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Die demografische Entwicklung in Deutschland | Demografischer Wandel | bpb.de

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Die demografische Entwicklung in Deutschland Eine Einführung

Franka Kühn

/ 8 Minuten zu lesen

Geburtenrate, Sterberate, Migration: Drei Faktoren beeinflussen die Bevölkerungsstruktur. Auch wenn die Geburtenrate zuletzt wieder leicht angestiegen ist, kommen in Deutschland heute weniger Kinder zur Welt als früher – bei steigender Lebenserwartung. Dadurch erhöht sich das Durchschnittsalter der Bevölkerung. Zudem wird die Gesellschaft in Folge von Wanderungsbewegungen vielfältiger.

Fertilität – Mortalität – Migration (© Martin Brombacher)

"Der demografische Wandel ist Chance und Herausforderung zugleich: Nie zuvor haben Menschen so lange gesund gelebt und nie zuvor wurden in Deutschland so wenige Kinder geboren wie heute. Die Lebenserwartung steigt kontinuierlich, und es gibt immer weniger junge Menschen. Wanderungsbewegungen innerhalb und zwischen Staaten prägen seit Jahrzehnten unseren Alltag", so schrieb es die Bundesregierung noch in ihrer weiterentwickelten Demografiestrategie von 2015.

Die positive Entwicklung bei der Geburtenrate, vor allem aber die verstärkte Zuwanderung nach Deutschland in den vergangenen zwei Jahren haben mittlerweile dazu geführt, dass sich die demografische Ausgangslage in Deutschland kurz- und mittelfristig verändert hat. So geht die Bundesregierung in ihrer jüngst veröffentlichten Bilanz zum Ende der 18. Legislaturperiode davon aus, dass sich die Bevölkerungszahl in Deutschland bei einer weiterhin hohen Zuwanderung und einer steigenden Geburtenrate auf dem heutigen Niveau stabilisieren könnte.

Ungeachtet solcher Prognosen, bei denen es sich immer um Modellrechnungen handelt, deren Ergebnisse wesentlich von den vorher getroffenen Annahmen abhängen: In ihrer Gesamtheit wird die Bevölkerungsentwicklung stets durch drei Faktoren bestimmt, die sich in ihren Wirkungen überlagern:

  1. die Fertilitätsentwicklung, also die Entwicklung der Geburten im Zeitverlauf;

  2. die Mortalitätsentwicklung, d.h. die Sterblichkeit bzw. die Veränderung im Altersaufbau einer Gesellschaft;

  3. die Migration, also die Ein- und Auswanderung sowie räumliche Mobilität.

Besonderen Einfluss auf die Zusammensetzung der Bevölkerung haben also natürliche Bevölkerungsveränderungen, zum einen durch die Fertilität, also die Geburtenrate. Zum zweiten spielen die Mortalität, also die Sterberate und das Alter der Menschen, die sterben, eine entscheidende Rolle. Und zum dritten sind räumliche Veränderungen der Menschen durch Migration, also Zu- und Abwanderung sowie regionale Wanderungsbewegungen ausschlaggebend, insbesondere durch eine stärkere Konzentration der Bevölkerung in den Ballungszentren und Städten.

Infotool des Statistischen BundesamtesAnimierte Bevölkerungspyramide

Fertilität

Die Fertilität, also die Geburtenrate, wird dadurch beeinflusst, wie viele Frauen in einem entsprechenden Alter Kinder bekommen und wie viele Kinder sie zur Welt bringen. Diese Zahl ist in Deutschland auch im europäischen Vergleich relativ niedrig. Sie lag jahrzehntelang bei knapp unter 1,4 Kindern pro Frau und stieg erst nach 2010 wieder leicht an - bis auf einen Wert von zuletzt 1,5 je Frau. Auch wenn sich die durchschnittliche Kinderzahl in Deutschland in den kommenden Jahren weiter erhöhen sollte, liegt sie vorerst noch weit unter dem Bestandserhaltungsniveau - somit werden auch in jeder Generation weniger potenzielle Mütter und Väter geboren als in der vorhergehenden. Damit eine Bevölkerung konstant bleibt, müsste die durchschnittliche Kinderzahl bei 2,1 liegen, so die Statistikerinnen und Statistiker.

Gründe für eine niedrige Geburtenzahl können wirtschaftlicher Mangel oder Kriege sein. So sank die Zahl der pro Frau geborenen Kinder mit dem Zweiten Weltkrieg erstmals auf durchschnittlich unter zwei Kinder. Zum Vergleich: Ende des 19. Jahrhunderts bekamen Frauen in Deutschland durchschnittlich noch über vier Kinder. Nach der friedlichen Revolution 1989 gab es in der früheren DDR durch die äußeren Umbrüche einen sogenannten "Nach-Wende-Schock" der Geburtenzahlen, die bis 1995 auf einen statistischen Durchschnitt von unter einem geborenen Kind pro Frau absanken.

Aber auch ohne dramatische Einschnitte hat sich ein gesellschaftlicher Wandel vollzogen: Insgesamt haben Kinder im 21. Jahrhundert nicht mehr den hohen "ökonomischen Stellenwert" wie in den Jahrhunderten zuvor. Im Gegenteil: Berufliche Anforderungen in der modernen Arbeitswelt machen es gerade für Frauen schwer, Familie und Arbeit zu vereinbaren. Die Folge ist auch ein Verzicht auf Kinder oder eine begrenzte Zahl. In der Regel bekommen Frauen ein oder zwei Kinder. Großfamilien mit mehr als drei Kindern sind selten. Auch die Zahl von Frauen, die gar keine Kinder bekommen, ist in den vergangenen einhundert Jahren stark gestiegen auf zuletzt ein Fünftel der Frauen im Alter zwischen 45 und 49 Jahren. Deutschland gehört damit neben der Schweiz, Italien und Finnland zu den Ländern mit der höchsten Kinderlosigkeit in Europa. Allerdings hat diese Quote zuletzt nicht weiter zugenommen.

Familienpolitische Maßnahmen können dem nur langsam entgegenwirken: So konnten Anreize wie das Elterngeld bislang keine deutliche Zunahme der Fertilität bewirken – die Zahl der geborenen Kinder ist nach der Einführung des Elterngeldes im Januar 2007 nur moderat gestiegen.

radioWissen PodcastDie demografische Katastrophe - Mythos und Wirklichkeit einer Prognose (23.02.2017)

Nikolaus Nützel

Vom demografischen Wandel ist viel die Rede. In Deutschland leben immer weniger junge und immer mehr alte Menschen. Doch muss dies für die Gesellschaft unbedingt negative Folgen haben? Hören Sie mehr zum Thema in einem Podcast des Bayerischen Rundfunks aus der Sendereihe radioWissen.

Dieser Podcast ist eine Produktion des Bayerischen Rundfunks. Die bpb veröffentlicht ihn mit freundlicher Genehmigung als verlinktes Angebot.
© 2017 radioWissen, Bayerischer Rundfunk

Mortalität

Die niedrige Geburtenzahl ist die Hauptursache für die demografische Alterung, also für den wachsenden Anteil älterer Menschen innerhalb einer Bevölkerung. Außerdem steigt die Lebenserwartung kontinuierlich an: durch eine bessere gesundheitliche Versorgung, einen kontinuierlichen medizinischen Fortschritt und den damit verbundenen Rückgang der Sterblichkeit durch bestimmte Krankheiten, beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen, besseres Wissen über die Ursachen von Krankheiten und eine damit verbundene Vorsorge sowie weniger Belastungen durch Arbeit, Hunger oder Kriege. Das bedeutet: Die Menschen leben länger und sterben erst in einem hohen Alter – statistisch betrachtet. Damit steigt der gesamte Altersdurchschnitt der Bevölkerung. Die Zahl derjenigen, die 100 Jahre und älter werden, wächst ebenso. Betrug die Lebenserwartung von Neugeborenen Ende des 19. Jahrhunderts noch unter 40 Jahre, waren es Mitte des 20. Jahrhunderts schon über 60 Jahre. Derzeit werden Frauen im Durchschnitt bereits knapp 83 Jahre alt, Männer 78 Jahre. Das ist allein seit 1970 eine Zunahme von etwa zehn Jahren – und die Lebenserwartung steigt weiter an.

Während zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem eine sinkende Säuglings- und Kindersterblichkeit zur Erhöhung der durchschnittlichen Lebenserwartung beitrug, ist diese mittlerweile vor allem auf ein längeres Leben, also auf eine sinkende Sterblichkeit, zurückzuführen. Eine heute 65-jährige Frau hat im Durchschnitt noch eine weitere Lebenserwartung von 20 Jahren. Ein 2010 in Deutschland geborenes Baby wird mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit 100 Jahre alt werden.

Wollen Demografinnen und Demografen etwas zur Alterung einer Gesellschaft sagen, schauen sie sowohl auf die Menschen, die über 60 Jahre alt sind, als auch auf den Anteil der über 80-Jährigen und auf die Menschen, die 100 Jahre und älter werden. Betrug der Anteil der über 60-Jährigen zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch acht Prozent der Gesamtbevölkerung, wird es im Jahr 2050 voraussichtlich etwa ein Drittel sein. Die hiesige Bevölkerung wird also immer älter und die Zahl älterer Menschen steigt.

Migration

Beginn der Sommerferien in Berlin: Will Deutschland den Zuzug fördern, muss es auch künftig die Integration der Zuzügler, ihrer Familien und Kinder besonders unterstützen. (© picture-alliance/dpa)

Einen weiteren wichtigen Anteil daran, ob eine Bevölkerung wächst oder schrumpft, wie alt die Menschen sind und wie viele Kinder geboren werden, haben räumliche Bevölkerungsveränderungen durch Zu- oder Abwanderung – also durch Migration. In Deutschland lebten Ende 2015 mehr als 17 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Wandern mehr Menschen zu als wegziehen, kann das einem Rückgang der Bevölkerungszahl entgegenwirken. Menschen mit Migrationshintergrund sind in Deutschland im Durchschnitt jünger als die Gesamtbevölkerung. Die Alterung der Bevölkerung kann jedoch auch durch eine kontinuierlich hohe Zuwanderung nicht umgekehrt werden.

Im Jahr 2015 zogen rund 2,1 Millionen ausländische Menschen nach Deutschland. Knapp 1 Million ausländische Personen kehrten dem Land den Rücken. Der entsprechende Wanderungssaldo von 1,1 Millionen ist der höchste in der Geschichte der Bundesrepublik. Ein großer Anteil davon entfiel auf Schutzsuchende: So stammen rund 0,3 Millionen der 2015 nach Deutschland gekommenen Menschen aus dem Bürgerkriegsland Syrien. Gleichzeitig setzte sich der Trend einer ansteigenden Zuwanderung aus EU-Staaten fort, der bereits in Folge der Wirtschafts- und Währungskrise seit 2010 zu positiven Wanderungssalden nach Deutschland beigetragen hatte. Vor dieser Trendwende war die Rate von Zuzügen aus dem Ausland nach 1992 noch kontinuierlich gesunken.

Es gilt, die Integration der neu zugewanderten Menschen, ihrer Familien und Kinder besonders zu unterstützen. Dazu hat die Bundesregierung in den vergangenen Jahren eine Reihe von Ideen entwickelt und mit deren Umsetzung begonnen, insbesondere bei der Bildungsförderung, der doppelten Staatsbürgerschaft und Maßnahmen für einen Zugang zum Arbeitsmarkt. Gleichzeitig stellt die große Zahl von schutzsuchenden Menschen, die in den vergangenen Jahren nach Deutschland gekommen sind, insbesondere die Kommunen vor große Herausforderungen. Denn Städte und Gemeinden tragen die Verantwortung für ihre Unterbringung, Versorgung und Integration. Unterstützt werden sie von zehntausende ehrenamtliche Helferinnen und Helfern, die den Neuankömmlingen durch zivilgesellschaftliches Engagement zur Seite stehen.

Die Politik reagierte erstmals im Jahr 2007 mit einem Nationalen Integrationsplan , der auf den ersten Integrationsgipfel im Jahr 2006 gefolgt war. Auch die "Demografiestrategie der Bundesregierung" aus dem Jahr 2012 machte die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund zu einer zentralen Aufgabe.

Zu den Schritten, die bereits umgesetzt wurden, zählt neben allgemeinen Reformen in der Familienpolitik wie dem Ausbau von Kitas, dem Elterngeld oder auch Regelungen zur Teilzeitarbeit von Müttern, von denen auch Zugewanderte profitierten, insbesondere die Einführung von verbindlichen Sprachkursen. Die Ermöglichung einer doppelten Staatsbürgerschaft oder die Rente mit 67 Jahren wurden ebenfalls vor dem Hintergrund der sich verändernden Bevölkerungsstruktur und den damit einhergehenden Veränderungen für den Arbeitsmarkt, die Sozialkassen und die Gesellschaft beschlossen.

Fazit

In Deutschland zeichnet sich die demografische Entwicklung vor allem durch eine deutliche Alterung der Gesellschaft aus. Der Altenquotient könnte im Jahr 2060 etwa das Anderthalbfache bis Doppelte des heutigen Werts betragen. Daran wird auch eine steigende Geburtenrate nur wenig verändern, denn der Alterungsprozess wird vor allem von den geburtenstarken Jahrgängen 1955 bis 1969 - die sogenannten Babyboomer - vorangetrieben. Zusammen mit einer weiter steigenden Lebenserwartung führt dies zu einer Erhöhung des Anteils älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung und absehbar zu einem Bevölkerungsrückgang.

Laut Vorausberechnungen des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2015 sollte die Bevölkerung in Deutschland bei einem gleichbleibenden Geburtenniveau von heute 82 Millionen auf 67 bis 73 Millionen Menschen im Jahr 2060 zurückgehen. Aufgrund der großen Zahl an Zuwanderinnen und Zuwanderern im gleichen Jahr wurde diese 13. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung im Frühjahr 2017 aktualisiert: Demnach wird die Bevölkerung in den kommenden fünf Jahren nun sogar steigen und anschließend bis 2035 auf das derzeitige Niveau sinken. Im Jahr 2060 soll sie bei 76,5 Millionen liegen. Ob diese Prognose tatsächlich zutrifft, wird jedoch erst nach einer neuen Bevölkerungsvorausberechnung absehbar sein.

Expertinnen und Experten erwarten, dass die Gesellschaft durch mehr Zuwanderung vielfältiger und die demografische Entwicklung regional sehr unterschiedlich verlaufen wird. Vor allem ländliche und wirtschaftlich schwache Regionen werden von Schrumpfung betroffen sein. Große Städte wie Berlin, München, Stuttgart, Frankfurt am Main oder Hamburg erwarten hingegen, dass ihre Bevölkerungen zunehmen. Auch für die Ballungsgebiete bedeutet der demografische Wandel also eine Herausforderung. Hier heißt diese aber nicht Schrumpfung, sondern Wachstum.

Weitere Inhalte

Franka Kühn, geb. 1968, Studium der Politischen Wissenschaften in Berlin, derzeit Pressesprecherin beim Verbraucherzentrale Bundesverband mit dem Schwerpunkt Verbraucherpolitik.