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Indiens Medienlandschaft | bpb.de

Indiens Medienlandschaft

Joachim Betz

/ 8 Minuten zu lesen

Indiens Medienbereich ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Rundfunk und Fernsehen sind weit verbreitet, die Filmindustrie ist die größte der Welt und trifft auf reges Publikumsinteresse. Dies gilt auch für die breite, auflagenstarke Presselandschaft, die jedoch mit Einschränkungen der Meinungsfreiheit zu kämpfen hat.

Indien hat eine breite Presselandschaft. Die knapp 80.000 registrierten Zeitungen haben 2016 einen Umsatz in Höhe von 4,76 Milliarden US-Dollar erzielt. Aufgrund ihrer niedrigen Preise sind indische Tageszeitungen auch für arme Bevölkerungsschichten erschwinglich. Zeitungskiosk in Mumbai im März 2016 (© imago/ Arnulf Hetterich)

Eine freie Medienlandschaft wird nicht zu Unrecht als eine wesentliche Voraussetzung nachhaltiger Demokratie, der Ermächtigung der Bürger und damit auch der Förderung guter Regierungsführung angesehen. Bezüglich der Vielfalt und relativer Freiheit der Medien schneidet Indien vergleichsweise gut ab, auch wenn es bereits verfassungsmäßige Einschränkungen dieser Freiheiten gibt und Vertreter von Gruppen, die sich durch allzu freie Darstellungen provoziert fühlen, mit Einschüchterungsversuchen reagieren.
Die indische Regierung stellt die zweifelsohne gegebene kulturelle Ausstrahlung des Landes denn auch gebührend unter dem Stichwort Soft Power heraus. Der Medienbereich ist zudem ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden, sein Umsatz lag 2014 bei etwa 20 Milliarden Euro mit jährlich zweistelligen Wachstumsraten.

Presse

Die Presse Indiens schaut auf eine lange Geschichte zurück. Die erste Wochenzeitung erschien bereits 1780. Ab 1838 entstanden die ersten englischsprachigen Tageszeitungen (Times of India, The Statesman, The Hindu), die heute noch zu den auflagenstarken Blättern gehören. In derselben Zeit entwickelte sich eine landessprachliche Presse. Diese war noch mehr als die genannten Zeitungen scharfer Verfolgung und Zensur durch die Kolonialbehörden ausgesetzt, zumal sie deutlich den Unabhängigkeitskampf zu unterstützen begann.

Nach der Unabhängigkeit gab es keine völlige Pressefreiheit, vielmehr wurde der Press Trust of India (PTI) mit der Aufsicht über die Zeitungen betraut. Volksverhetzung etwa oder der Aufruf zur Verletzung von Recht und Ordnung und die Störung der Moral erlaubten die gerichtliche Schließung der entsprechenden Organe. Nach scharfer Kritik an diesen Vorgaben und dem Auslaufen einschlägiger Ausführungsgesetze wurde die Aufsicht über die Presse 1954 dem Press Council of India unterstellt, in dem im Sinn der Selbstdisziplinierung der Presse auch Journalisten vertreten sind und der überdies für die gerechte Verteilung knappen Zeitungspapiers und die Kontrolle der Werbung sorgen soll.

Nach der Unabhängigkeit verließen etliche britische Zeitungsverleger das Land und überließen das Geschäft indischen Nachfolgern. Seit dieser Zeit hat die Anzahl, Auflage und Leserschaft von Tages- und Wochenzeitungen relativ wohl mehr als in jedem anderen Land der Welt zugenommen. Im Gegensatz zu den entsprechenden Märkten andernorts expandiert derjenige Indiens weiter. Heute gibt es über 80.000 registrierte Zeitungen (davon etwa 4500 Tageszeitungen) mit einer Gesamtauflage von täglich ca. 200 Millionen. Die indischen Tageszeitungen gehören damit zu den auflagenstärksten weltweit. Im Vergleich dazu fallen Auflagen und Umsatz von Illustrierten deutlich ab.
Spitzenreiter sind die hindisprachigen Tageszeitungen mit Auflagen von bis zu 18 Millionen. Die Auflagen von Zeitungen in den Regionalsprachen liegen darunter, die englischsprachige Presse hat anteilsbezogen Leser verloren, die Times of India kommt aber immer noch auf eine Leserschaft von knapp acht Millionen. Verstärkt hat sich durch den Aufstieg der landessprachlichen Organe die Konzentration der Inhalte auf lokale und regionale Themen, wobei Zeitungen deutliche Vorteile etwa gegenüber dem Fernsehen haben. Die Konkurrenz der Zeitungen durch das Internet ist noch moderat, nur etwa zehn Prozent der Nutzer lesen ihre Zeitung täglich online.

Die indische Presse wird – nicht nur von ihr selbst – als eine für ein weniger entwickeltes Land beispiellos plurale, kritische und qualitativ hochrangige Institution angesehen. Es soll aber dennoch auf einige Probleme hingewiesen werden, die das Bild etwas trüben. Indische Tageszeitungen sind extrem billig und können daher mit entsprechenden Einnahmen ihre Kosten nicht im Entferntesten decken, sondern bestreiten diese zu mehr als zwei Dritteln durch Werbung.

Dies hat zum verbreiteten Übelstand "bezahlter Nachrichten" geführt, also zu Werbung, die sich als Nachricht tarnt und deutliche Rücksicht auf die Werbekunden nimmt. Dies wird gefördert durch Verbindungen (auch finanzieller Art) von Verlegern zu Werbeagenturen. Bezahlte Nachrichten gibt es auch für Parteikandidaten bei Wahlen, in denen deren Verdienste gebührend herausgestellt werden. Der Kampf um Auflagen und das teure Zeitungspapier fördern das Verfassen sehr kurzer Texte, sie fördern die Trivialisierung und verengen den Spielraum für journalistische Qualität. Nicht verwunderlich ist daher, dass Journalisten in Indien heute wenig vertraut wird.
In Rankings zur Pressefreiheit rangiert Indien auf den hinteren Plätzen. 2017 listete Reporter ohne Grenzen Indien auf Platz 136 von 180 Nationen. Das hat nicht nur damit zu tun, dass Journalisten in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt sind, sondern auch von interessierten Kreisen, wie z.B. der Unterwelt oder den Naxaliten, physisch bedroht werden. Zudem haben sich die Arbeitsbedingungen der Journalisten, die zunehmend wie in Deutschland als freie Mitarbeiter arbeiten, deutlich verschlechtert.

Rundfunk

Die Rundfunkübertragung startete in Indien 1924 mit einem privaten Programm. Der Rundfunk wurde alsbald von der Kolonialherrschaft zum Zweck ihrer politischen Stärkung nationalisiert und von der BBC auf den Stand der Technik gebracht. Zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit verfügte Indien über sechs Radiostationen und 18 Sender; deren Zahl wurde im Rahmen der Fünfjahrespläne rasch gesteigert.
Die indische Regierung setzte die Tradition des Staatsfunks fort und unterstellte ihn (als Instrument der Entwicklung) direkt dem Informationsministerium. Die Kritik an dieser staatlichen Instrumentalisierung des Rundfunks riss jedoch nicht ab. Trotz der Berichte mehrerer Kommissionen, die eine Autonomie des Rundfunks forderten, änderte sich aber lange nichts, bis ein Urteil des Obersten Gerichts (1995) und ein daraufhin verabschiedetes neues Rundfunkgesetz das Staatsmonopol beendeten. Dieses Gesetz unterband auch vorsorglich den Kauf von Rundfunk- und Fernsehsendern durch Presseunternehmer, erlaubte gleichzeitig aber ausländische Beteiligung am Satellitenfunk und -fernsehen. Damit und mit dem Beginn von UKW-Übertragungen (ebenfalls 1995) erlebte der Rundfunk einen rasanten Aufschwung, trotz gleichzeitig rascher Ausbreitung des Fernsehens.

Heute verfügt nahezu jeder indische Haushalt über Radioempfang. Massiv zugenommen hat vor allem die Anzahl der lokalen Sender, die mit geringer Reichweite nur einen entsprechend kleinen Teil der Bevölkerung versorgen und sich auf die Wiedergabe von Filmmusik und lokalen Nachrichten sowie auf eher jugendliche Hörer konzentrieren. Es gibt zurzeit etwa 800 UKW-Sender in Indien, die zunehmend auch online gehört werden können. Die staatlichen Richtlinien zur Etablierung solcher Sender wurden zunehmend liberalisiert, als Betreiber auch Ausbildungsinstitutionen und Nichtregierungsorganisationen zugelassen.

Fernsehen

Das Fernsehen kam recht zögerlich nach Indien und verdankte seinen Start zunächst der Überlassung entsprechender Ausrüstung durch Philips, die vom All India Radio 1959 zur ersten Ausstrahlung genutzt wurde. Premierminister Nehru hielt Fernsehen für entbehrlichen Luxus. Es dauerte lange, bis täglich ein einstündiges Programm ausgestrahlt wurde. Werbung im Fernsehen war zunächst verboten, eine erste Fabrik für die Herstellung von Fernsehgeräten gab es erst 1969.

Indira Gandhi verstand das Fernsehen dagegen als geeignetes Instrument zur Bildung und Beeinflussung der Massen. Während ihrer Regierungszeit wurden Stationen in ganz Indien eingerichtet, das Fernsehen vom Rundfunk getrennt, ab 1976 auch Werbung erlaubt. Zum Massenmedium wurde das Fernsehen aber erst in den 1980er-Jahren. Dazu trugen die Errichtung eines Netzwerkes von satellitengestützter Transmission, der breitere Raum für Unterhaltungssendungen im Programm und seine Kommerzialisierung sowie die Einführung des Farbfernsehens bei. Die straffe staatliche Kontrolle blieb aber bestehen.

Privates Fernsehen entstand erst 1991 im halblegalen Rahmen, da Television rechtlich noch immer staatliches Monopol war. Star TV mit Sitz in Hongkong begann Sendungen im Gefolge des Golfkrieges auszustrahlen, die über die massiv einsetzende Verbreitung von Satellitenschüsseln empfangen werden konnten. Diese Schüsseln wurden von Privatunternehmern gekauft und gegen Gebühr mit Haushalten verbunden. Damit verlor die Regierung die Kontrolle über das Medium, intervenierte aber aus Angst vor negativen Reaktionen ausländischer Investoren nicht. Die privaten Fernsehgesellschaften sind danach rasch groß geworden und haben sich internationalisiert. So verfügt zum Beispiel Zee TV über 17 internationale und 25 nationale Kanäle. Die privaten Programme werden auch von vielen Auslandsindern gesehen. Indien ist nun nicht mehr nur eine Nation, die mediale Botschaften von anderswo empfängt, es ist der drittgrößte TV-Markt weltweit geworden. Kein globaler Sender kann diesen Markt ignorieren. Die BBC hat 2007 ein spezielles Programm für Indien aufgelegt, Australiens ABC bereits 2006.

Um sich der Konkurrenz der privaten Anbieter zu erwehren, veranlasste die Regierung den staatlichen Fernsehsender (Doordarshan), der bislang im Wesentlichen als staatliches Propagandainstrument gedient hatte, zusätzlich fünf Unterhaltungskanäle einzurichten. Diesen war freilich kaum Erfolg beschieden. Im Jahr 1997 erhielt der staatliche Sender auch mehr Autonomie. Doordarshan wird seither finanziell kürzer gehalten, der Sender soll sich – über vermehrte Werbeeinnahmen – nun auch am Markt bewähren.

Alle Sender sind in starkem Maß von Werbung abhängig geworden. Das gilt besonders für die privaten Ableger, weil der größte Teil der TV-Gebühren von den Kabelanbietern absorbiert wird, die aber – mangels Registrierung – oft gar nicht wissen, wie viele Kunden sie wirklich haben. Kulturkritisch wird in Indien vermerkt, dass diese Abhängigkeit von den Einschaltquoten die Programmqualität nachhaltig verschlechtert habe; ständig habe sich der Anteil von Seifenopern, Quizsendungen und Realityshows erhöht.

Film

Der erste Film wurde in Indien 1896 aufgeführt, drei Jahre später war die erste eigene Produktion fertig. Die indische Filmindustrie hatte lange Zeit einen schwierigen Stand, weil sie bis 1998 nicht den Status einer Wirtschaftsbranche zugesprochen bekam und ihre Produktion daher auch nicht mit Bankkrediten finanzieren konnte. Zudem unterlagen Filme der Zensur, die – wie im Fall der Presse – bereits zur Kolonialzeit bestand und von der Regierung des unabhängigen Indien fortgesetzt wurde. Die durchaus nicht billigen Filme wurden deshalb häufig im Halbdunkel der Geldwäsche, später durch Filmvertriebe finanziert. Davon profitierten aber nur die als erfolgsträchtig angesehenen Streifen. Für als gut befundene Filme gab es zum Teil staatliche Subventionen.

Stars sind der wichtigste Produktionsfaktor indischer Filme und verschlingen etwa die Hälfte der Gestehungskosten. Heutzutage ist es in finanzieller Hinsicht einfacher, Filme in Indien zu produzieren, da eine Beteiligung für privates Kapital zunehmend attraktiv geworden ist. Gründe dafür sind die internationale Verbreitung der Filme, zunehmende Koproduktionen mit ausländischen Filmgesellschaften und steigende Einnahmen aus dem Verkauf dieser Filme (insbesondere in die USA, nach Kanada, Großbritannien und in den Nahen Osten) sowie aus dem Verkauf von Kabel- und Satellitenrechten.

Indien ist mit heute ca. 800 Filmen pro Jahr der größte Filmproduzent der Welt geworden. Der Kinobesuch in Indien ist das Freizeitvergnügen Nr. 1; jeden Tag schauen sich etwa 15 Millionen Besucher einen Kinofilm an, obwohl die Eintrittskarten nicht mehr sonderlich preiswert sind. Es gibt im ganzen Land etwa 13.000 Kinos.

Vorführungen beginnen mit einem staatlich gesponserten Dokumentarfilm, den Hauptteil bilden lange, mit Gesangs-, Kampf- und Tanzeinlagen versehene, oft melodramatische Streifen mit klarer moralischer Botschaft und ohne übertrieben stringente Handlung. Die indische Filmzensur sorgte lange Zeit dafür, dass direkte erotische Darstellungen ausblieben, nur wenig kaschierte Szenen haben Eingang gefunden. Den musikalischen Einlagen kommt entscheidende Bedeutung für den Erfolg eines Filmes zu. Soundtracks sind schon ein bis zwei Monate vor Erscheinen verfügbar und stellen eine wichtige Einnahmequelle der Filmindustrie dar.
Neben diesen traditionellen Hindi-Filmen gibt es Produktionen, die stärker an der Realität orientiert sind und es auch in westlichen Ländern zu Erfolg gebracht haben (etwa "Salaam Bombay" von 1988 oder "Slumdog Millionär" von 2008).

Der Anteil der aus Hollywood gezeigten Produktionen in Indien ist mit zehn Prozent sehr gering, deutlich geringer als in China, wenn auch langsam ansteigend. Markterfolg haben nur amerikanische Actionfilme; Dramen und Filmkomödien aus den USA tun sich in Indien ausgesprochen schwer. Ein erhebliches Problem für die indische Filmindustrie war und ist die Produktpiraterie, also die schnelle Kopie urheberrechtlich geschützter Filme. Sie hat auch mit den vergleichsweise hohen Eintrittspreisen und Sätzen der indischen Vergnügungssteuern zu tun, ist allerdings zuletzt durch die rasche Produktion von DVDs etwas zurückgegangen.

Fussnoten

Professor Dr. rer. soc. Joachim Betz, Jahrgang 1946, war Leitender Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Asien-Studien des GIGA (German Institute of Global and Area Studies / Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien) und ist Prof. emeritus für Politische Wissenschaft an der Universität Hamburg.
Seine fachlichen Schwerpunkte sind Politik und Wirtschaft Südasiens, Verschuldung, Rohstoffpolitik, Globalisierung und Entwicklungsfinanzierung.