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Verwaltung: Organisation und Grundsätze

Horst Pötzsch

/ 5 Minuten zu lesen

4,5 Millionen Bedienstete waren 2008 im öffentlichen Dienst beschäftigt - fast jeder fünfzigste Einwohner. 1913 war nur jeder Hundertste im öffentlichen Dienst tätig. Seitdem weitete der Staat seine Aufgaben aus.

Die Bundesagentur für Arbeit ist Teil der Leistungsverwaltung (© AP)

Öffentlicher Dienst

Das Bild, das sich die Bevölkerung vom öffentlichen Dienst macht, ist vorwiegend negativ: Die Besoldung der dort Beschäftigten verschlingt einen großen Teil der Staatsausgaben. Sie verschwenden Steuergelder. Sie sind unkündbar und daher nicht übermäßig arbeitsfreudig, zudem entscheidungsschwach, formalistisch, ineffizient, womöglich bestechlich. Öffentlicher Dienst wird mit Verwaltung, mit Schreibtischarbeit, mit Bürokratie gleichgesetzt. Dabei trifft der Bürger im Alltag überwiegend auf öffentliche Bedienstete, die nicht in dieses Bild passen. Öffentlicher Dienst, das sind die Männer, die morgens die Mülltonnen leeren, die Omnibusfahrer, die Straßenbahnlenkerin, die Lehrerinnen und Lehrer der Kinder, die Polizisten im Streifenwagen, die Ärztin und der Krankenpfleger in der Klinik oder der Bademeister im Freibad.

2008 waren im öffentlichen Dienst 4,5 Millionen Bedienstete beschäftigt, das sind 18 pro 1.000 Einwohner. Im Jahre 1913 waren es noch 10 pro 1.000 Einwohner. Die Personalvermehrung ist eine Folge der Ausweitung der Staatsaufgaben und Staatstätigkeiten.

Solange sich der Staat auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung beschränkte, kam er mit wenig Personal aus (Ordnungsverwaltung). Die klassischen Staatsfunktionen erfüllen Polizei, Zoll, Gewerbeaufsicht und die Finanzbehörden.

Sehr viel mehr Bedienstete sind erforderlich, um die vielfältigen Dienstleistungen bereitzustellen, die der Bürger vom Staat erwartet (Leistungsverwaltung): Kindergärten, Schulen, Universitäten, Jugendheime, öffentliche Verkehrsmittel, Müllabfuhr, Elektrizitäts-, Gas- und Wasserwerke. Verwaltungsbehörden mit zahlreichem Personal erfüllen Aufgaben der sozialen Sicherung und des sozialen Ausgleichs: Sozialämter, Arbeitsagenturen, Ämter für Ausbildungsförderung, Jugendhilfe, Wohngeld.

Wieder andere Behörden haben Aufgaben der Planung und der Abwehr von möglichen Gefahren (planende Verwaltung). In den Gemeinden stellen sie Flächennutzungs- und Bebauungspläne auf. Seit die Erhaltung der Umwelt als eine wichtige Staatsaufgabe erkannt worden ist, hat die Bedeutung vorausschauender Planung zugenommen. Bei der Planung von Eisenbahnstrecken, Fernstraßen, Flughäfen, Müllverbrennungsanlagen und Mülldeponien hat der Schutz der Umwelt einen hohen Stellenwert.

Im öffentlichen Dienst sind Beamte und angestellte Arbeitnehmer tätig. 2008 waren von den 4,5 Millionen öffentlichen Bediensteten 1,67 Millionen Beamte, 2,65 Millionen angestellte Arbeitnehmer und 183.600 Berufs- und Zeitsoldaten. Beamte nehmen "hoheitsrechtliche Befugnisse" wahr. Hoheitsrechtliche Aufgaben sind beispielsweise die Erhebung von Steuern durch das Finanzamt, die Anklage eines Gesetzesbrechers durch den Staatsanwalt, die Verhaftung eines Tatverdächtigen durch die Polizei. Auch Lehrer und Universitätsprofessoren sind Beamte. Die Unterschiede zwischen Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes sind fließend. Auch Angestellte können hoheitsrechtliche Befugnisse haben, und immer mehr Beamte nehmen Dienstleistungs- und Planungsaufgaben wahr. Arbeiter des öffentlichen Dienstes sind beispielsweise Müllwerker oder Kraftfahrer einer Behörde, sie bekommen kein Monatsgehalt, sondern werden für die geleisteten Arbeitsstunden entlohnt. Bei den drei Postunternehmen ist noch eine Vielzahl von Beamten tätig. Sie zählen jedoch nicht mehr zum öffentlichen Dienst.

Beamte haben besondere Rechte, dazu zählt vor allem die Unkündbarkeit, aber auch besondere Pflichten. Von ihnen wird erwartet, dass sie ihre Aufgaben mit ganzer Kraft, unparteiisch, gerecht und unter Beachtung des Gemeinwohls erfüllen. Anders als die Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes dürfen sie nicht streiken.

Von den Beamten und den anderen öffentlichen Bediensteten wird verlangt, dass sie jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten. Ein Erlass des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten der Länder aus dem Jahre 1972 (Extremistenbeschluss), nur Bewerber einzustellen, die diese Voraussetzung erfüllen, blieb umstritten und wurde unterschiedlich angewendet. In erster Linie ging es um die Art und Weise der Überprüfung. Unbestritten ist, dass von einem öffentlichen Bediensteten Treue zur Verfassung zu fordern ist. Nach dem Beitritt der Länder der ehemaligen DDR erhielt die Frage der Verfassungstreue des öffentlichen Dienstes eine neue Aktualität: Welcher Grad von Belastung schließt Funktionsträger der DDR von der Übernahme in den öffentlichen Dienst aus?

Grundsätze

Rechtsstaatliche Bindung
Die Klage über den Formalismus der Verwaltung übersieht oft, dass Verwaltungshandeln aus guten Gründen streng an formale Regelungen gebunden ist. Die Bindung an das Gesetz ist eines der klassischen Merkmale des Rechtsstaates. Inzwischen hat sich die Staatstätigkeit auf nahezu alle Lebensbereiche ausgeweitet. Die Einhaltung von Vorschriften ist Voraussetzung dafür, dass die Rechtssicherheit und Gleichbehandlung jedes Bürgers gewährleistet ist.

Gesetzmäßigkeit
Nach Art. 20 Abs. 3 GG ist die vollziehende Gewalt "an Gesetz und Recht gebunden". Das bedeutet, dass die Verwaltung

  • keine Maßnahmen treffen darf, die gegen bestehende Rechtsvorschriften verstoßen (Vorrang des Gesetzes);

  • nur tätig werden kann, wenn sie dazu durch ein Gesetz ermächtigt ist (Vorbehalt des Gesetzes).

Beispielsweise darf das Finanzamt nur aufgrund von Steuergesetzen einen Steuerbescheid erlassen, und ein Polizeibeamter darf nur aufgrund von Vorschriften der Straßenverkehrsordnung eine gebührenpflichtige Verwarnung aussprechen.

Pflichtgemäßes Ermessen, Verhältnismäßigkeit, Übermaßverbot
Im Alltag ist die Rechtslage nicht immer eindeutig. Daher verfügen die Behörden in vielen Fällen über einen Ermessensspielraum. Damit ist ihnen nicht freigestellt, beliebig oder gar willkürlich zu handeln, sie müssen vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden.

Dabei müssen sie neben dem Gleichbehandlungsgebot ein weiteres wichtiges rechtsstaatliches Gebot beachten, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, anders ausgedrückt: das Übermaßverbot. Das bedeutet, dass eine Behörde in die Rechte eines Bürgers nur so weit eingreifen darf, als es erforderlich ist, und dass der Zweck und die Mittel in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen müssen.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist beispielsweise Richtschnur für die Bestimmungen über den Schusswaffengebrauch durch die Polizei. Das einschlägige Gesetz besagt, dass ein Polizeibeamter nur von der Schusswaffe Gebrauch machen darf, um schwere Straftaten zu verhüten oder um die Flucht von Straftätern zu verhindern, und auch dann nur, um den Verdächtigen angriffs- oder fluchtunfähig zu machen.

Eine Baubehörde darf ein Gebäude nicht einfach abbrechen lassen, weil es ohne Baugenehmigung errichtet wurde. Sie muss prüfen, ob der Bau nicht nachträglich genehmigt werden kann oder ob dem zwingende baurechtliche Vorschriften entgegenstehen.

Eine Demonstration darf nicht schon deshalb verboten werden, weil der Verkehr behindert zu werden droht oder weil Geschäftsleute Umsatzeinbußen befürchten. Die Behörde kann aber Auflagen machen, beispielsweise dass die Demonstration außerhalb der Innenstadt stattfindet.

Aus: Pötzsch, Horst: Die Deutsche Demokratie. 5. überarbeitete und aktualisierte Auflage, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2009, S. 110-112.

Fussnoten

Der Historiker und Politologe Horst Pötzsch war bis 1992 Leiter der Abteilung "Politische Bildung in der Schule" der Bundeszentrale für politische Bildung.