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NATO "Enhanced Forward Presence" im Baltikum und Polen | Hintergrund aktuell | bpb.de

NATO "Enhanced Forward Presence" im Baltikum und Polen

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Im Zuge der Ukraine-Krise beschloss die NATO, Soldaten nach Polen, Litauen, Lettland und Estland zu verlegen. Die östlichen NATO-Länder sehen Russland zunehmend als Bedrohung. Mit der Truppenverlegung betreibt das Verteidigungsbündnis vor allem Symbolpolitik.

Deutsche Bundeswehrsoldaten des 122. Infanterie-Bataillons nehmen an einer Abschiedszeremonie in Oberviechtach, Deutschland, teil. (© AP)

Letztes Jahr beschloss die Interner Link: NATO Soldaten nach Polen und in die baltischen Staaten Litauen, Estland und Lettland zu verlegen. Die Truppenverlegung läuft unter dem Namen "Enhanced Forward Presence" (auf Deutsch etwa: "ausgeweitete Präsenz"). Das Verteidigungsbündnis reagierte damit auf Forderungen seiner östlichen Mitgliedstaaten, die sich seit der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 und dem darauffolgenden Krieg in der Ostukraine bedroht fühlen. Seitdem verfolgt die NATO gegenüber Russland eine Doppelstrategie: Sie will durch militärische Stärke abschrecken und sich gleichzeitig weiterhin auf diplomatischem Wege um eine Lösung des Konfliktes bemühen.

Das Verhältnis zwischen NATO und Russland

Mit der Selbstauflösung der Sowjetunion zu Beginn der 1990er-Jahre löste sich auch der von ihr dominierte sozialistische Block auf. Der Kalte Krieg war vorbei. Die NATO ordnete ihr Verhältnis nun mit der Russischen Föderation als Nachfolgestaat der Sowjetunion neu. In der NATO-Russland-Grundakte von 1997 versicherten sich beide Parteien auf Basis des gegenseitigen Vertrauens ihre Zusammenarbeit zu stärken und sich nicht mehr als Gegner zu begreifen. Im Zuge dessen wurde 2002 ein NATO-Russland-Rat etabliert. Dieser soll Austausch, Kooperation, gemeinsame Entscheidungsfindungen und gemeinsames Handeln ermöglichen.

Die neue Zusammenarbeit lief nicht immer ohne Spannungen ab. So kritisierte Russland die mehrfache NATO-Osterweiterung sowie die NATO-Beteiligung am Kosovo-Krieg. Die NATO ihrerseits missbilligte die russische Militärpräsenz in Interner Link: Transnistrien, den Konflikt Russlands mit Interner Link: Georgien sowie jüngst die Interner Link: russischen Eingriffe in den syrischen Bürgerkrieg.

Die Ukraine-Krise: Abbruch des NATO-Russland-Dialogs

Mit der Interner Link: Ukraine-Krise und der Annexion der Krim durch Russland im März 2014 hat sich das Verhältnis zwischen Russland und den Mitgliedstaaten der NATO verschlechtert. Fast zwei Jahre lang legte die Allianz zivile und militärische Kooperationen auf Eis. Erst im April vergangenen Jahres kam es wieder zu Gesprächen. Seitdem tagt der NATO-Russland-Rat wieder.

Interner Link: Polen und die baltischen Staaten sehen sich seit den Ereignissen in der Ukraine zunehmend durch Russland bedroht. Insbesondere die baltischen Staaten, in denen es ähnlich wie in der Ukraine eine große russischsprachige Minderheit gibt, sorgen sich vor Interner Link: russischer Einflussnahme und darauf aufbauenden bisher abstrakten Interventionsszenarien.

Abschreckung durch Truppenverlegungen

Bislang hatte die NATO von Truppenstationierungen in Polen und den baltischen Staaten im Hinblick auf mögliche Reaktionen Russlands abgesehen. Seit dem Ukraine-Konflikt zeichnet sich jedoch ein Wandel ab. Auf dem NATO-Gipfel in Warschau im Juli 2016 wurde beschlossen, je ein Kampfbataillon in der Stärke von etwa 1.000 Soldatinnen und Soldaten in Polen, Litauen, Lettland und Estland zu stationieren. Die multinationalen Verbände sollen etwa alle neun Monate wechseln, um die NATO-Russland-Grundakte von 1997 einzuhalten, nach der eine permanente Stationierung von NATO-Truppen in den östlichen Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist.

Die Truppen dienen der Abschreckung und sollen die militärische Stärke des Bündnisses demonstrieren. Es ist das größte NATO-Aufrüstungsprogramm seit Ende des Kalten Krieges. Dennoch gilt der Einsatz vor allem als symbolische Unterstützung und Zeichen der Solidarität mit den östlichen Mitgliedstaaten.

Die USA übernehmen die Führung im Gefechtsverband in Polen, Großbritannien in Estland, Kanada in Lettland und Deutschland in Litauen. Weitere NATO-Staaten werden Soldatinnen und Soldaten sowie Material für die vier Bataillone entsenden. Ende Januar trafen die ersten deutschen Soldaten in Litauen ein. Bis Ende Februar 2017 sollen alle vorgesehenen 450 deutsche Soldatinnen und Soldaten sowie Fahrzeuge und schwer bewaffnete Kampf- und Schützenpanzer nach Litauen verlegt werden. Ihr Auftrag besteht laut Bundeswehr vor allem in der gemeinsamen Ausbildung sowie in Übungen mit den anderen beteiligten Staaten. Dem Einsatz muss der Deutsche Bundestag nicht zustimmen, da es sich um eine sogenannte einsatzgleiche Verpflichtung im Rahmen des NATO-Bündnisses handelt.

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