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27. Januar: Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

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Vor 74 Jahren befreiten sowjetische Soldaten das Vernichtungslager Auschwitz. Hier ermordeten die Nationalsozialisten mehr als eine Million Menschen. Seit 1996 gedenkt Deutschland am 27. Januar offiziell der Opfer des Nationalsozialismus. Dieses Jahr spricht im Bundestag zur Gedenkstunde der Historiker Saul Friedländer.

Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Holocaust-Mahnmal, Berlin, Deutschland, Europa. (© picture alliance / imageBROKER)

Am 27. Januar 1945 befreiten sowjetische Soldaten das Vernichtungslager Auschwitz im damals vom Deutschen Reich besetzten Polen. Im Hauptlager in Auschwitz (Oświęcim), das auf einem ehemaligen Barackengelände der polnischen Armee errichtet wurde, belief sich die Zahl der Insassen zeitweise auf mehr als 20.000. Dazu kamen mehr als 90.000 Häftlinge, die in dem noch größeren Lager im drei Kilometer entfernten Birkenau (Brzezinka) untergebracht waren. Auf dem später auch Auschwitz II genannten Gelände ließ Adolf Hitlers Schutzstaffel (SS) Anfang 1942 die ersten Gaskammern errichten.

Insgesamt wurden in den Lagern von Auschwitz schätzungsweise mehr als eine Million Menschen umgebracht.

"Die Erinnerung darf nicht enden"

Im Januar 1996 richtete sich der mittlerweile verstorbene damalige Bundespräsident Roman Herzog mit einem klaren Appell an die Deutschen: "Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen." Mit diesen Worten erklärte Herzog den 27. Januar zum zentralen Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus. 2005 beschloss die Generalversammlung der Vereinten Nationen, den Tag auch international zum Holocaust-Gedenktag zu machen.

Die Generation der Opfer - wie auch der Täter - stirbt aus und mit ihr die persönlichen Bezüge zum düstersten Abschnitt der deutschen Geschichte. An jedem Jahrestag der Auschwitz-Befreiung können weniger Überlebende über ihre schrecklichen Erfahrungen weitergeben. Daher fordert die UN-Resolution zum Holocaust-Gedenktag die Staaten weltweit auch dazu auf, Erziehungsprogramme zu entwickeln, damit die Erinnerung lebendig gehalten wird und sich Auschwitz niemals wiederholt.

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In zahlreichen Städten wird am 27. Januar mit Gedenkveranstaltungen, Zeitzeugengesprächen oder Ausstellungen an die vielen Millionen Menschen erinnert, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft entrechtet, verfolgt und ermordet wurden. Wie jedes Jahr wehen die Flaggen öffentlicher Gebäude in Deutschland an diesem Tag auf Halbmast.

Gedenken im Bundestag

Auch der Deutsche Bundestag gedenkt am 31. Januar der Opfer des Nationalsozialismus. Es findet eine Gedenkstunde im Plenarsaal statt. Die Hauptrede wird Saul Friedländer halten. Der renommierte Historiker hat hauptsächlich die Geschichte des Nationalsozialismus, insbesondere das Schicksal der europäischen Jüdinnen und Juden, erforscht.

Friedländer wurde 1932 in Prag geboren. Aufgrund ihrer jüdischen Wurzeln emigrierte die Familie 1939 nach der Besetzung Prags durch die Wehrmacht nach Frankreich. Bis zur Besetzung Frankreichs durch deutsche Truppen lebte die Familie Friedländers in Paris. 1940 floh sie weiter in den damals noch unbesetzten Teil Frankreichs. Als 1942 auch dort immer mehr Juden verhaftet wurden, versteckten die Eltern den Jungen in einem katholischen Internat. Während Friedländer überlebte, wurden seine Eltern verhaftet und im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.

Nach dem Ende des Krieges wanderte Friedländer nach Israel aus. Er lehrte an mehreren renommierten Instituten wie der Hebräischen Universität in Jerusalem, der Universität Tel Aviv und der University of California, Los Angeles. In seinen Werken bringt Friedländer Kriterien wie die persönliche Verantwortung und moralische Sensibilität in die Forschung mit ein.

Neben den wichtigsten Politikern des Landes sind zu der Gedenkstunde im Bundestag auch junge Menschen aus Deutschland und anderen EU-Staaten eingeladen.

Das Schicksal von Kindern und Jugendlichen

In diesem Jahr beschäftigen sich die jungen Teilnehmer und Teilnehmerinnen intensiv mit dem Schicksal von Kindern und Jugendlichen, die während der NS-Zeit versteckt wurden, um sie vor der Deportation und Ermordung zu retten. Tausende deutsche Juden versuchten in der Zeit ab Herbst 1941, als die systematischen Deportationen in die Vernichtungslager begannen, sich in Sicherheit zu bringen, indem sie untertauchten. Und viele Eltern versteckten ihre Kinder bei Freunden, Bekannten oder Wildfremden. So überlebte etwa auch Charlotte Knobloch, die frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden. Die ehemalige Haushälterin ihres Onkels, Kreszentia Hummel, hatte das Mädchen in ihrem fränkischen Heimatdorf aufgenommen und als ihre uneheliche Tochter ausgegeben.

Allein in Berlin versteckten sich bis zu 7.000 Juden, bis zu 1.800 überlebten Schätzungen zufolge - darunter viele Kinder. Manche mussten mehrere Jahre lang wie die in der Niederlande von den Nazis ermordete Anne Frank in einem einzigen Zimmer verbringen. Tausende Menschen riskierten hohe Strafen, weil sie diese versteckten.

Ausstellung "Einige waren Nachbarn"

Im Anschluss an die Gedenkstunde wird Bundestagspräsident Wolfang Schäuble eine Ausstellung des United States Holocaust Memorial Museum mit dem Titel "Einige waren Nachbarn" eröffnen. Die Ausstellung setzt "sich mit der Frage auseinander, wie die einzelnen Menschen während der Shoah auf die Bedrohung ihrer jüdischen Kollegen, Klassenkameraden, Nachbarn und Freunde reagierten und welche Beweggründe und welcher Druck diese Verhaltensweisen beeinflussten", heißt es in einer Mitteilung des Deutschen Bundestages.

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