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Regierungsbildung gescheitert: Neuwahlen in Spanien | Hintergrund aktuell | bpb.de

Regierungsbildung gescheitert: Neuwahlen in Spanien

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Am 26. Juni finden in Spanien vorgezogene Neuwahlen statt. Der spanische König Felipe VI. rief sie aus, nachdem die Parteien sich nach den Parlamentswahlen im Dezember 2015 nicht auf eine Regierungskoalition hatten einigen können.

Die Spitzenkandidaten in einer Fernsehdebatte vor der Wahl. (© picture-alliance, NurPhoto)

Am 3. Mai unterzeichnete König Felipe VI. ein Dekret, um das spanische Parlament aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen. Ein einmaliger Vorgang in der spanischen Geschichte: Viereinhalb Monate lang hatten die Parteien vergeblich versucht, eine regierungsfähige Koalition zu formen. Die von der spanischen Verfassung gesetzte Frist zur Bildung einer Regierung nach der Interner Link: Parlamentswahl vom 20. Dezember 2015 war am 2. Mai um Mitternacht abgelaufen.

Knapp vierzig Jahre lang wechselten sich in Interner Link: Spanien die Sozialisten und konservative Parteien in der Regierung ab. Die Wahl zum Abgeordnetenhaus im Dezember 2015 brachte dieser Dominanz von zwei Parteien das Ende. Zwar wurde die konservative Partido Popular (PP) unter Ministerpräsident Mariano Rajoy mit 28,7 Prozent der Stimmen (119 Sitze) stärkste Kraft, gefolgt von der sozialistischen Partido Socialista Obrero Español (PSOE), die 22,0 Prozent (89 Sitze) erhielt.

Das spanische Wahlsystem

Das spanische Parlament (Cortes Generales) besteht aus zwei Kammern: Dem Abgeordnetenhaus (Congreso de los Diputados) und dem Senat (Senado). Das Abgeordnetenhaus ist dabei die bedeutendere Kammer: Es wählt die Regierung und hat auch in der Gesetzgebung die letzte Kompetenz.

Das Abgeordnetenhaus besteht nach der Verfassung aus mindestens 300 und höchstens 400 Abgeordneten – im Wahlgesetz ist die Anzahl auf 350 festgesetzt. Sie werden in 50 unterschiedlich großen Wahlkreisen (den Provinzen des Landes) und den beiden "autonomen Städten" Ceuta und Mellila in einer Verhältniswahl gewählt. Da die Verteilung der Mandate bereits auf Wahlkreisebene stattfindet, begünstigt es große Parteien ebenso wie Parteien mit regionalem Schwerpunkt.

Der Senat setzt sich aus aktuell 266 Mitgliedern zusammen. Von diesen werden 208 direkt per Mehrheitsprinzip in den Provinzen gewählt; die übrigen 58 Senatsmitglieder werden von den Regionalparlamenten der 17 autonomen Regionen bestimmt.

Beide Kammern des Parlaments werden in der Regel alle vier Jahre gewählt, letztlich kann der Regierungschef das Parlament jedoch jederzeit auflösen.

Doch mit der linken Partei Podemos, die 20,7 Prozent der Stimmen (65 Sitze) erhielt, und der liberalen Partei Ciudadanos, für die 13,9 Prozent der Wählerinnen und Wähler (40 Sitze) stimmten, kamen bei der Wahl des Abgeordnetenhauses zwei weitere Parteien auf zweistellige Ergebnisse. Die verbleibenden Sitze verteilen sich auf einige kleinere Parteien und Parteibündnisse. Ein relevanter Teil aller Stimmen entfällt bei den Wahlen in Spanien nicht auf die Kandidaturen der Parteien, sondern auf Gemeinschaftskandidaturen sich nahestehender Parteien. Bei der Wahl 2015 waren diese z.B. für über ein Drittel der Stimmen von Podemos verantwortlich.

Mit diesem Ergebnis war offen, welche Parteien gemeinsam die Regierung bilden würden. Für die absolute Mehrheit benötigte die zukünftige Regierungskoalition 176 der insgesamt 350 Sitze.

Rajoy und Sanchez scheitern bei der Regierungsbildung

Gemäß der spanischen Verfassung führte König Felipe VI. Beratungen mit allen künftig im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien über eine Regierungsbildung durch. Anschließend nominierte er einen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten. Mitte Januar 2016 erteilte er Mariano Rajoy, dessen PP die meisten Stimmen erhalten hatten, den Auftrag eine Regierung zu bilden. Rajoy lehnte den Auftrag jedoch ab, da ihm die anderen Parteien die Unterstützung verweigerten.

In der Folge beauftragte König Felipe VI. die Sozialisten, die als zweitstärkste Kraft aus der Wahl hervorgegangen waren, mit der Regierungsbildung. Pedro Sánchez kandidierte am 2. März erfolglos für den Posten des Ministerpräsidenten. Damit startete gleichzeitig die Zwei-Monatsfrist zur Bildung einer Regierung. Laut Verfassung muss der spanische König das Parlament auflösen, sollte innerhalb zweier Monate nach der ersten Wahl kein Kandidat das Vertrauen des Abgeordnetenhauses erhalten haben.

Sánchez gewann weder die erste noch die zweite Abstimmung zwei Tage später, bei der eine einfache Mehrheit ausgereicht hätte. Am 3. Mai rief der König daher Neuwahlen aus.

Neues linkes Wahlbündnis: Unidos Podemos

Für die anstehende Wahl stellen sich die Parteien mit denselben Spitzenkandidaten und demselben Parteiprogramm auf. Mit einer Ausnahme: Podemos und die Izquierda Unida werden sich gemeinsam als Unidos Podemos zur Wahl stellen.

Dieses Wahlbündnis könnte Bewegung in den neuen Wahlgang bringen. Laut Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Metroscopia und des spanischen Instituts für soziologische Forschung (CIS) von Anfang Juni würde Unidos Podemos die PSOE vom zweiten Platz verdrängen. Das Wahlbündnis käme demnach auf 25,6 Prozent der Stimmen, während die PSOE nur noch rund 20 Prozent erhielte. Die PP bliebe laut der Umfragen stärkste Kraft und auch die liberale Partei Ciudadanos würde wieder ein zweistelliges Ergebnis erhalten.

Rund 32 Prozent der Wahlberechtigten sind jedoch noch unentschlossen, in einer CIS-Umfrage Anfang Juni gaben sie an, dass sie sich noch nicht entschieden haben, wen sie am 26. Juni wählen werden.

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