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Politischer Machtkampf in Venezuela | Hintergrund aktuell | bpb.de

Politischer Machtkampf in Venezuela

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Venezuela steckt seit Jahren in einer tiefen Krise. Jetzt hat sich die politische Situation zugespitzt und könnte den Sturz des chavistischen Präsidenten Nicolás Maduro zur Folge haben. Der warnt seinerseits vor einem Bürgerkrieg.

Caracas, Venezuela, 23. Januar 2019: Eine Anti-Maduro-Demonstrantin hat ihr Gesicht mit einer venezolanischen Flagge verhüllt, Zahncreme um die Augenpartie soll gegen Tränengas helfen (© picture-alliance/AP)

Am 15. Januar hat das von der Opposition dominierte venezolanische Parlament die Wiederwahl von Präsident Nicolás Maduro im Jahr 2018 für unrechtmäßig erklärt Rund eine Woche später teilte Parlamentspräsident Juan Guaidó mit, dass die Regierung ihrem Auftrag nicht mehr nachkomme. Der Verfassung folgend ernannte er sich zum Übergangspräsidenten. Unterstützung bekam er dabei von den Nachbarländern Brasilien und Kolumbien sowie von der EU und von den USA.

Mehrere EU-Staaten, darunter auch Deutschland riefen den amtierenden Präsidenten Maduro dazu auf, eine vorzeitige Präsidentschaftswahl bis spätestens zum 3. Februar 2019 anzukündigen. Sollte dies nicht geschehen, würde man Guaidó als Interimspräsidenten anerkennen. Maduro ließ das Ultimatum verstreichen. Am 4. Februar erklärten unter anderem Frankreich, Großbritannien, Österreich und Deutschland, dass sie Guaidó als rechtmäßigen Interimspräsidenten betrachten würden.

Unterstützung erfährt Maduro jedoch durch die Staatengemeinschaft des südlichen Afrikas (SADC), die sich am 11. Februar für den bisherigen Präsidenten ausgesprochen haben. Auch Russland unterstützt seit Beginn des Konfliktes Maduro.

Am 7. Februar traf sich eine Kontaktgruppe der EU mit Vertretern und Vertreterinnen lateinamerikanischer Länder in Montevideo. Dabei legten Uruguay und Mexiko einen vierstufigen Plan für die Lösung des Konflikts vor. Über Dialog und Verhandlungen soll ein verbindliches Abkommen zwischen den Konfliktparteien erzielt werden. Europa tritt in Bezug auf Venezuela allerdings nicht geeint auf. Italien hat die Anerkennung Guiadós als Übergangspräsident bislang verweigert. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) brach am 10. Februar zu einer Südamerika-Reise auf, am Rande eines Besuchs in Kolumbien sprach er sich für freie Wahlen in Venezuela aus.

US-Präsident Trump hält sich die Option einer Militärintervention offen

US-Präsident Donald Trump hielt sich Anfang Februar in einem Interview mit dem Sender CBS die Option eines Militäreinsatzes offen. Das Verhältnis der USA zu Venezuela ist schon seit Jahren angespannt. Das sozialistisch regierte Land begriff sich unter Hugo Chávez als Gegenentwurf zu den kapitalistischen USA.

Trump hat Guadió bereits Ende Januar 2019 als Interimspräsidenten anerkannt. Außerdem ließ Trump Sanktionen gegen den venezolanischen Ölkonzern PDVSA verhängen.

In der venezolanischen Hauptstadt Caracas demonstrierten seit Ende Januar Zehntausende Menschen gegen Maduro. Doch auch die Anhänger des chavistischen Politikers gehen auf die Straße. Maduro warnte seinerseits vor der Gefahr eines Bürgerkriegs. Er kann sich derzeit noch auf die Loyalität der Streitkräfte stützen. Für Aufsehen sorgte die Blockade der Grenzübergänge zu Kolumbien durch das Militär. Dadurch konnte ein U.S-amerikanischer Hilfskonvoi mit insgesamt 100 Tonnen humanitärer Güter nicht passieren. Maduro bezeichnete den Hilfskonvoi als "Show". Guaidó rief derweil am 12. Februar seine Anhänger zu erneuten Protesten auf.

Die derzeitigen politischen Entwicklungen haben ihren Ursprung in einer seit mehreren Jahren andauernden Versorgungskrise sowie in politischen Konflikten, die sich nach dem Tod von Hugo Chávez im Jahr 2013 immer weiter zugespitzt haben.

Massenproteste seit 2014

Bereits Anfang 2014 war es zu Massenprotesten in Venezuela gekommen. Damals demonstrierten vor allem Studentinnen und Studenten gegen die Politik des neuen Staatspräsidenten Nicolás Maduro. Anlass waren steigende Preise, die Vorsorgungskrise und die hohe Kriminalitätsrate in dem südamerikanischen Land. Doch den Demonstranten gelang es damals nicht, die Mehrheit der Bevölkerung für ihr Anliegen zu gewinnen.

Bei der Parlamentswahl im Dezember 2015 gewann die Opposition eine Mehrheit der Sitze in der Nationalversammlung. Sie stellte fortan fast zwei Drittel der Abgeordneten. In der Folge kam es zu einer Staatskrise, weil Präsident Maduro versuchte, mit Hilfe von Dekreten am Parlament vorbei zu regieren.

"Putsch von oben" im Jahr 2017

Am 29. März 2017 ließ der Oberste Gerichtshof, in dem vorwiegend von Maduro eingesetzte Richter sitzen, die Nationalversammlung auflösen und die Immunität der Abgeordneten aufheben. Laut des Urteils sollte der Oberste Gerichtshof künftig selbst die Gesetzgebungskompetenz übernehmen. Damit wäre die Gewaltenteilung in Venezuela faktisch aufgelöst worden. Das Urteil wurde international scharf kritisiert. Maduro nutzte die Chance, sich als "Retter der Verfassung" zu inszenieren: Er rief die Richter auf, ihr Urteil "zu überdenken".

Kurze Zeit später revidierte der Gerichtshof seine Entscheidung. Doch war der versuchte Staatsstreich Auslöser für eine Serie von Massendemonstrationen, die über das gesamte Jahr 2017 hinweg die innenpolitische Auseinandersetzung in Venezuela bestimmten. Am 1. Mai 2017 rief Maduro eine verfassungsgebende Versammlung ein, die über allen Staatsorganen stehen soll und faktisch das Recht hat, die komplette politische Architektur des Landes zu verändern. Die Wahl fand am 30. Juli statt, Maduro selbst legte die Kriterien fest, nach denen Kandidaten und Kandidatinnen zur Wahl zugelassen wurden. Nun schlugen sich auch ehemalige Chavisten auf die Seite der Opposition.

Versorgungskrise, Inflation und Auswanderung

Seit 2015 rückten zunehmend auch die Versorgungskrise und die marode Situation der Staatsfinanzen in den Mittelpunkt der Debatte. Zwar verfügt Venezuela über die größten Erdölreserven der Welt, doch die Fördermenge der staatlichen Erdölgesellschaft PDVSA ist seit Jahren rückläufig.

Der Niedergang in der Erdölförderung hat auch Folgen für die Staatsfinanzen, denn die Volkswirtschaft von Venezuela ist zu 90 Prozent von den Erdölexporten abhängig. Spätestens seit 2017 steht Venezuela am Rande eines Staatsbankrotts. Eine rasant voranschreitende Inflation entwertete zudem die Geldvermögen der Bevölkerung: Im August 2018 lag die Inflationsrate nach Angaben des Internationalen Währungsfonds bei Externer Link: einer Million Prozent.

Nach Angaben der Externer Link: UNO-Flüchtlingshilfe haben seit Beginn der Krise drei Millionen Venezolaner ihr Land verlassen. Allein im Nachbarland Kolumbien leben mehr als eine Millionen Flüchtlinge.

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Fussnoten

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