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WebQuests | Geschichte begreifen | bpb.de

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WebQuests

Thomas Spahn

/ 6 Minuten zu lesen

WebQuests sind webbasierte Lernumgebungen, die das problem- und handlungsorientierte Lernen mit dem Internet ermöglichen. Sie beinhalten systematische Hilfestellungen und wirken einer potenziellen Überforderung der Lernenden entgegen. Die freie Verfügbarkeit von historischen WebQuests im Internet sowie die einfache Erstellung mittels kostenloser Hilfsprogramme machen sie zu einer attraktiven Form des Internet-Einsatzes in der Schule.

S. Hofschlaeger / PIXELIO, www.pixelio.de (© S. Hofschlaeger / PIXELIO, www.pixelio.de)

Einsatz des Internets im Geschichtsunterricht

Zwar sind unsere Schulen ans Netz gebracht, doch fehlt es weitgehend an didaktischen Konzepten für eine sinnvolle Nutzung des Internets im (Geschichts)Unterricht. Dies macht die vielmals vorhandene Hemmschwelle, das Internet in der Schule einzusetzen, verständlich – zu groß erscheint zudem oft der organisatorische und zeitliche Aufwand. Dabei lässt sich das Internet auf vielfältige Weise in den – insbesondere projektorientierten – Geschichtsunterricht integrieren, indem die Schüler/innen z.B.:

  • Internetangebote zum historischen Lernen, wie z.B. Die Familie Chotzen, den Anne Frank Webguide oder das Lebendige Museum Online (LEMO) nutzen,

  • Informationen im Internet recherchieren,

  • sich via Chat oder E-Mail mit den Mitgliedern einer Projektpartnergruppe im In- oder Ausland verständigen und so unter anderem über ihre Arbeitsergebnisse austauschen,

  • Weblogs sowie Wikis und Wikipedia-Einträge erstellen oder quellen-/medienkritisch analysieren,

  • eigene Websites erstellen und im WWW veröffentlichen.

WebQuest ist ein didaktisches Konzept für internetbasiertes Lernen, in dessen Rahmen sich die genannten Beispiele potenziell auch integrieren sowie die Funktionen des Internets im Geschichtsunterricht nutzen lassen: das World Wide Web als Informationsquelle und Recherchemedium, als Kommunikationsmedium und als Medium zur Publikation und Dokumentation von Arbeitsergebnissen und -prozessen.

Didaktisches Konzept

Das WebQuest-Modell basiert auf einer problemorientierten Aufgabenstellung, die die Schülerinnen und Schüler mittels Materialien aus dem Internet sowie herkömmlichen Medien wie dem Schulgeschichtsbuch bearbeiten. Dabei sollten die Aufgaben stets situiert, das heißt in eine – zumeist fiktive – Ausgangssituation eingebettet sein. Aus dieser ergibt sich das selbständig zu bearbeitende Problem für die Schüler.

InfoMethodensteckbrief

  • Teilnehmerzahl: Gesamte Lerngruppe oder Teil einer Lerngruppe

  • Altersstufe: Sekundarstufen I/ II

  • Zeitbedarf: Je nach Komplexität des WebQuest-Szenarios von 2 Unterrichtsstunden bis zu mehrwöchigen Unterrichtsprojekten

  • Preis (ohne Fahrten): WebQuests und alle notwendigen Tools zur Erstellung eigener WebQuests sowie Software kostenlos im WWW verfügbar

  • Benötigte Ausstattung: 1 internetfähiger Computer je Kleingruppe (2-6 Schüler), gängige Office-Software (Browser, Software für Textverarbeitung, Präsentationsprogramm, Bildbearbeitung)

So könnten die Schüler beispielsweise die Rollen der Beraterstäbe des polnischen und des deutschen Präsidenten annehmen und deren Reden im Rahmen einer gemeinsamen Gedenkzeremonie am 8. Mai verfassen. Oder sie begeben sich auf eine Zeitreise ins Jahr 1965 und erstellen eine Sonderausgabe einer Zeitschrift zur Urteilsverkündung im Externer Link: Frankfurter Auschwitzprozess. Viele weitere Szenarien sind denkbar und bereits im Internet veröffentlicht (siehe Externer Link: "Beispiele und Materialien").

Dem lerntheoretischen Paradigma des gemäßigten Konstruktivismus folgend, organisieren die Schüler/innen ihre Arbeits- und Lernprozesse beim Lernen mit WebQuests weitgehend selbst. Die Lehrkraft tritt in die Rolle eines Lernbegleiters oder Coachs zurück.

Den orientierenden Rahmen bilden der spezifische Aufbau und die in das WebQuest integrierten Materialien und Hinweise. So können den Lernenden ausgewählte Links an die Hand gegeben werden, um Online-Recherchen vorzustrukturieren und sie nicht gänzlich den Weiten des World Wide Web und den Suchalgorithmen der einschlägigen Suchmaschinen zu überlassen. Hierin liegt eine besondere Stärke des unterrichtlichen Einsatzes von WebQuests.

Aufbau

WebQuests folgen einer relativ festgelegten Struktur, die typischerweise aus sechs Arbeitsschritten besteht. Jeder Arbeitsschritt ist in der Regel auf einer eigenen HTML-Seite im WWW abgelegt und mit den anderen per Hyperlinks verbunden.

Die Lernenden werden im ersten Schritt in die Ausgangssituation des WebQuests eingeführt, die – wie alle Einstiege – motivierend auf die Schülerinnen und Schüler wirken sollte. Dies kann dann erreicht werden, wenn das Szenario und das sich daraus ergebende Problem ein authentisches ist.

Aus der Ausgangssituation ergibt sich im zweiten Schritt die konkrete Aufgabenstellung. Idealerweise folgt schon aus der Einführung eine Aufteilung der Lernenden in verschiedene Rollen, die die Schüler/innen in Kleingruppen einnehmen – z.B. die Beraterstäbe des deutschen und des polnischen Präsidenten im Szenario einer gemeinsamen Gedenkveranstaltung zum Jahrestags des Kriegsendes.

Im dritten Schritt finden die Schüler/innen von der Lehrkraft ausgewählte Materialien, die zur Bearbeitung der Aufgabe(n) benutzt werden sollen bzw. als Angebot zur Auswahl stehen. Dies können u.a. sein:

  • Links auf Webseiten, die unmittelbar die Aufgabe betreffende Inhalte abbilden,

  • Links auf Webportale, die als Anker für eigene Recherchen der Lernenden dienen,

  • in das WebQuest integrierte Texte und/oder multimediale Inhalte wie Video-, Audiodateien und Animationen,

  • Literaturangaben zu Primärquellen, Darstellungen oder relevanten Abschnitten in Schulgeschichtsbüchern – hier bietet sich in der Unterrichtspraxis auch ein von der Lehrkraft zusammengestellter Reader mit kopierten Materialien an.

Im 4. Arbeitsschritt können die Lernenden bei ihrer Bearbeitung der Aufgabenstellung auf Unterstützungsangebote zurückgreifen, z.B.

  • Hinweise zur Strukturierung und Visualisierung des eigenen Vorgehens etwa durch Mindmaps oder Arbeitspläne,

  • Hinweise zu Recherchestrategien,

  • Verweise auf Hilfsmaterialien wie Wörterbücher, Nachschlagewerke (online/offline),

  • methodische Hinweise, etwa zum Verfassen von Reportagen, Kommentaren etc.

In Schritt 5 des WebQuests erhalten die Lernenden die Möglichkeit, ihren eigenen Lernprozess und ihre Arbeitsergebnisse zu reflektieren und zu bewerten, z.B. anhand vorgegebener Kriterien.

Im letzten und sechsten Schritt präsentieren die Lernenden ihre Arbeitsprodukte. Die Form der Präsentation hängt von der Aufgabenstellung ab (z.B. Reden bei der Gedenkzeremonie oder die Sonderausgabe der Geschichtszeitschrift) und sollte den Lernenden ausreichend Freiraum für eigene Gestaltungsideen lassen. Die Veröffentlichung im Internet bietet sich im Sinne eines "Heraustretens aus dem Klassenzimmer" bei der Mehrheit von Arbeitsprodukten an.

Abhängig von den Voraussetzungen der Lerngruppe und weiteren Rahmenbedingungen des Unterrichts, kann der individuelle Aufbau des WebQuests von diesem Schema abweichen, können Schwerpunkte gesetzt werden oder unterschiedlich offene Aufgabenstellungen gewählt werden.

Vorteile

Das Lernen mit WebQuests knüpft an andere handlungsorientierte Unterrichtsmethoden im Geschichtsunterricht, wie z.B. Rollenspiele oder Simulationsspiele an. Ebenso wie diese eignen sich WebQuests besonders für historische Themen und Fragestellungen, die kontrovers sind und multiperspektivische Betrachtungsweisen ermöglichen.

Die schnelle und einfache Verfügbarkeit von Texten und Materialien im Internet aus verschiedenen Perspektiven (z.B. Täter – Opfer), aus verschiedenen Ländern und in vielen Sprachen ermöglicht eine Vielzahl denkbarer Lernszenarien. Besondere Chancen bieten der Interneteinsatz im Allgemeinen und die WebQuest-Methode im Speziellen für interkulturelles Geschichtslernen und bilingualen Geschichtsunterricht.

WebQuests sind zudem gut geeignet, um kooperatives Lernen zu fördern. So können die Schüler/innen nicht nur diese wichtige soziale Kompetenz ausbauen. Sie erfahren auch, dass "Wissen" stets ein Produkt von Konstruktions- und Aushandlungsprozessen ist.

Ein besonders hoher didaktischer Mehrwert von WebQuests liegt in den spezifischen Eigenschaften des Internets begründet. Die dort enthaltenen Informationen sind – mit Ausnahme von speziell für Lehr- und Lernprozesse entwickelten Webangeboten – nicht didaktisiert, sondern "authentisch".

Dies bringt jedoch das Problem der Zuverlässigkeit von Informationen mit sich. So stehen die Schüler/innen vor der Schwierigkeit, aus der gewaltigen Datenmenge des World Wide Web Inhalte auszuwählen, diese zu strukturieren und deren Zuverlässigkeit und Relevanz für die eigene Fragestellung zu bewerten.

Eine allgemeine Herausforderungen für schulische Bildung in der Informationsgesellschaft – und zugleich Kern geschichtswissenschaftlichen Arbeitens. Dem Geschichtsunterricht kommt an dieser Stelle eine wichtige Funktion zu; der WebQuest-Ansatz kann hier wesentliche Kompetenzen vermitteln.


Voraussetzungen und Vorüberlegungen

Folgende Voraussetzungen und Vorüberlegungen auf organisatorischer wie methodischer und inhaltlicher Ebene ergeben sich für das Arbeiten mit WebQuests im Geschichtsunterricht:

  • Ist der Lehrer/die Lehrerin gut vertraut im Umgang mit dem Internet sowie gängigen Anwendungen (z.B. Office-Software, Bildbearbeitungsprogramme)?

  • Ist die Schule ausreichend gut mit Computern und der notwendigen Software ausgestattet?

  • Soll ein eigenes WebQuest erstellt werden - z.B. mit einem WebQuest-Generator - oder wird ein WebQuest aus dem WWW eingesetzt?

  • Links im World Wide Web sind flüchtig – funktionieren noch alle Links im WebQuest?

  • Stehen ausreichend viele Unterrichtsstunden zur Bearbeitung des WebQuest zur Verfügung?

Literatur

Computer+Unterricht, H. 67 (2007): WebQuest. Insbesondere: Wagner, Wolf-Rüdiger: WebQuest. Ein didaktisches Konzept für konstruktives Lernen, 6-9.

Günther-Arndt, Hilke: Computer und Geschichtsunterricht. In: Dies. (Hrsg.): Geschichtsdidaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II. Berlin 2003, 219-232.

Hilmer, Thomas: Projektorientiertes und entdeckend-forschendes Lernen im und mit dem Internet mithilfe der WebQuest-Methode, 2007. Auf: Externer Link: user.uni-frankfurt.de

Moser, Heinz: WebQuests als didaktisches Modell für den Unterricht, in: Lehmann, Burkhard/Bloh, Egon: Methodik und Content-Management. Online-Pädagogik Bd. 2. Hohengehren 2005.

Externer Link: user.uni-frankfurt.de

Beispiele und Materialien

WebQuest-Portale mit zahlreichen Beispielen, Links, grundlegenden Texten:

Übersicht WebQuest-Generatoren auf:

Ein WebQuest zum Auschwitz-Prozess 1963-65 (von Anne Wilsch):

Thomas Spahn hat den Verein Externer Link: Lernen aus der Geschichte e.V. gegründet und ist beim gleichnamigen Webportal an der Technischen Universität Berlin tätig. Zudem arbeitet er freiberuflich für das Goethe-Institut.