden durch die im Februar 2013 neu geschaffene UN-Umweltversammlung (UN Environment Assembly, UNEA), in der alle Mitgliedsländer vertreten sind. Sie tagt seit 2014 alle zwei Jahre und wird das Hauptentscheidungsorgan in der UN-Umweltgovernance sein. Es wird erhofft, dass ihre Beratungen und Entscheidungen allgemein die Autorität von UNEP und anderen Umweltorganen stärken werden.

Verrechtlichung und Politisierung


In der internationalen Umweltpolitik nimmt die Verrechtlichung zu, wie beispielsweise der rasche Anstieg von multi- und bilateralen Umweltvereinbarungen im UN-System zeigt. Allerdings fehlt eine zentrale Koordinations-, Kontroll- und Durchsetzungsinstanz. Auch förmliche Verfahren, die im Fall von Vertragsverstößen oder Interessenkonflikten zum Einsatz kommen und bei denen abweichend vom sonst allgemein üblichen Konsensprinzip das Mehrheitsprinzip angewendet wird (wie beim Montrealer Protokoll zum Ozonschutz), sind eher selten. Im Vordergrund steht vielmehr "sanfter Zwang", ausgeübt durch Berichtspflichten, Evaluationsverfahren, Veröffentlichung von Ranglisten, auf Einsicht setzende Konfliktregelungsverfahren oder manchmal auch (eher schwache) Sanktionsregelungen wie beim Kyoto-Protokoll. Für Streitfälle zwischen zwei verschiedenen Vereinbarungen können gerichtsähnliche Gremien eingeschaltet werden, deren Entscheidung dann für alle Mitglieder verbindlich ist. Konflikte zwischen dem Welthandelsrecht und umweltpolitisch begründeten Begrenzungen – etwa Importbeschränkungen oder Exportlimitierungen wie im Fall der Seltenen Erden aus China – sind auf diese Weise geregelt.

In der Mehrzahl der Vereinbarungen sind die eingegangenen Verpflichtungen in kaum kontrollfähiger Vagheit formuliert, und Sanktionen sind meist nicht vorgesehen. Doch selbst diese Vereinbarungen können indirekt eine Verrechtlichungswirkung haben, indem andere Organisationen mit eigenständigen Rechtssetzungs- und Steuerungskompetenzen – beispielsweise EU- und staatliche Institutionen oder spezielle Fachorganisationen – bei ihren eigenen Entscheidungen und Normsetzungen auf Geist und Inhalt der internationalen Vereinbarung Bezug nehmen. Kooperative Partnerschaften und freiwillige Vereinbarungen können solche Wirkungen besonders dann haben, wenn ihre Politiken als beispielhaft gelten oder sie eigene Verhaltens- und Orientierungsstandards entwickeln, wie es etwa der Forest Stewardship Council (FSC) mit seinem Zertifizierungsverfahren für umweltverträglichen Holzeinschlag macht.

Trotzdem wird die globale Umweltgovernance im UN-System weithin als unzureichend wahrgenommen. Im "Global Environment Outlook" der UNEP von 2012 werden nur 4 von 90 Umweltzielen, welche die internationale Gemeinschaft als besonders wichtig festgelegt hatte, signifikante Fortschritte bescheinigt. Sie betreffen die Senkung der FCKW-Emissionen zum Schutz der Ozonschicht, die Entfernung von Blei aus Benzin, die Verbesserung des Zugangs zu sauberem Wasser und die Zunahme der Forschungen zur Verminderung der Meeresverschmutzung.

Die prekäre Situation von globaler Umweltgovernance lässt sich gut mit dem bekannten Spruch charakterisieren: The institutions get bigger, and the environment gets worse, der auf das Problem der Vermehrung von Institutionen ohne zu Grunde liegendem politischem Masterplan hinweist.

"Immerhin unsere Absichtserklärung konnten wir retten!" (© Burkhard Mohr / Baaske Cartoons)

Haben die offenkundigen Defizite der globalen Umweltgovernance zu einer Politisierung des UN-Systems, in dem sie eingebettet ist, geführt? Um die Antwort gleich vorweg zu nehmen: Angesichts der gravierenden, weiter wachsenden Probleme und der erkennbar unzureichenden Reaktion der UN-Institutionen fiel die Politisierung bislang trotz breiter und massiver Kritik überraschend schwach aus. Kritik an der Umweltpolitik der Vereinten Nationen ist schon immer geübt worden, auch und gerade von den zivilgesellschaftlichen umwelt- und entwicklungspolitischen Gruppen. Um ihren Einfluss zu vergrößern, haben sich viele dieser Gruppen international vernetzt und ihre Aktivitäten auf internationaler Ebene ausgebaut. Auf den internationalen Tagungen der UN-Organisationen sind sie zumeist in großer Zahl vertreten und verstehen es in aller Regel gut, ihre Anliegen und Kritik medienwirksam vorzubringen. In Reaktion auf die Defizite und die träge Reaktionsweise der UN-Organisationen starteten sie immer häufiger eigene oder gemeinsam mit anderen Akteursgruppen entwickelte Umweltgovernance-Projekte. Auch beteiligen sie sich an den Gemeinschaftsprojekten, die von den UN-Umweltorganisationen angestoßen werden, wie im Fall der öffentlich-privaten Partnerschaften (PPP). Von der Beteiligungsstruktur entsprechen diese zwar häufig dem Kooperationsideal des Nachhaltigkeitsgedankens, kritisch wird jedoch gesehen, dass ihr Zustandekommen und ihre Wirksamkeit stark vom guten Willen der Adressaten abhängen.

QuellentextKlimagipfel

Professor Hartmut Graßl spricht im Interview über Klimagipfel – und warum man sie braucht, auch wenn sie nervig sind.

Frankfurter Rundschau: Herr Professor, Sie haben am Rio-Erdgipfel und den ersten Klimakonferenzen in den 1990er-Jahren teilgenommen. Was hat sich seither verändert?
Hartmut Graßl: Es gab damals eine viel größere Aufbruchsstimmung und viel mehr Bereitschaft, das Problem anzupacken. Inzwischen ist alles ziemlich eingefahren. Die Verhandlungen sind ungemein komplex geworden, im Grunde ist ein Klimagipfel fünf verschiedene Konferenzen. Es geht um CO²-Ziele, Waldschutz, um Finanzhilfen, um "Loss and Damage", um Anpassung. Und alles hängt mit allem zusammen.

FR: Sind Klimagipfel denn noch das geeignete Forum, Klimaschutz voran zu bringen?
Graßl: Auf jeden Fall! Stellen sie sich vor, wir hätten diese Arena nicht, in der alle Länder mit den gleichen Rechten zusammenkommen. Ohne die Klimakonferenzen hätten wir überhaupt noch keinen Klimaschutz. Wir hätten weltweit noch fast keine erneuerbaren Energien. Wir hätten noch nicht einmal Regeln, wie die Treibhausgas-Emissionen der einzelnen Länder vergleichbar zu messen sind. Natürlich sind das immer zähe Verhandlungen. Und natürlich muss man dem Prozess vorwerfen, dass er langsam ist. Dass manchmal – wie 2009 beim Kopenhagen-Gipfel – etwas nicht klappt, berührt mich aber nicht so sehr. Es ist entscheidend, dass durch die Klimakonferenzen ein weltweites Bewusstsein für das Problem entwickelt wurde.

FR: Die Wissenschaft mahnt aber zu mehr Eile.
Graßl: Dass Politiker nicht immer so handeln, wie wir Wissenschaftler das wollen, ist für mich klar. Meine Erfahrung ist aber, dass die Wissenschaft in die Politik durchtröpfelt. Es dauert einige Jahre, bis die Politiker verinnerlicht haben, was ihnen die Wissenschaft sagt. […]
FR: Müsste sich die deutsche Zivilgesellschaft stärker für Klimaschutz aussprechen?
Graßl: Absolut. Es ist die Allgemeinheit, die die politische Agenda bestimmt. […] Es ist […] nicht ganz einfach, Klimaschutz politisch zu verorten, weshalb ein politischer Druck der Wähler für eine echte Mobilisierung nur schwer hinzubekommen ist.

FR: Wie groß schätzen Sie die Chancen ein, dass nach dem Lima-Gipfel dann 2015 in Paris ein neuer globaler Klimaschutz-Vertrag verabschiedet wird?
Graßl: Die Dramaturgie dafür ist günstig. Ohne ein Abkommen wird die Politik aus Paris nicht mehr herauskommen. Ein neuerliches Scheitern wie in Kopenhagen wäre eine Ohrfeige für all die Präsidenten und Regierungschefs. Getrieben ist momentan die EU. Nach der Einigung von China und den USA zu gemeinsamen, wenn auch lauen Klimaschutz-Anstrengungen muss die EU zeigen, dass sie es mit dem Klimaschutz ernster meint als andere. Sie hat auf militärischem Gebiet wenig zu sagen, sie hat nichts zu bieten im Bereich hoher Anteil junger, kreativer Bevölkerung. Der EU bleibt nur noch ein Feld, auf dem sie dominant sein kann: im Klimaschutz.

FR: Wird das Paris-Abkommen das Problem Erderwärmung lösen?
Graßl: Nein, das kann man jetzt schon sagen. Aber es wird ein wichtiger Schritt in diese Richtung sein. Der Vertrag wird uns eine minimale Chance lassen, das Zwei-Grad-Ziel noch zu erreichen.

"Noch eine minimale Chance", Interview von Nick Reimer und Joachim Wille mit Professor Hartmut Graßl (bis 2005 Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, einer der Herausgeber des Online-Magazins klimaretter.info), in: Frankfurter Rundschau vom 29./30.11.2014



Der Einmarsch der zivilgesellschaftlichen Gruppen in die internationale Politikarena hatte zur Folge, dass viele internationale Organisationen ihre Türen für NGOs geöffnet haben und sie in ihre Willens- und Programmbildungsprozesse – aber nur selten in Entscheidungsprozesse – einbeziehen. Das gilt besonders für die umweltnahen UN-Organisationen, doch selbst wirtschaftsnahe oder elitäre und von den NGOs vormals massiv bekämpfte Organisationen wie der Internationale Währungsfonds, die Welthandelsorganisation und die Weltbank haben NGO-Vertreter in ihre Gremien aufgenommen. Der Anstieg der kooperativen bis integrativen Politik scheint bislang jedoch keinen signifikanten Einfluss auf die sich nach wie vor verschlechternde globale Umweltproblemlage zu haben, sie aber möglicherweise abzubremsen. Die Frage nach den substanziellen Effekten des internationalen NGO-Engagements lässt sich derzeit aus methodischen und empirischen Gründen nicht schlüssig beantworten. Unübersehbar ist aber, dass anstelle der Fundamentalkritik der NGOs an den wichtigen UN-Umweltorganisationen eine differenzierte Kritik getreten ist. Sie richtet sich eher auf fehlende Reformen und den zu langsamen Ausbau der Umweltorganisationen und konzentriert sich vor allem auf die großen, besonders die westlichen Mitgliedsländer; wobei aber auch mit diesen die Kooperation in den letzten Jahren stark ausgebaut wurde. So gibt es im Grunde auf Ebene der globalen Umweltgovernance keinen zentralen Akteur, dessen Politik skandalisiert wird und radikal geändert werden soll. Die Weltklimakonferenzen werden zwar regelmäßig von öffentlichkeitswirksamen Großdemonstrationen gegen die in den vergangenen Jahren meist schwachen (und absehbar wirkungslosen) Beschlüsse und gegen einzelne klimapolitische "Bremser"-Länder begleitet, aber die Abschaffung von internationalen Umweltorganisationen, die bloß symbolische Politik betreiben, oder eine fundamentale Strukturreform werden nicht gefordert. Eine breite öffentliche Politisierungsbewegung, vergleichbar etwa mit den früheren Aktionen gegen den Internationalen Währungsfonds, die Welthandelsorganisation ("Battle of Seattle" 1999) und die Weltbank oder mit den massiven, teilweise über hunderttausend Teilnehmer mobilisierenden Protestaktionen anlässlich von G 8-Treffen in Gleneagles, Genua und Heiligendamm, hat sich nicht entwickelt. Bildhaft gesprochen: Die Kritiker der globalen Umweltgovernance des UN-Systems belagern oder bestürmen keine verbarrikadierte Festung, sie bewegen sich in ihr schon seit längerem als wohlgelittene Gäste.

Das vorrangige Ziel der NGO-Aktivitäten auf internationaler Ebene ist offenbar die institutionelle Stärkung des Umweltbereichs und die Verbesserung der Umwelteffektivität von Global Governance. Fragen der sozialen Fairness von internationaler Politik werden besonders dann thematisiert, wenn dies – wie in der Klimapolitik besonders ausgeprägt – wichtig für die Realisierung der Umweltziele ist. Auch demokratische Grundsatzfragen wie Legitimität von Entscheidungen internationaler Organisationen, Machtverteilung und Transparenz werden primär im funktionalen Zusammenhang mit Umweltfragen thematisiert. Die Zentralität der Umweltdimension lässt sich wohl auf die Dominanz westlicher NGOs auf der internationalen Umweltpolitikebene zurückführen, für die üblicherweise der Umweltschutz an erster Stelle steht. Stiege der Einfluss der Gruppen aus Entwicklungsländern, hätten die westlichen NGOs wahrscheinlich zu befürchten, dass der Vorrang des Umweltschutzes zugunsten der ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeitsdimension geschwächt würde.

Auch über eine ethisch-moralische Frage wird nicht grundsätzlich und öffentlich debattiert: Gewinnt die globale Umweltgovernance tatsächlich an Legitimität, wenn ein steigender Einfluss von Entwicklungs- und Schwellenländern auch "scheiternden Staaten" mit korrupten Strukturen bis in die Regierungsinstitutionen hinein zugutekäme oder gar "schurkengeführten" Staaten, deren politisches Führungspersonal unter rechtsstaatlichen Bedingungen inhaftiert würde? Eine "moralisierende Politisierung", die Menschenrechte, soziale und demokratische Grundprinzipien systematisch in die Forderungen nach dem institutionellen Wandel von internationalen Organisationen einbezöge, würde mit hoher Wahrscheinlichkeit die Verbesserung der globalen Umweltgovernance erheblich erschweren; vielleicht liegt hierin eine wichtige Ursache für die hier konstatierte schwache oder eindimensionale Politisierung globaler Umweltgovernance.

PD Dr. Helmut Weidner, Politologe, ist Privatdozent an der FU Berlin und seit 2013 Senior Researcher am Forschungszentrum für Umweltpolitik der FU Berlin. Seine Arbeitsgebiete sind: Vergleichende Umweltpolitik, Alternative Konfliktregelungsverfahren, Klimapolitik
Kontakt: E-Mail Link: fu.weidner@t-online.de