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60 Jahre Europäisches Parlament | Hintergrund aktuell | bpb.de

60 Jahre Europäisches Parlament

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Das Europäische Parlament ist am Gesetzgebungsprozess der Europäischen Union maßgeblich beteiligt. Es kann zwar keine Gesetze alleine erlassen, doch ohne seine Zustimmung geht fast nichts. Am 19. März 1958 trat das EU-Parlament zum ersten Mal zusammen.

Blick auf das Europaparlament in Straßburg (Strasbourg) am 12.06.2015. Die Europaparlamentarier tagen im Wechsel in Brüssel und Straßburg. (© picture-alliance)

1957 entstand mit den Römischen Verträgen die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), ein Vorläufer der Europäischen Union, und die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) – ein wichtiger Schritt zur Friedens- und Demokratiesicherung in Europa. Denn damit einher ging auch die Gründung einer Parlamentarischen Versammlung. Das zuvor in der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) nur schwach ausgeprägte demokratische Element sollte so gestärkt werden. Zwar gab es bereits die Gemeinsame Versammlung, die 78 Abgeordneten wurden aber nicht gewählt, sondern entsandt und hatten nur eine beratende Funktion.

Die Parlamentarische Versammlung trat erstmals am 19. März 1958 zu ihrer konstituierenden Sitzung mit 142 Abgeordneten zusammen. Auch diese wurden vorerst von ihren Nationalparlamenten benannt, die Ausarbeitung für Richtlinien zu einheitlichen Wahlen der Versammlung war aber bereits in den Verträgen von 1957 vorgesehen. Schon damals nannte sich die Versammlung Parlament. 1962 beschlossen die Abgeordneten die offizielle Umbenennung. Doch mit dem Namen “Parlament“ gingen keine mit den Parlamenten der Nationalstaaten vergleichbaren Rechte einher. Die Versammlung hatte vor allem symbolischen Wert und nur eine eingeschränkte beratende Funktion. Die Regierungen der Mitgliedstaaten und die anderen Organe der Europäischen Gemeinschaft sahen den Wunsch des Parlaments nach politischem Einfluss kritisch.

Von Vertrag zu Vertrag wächst der Einfluss des Parlaments

Erst mit dem Inkrafttreten des Vertrags über die Fusion von EWG, EURATOM und EGKS im Jahr 1967 wuchs der Einflussbereich der parlamentarischen Versammlung. Die Landesvertreter hatten ab 1971 ein Mitsprachrecht beim Haushalt, 1975 wurde es weiter gestärkt. Gleichzeitig fehlte jedoch die demokratische Legitimation durch Wahlen.

1976 schließlich erließ der Ministerrat einen Rechtsakt über die ersten direkten Wahlen des Parlaments durch die Staaten der Europäischen Gemeinschaft. Obwohl das Recht auf die Wahlen des Parlaments bereits in den Römischen Verträgen 1957 festgeschrieben wurde, konnte die Bevölkerung der neun Staaten erstmals im Juni 1979 ein gemeinsames Parlament wählen. 410 Abgeordnete wurden gewählt, die Sozialisten bildeten die stärkste Faktion.

1986 wurde beschlossen, die Rechte des Parlaments auszuweiten: Durch die am 1. Juli des Folgejahres in Kraft getretene “Einheitliche Europäische Akte“ erhielt die Kammer erstmals gesetzgeberische Kompetenzen. Diese umfassende Vertragsreform gab dem Parlament die rechtlichen Möglichkeiten, den Binnenmarkt mitauszugestalten.

“Maastricht“ bringt massiven Ausbau der Kompetenzen

Einen weiteren Ausbau der Kompetenzen brachte der Vertrag von Maastricht: Das Abkommen von 1992 begründet nicht nur die Europäische Union und eine vertiefte Zusammenarbeit der Staaten auf diversen Politikfeldern – das Vertragswerk macht auch das EU-Parlament zu einer der Säulen bei der Ausarbeitung von EU-Rechtsakten.

Der Vertrag von Amsterdam 1999 und der 2009 in Kraft getretene Vertrag von Lissabon vollendeten schließlich die Aufwertung des Europäischen Parlaments: Das Mitentscheidungsverfahren wurde zum gängigen Gesetzgebungsverfahren. “Gesetze ohne Mitsprache des Parlaments sind damit die Ausnahme“, heißt es auf der Internetseite des Europäischen Parlaments.

Nicht zustimmungspflichtig sind jedoch die Außen-, Sicherheits- und Agrarpolitik. Allerdings kann das alle fünf Jahre neu gewählte EU-Parlament sogar die Aufnahme eines weiteren Staates blockieren.

Das EU-Parlament wird von einem auf zweieinhalb Jahre gewählten Präsidenten geleitet. Dieser moderiert nicht nur die Debatten, er repräsentiert die Volksvertretung auch nach außen und ist das Bindeglied des Parlaments zu den anderen Organen der EU und unterschreibt die Gesetze.

Unterschiedliche Wahlsysteme in den Mitgliedstaaten

Doch wie setzt sich das Parlament eigentlich zusammen? Das Parlament muss unmittelbar und nach Verhältniswahlrecht gewählt werden. Darüber hinaus gibt es bis heute kein einheitliches Wahlsystem, auch wenn eine Änderung und Vereinheitlichung des EU-Wahlrechts immer wieder diskutiert wird. Jeder Staat hat eigene Regelungen für die konkrete Umsetzung der Wahl, zum Beispiel auch zu Bedingungen für das aktive Wahlrecht. Eine in Deutschland bis 2014 geltende Drei-Prozent-Hürde wurde vom Bundesverfassungsgericht gekippt. Deshalb sitzen auch Vertreter von Kleinstparteien unter den 96 deutschen Vertretern in Straßburg. Frankreich stellt aktuell 74 der insgesamt 751 Abgeordneten, Großbritannien derzeit noch 63, Spanien 54 und Polen 51. Die Sitzverteilung richtet sich bereits seit der ersten Wahl nach der Bevölkerungsgröße der Mitgliedsstaaten.

Der überwiegende Teil der in der letzten Europawahl 2014 gewählten Parlamentarier hat sich zu Fraktionen zusammengeschlossen. Die beiden größten Fraktionen sind die Progressive Allianz der Sozialdemokraten (S&D) mit 189 Sitzen sowie die christlich-konservative Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) mit 219 Parlamentariern. Beide sind EU-Befürworter, ebenso wie die relativ großen Fraktionen von Liberalen, Grünen und Linken. Die drittgrößte Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR) besteht jedoch aus EU-Skeptikern und -Gegnern. Auch die Zahl der Rechtspopulisten und Rechtsextremen im EU-Parlament hat zuletzt zugenommen. Hier spiegelt das Parlament in Straßburg und Brüssel auch die Entwicklungen vieler EU-Mitgliedsstaaten der vergangenen Jahre wieder. Nach fünf Jahren endet die Legislaturperiode im Europaparlament, im Mai 2019 finden darum die nächsten Wahlen statt.

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