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Vom Barden zum Blogger: die Entwicklung der Massenmedien

Jürgen Wilke

/ 7 Minuten zu lesen

Eine junge Frau filmt mit ihrem Handy während einer Wahlkampfveranstaltung des oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Mir Hossein Mousavi im Juni 2009. (© AP)

Der Begriff Medium ist lateinischen Ursprungs und bezeichnet so viel wie Mittel. Er wird heute für eine Vielzahl von unterschiedlichen Sachverhalten gebraucht. Unter Massenmedien im engeren Sinne werden die technischen Mittel verstanden, die zur massenhaften Verbreitung von Aussagen an eine Vielzahl von Personen geeignet sind, also insbesondere Presse, Film, Hörfunk (Radio), Fernsehen, Internet. Außer der technischen Seite hat der Begriff auch eine institutionelle Bedeutung und steht für die Organisationen, die die Botschaften der Massenkommunikation produzieren wie etwa Verlage und Rundfunkanstalten.

Massenmedien sind in der Geschichte der Menschheit erst spät entstanden. Jahrtausende lang gab es solche technischen Mittel zur massenhaften Verbreitung von Botschaften an eine Vielzahl von Personen nicht. Gleichwohl haben Menschen immer miteinander kommuniziert. Aber der Empfang dieser Kommunikation blieb an die Reichweite der menschlichen Stimme gebunden. Allenfalls konnten verabredete akustische oder optische Zeichen wie Trommeln oder Rauch eingesetzt werden. Mit der Herausbildung komplexer Gesellschaften stieg der Bedarf auch an Neuigkeiten. Im Mittelalter haben fahrende Sänger (Barden) und Spielmänner durch Lieder und Sprüche schon Aufgaben der Information erfüllt. Mittels der Schrift ließen sich Botschaften zwar speichern, aber die Vervielfältigung war noch mühsam und aufwändig, weil sie mit der Hand abgeschrieben werden mussten.

Erst die Erfindung des Drucks mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg um 1450 in Mainz ermöglichte es, Schriftwerke in größerer Zahl und in kürzerer Zeit zu produzieren. Diese Technik wurde zunächst primär für kirchliche Zwecke genutzt. Noch dominierte die Kirche auch kulturell mit ihrem Bedarf an Bibeln, Gebet- und Messbüchern und anderen religiösen Textsammlungen; doch bediente man sich der Drucktechnik alsbald auch, um Nachrichten ("Newe Zeytungen") zu verbreiten. In der Reformation wurden Flugschriften in großen Auflagen für die Meinungsbildung und Propaganda zu kirchlichen und gesellschaftlichen Streitfragen genutzt. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts begannen dann die ersten (Wochen-)Zeitungen regelmäßig zu erscheinen. Die älteste nachgewiesene ist die Straßburger "Relation" von 1605. Korrespondenten in verschiedenen Teilen Europas lieferten den Druckern die Nachrichten. Diese wurden ihnen von Postreitern zugestellt, die zudem den überörtlichen Vertrieb der Zeitungen übernahmen.

Im Laufe des 17. Jahrhunderts nahm die Zahl der Zeitungen rasch zu. In Deutschland gab es infolge der Kleinstaaterei mehr von ihnen als in allen Ländern Europas zusammengenommen. Mit dem "Journal des Sçavans" kam 1665 in Frankreich die erste (wissenschaftliche) Zeitschrift heraus. Damit entstand eine zweite Gattung der gedruckten Presse. Aus ihr entstand im Laufe der Zeit eine Vielzahl von unterschiedlichen Zeitschriften, die fachlichen Interessen und der Unterhaltung dienten.

Zur Geschichte der Presse gehörte von früh an auch die Zensur. Kirchliche und staatliche Obrigkeiten traten auf den Plan, um die Kontrolle über das Pressewesen auszuüben. Neben der Zensur vor der Drucklegung wurden weitere Maßnahmen eingeführt. Der Buchdruckereid verpflichtete beispielsweise dazu, nichts zu drucken, was nicht geprüft war oder Vorschriften widersprach. Die Forderung nach Pressefreiheit kam im 17. Jahrhundert zuerst in England im Zuge der Puritanischen Revolution auf. Als 1695 der Printing Act dort mit seinen einschränkenden Bestimmungen nicht mehr verlängert wurde, herrschte praktisch Pressefreiheit. Deutschland hinkte in dieser Hinsicht wegen des Absolutismus hinterher, wenngleich die Herrscher auch hier im Einzelnen unterschiedlich streng verfuhren. Gewissen Fortschritten folgten immer wieder Rückschläge. Lockerungen infolge der Aufklärung wurden zurückgenommen, als sich die Regenten durch die Französische Revolution bedroht sahen. Nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon folgten Jahre relativer Freiheit, bevor 1819 mit den Karlsbader Beschlüssen eine neue Phase der Unterdrückung einsetzte. Sie dauerte drei Jahrzehnte, bis zur Revolution von 1848. Obwohl die Vorzensur nach dem Scheitern der Revolution nicht wiederkehrte, griff man staatlicherseits zu neuen Reglementierungen wie Kautionszwang, Besteuerung des Druckpapiers oder Vertriebsbehinderungen. Erst nach der Reichsgründung gewährleistete das Reichspreßgesetz von 1874 landesweit einheitlich die Pressefreiheit.

Die Zeitungen veränderten sich lange Zeit wenig. Das hatte mit der gleichbleibenden Drucktechnik zu tun. Als im 19. Jahrhundert Schnellpresse und Rotationspresse sowie die Setzmaschine entwickelt wurden, vergrößerte sich das Zeitungsformat, der Seitenumfang wuchs an, mehrmaliges Erscheinen in der Woche wurde üblich. Seit den 1840er Jahren gab es die Telegrafie, seit den 1870er Jahren das Telefon, was die Übermittlung von Nachrichten enorm beschleunigte. Auf breiter Front kamen Anzeigen nach 1850 in die Tagespresse und verbilligten den Abonnement- und Einzelverkauf. Die Auflagen stiegen.

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts blieb die Presse das einzige publizistische Massenmedium. Seitdem sind neue Medien in immer kürzeren Abständen hinzugekommen. 1895 gilt als Geburtsjahr des Films, weil in Paris (und Berlin) die ersten öffentlichen Vorführungen stattfanden. Die Filmproduzenten zogen zunächst von Ort zu Ort, um ihre Streifen vorzuführen (Wanderkino). Erst danach errichtete man ortsfeste Filmtheater, was den Bedarf an Langfilmen nach sich zog. Diesen wurden Wochenschauen mit aktuellen Filmberichten vorgeschaltet.

1888 wies Heinrich Hertz die elektromagnetischen Wellen nach. Diese Entdeckung wurde zur technischen Grundlage der elektronischen Medien. Wegen der staatlichen Fernmeldehoheit spielte die Post die maßgebliche Rolle bei der Entstehung des Rundfunks in Deutschland. Am 23. Oktober 1923 wurde von der Funk-Stunde AG Berlin, an der u.a. die Reichspost beteiligt war, die erste Sendung ausgestrahlt. Da kein Sender das gesamte Reichsgebiet abdecken konnte, machte man bei der Post "aus der technischen Notwendigkeit eine kulturpolitische Tugend" (Hans Bausch): Neun regionale Sendegesellschaften wurden gegründet. Daran waren " wegen des staatlichen Geldmangels " auch private Kapitalgeber beteiligt. Die Programme bestanden vor allem aus Bildungs- und Unterhaltungssendungen (E+U-Musik). Die Zahl der Empfangsgenehmigungen, für die monatliche Gebühren zu zahlen waren, stieg von 500 000 (1924) auf 4,2 Millionen (1932). Bereits 1932 wurde der Rundfunk in Deutschland aber verstaatlicht.

Die Nationalsozialisten machten mit ihrer "Machtergreifung" 1933 die publizistischen Massenmedien in Deutschland zu Instrumenten der Propaganda. Die oppositionelle Presse wurde beseitigt, auch bürgerliche Zeitungen wurden bekämpft und verboten. Die Filmproduktion wurde ebenfalls überwacht. Gedreht wurden Propagandafilme oder unverfängliche Unterhaltungsfilme, die der Ablenkung dienen sollten. Am leichtesten gelang die Übernahme und Zentralisierung des Rundfunks. Die Berichterstattung wurde durch amtliche Presseanweisungen gelenkt. Als Journalist durfte nur noch arbeiten, wer bestimmte Voraussetzungen (zum Beispiel "arische Abstammung") erfüllte, auf einer Berufsliste eingetragen war und der Reichspressekammer angehörte. Auch die Anfänge des Fernsehens liegen im "Dritten Reich". Am 22. März 1935 wurde der regelmäßige Fernsehprogrammbetrieb in Berlin aufgenommen. Da es aber an Empfangsgeräten fehlte, konnten Zuschauer daran nur in öffentlichen Fernsehstuben teilhaben. Das Potenzial dieses neuen Mediums erkannte man jedoch noch nicht. Wegen technischer Mängel und beschränkter Produktionsmöglichkeiten konnte das Fernsehen mit dem Kinofilm erst einmal nicht konkurrieren.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Zusammenbruch des "Dritten Reichs" trafen die alliierten Besatzungsmächte die maßgeblichen Entscheidungen für den Wiederaufbau der Massenmedien in Deutschland. Während die Medien in der DDR erneut unter die Lenkung durch ein diktatorisches Regime gerieten, entstand in den westlichen Zonen eine liberal-demokratische Medienordnung mit einem unabhängigen privatwirtschaftlichen Pressewesen. Das 1949 erlassene Grundgesetz garantiert in Art. 5 Presse- und Informationsfreiheit und verbietet die Zensur.

Nach britischem Vorbild (BBC) wurde der Rundfunk in den westlichen Besatzungszonen in Form öffentlich-rechtlicher Anstalten organisiert. In diesen soll die Kontrolle von der Gesellschaft selbst ausgeübt werden. Die Landesrundfunkanstalten schlossen sich 1950 zur Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland (ARD) zusammen. Gemeinsam begannen die Anstalten unter diesem Dach 1954 ein (erstes) Fernsehprogramm auszustrahlen. 1963 kam das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) hinzu. Seit 1967 gibt es das Farbfernsehen.

Privatwirtschaftlicher Rundfunk konnte wegen des Mangels an Sendefrequenzen in der Bundesrepublik Deutschland zunächst nicht stattfinden und wurde erst mit dem Aufkommen neuer Übertragungswege (Kabel, Satellit) möglich. Der Rundfunk startete hierzulande mit dem Ludwigshafener Kabelpilotprojekt am 1. Januar 1984. Zahlreiche neue Anbieter von Radio- und Fernsehprogrammen traten auf, darunter SAT.1, RTL, ProSieben und Viva. Seitdem spricht man von einem dualen Rundfunksystem.

Einen enormen Schub für die Medienentwicklung haben in den 1990er Jahren die Computertechnik und das Internet ausgelöst, das zunächst in den USA als militärisches Netzwerk gedient hatte. Zahlreiche neue Kommunikationsmöglichkeiten stehen dadurch zur Verfügung: E-Mail, Chatten, vor allem das World Wide Web mit seiner inzwischen unübersehbaren Zahl von Websites. Durch das Web 2.0 wurde das Internet in den letzten Jahren auch zunehmend interaktiv. Entstanden ist eine eigene Netzöffentlichkeit, in der sich nicht nur die etablierten Medien, sondern auch ganz neue Produzenten mit neuen Angeboten bewegen. Auch können die Nutzerinnen und Nutzer ihre eigenen Mitteilungen und Videos jetzt selbst ins Netz stellen, zum Beispiel auf YouTube, und sich in sozialen Netzwerken, wie beispielsweise Facebook, organisieren. Das hat auch Konsequenzen für den professionellen Journalismus, für den das Internet einerseits zu einer Konkurrenz geworden ist und andererseits zusätzliche Betätigungsfelder anbietet. Die kommunikative Vernetzung breitet sich immer grenzenloser aus und lässt mit Hilfe auch von Mitteilungen per SMS und Twitter unkonventionelle Protestkulturen entstehen. Die Blogger stehen dafür, dass aus den passiven Konsumenten aktive Produzenten werden. Hierdurch kommt es zu einer Umkehrung der Rollen. Die Digitalisierung, das heißt die Verschlüsselung von Botschaften durch einen Binärcode (0 und 1), führt zu einer Konvergenz der Medien, so dass die Botschaften multimedial über verschiedene Träger hinweg verbreitet werden können, wozu inzwischen auch das Mobiltelefon gehört. Nicht ohne Grund spricht man daher heute von der größten Medienrevolution seit Gutenberg.

ist Professor am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seine Arbeitsschwerpunkte: Mediengeschichte und Medienstruktur, Nachrichtenwesen (insbesondere Nachrichtenagenturen), Politische Kommunikation und Wahlkämpfe, Internationale Kommunikation.

Kontakt: E-Mail Link: juergen.wilke@uni-mainz.de