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Vertrag von Maastricht | bpb.de

Vertrag von Maastricht

A. Maurer

Am 7.2.1992 wurde in Maastricht der Vertrag über die Europäische Union unterzeichnet, der am 1.11.1993 in Kraft trat. Das Ende des Kalten Krieges und die Wiedervereinigung Deutschlands trugen dazu bei, dass sich die Staats- und Regierungschefs der EG auf eine Stärkung der internationalen Rolle der Gemeinschaft verständigten. Mit dem V. sollten v. a. Reformen in der Wirtschaftspolitik, die mit der Einheitlichen Europäische Akte (EEA, 1987) begonnen worden sind, abgesichert und fortentwickelt werden, besonders in der Währungspolitik. Dies war die Ausgangssituation für die Einberufung zweier zunächst getrennter Regierungskonferenzen. Am 28.6.1988 erteilte der Europäische Rat (ER) von Hannover einer Sachverständigengruppe unter dem Vorsitz von Jacques Delors den Auftrag, konkrete Schritte zur Schaffung einer Wirtschaftsunion vorzuschlagen und am 28.4.1990 gab der ER von Dublin den Auftrag, die Errichtung einer politischen Union zu prüfen. Am 15.12.1990 beschloss der ER von Rom die Einberufung der beiden Regierungskonferenzen. Die Arbeiten wurden auf dem Gipfeltreffen von Maastricht (9./10.12.1991) abgeschlossen. Der V. verfolgte 5 Ziele:

1. die demokratische Legitimität der Organe zu stärken;

2. ihre Funktionsfähigkeit zu verbessern;

3. eine Wirtschafts- und Währungsunion zu schaffen;

4. die soziale Dimension der Gemeinschaft fortzuentwickeln und

5. eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik einzuführen.

Im Vergleich zu den ursprünglichen EG-Verträgen weist der V. eine komplizierte Struktur auf. Im Ergebnis wandelte er die EU zu einer Dachorganisation mit eigentümlicher Dreisäulenstruktur. Die erste Säule setzte sich zusammen aus der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und EURATOM. Neue Gesetze entstanden in dieser Säule vornehmlich aus dem Zusammenwirken von Kommission, Rat und Europäischem Parlament (Konsultationsverfahren und Mitentscheidungsverfahren). Der Europäische Gerichtshof (EuGH) überwachte danach die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts. Im Ministerrat wurden durch den V. qualifizierte Mehrheitsentscheidungen in 96 Bereichen möglich (vorher: 51). Die zweite EU-Vertragssäule im V. war die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Hier wurden die Mitgliedstaaten autorisiert, gemeinsame außenpolitische Maßnahmen ohne größere Beteiligung der Kommission und des EP zu treffen. Die Beschlüsse wurden einstimmig gefasst und unterlagen keiner Kontrolle des EuGH. Die dritte Säule bildete die »Zusammenarbeit in der Innen- und Justizpolitik«. Auch hier waren die Rechte von Kommission, Parlament und EuGH gering. Im Vergleich zur EEA maß der V. dem Europäischen Parlament aber eine deutlich größere Rolle zu. Durch das Konsultationsverfahren war es nun an Entscheidungen in 52 (statt früher 30) Sachgebieten beteiligt und konnte in 15 Politikfeldern gemeinsam mit dem Rat neue Gesetze erlassen (sog. Mitentscheidungsverfahren). Außerdem wurde das Parlament an der Einsetzung der Kommission beteiligt. Durch den mit dem V. neu eingeführten Ausschuss der Regionen wurde ein beratendes Gremium geschaffen, das die Interessen der europ. Regionen und Kommunen in der EU stärkte. Ferner fielen mit dem V. 6 neue Politikfelder in die Kompetenz der EG (Transeuropäische Netze, Industriepolitik, Verbraucherschutz, allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Kultur). Außerdem wurde der Binnenmarkt durch die Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion gestärkt und die Einführung einer einheitlichen Währung in 3 Stufen vorbereitet. Durch die Einführung einer Unionsbürgerschaft, die die nationale Staatsbürgerschaft ergänzt, erhielten die EU-Bürger zahlreiche zusätzliche Rechte:

• sich in der EG frei zu bewegen und niederzulassen;

• das europaweite aktive und passive Wahlrecht bei Europa- und Kommunalwahlen;

• das Recht auf diplomatischen und konsularischen Schutz jedes anderen Mitgliedslandes in einem Drittstaat, sofern der eigene Staat dort keine Vertretung unterhält;

• das Petitionsrecht beim EP und

• das Beschwerderecht beim Europäischen Bürgerbeauftragten.

Literatur

  • R. Hrbek (Hg.): Der Vertrag von Maastricht in der wissenschaftlichen Kontroverse, Baden-Baden 1993.

  • W. Weidenfeld (Hg.): Maastricht in der Analyse, Gütersloh 1994.

aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: A. Maurer

Siehe auch:

Fussnoten

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