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Präsidentschaftswahl in Afghanistan | Hintergrund aktuell | bpb.de

Präsidentschaftswahl in Afghanistan

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Der lange Streit über den Ausgang der afghanischen Präsidentschaftswahl ist beigelegt. Die beiden Kandidaten der Stichwahl am 14. Juni haben sich auf eine Machtteilung geeinigt. Neuer Präsident soll Ashraf Ghani werden. Die Sicherheitslage im Land bleibt weiter hochproblematisch.

Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah besiegeln die afghanische Einheitsregierung. (© dpa)

Das monatelange Tauziehen um die politische Zukunft Afghanistans ist vorerst beendet. Die beiden Kandidaten der Stichwahl um das Amt des Staatspräsidenten am 14. Juni haben sich auf eine Teilung der Macht geeinigt. Demnach wird Ashraf Ghani Nachfolger des scheidenden Amtsinhabers Hamid Karzai. Abdullah Abdullah übernimmt einen neu geschaffenen Posten, der der Position eines Ministerpräsidenten ähnelt. Alle wichtigen Verwaltungsposten sollen gleichberechtigt zwischen den Lagern der beiden Kontrahenten verteilt werden.

Abdullah hatte im ersten Wahlgang am 5. April 44,9 Prozent der Stimmen erhalten, der Zweitplatzierte Ashraf Ghani Ahmadzai kam auf 31,5 Prozent. Weil damit keiner die absolute Mehrheit erreichen konnte, Interner Link: war eine Stichwahl nötig geworden. Schon damals war über ein Abkommen zwischen beiden spekuliert worden, um diese Stichwahl und weitere möglicherweise damit verbundene Spannungen und Terror-Attacken zu verhindern. Doch Ex-Außenminister Abdullah und Ex-Finanzminister Ashraf Ghani traten am 14. Juni gegeneinander an. Zwölf Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, sich für einen der beiden Kandidaten zu entscheiden.

Streit um Wahlergebnis

Nach dem Wahltag entbrannte ein Streit darüber, wie das Votum der Wähler ausgefallen ist. Abdullah hatte als Favorit gegolten, doch laut Wahlkommission hatte Ashraf Ghani die Stichwahl mit 13 Prozentpunkten Vorsprung gewonnen. Vorwürfe über grobe Wahlfälschungen, wie sie insbesondere Abdullah erhob, sorgten für monatelange Unklarheit darüber, wer Afghanistan künftig regieren werde. Unter Vermittlung des US-Außenministers John Kerry wurde eine von der UNO geleitete Neuauszählung der Stimmen vereinbart.

Das genaue Ergebnis wurde nun jedoch nicht veröffentlicht: Nach der Unterzeichnung des Abkommens zur Machtteilung am vergangenen Wochenende erklärte die Wahlkommission Ashraf Ghani zum Sieger, lehnte es aber ab, genaue Zahlen zu dessen Vorsprung und zur Wahlbeteiligung vorzulegen. Dies soll weitere Auseinandersetzungen verhindern. Der Vorsitzende der Wahlkommission räumte grobe Mängel bei der Wahl ein.

Seit dem Sturz der radikal-islamischen Taliban vor mittlerweile 13 Jahren ist Hamid Karsai Präsident Afghanistans. Die USA hatten ihn zunächst als Interimspräsidenten eingesetzt. 2004 und 2009 war er aus heftig umstrittenen Präsidentschaftswahlen als Sieger hervorgegangen. Laut Verfassung kann er keine weitere Amtsperiode Präsident bleiben.

Das politische System

Afghanistans Verfassung sieht einen direkt vom Volk gewählten Präsidenten vor. Er ist Staatsoberhaupt und Regierungschef sowie oberster Befehlshaber der Armee. Eine Amtsperiode dauert fünf Jahre. Der Präsident hat die Macht, neben dem Kabinett auch den Generalstaatsanwalt, den Chef der Zentralbank, die Mitglieder des Obersten Gerichts und die Vorsitzenden der Wahlkommissionen zu ernennen.

Im Juli 2013 unterzeichnete Präsident Karsai zwei neue Wahlgesetze, die den Ablauf der Wahl und die Verantwortung für ihre Durchführung neu regelten. Zusätzlich wurde eine unabhängige Wahlkommission eingesetzt. Nicht nur das afghanische Nicht-Regierungslager, auch die internationalen Geldgeber Afghanistans hatten nach den von Manipulationsvorwürfen begleiteten Wahlen mit Nachdruck Reformen eingefordert.

Kandidaten und Parteien

Elf Kandidaten hatte die Wahlkommission im November 2013 offiziell zur Wahl zugelassen, acht waren beim ersten Durchgang noch im Rennen.

Parteien spielten im afghanischen Wahlkampf kaum eine Rolle. Abdullah Abdullah war als einziger Kandidat Repräsentant einer spezifischen Partei (Jamiat-e Islami-ye Afghanistan - Islamische Gemeinschaft Afghanistans). Alle anderen Bewerber waren als unabhängige Kandidaten registriert, viele gingen gar Bündnisse mit politischen Gegnern ein, um möglichst breite Wählerschichten anzusprechen. Auch im Parlament üben die Parteien keinen starken Einfluss aus. Klare und dauerhafte Mehrheiten gibt es derzeit noch nicht.

Themen im Wahlkampf

Im Wahlkampf thematisierten viele Kandidaten die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Notwendigkeit einer Bekämpfung der Korruption und die Unterzeichnung des bilateralen Sicherheitsabkommens mit den USA. Die Bevölkerung brachte der Wahl mehr Interesse entgegen als vorhergehenden: Zehntausende Afghanen strömten zu Wahlkampfveranstaltungen. Auch Rededuelle und politische Talkshows gehören inzwischen in Afghanistan zum Wahlkampf. Bei der Partizipation an demokratischen Prozessen bestehen allerdings nach wie vor extreme Unterschiede zwischen Stadt und Land.

Innenpolitische Situation

Interner Link: Der Konflikt im Land hält mit hoher Intensität an. Afghanistan befindet sich in einer Übergangsphase: Der Abzug der internationalen Truppen hat bereits begonnen. Noch sind im Rahmen der internationalen Schutztruppe ISAF ("International Security Assistance Force") etwa 40.000 ausländische Soldaten aus 48 Ländern im Einsatz. Den größten Anteil daran stellen die Vereinigten Staaten mit knapp 30.000 Soldaten. Deutschland beteiligt sich seit Dezember 2001 an dem Einsatz und hat zurzeit noch etwa 1.600 Bundeswehrsoldaten im Land stationiert.

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