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Zehn Jahre Unabhängigkeit Montenegros | Hintergrund aktuell | bpb.de

Zehn Jahre Unabhängigkeit Montenegros

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Am 21. Mai 2006 stimmte die Mehrheit der Montenegriner in einem Referendum für die Unabhängigkeit Montenegros von Serbien. Dieses Jahr jährt sich die Entscheidung zum zehnten Mal.

Menschen in Podgorica feiern die Unabhängigkeit Montenegros im Mai 2006. (© picture-alliance/dpa)

Von 1946 bis 1992 war Montenegro eine der sechs Teilrepubliken der Interner Link: Föderativen Volksrepublik Jugoslawien. Als die anderen Teilrepubliken sich für unabhängig erklärten und in der Folge die Jugoslawienkriege ausbrachen, gründeten Serbien und Montenegro im April 1992 die Bundesrepublik Jugoslawien. 2006 spaltete sich Montenegro auch von Serbien ab.

Der Weg zur Unabhängigkeit

Der Abspaltungsprozess Montenegros setzte bereits 1996 ein, als Milo Đukanović mit seiner "Demokratischen Partei der Sozialisten" die montenegrinischen Parlamentswahlen gewann und ein Jahr später auch die Präsidentschaftswahlen für sich entschied. Đukanović forderte zunächst Reformen, die auf eine gleichberechtigte Stellung Montenegros gegenüber Serbien zielten. Doch spätestens mit dem Interner Link: Kosovo-Krieg, bei dem sich Montenegro neutral verhalten hatte, verstärkte sich in Montenegro die Diskussion über die Unabhängigkeit.

Nachdem Serbien als Reaktion auf die Abspaltungstendenzen eine Wirtschaftsblockade gegen Montenegro verhängte, zogen sich die Montenegriner aus den Unionsorganen in Belgrad zurück und brachen die Verbindung schließlich ganz ab. Die Regierung der Teilrepublik Montenegro in Podgorica beschloss außerdem eine unabhängige Zoll-, Devisen- und Außenhandelspolitik einzuführen, die Deutsche Mark zur offiziellen Währung zu erheben und Ausländerinnen und Ausländer aus dem Westen von der Visumspflicht zu entbinden.

Verzögerte Sezession

Bei den Parlamentswahlen im Herbst 2002 erreichte das Wahlbündnis "Demokratische Liste für ein Europäisches Montenegro" die absolute Mehrheit – ein Ausdruck der wachsenden Zustimmung der Montenegriner zur Unabhängigkeit. Auf Druck der Europäischen Union, die weiteren Desintegrationsprozessen auf dem Balkan entgegenwirken wollte, kam es jedoch zunächst nicht zur Abspaltung.

Stattdessen wurde am 4. Februar 2003 der bestehende Staatsverband der Bundesrepublik Jugoslawien nach einem Parlamentsbeschluss durch die lockere, Interner Link: föderale Staatenunion "Serbien und Montenegro" ersetzt. Auf institutioneller Ebene bedeutete dies: ein gemeinsames Parlament und fünf gemeinsame Ministerien.

Dennoch bewachten die beiden Teilstaaten nicht nur die Grenze zueinander. Auch entfernten sie sich mit Blick auf wirtschaftspolitische Entscheidungen weiter voreinander: Während in Serbien der jugoslawische Dinar lediglich in serbischer Dinar umbenannt wurde, führte Montenegro nach der Deutschen Mark auch den Euro ein.

Als im Frühjahr 2005 das Mandat der Parlamentsabgeordneten auslief und sich beide Seiten nicht auf eine Neuwahl des gemeinsamen Parlamentes verständigen konnten, kam ein Passus der Verfassung ins Spiel, auf den sich Serbien und Montenegro zuvor verständigt hatten: So hatte Montenegro das Recht, drei Jahre nach dem Zustandekommen der Staatenunion ein Referendum über die Unabhängigkeit der Teilrepublik abzuhalten.

Das Referendum

Davon machte Montenegro 2006 Gebrauch und hielt ein Referendum ab, in dem die montenegrinische Bevölkerung über die Unabhängigkeit ihres Landes entscheiden konnte und das die Abspaltung Montenegros besiegelte. Am 1. März 2006 hatte das Parlament in Podgorica dazu ein entsprechendes Referendumsgesetz verabschiedet, das sich nach den Forderungen der EU richtete: Um ein eindeutiges Wahlergebnis zu erhalten, wurde eine Wahlbeteiligung von mindestens der Hälfte der Wahlberechtigten festgelegt. Außerdem mussten 55 Prozent der abgegebenen Stimmen mit "Ja" votieren.

Das Referendum wurde am 21. Mai 2006 unter Aufsicht internationaler Wahlbeobachterinnen und -beobachter abgehalten. Die Wahlbeteiligung lag bei etwas mehr als 86 Prozent. Das Ergebnis fiel knapp aus, weil gerade einmal 55,5 Prozent für die Unabhängigkeit des Landes votierten und damit die notwendige Mehrheit lieferten. Mehr als 200.000 Montenegriner, die ihren Hauptwohnsitz in Serbien hatten, waren nicht stimmberechtigt.

Das Ergebnis des Referendums wurde nicht von allen Beteiligten begrüßt: Die oppositionellen, pro-serbischen Parteien blieben der feierlichen Sitzung des Parlaments in Podgorica fern. Auch folgten weder Serbiens damaliger Ministerpräsident Vojislav Kostunica, noch Serbiens ehemaliger Präsident Boris Tadic der Einladung Đukanovićs. Tadic schickte allerdings ein Glückwunsch-Telegramm.

Am 3. Juni 2006 erklärte das montenegrinische Parlament offiziell die Unabhängigkeit der Republik Montenegro und löste damit die Staatenunion Serbien und Montenegro auf. Noch im selben Monat erkannte Serbien Montenegros Unabhängigkeit an. Auch der damalige EU-Außenbeauftragten Javier Solana teilte bereits nach dem Referendum mit, dass die EU den Ausgang respektieren werde. Am 12. Juni 2006 erkannte sie Montenegro offiziell als eigenständigen Staat an.

Nach der Unabhängigkeitserklärung

Inzwischen ist Montenegro völkerrechtlich weltweit anerkannt und wurde in zahlreiche internationale Organisationen aufgenommen. So auch am 28. Juni 2006 als 192. Mitglied in die Vereinten Nationen. Nachdem die EU im Juli 2012 die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Montenegro beschlossen hat, folgte die Beitrittseinladung der Nato am 1. Dezember 2015. Für den 19. Mai 2016 ist die Unterzeichnung eines Protokolls über den Beitritt zur NATO angesetzt.

Die Demokratisierung des Landes im Zuge der EU-Beitrittsverhandlungen geht bisher nur schrittweise voran. Noch immer beanstandet die EU die unzureichende Pressefreiheit, eine schleppende Umsetzung von Anti-Korruptions-Reformen und die mangelnde Zusammenarbeit Montenegros mit den Nachbarländern.

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