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Medien und Kultur | Israel | bpb.de

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Medien und Kultur

Noa Lavie Anat Feinberg Dominik Peters

/ 11 Minuten zu lesen

Die vielfältigen Kulturen Israels spiegeln sich auch in der Musik wider: Shlomo Artzi 2015 bei einem Konzert in Tel Aviv; Sarit Hadad während eines Konzerts in Jerusalem. (© Mandy Hechtman / Flash90)

NOA LAVIE

Medienlandschaft

Israel ist eine parlamentarische Demokratie, und doch sind die Meinungs- und Pressefreiheit nie in einem Grundgesetz verankert worden. Außerdem steht das Land in anhaltendem Konflikt mit seinen arabischen Nachbarn. Dieser politische Hintergrund hat die Entwicklung und die Merkmale der Medienlandschaft in Israel erheblich mitgeprägt.

Radio und Fernsehen
In den ersten Jahrzehnten des Staates Israel waren Hörfunk und Fernsehen stark zentralisiert, da alle Radiosender und der – bis in die 1990er-Jahre einzige – Fernsehsender, Kanal 1, der staatlichen Rundfunkbehörde unterstanden. Ausgenommen waren der Radiosender der Armee – Galei Zahal mit der Tochterstation Galgalaz – und das Schulfernsehen.
1990 beschloss man, die Fernseh- und Hörfunksender teilweise zu privatisieren und kommerzielles Fernsehen zuzulassen. Im selben Jahr wurde ein Gesetz für die zweite Fernseh- und Rundfunkbehörde erlassen, das die Konzessionen und Genehmigungen des öffentlich-kommerziellen Fernsehens in Israel regelt.

Die zweite Senderbehörde sollte vor allem den abweichenden kulturellen Vorlieben der israelischen Peripherie zum Ausdruck verhelfen, deren Bewohner den eher schwachen Gesellschaftsschichten des Staates angehören. Dazu zählen in erster Linie Misrachim (Juden aus arabischen Ländern), Araber (Palästinenser mit israelischer Staatsbürgerschaft) sowie Einwanderer aus den GUS-Staaten und aus Äthiopien. Um sie zu versorgen, entstanden zahlreiche kommerzielle Regionalsender. Trotzdem repräsentieren die meisten nach wie vor die jüdisch-säkulare und die jüdisch-traditionelle Gesellschaft. Rundfunk ist sehr populär bei den Jugendlichen, die ihn auf verschiedenen Sendeplattformen hören. Ihr Favorit ist der Musiksender Galgalaz.
Israel hat heute ein duales TV-Sendermodell, das öffentlich-rechtliches (heute Kanal Kan 11) und öffentlich-kommerzielles Fernsehen (heute Keshet 12, Reshet 13 und Kanal 10 14) mit Satelliten- und Kabelsendern verbindet. Letzthin wächst der Konsum von TV-Inhalten auf Internet-Plattformen.

Populärster Fernsehsender ist der (neuerdings in Keshet und Reshet gespaltene) kommerzielle Kanal 2. Am beliebtesten sind Reality-TV-Programme, und zwar mehr noch als in anderen westlichen Ländern. Das mag sich unter anderem daraus erklären, dass der TV-Markt in Israel klein ist und seine Verbraucher jahrelang an den kollektiven Konsum eines einzigen Fernsehsenders gewöhnt waren. Das populärste Reality-Programm ist "HaAch HaGadol" (Big Brother), gefolgt von israelischen Versionen der Serien "Survival", "The Voice" und "The Amazing Race". Die absolute Mehrheit der im Fernsehen auftretenden Personen sind Juden und Jüdinnen – in Nachrichten, Reality und Drama. Das Arabische, die zweite offizielle Sprache in Israel, ist kaum je zu hören.

Presse und neue Medien
Die drei wichtigsten Tageszeitungen in Israel sind das Boulevardblatt Yedioth Ahronoth, die elitäre, linksliberale Zeitung Haaretz und das unter schweren finanziellen Verlusten verteilte Gratisblatt Israel HaYom. Letzteres gehört Sheldon Adelson, einem amerikanisch-jüdischen Unternehmer und persönlichen Freund von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. In den letzten Jahren rückt die israelische Öffentlichkeit – dem weltweiten Trend folgend – immer mehr von den Printmedien ab.
Seit 2003 dringt das Internet rasant nach Israel ein, wo es wächst und gedeiht. Das äußert sich auch in der großen Beliebtheit, die im Land entwickelte Apps genießen. Auf der Liste der erfolgreichsten Applikationen der Firma Apple für das Jahr 2014 beispielsweise standen mehrere israelische, an erster Stelle die Navigations-App Waze.

Zu den wichtigsten Kommunikationsformen in Israel zählen die sozialen Netzwerke, angeführt von Facebook. Unter jungen Israelis gewinnt auch Snapchat an Beliebtheit. Hassreden in den sozialen Netzwerken sind stark verbreitet. Am schlimmsten betroffen sind Araber, Linke, LGBT, Ultraorthodoxe, Misrachim und die Flüchtlinge aus Afrika.

Die Kommunikation in Israel ist zum Teil kritischer als früher, und das trotz Zentralisierung und einigem Klüngel zwischen Kapital und Medien. Das ist unter anderem auf die Entstehung neuer, unabhängiger Kommunikationswege im Internet zurückzuführen. Journalisten, die für etablierte Medien arbeiten, nutzen auch soziale Netzwerke und veröffentlichen persönliche Posts über Facebook oder Twitter, die sich großer Beliebtheit erfreuen.

Trotz alledem sehen sich die israelischen Medien in den letzten Jahren Angriffen von Regierungsseite ausgesetzt. Der Kampf um die Meinungs- und Pressefreiheit im Land ist derzeit in vollem Gang. Die Zukunft dieses Ringens wird sich, wie jede Zukunft, erst später offenbaren.

Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama

ANAT FEINBERG

Literatur

Hebräisch? Jiddisch? Gar Arabisch und vielleicht Russisch? Es mag zunächst merkwürdig anmuten, doch die Bezeichnung "Israelische Literatur" umfasst Prosawerke, Gedichte und Bühnenstücke in diesen und weiteren Sprachen. Nicht minder faszinierend ist das Spektrum der Autoren mit ihren höchst unterschiedlichen biographischen Hintergründen: Einige sind vor der Staatsgründung geboren (Amos Oz, Abraham B. Jehoschua, Joshua Sobol), andere im souveränen Israel (David Grossman, Zeruya Shalev, Meir Shalev); einige stammen aus den GUS-Staaten, aber schreiben ihre Werke auf Hebräisch (Alona Kimchi, Marina Grosslerner, Alex Epstein), andere wiederum halten an ihrer russischen Muttersprache fest (Dina Rubina). Neben diesen Schriftstellern jüdischer Herkunft gibt es israelische Araber – manche definieren sich ausdrücklich als Palästinenser – die ihre literarischen Werke auf Arabisch (Emil Chabibi) oder auf Hebräisch (Anton Shammas, Sayed Kashua) verfassen.

Renaissance des Hebräischen und die Figur des "Neuen Juden"
Heute kaum vorstellbar: Noch vor genau 100 Jahren lebten die meisten Leser und Verleger der hebräischen Literatur ebenso wie die in dieser Sprache schreibenden Autoren in Ost- und Mitteleuropa. Dass die hebräische Sprache im jüdischen Staat eine einzigartige Renaissance erlebte, ist zweifellos einer der größten und eindeutigsten Erfolge der zionistischen Bewegung. Die Sprache, die jahrhundertlang als Sefat kodesch (Heilige Sprache) hauptsächlich im religiösen Ritus gebraucht wurde, ist in Israel zu einer lebenden Sprache, zu einem Kommunikationsmittel im Alltag wie auch zu einer den Zeitgeist widerspiegelnden Sprache der Literatur geworden. Aus einer Literatur fernab eines nationalen Territoriums, die voller Sehnsucht und Hoffnung das Land Zion idealisierte, wurde die Literatur einer Nation – eine Literatur, die die Wiedergeburt des jüdischen Volkes in der altneuen Heimat begleitete, gewiss teilweise auch überhöhte, sich aber auch mutig und oft vorausahnend mit den Problemen des Landes auseinandersetzte.

"Elik wurde aus dem Meer geboren" – dieser Einleitungssatz in Moshe Shamirs Roman "Mit eigenen Händen" (1951) formuliert die Quintessenz des neuen, mit Mythen beladenen Helden, der anspielungsreich aus dem Meer emporstieg und von Wellen getragen direkt in die erez-israelische Welt eintrat. Die Figur des "neuen Juden", des im Lande geborenen Israeli, dominierte die erste Phase der Literaturgeschichte des jüdischen Staates. Die mediterrane Landschaft der Heimat bildet den Hintergrund für das Werden und Wirken des Sabra-Helden, der das normale Leben eines freien Volkes im eigenen Land verkörpert. Der Israeli, der aus der Heimaterde Brot gewinnt und der Taten über Worte stellt, sollte eine Antwort auf das stereotype Bild sein, das man sich – in und außerhalb der Literatur – damals gemeinhin vom Juden in der Diaspora machte. Doch in der gegenwärtigen Literatur ist der heldenhafte Typus kaum noch zu finden; auch Naturverklärung und Kibbuz-Landschaften sind weitgehend verschwunden.

Thema Nahostkonflikt
In politischen Fragen waren es gerade die Schriftsteller, nicht die Politiker, denen bereits kurz nach der Staatsgründung die ersten Zweifel kamen. Weder das zionistische Projekt noch die israelische Politik konnten eine Lösung für das Zusammenleben mit den Arabern anbieten. Die Kriege hatte man zwar gewonnen, den Konflikt mit den Palästinensern aber nicht gelöst. Früh fand das moralische Dilemma im Nahostkonflikt Ausdruck in den meisterhaften Kurzgeschichten von S. Yizhar "Hirbet Hizaa" und "Der Gefangene" (1948). In seinem autobiografischen Roman "1948" (2010) erzählt Yoram Kaniuk die Geschichte eines jungen Israeli, der voller Heldenmut im Unabhängigkeitskrieg kämpft und Jahre später über Leid, Schuld und Sinnlosigkeit der Kriege reflektiert. Immer wieder setzten sich die Autoren – längst vor den "Neuen Historikern" – mit der zionistischen Geschichtsschreibung bzw. mit idealisierenden Narrativen auseinander und hinterfragten dabei die identitätsstiftenden Gründungsmythen des Staates. In jüngerer Zeit sind vermehrt Zukunftsromane erschienen – Dystopien, die ein düsteres Bild der israelischen Gesellschaft im Schatten von politischen Krisen, Terror- und Cyberspace-Katastrophen zeichnen (Asaf Gavron, Yali Sobol, Yigal Sarna).

Der mitunter geäußerte Vorwurf, israelische Schriftsteller zögen sich ins Private zurück und vermieden dadurch die Beschäftigung mit den "großen" politisch-gesellschaftlichen Themen, ist unzutreffend. Das Gegenteil ist der Fall. Neben Werken angesehener Autoren, in denen die persönliche mit der kollektiven Geschichte verschränkt wird – so beispielsweise Amos Oz’ "Eine Geschichte von Liebe und Finsternis" (2002) oder David Grossmans Meisterwerk "Eine Frau flieht vor einer Nachricht" (2008) – gibt es eine beachtliche belletristische Produktion weiterer Autoren, die von der intensiven Beschäftigung mit brisanten Themen zeugt.

Frauen und Geschlechterverhältnisse
Kaum mehr zu überschauen ist seit dem Anfang der 1990er-Jahre außerdem die Zahl von Romanen aus der Feder israelischer Schriftstellerinnen (Zeruya Shalev, Hila Blum). Deren Blick richtet sich häufig auf das Leid, die Leidenschaften und Ängste der Frau als autonomem Subjekt. Diese Literatur stellt eine späte Antwort auf die lange Zeit herrschende Ausgrenzung der Frau im männlich dominierten nationalen Diskurs und in der Belletristik dar. Beschrieben werden Ehe und Mutterschaft, sexuelle Erfahrungen und weibliche Intimitäten. Im Zeichen wachsender Aufgeschlossenheit und Toleranz werden zudem lesbische Beziehungen (Klil Zisapel) und die Erfahrungen männlicher Homosexueller beschrieben (Ilan Sheinfeld, Moshe Sakal).

Auseinandersetzung mit der Orthodoxie
Bemerkenswert sind ebenfalls eine Reihe von Romanen, die das orthodoxe Milieu mit seinen strengen Verhaltensregeln und Sitten beleuchten. Der Drang, aus diesem als hermetisch empfundenen Leben auszubrechen, sowie die Suche nach einer jüdischen Identität jenseits einer religiös bestimmten Tradition sind Themen, die beispielsweise in der Erzählprosa von Autoren wie Mira Magen, Haim Be'er und Dov Elbaum eine wichtige Rolle spielen.

In den vergangenen Jahren sind auch die unterschiedlichen ethnischen Gruppen, aus denen die israelische Gesellschaft besteht, immer stärker in den Mittelpunkt der Literatur gerückt. Getragen vom Wunsch nach kultureller Erinnerung unternehmen die Kinder und Enkelkinder der Einwanderer, insbesondere diejenigen orientalischer Herkunft (Orly Castel-Bloom, Almog Behar, Eli Eliyahu), den Versuch, die Geschichte ihrer Familie und das Leben der Vorfahren in der Diaspora aufzuarbeiten, nachdem dieses Erbe in Israel lange Zeit unter dem Druck eines monolithischen, eurozentrisch orientierten Identitätsmodells verschwiegen wurde. 2008 erschien "Asterei" von Omri Tegamlak Avera, der allererste Roman, der die Einwanderung eines äthiopischen Israelis schildert. Im In- und Ausland erfolgreich ist Etgar Keret, der in knappen, minimalistischen Texten, von Comic-Kultur und Kurzfilmästhetik inspiriert, diverse Sprachmodi aufgreift und spielerisch verarbeitet.

Das Deutschland-Motiv
Neben Werken der "Zweiten Generation", die das Schweigen über den Holocaust zu durchbrechen und sich literarisch dem Unbeschreiblichen zu nähern versuchen (Savyon Liebrecht, Nava Semel), gewinnt seit Anfang des Millenniums das Deutschland-Motiv an Bedeutung. Nach Yoram Kaniuks "Der letzte Berliner" (2002) und Fania Oz-Salzbergers Studie "Israelis in Berlin" (2001) erschienen zahlreiche Romane, die Erinnerungen an eine untergegangene Welt beschwören, dabei aber gleichzeitig auch das heutige Deutschland, insbesondere Berlin, erkunden, so etwa Haim Be'ers "Bebelplatz" (2007) oder Shifra Horns "Der Tanz der Skorpione" (2012).

DOMINIK PETERS

Israelische Musikkulturen: Soundtracks seiner Gesellschaften

Israel ist nicht nur ein kleines Land, in etwa so groß wie Hessen, sondern auch ein Einwanderungsland. Die meisten seiner Bürger stammen in erster, zweiter oder dritter Generation von einem der fünf Kontinente. Dies spiegelt sich heute in den vielfältigen Kulturen seiner Gesellschaften wider – und damit auch in der Musik.
Das war indes nicht immer so. In den Gründerjahren war Israel durch David Ben Gurion etatistisch regiert worden. Der erste Ministerpräsident des Landes hatte einen starken Staat aufgebaut. Die Aschkenasim – das heißt jene Juden, die mehrheitlich vor 1948 aus Europa eingewandert waren – und nicht die Misrachim – das heißt jene Juden, die mehrheitlich nach 1948 aus der muslimisch geprägten Welt eingewandert waren – dominieren nicht nur die Politik und die Armee des Landes, sondern auch seine Kultur.

Melodien für Millionen
Aufgrund der bedrängten sicherheitspolitischen Lage des Landes war und ist die Armee eine der wichtigsten Institutionen in Israel. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Armee auch die israelische Musikkultur nachhaltig geprägt hat, vor allem durch Unterhaltungsgruppen und -bands. Diese waren sowohl Talentschmiede für Israels größte Rock- und Popmusiker wie Arik Einstein und Shlomo Artzi, als auch zentrale Multiplikatoren zionistischer Wertvorstellungen. Sie spielten ihre Lieder nicht nur vor Soldaten im Feld, sondern produzierten auch eine Vielzahl an Schallplatten und traten ab den 1960er-Jahren im Schwarz-Weiß-Fernsehen auf.

Der Inhalt ihrer patriotischen Texte drehte sich dabei stets um den Aufbau der Nation, den Wert der Arbeit der eigenen Hände und die Wehrhaftigkeit des jüdischen Staates. Die Unterhaltungsgruppen verankerten damit den Ethos der israelischen Pioniere auf ähnliche Weise im öffentlichen Bewusstsein der Israelis, wie "William Cody – Buffalo Bill – und seine Truppe einstmals den amerikanischen Pionier in ihrer Wild West-Show" institutionalisiert hatten, so der Soziologe Oz Almog. Die Unterhaltungsgruppen übertönten mit ihren Melodien für Millionen die multikulturelle Vielfalt der israelischen Gesellschaften im wahrsten Sinne des Wortes.

Rock und Pop zwischen Mittelmeer und Jordan
Erst mit Beginn der 1970er-Jahre änderte sich das. Infolge des Jom-Kippur-Krieges 1973 erodierte die hegemoniale Stellung der aschkenasischen Gründerväter und -mütter. Die gesellschaftlichen Freiräume wurden größer. Ihre Söhne und Töchter wollten nicht länger mit Mundharmonika und Akkordeon musizieren, sondern E-Gitarre und Bass spielen.

Sie waren von der Rockmusikwelle erfasst worden, die nach dem Woodstock-Festival 1969 in weiten Teilen der westlichen Welt einsetzte. Im Stil ihrer englischsprachigen Vorbilder – von den Beatles bis hin zu den Rolling Stones – machten Arik Einstein und Shlomo Artzi, Schalom Hanoch und Ehud Banai sowie viele andere hebräische Künstler Rockmusik in Israel populär. Ihre Lieder sind bis heute fester Bestandteil des israelischen Musikkanons. Sie werden von Jung und Alt gehört.
Pop war damals auch immer Protest. In der politischen Tradition Bob Dylans avancierten ab den 1970er-Jahren auch in Israel kritische Künstler wie Meir Ariel und Jehonathan Geffen zu gesellschaftlich anerkannten Singer-Songwritern; ebenso entwickelte sich sukzessive eine Festivalkultur im Land.

Orient meets Okzident
Der erste weltweit bekannte Sänger aus Israel sang indes nicht auf Hebräisch oder Englisch, sondern auf Französisch. Mit seinen Chansons eroberte Moshe Brand im gleichen Zeitraum die französischen Charts. Unter seinem Künstlernamen "Mike Brant" wurde er jedoch nicht nur zwischen Aix-en-Provence und Paris berühmt, sondern auch im Iran des Schahs von Persien. Der Israeli spielte im Iran umjubelte Konzerte vor der Jeunesse dorée der säkularen Oberschicht.

Iran und Irak, Jemen und Marokko – dies sind die Länder, aus denen die Mehrheit der Misrachim eingewandert waren. Parallel zu jenen Künstlern, die sich mit Beginn der 1970er-Jahre in hebräischer Sprache der englischsprachigen Musikwelt zuwandten, gelangten einige Künstler – vor allem Chajim Mosche und Zohar Argov – in Israel zu Erfolg, indem sie sich in hebräischer Sprache den arabischen beziehungsweise persischen Musiktraditionen zuwandten.

Seit den 1980er-Jahren ist dieser Musikstil aus Israel nicht mehr wegzudenken, er dominiert die Charts Jahr für Jahr. Die drei prominentesten und mit zahlreichen Platin-Platten ausgezeichneten Künstler dieses Genres sind zum einen die Sängerin Rita, die als Rita Johanfarouz in Iran geboren worden ist, zum anderen Sarit Hadad, deren Eltern aus Dagestan eingewandert waren, und außerdem Eyal Golan, dessen Familie aus Marokko stammt.

Israelische Musik im globalen Dorf
Mit jedem Jahrzehnt der israelischen Geschichte sind die musikalischen Trennlinien zwischen Aschkenasim und Misrachim brüchiger geworden, haben sich Stile und Traditionen vermischt. Heute – in Zeiten von iTunes und Amazon Prime Music – hört und singt die israelische Bevölkerung, was auch der Rest der Welt hört und singt: Techno und Trance, Hip Hop und RnB, Reggae und Ragga.

Der Sänger Asaf Avidan spielt vor ausverkauftem Haus zwischen Barcelona und Beerscheva. Mit seinem Song "One Day" in der Dance-Version des Berliner DJs "Wankelmut" eroberte er 2012 weltweit die Charts. Ein anderer Künstler, Idan Raichel, hat sich in Israel im vergangenen Jahrzehnt einen Namen mit israelisch-äthiopischer Musik gemacht, spielt seither Tour-Konzerte zwischen Tel Aviv und Toronto und hat 2014 ein Instrumental-Album mit dem malischen Superstar Boureima "Vieux" Farka Touré aufgenommen.

Liraz Charhi hat 2016 eine viel beachtete Coverversion von "Love me like you do", dem Titelsong der Romanverfilmung von "Fifty Shades of Grey", aufgenommen. Dies jedoch nicht auf Englisch oder Hebräisch – sondern auf Farsi. Das virale YouTube-Video des Songs der israelischen Künstlerin mit persischen Wurzeln wurde in Istanbul aufgenommen. Mit anderen Worten: 70 Jahre nach der Staatsgründung ist Israel, ist die nationale Musikszene im globalen Dorf fest verankert.

Prof. Dr. Noa Lavie ist Mediensoziologin an der Aktademischen Hochschule Tel Aviv-Yaffo und Expertin für Medienindustrie sowie für Rundfunk- und Fernsehstudien. Dr. Lavie hat in führenden internationalen Zeitschriften über die israelische Rundfunk-und Fernsehindustrie publiziert.

Prof. Dr. Anat Feinberg ist Honorarprofessorin für Hebräische und Jüdische Literatur an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg. Ihre Forschungsgebiete sind Moderne Hebräische Literatur, Jüdische Literatur, Theaterstudien und Israelstudien.

Dr. Dominik Peters studierte Nahost- und Politikwissenschaften (BA) sowie Jüdische Studien (MA) in Jerusalem, Kairo, Heidelberg, Graz und Halle. Er promovierte am Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur der LMU München in Neuerer und Neuester Geschichte. Er ist Absolvent der studienbegleitenden Journalistenausbildung des Instituts zur Förderung publizistischen Nachwuchses (ifp) in München und Redakteur im Politik-Ressort von SPIEGEL ONLINE.