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Warum Medien wichtig sind: Funktionen in der Demokratie

Udo Branahl Patrick Donges Udo Branahl / Patrick Donges

/ 5 Minuten zu lesen

Ein pakistanischer Journalist spricht durch ein Megaphon während einer Kundgebung gegen den Militärherrscher Pervez Musharraf in Islamabad. (© AP)

Wozu benötigen wir Medien?

Der Blick auf die Medienlandschaft zeigt ein buntes Bild: Die Angebote reichen von der Tagesschau bis zur Verbreitung von Klatsch und Tratsch. Hergestellt wird, was sich auf dem Markt verkaufen lässt. Den Inhalt der Medien bestimmt nicht der Staat, sondern letztlich das Publikum, denn produziert wird auf Dauer nur, was auch Absatz findet. Jeder kann selbst entscheiden, was er liest, hört oder sieht. Er kann sich über das Zeitgeschehen informieren, muss es aber nicht. Er kann sich stattdessen auch Unterhaltungssendungen ansehen oder auf Musik-Videos ausweichen.

Dieser Zustand ist durch das Grundrecht der Presse- und Rundfunkfreiheit geschützt, das sich in Artikel 5 des Grundgesetzes findet. Es schützt die Herstellung und Verbreitung der Medien generell gegen staatliche Eingriffe und vor allem gegen solche, die sie an der Wahrnehmung ihrer "öffentlichen Aufgabe" hindern würden.

Ihre "öffentliche Aufgabe" erfüllen die Medien dadurch, dass sie an der freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung mitwirken, indem sie zu Angelegenheiten von allgemeiner Bedeutung Nachrichten sowie Informationen beschaffen und verbreiten, die jeder Einzelne benötigt, um sich in der Gesellschaft zurechtzufinden. Besonders umfassend ist der "Programmauftrag" für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (siehe S. 29)

Den Kern der öffentlichen Aufgabe bildet die Mitwirkung der Medien an der politischen Meinungsbildung. Um dieser Aufgabe willen stellen freie Medien einen unverzichtbaren Bestandteil jeder freiheitlichen Demokratie dar. Das Funktionieren einer Demokratie, in der alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht (Art. 20 Abs. 2 GG), setzt voraus, dass dessen Mitglieder über die Informationen verfügen, die sie benötigen, um sich auf rationale Weise eine eigene Meinung zu allen politischen Fragen bilden zu können. Diese Informationen können sie zum größten Teil nur aus den Medien beziehen. Deren Aufgabe besteht deshalb vor allem darin, die erforderlichen Informationen zu beschaffen, auszuwählen und so zusammenzustellen und ggf. kritisch zu kommentieren, dass ihr Publikum sie versteht und sich seine eigene Meinung bilden kann. Damit stellen die Medien zugleich eine Verbindung zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern her: Parlamentarier und Regierung erfahren nicht zuletzt aus den Medien, was im Volk gedacht und gewollt wird, und das Volk erfährt, was Parlament und Regierung vorhaben und tun. Schließlich üben die Medien gegenüber den Machthabern eine Kontrollfunktion aus, indem sie auch solche Informationen verbreiten, die jene gern geheim gehalten hätten, und zu diesen Informationen kritisch Stellung nehmen. Auf Grund dieser Kontrollfunktion werden die Medien auch als "Wachhunde" der Demokratie (watchdogs) oder als "vierte Gewalt" bezeichnet.

Einen zweiten Ansatzpunkt für die Auswahl und Aufbereitung von Informationen in den Medien bildet der persönliche Nutzen des einzelnen Lesers, Hörers oder Zuschauers. Das Angebot von "Service"-Beiträgen ist stark gewachsen und nimmt inzwischen einen beträchtlichen Anteil am Gesamtangebot der Medien ein. Es reicht vom Waren- oder Dienstleistungstest über Tipps zur Freizeitgestaltung bis hin zur Erörterung kritischer Lebenssituationen.

Noch stärker gewachsen ist das Angebot an Beiträgen, die vor allem oder ausschließlich der Unterhaltung dienen wie beispielsweise "Lifestyle"-Angebote über das Leben von Prominenten. Auch solche Beiträge genießen das Privileg der Pressefreiheit, soweit sie die Rechte der behandelten Personen, zum Beispiel auf Wahrung ihrer Privatsphäre, nicht verletzen.

Massenmedien und öffentliche Meinung

Eine der wichtigsten Funktionen der Medien in der Demokratie ist die Herstellung von Öffentlichkeit. Diese lässt sich dabei, so der Philosoph und Öffentlichkeitstheoretiker Jürgen Habermas, als ein Netzwerk für die Kommunikation von Inhalten und Stellungnahmen beschreiben. Es gibt aus dieser Sicht nicht die Öffentlichkeit, sondern Öffentlichkeit ist von vornherein die Summe unterschiedlich großer Teilöffentlichkeiten, von denen einige miteinander verbunden sind und andere nicht. So stellen beispielsweise national verbreitete Qualitätszeitungen wie die Frankfurter Allgemeine oder die Süddeutsche Zeitung eine andere Form von Teilöffentlichkeit her als eine Fachzeitschrift, die sich nur an eine kleine Gruppe von Interessierten richtet. Leit- oder Qualitätsmedien sorgen für die Sichtbarkeit und Verknüpfung von Teilöffentlichkeiten, beispielsweise wenn die Tagesschau über Diskussionen in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift berichtet. Ohne Massenmedien wäre Öffentlichkeit auf einen kleinen Raum persönlicher Kommunikation begrenzt, etwa eines Dorfes oder einer Schule. Größere Öffentlichkeiten, welche die Gesellschaft insgesamt umfassen, sind immer auf Massenmedien angewiesen. Durch die Bereitstellung, Sichtbarmachung und Verknüpfung von Themen und Stellungnahmen kann sich aus einer Vielzahl einzelner Positionen und Ansichten eine öffentliche Meinung herausbilden. Damit dienen Massenmedien zugleich der Integration der Gesellschaft, die sich in der durch sie hergestellten Öffentlichkeit wie in einem Spiegel selbst beobachten kann.

QuellentextVom Umgang mit der Wahrheit

[...] Wissen ist Macht, sagt Lenin. [...] Deshalb [...] muss [man] mit den Internetpartisanen von morgen, diesen mächtigen Verfechtern eines noch nicht genau definierten Weltgewissens, reden. Die Demokratien brauchen nicht nur neue Datenschutzgesetze, sondern eine Ethik des Internetzeitalters. Sie wäre wie jede positive Ethik diesseits von Gut und Böse, aber müsste die Ambivalenz der Geheimhaltung benennen: dass die Guten manchmal die Geheimniswahrer (zum Beispiel demokratische Parlamente) und manchmal die Geheimnisverräter (zum Beispiel kritische Journalisten) sind. Was anderes war denn die Aufgabe des investigativen Journalisten als gezieltes Leaken? Und ist es wirklich so lange her, dass die Offenlegung von Geheimdienstakten als Revolution gefeiert wurde? Die Deutschen gründeten sogar eine eigene Bundesbehörde fürs Leaken der Akten " obwohl eine demokratische Bundesregierung anfangs schwer dagegen war.
Wahrheit ist eine Waffe. Wie entschärfen wir sie? [...] Vielleicht durch die immer neu gestellte Frage, welches gesellschaftliche Interesse größer ist: der Wunsch nach Wahrheit oder das Bedürfnis nach Sicherheit? Die Antwort bleibt schwierig. Deshalb lohnt es sich, bei einem alten Aufklärer wie Kant nachzuschlagen: "Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen?" Kant glaubte ja, dass die Frage nach unseren Erkenntnismöglichkeiten niemals von der Frage nach unseren Handlungsmaximen losgelöst werden kann. Der Horizont unseres Daseins " kurz: unsere Zukunft " ist abhängig von hinreichendem Wissen und von richtigem Handeln. [...]

Evelyn Finger, "Wahrheit ist eine Waffe", in: Die Zeit Nr. 50 vom 9. Dezember 2010

Der Begriff der öffentlichen Meinung ist sehr vielseitig. Häufig wird sie mit der veröffentlichten Meinung gleichgesetzt, also mit den Inhalten und Stellungnahmen in den Massenmedien. Andere verstehen unter öffentlicher Meinung die Summe der individuellen Meinungen der Bürgerinnen und Bürger, wie sie etwa durch Umfragen ermittelt wird. Wieder andere begrenzen öffentliche Meinung auf die Meinung, die sich in einzelnen Teilöffentlichkeiten herausbildet, beispielsweise bei politischen Eliten. Eine vierte Position weist darauf hin, dass sie ein Konstrukt und rhetorisches Instrument ist: Öffentliche Meinung entsteht mitunter erst beim Versuch, sie zu messen " etwa dann, wenn Menschen bei einer Befragung zu etwas Stellung nehmen, worüber sie sich vorher noch keine Gedanken gemacht hatten, oder sie wird von der Form der Frage beeinflusst, die den Menschen gestellt wird. Öffentliche Meinung kann aber fünftens auch als eine herrschende Meinung verstanden werden, an die Menschen sich anpassen müssen, wenn sie sich nicht isolieren möchten. So geht das Modell der Schweigespirale davon aus, dass Menschen weniger bereit sind sich öffentlich zu äußern, wenn sie sich in der Minderheit fühlen.

QuellentextDer Geist ist aus der Flasche

[...] Im Kern der Wikileaks-Geschichte geht es um den technologischen Fortschritt. Dass Informationen praktisch nur noch digital verarbeitet werden, dass die Datenträger zum Herausschmuggeln von großen Mengen Informationen praktisch überall verfügbar sind, ist die eine Seite. Alles, was Wikileaks bisher insgesamt publiziert hat, passt auf eine Speicherkarte von der Größe eines Fingernagels. Die andere Seite ist, dass mit dem Internet eine globale Informationsverteilungs-Infrastruktur existiert, die Anonymität und Geschwindigkeit mit unschlagbar niedrigen Kosten vereint.
[...] Die grassierende Geheimniskrämerei, die die Welt im Namen der Sicherheit nicht erst nach dem 11. September 2001 befiel, hat ihre vorläufige Grenze in der Digitalisierung aller Informationsabläufe gefunden. [...]
Je härter und illegaler aber nun gegen Wikileaks vorgegangen wird, desto radikaler und rücksichtsloser werden die Nachfolger agieren. [...]
Die [...] Wahrheit ist [aber], dass [...] die Öffentlichkeit im Netz zu einem guten Teil von der Gnade der Firmen abhängt, die die Server beherbergen, Datenströme weiterleiten und Geldflüsse transportieren. [...] Geholfen hat es wenig, die Wikileaks-Server sind nun auf Tausenden Rechnern rings um den Planeten gespiegelt. Aus dem Netz zu bekommen sind die Informationen nicht mehr. [...]
Wer, sobald es ihn selbst betrifft, die Ideale der Aufklärung und das Grundrecht der Meinungsfreiheit schleift, wird sich nicht wieder auf sie berufen können. In den kommenden Auseinandersetzungen mit Russland und China wird es nicht zuletzt um die Attraktivität des Gesellschaftssystems gehen. [...]
Regieren unter den Bedingungen der digitalen Transparenz " die die Sicherheitsbehörden ja den Bürgern so gern verordnen würden " ist die Herausforderung für das nächste Jahrzehnt. [...]

Frank Rieger ist Sprecher des Chaos Computer Clubs und technischer Geschäftsführer einer Firma für Kommunikationssicherheit. Frank Rieger, "Das Zeitalter der Geheimnisse ist vorbei", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15. Dezember 2010

Am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung nehmen Massenmedien aber nicht nur als "Medium" im Sinne eines Transportmittels teil. Sie sind, wie es das Bundesverfassungsgericht bereits 1961 formuliert hat, auch ein "Faktor" der öffentlichen Meinungsbildung, an der sie aktiv teilnehmen, mit eigenen politischen Positionen und ökonomischen Interessen. Dies geschieht nicht nur durch Berichte und Kommentare in Zeitungen oder eine Nachrichtensendung im Fernsehen. Auch Fernsehserien oder Spielfilme transportieren politische Botschaften und wirken so an der Bildung oder Veränderung der öffentlichen Meinung mit. In Deutschland ist beispielsweise die ARD-Fernsehserie "Lindenstraße" bekannt dafür, immer wieder gesellschaftliche Tabuthemen wie die Behandlung HIV-Infizierter aufgegriffen und thematisiert zu haben.

QuellentextPressefreiheit garantiert die Demokratie

[...] [D]as Verfassungsgericht hat stets betont, dass die Aufgabe des ungestörten Verbreitens von Informationen "schlechthin konstituierend" für das Funktionieren einer Demokratie ist. Es gibt keine gute und keine böse Öffentlichkeit, so wenig wie es ein bisschen Öffentlichkeit gibt. Nur das vollständige Wissen-Können aller Bürger über im Prinzip alles " sagt jedenfalls das Bundesverfassungsgericht " ermöglicht die Bildung einer öffentlichen Meinung. Und die ungehinderte Bildung einer öffentlichen Meinung erlaubt es, das Ergebnis von Wahlen als repräsentativ für den Willen des Volkes zu betrachten.
Darf der Staat Geheimnisse vor seinen Bürgern haben? Dürfen die Bürger solche Geheimnisse ausplaudern? Die Antwort ist nach alledem ganz einfach. Sie lautet: ja. Natürlich darf der Staat Geheimnisse haben. Es gehört zum umsichtigen Handeln jedes Staatsdieners, Entscheidungen im Stillen vorzubereiten, so dass die gewünschten Ergebnisse nicht von Unbefugten vorab vereitelt werden können. Das gilt für die Planung von Außenministerkonferenzen nicht anders als für den geplanten Zugriff auf Terroristen.
Zum verantwortungsvollen Handeln aller Politiker, Beamten und Richter gehört es darum auch, auf sensible Informationen von Fall zu Fall aufzupassen. Dies ist umso wichtiger, als der Staat sich eben nicht darauf verlassen kann, im rechtlich geschützten Dunkeln zu arbeiten. Die Intimsphäre des Staates als solche ist rechtlich nicht geschützt, der Staat hat, anders als seine Bürger, kein Privatleben. Die Rechte der Bürger verdienen Schutz, die Interna des Staates nicht.
[...] Dies ist die Antwort auf die zweite Frage: Ebenso, wie es für den Staat legitim ist, Informationen unter dem Deckel zu halten, ist es legitim für die Presse, Informationen, die sie gleichwohl aus dem Bauch des Staates bekommen hat, öffentlich zu machen. In Deutschland [bedurfte es] [...] eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts, den Unterschied zwischen Geheimnisbruch und Veröffentlichung zu erklären. Als mit Billigung des SPD-Innenministers Otto Schily 2005 die Redaktion der Zeitschrift "Cicero" durchsucht wurde, weil das Blatt über ein vertrauliches Dossier des Bundeskriminalamts berichtet hatte, rechtfertigten die Ermittler ihren Vorwurf gegen den verantwortlichen Redakteur mit einer komplizierten Konstruktion: Es gebe zwar kein ausdrückliches Gesetz gegen die Veröffentlichung vertraulicher Amtspapiere, aber den BKA-Beamten, die auf solche Papiere aufpassen müssen, sei es bei Strafe verboten, sie herauszugeben. Zu diesem Amtsdelikt habe der Journalist "Beihilfe" geleistet " schon dadurch, dass er sich die Papiere geben ließ. Und Beihilfe zu einer Straftat ist auch eine Straftat.
Das Verfassungsgericht verwarf diese Argumentation mit dem erneuten Verweis auf die "schlechthin konstituierende Bedeutung" der Pressefreiheit für die Demokratie. Was die Presse hat, darf sie auch drucken: Diese Regel im Umgang mit Geheimnissen des Staates muss gelten " mit ganz engen Ausnahmen im Bereich des Landesverrats. [...] Um der freien Veröffentlichung von Geheimnissen willen, so sieht es das Grundgesetz, müssen die Journalisten sogar berechtigt sein, die Informanten in den Behörden zu schützen.
[...] Wenn der Staat seine demokratische Legitimation aus der umfassenden Information der Bürger bezieht, dann wird Information zur Bürgerpflicht. Und der Geheimnisverrat zum Ausweis der Qualität einer Demokratie.

Thomas Darnstädt, "Verrat als Bürgerpflicht?", in: Der Spiegel 50/2010, S.98

lehrt am Institut für Journalistik der Technischen Universität Dortmund. Seine Forschungsgebiete/Arbeitsschwerpunkte sind Medienrecht und Justizberichterstattung.

Kontakt: E-Mail Link: udo.branahl@tu-dortmund.de

ist Professor für Kommunikationswissenschaft an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Seine Forschungsschwerpunkte sind Politische Kommunikation, Organisationskommunikation, Medienstrukturen und Medienpolitik.

Kontakt: E-Mail Link: donges@uni-greifswald.de