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Bensberger Gespräche "Gewinner der Globalisierung – Verlierer der Globalisierung. Wo steht Europa?" | Presse | bpb.de

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Bensberger Gespräche "Gewinner der Globalisierung – Verlierer der Globalisierung. Wo steht Europa?" Vom 22.-24.01.07 in Bensberg

/ 5 Minuten zu lesen

Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer? Die Frage nach den Auswirkungen der Globalisierung auf den asiatischen und afrikanischen Raum wurde bei den Bensberger Gesprächen 2006 thematisiert.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich begrüße Sie herzlich zu den diesjährigen Bensberger Gesprächen hier im Kardinal-Schulte-Haus.

Die Bensberger Gespräche sind inzwischen bei Vielen fest im Jahreskalender eingetragen als Forum für den fortlaufenden Austausch zwischen politischen Bildnerinnen und Bildnern aus dem zivilen und dem militärischen Bereich.

Die Bundeszentrale für politische Bildung und das Bundesministerium der Verteidigung haben in diesem Jahr die Veranstaltung unter die Überschrift "Gewinner der Globalisierung – Verlierer der Globalisierung. Wo steht Europa?" gestellt. Die Frage nach der Globalisierung haben wir hierbei auf den asiatischen und afrikanischen Raum eingegrenzt. Im Laufe dieser Tagung werden somit einerseits die engen Verbindungen und die Wechselwirkung zwischen Chinas stetig wachsender Wirtschaftskraft und dem unersättlichen Rohstoffhunger des Riesenreiches beleuchtet. Auf der anderen Seite wird aufgezeigt, wie sich gleichzeitig die Position Afrikas im geostrategischen Machtgefüge dadurch verändert, dass China sich dort massiv engagiert. Weiter wollen wir die Auswirkungen dieses Engagements auf Stabilität, Sicherheit und Menschenrechte auf dem afrikanischen Kontinent beleuchten. Langwährende und immer wieder aufflammende Bürgerkriege und Unruhen bewirken immer größere Flüchtlingsströme nach Europa.

Die Auswirkungen sind also global und nicht lokal begrenzt. Sie betreffen uns direkt. Aus der Demokratischen Republik Kongo sind die Soldatinnen und Soldaten erst kurz vor Weihnachten zurückgekommen; ebenfalls im Dezember vergangenen Jahres wurde das Mandat der Bundeswehr im Sudan vom Bundestag verlängert. Zur Verdeutlichung des Umfangs, den die Auslandseinsätze der Bundeswehr mittlerweile erreicht haben, zitiere ich aus dem "Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr" 2006: "Deutschland ist in den vergangenen 15 Jahren zu einem der größten Truppensteller für internationale Friedensmissionen geworden." Allein derzeit sind 9.000 Soldatinnen und Soldaten auf drei Kontinenten im Einsatz. Die größten Truppenkontingente befinden sich in Afghanistan mit fast 3.000 Personen, im Kosovo mit 2.300, im Libanon mit rund 1.000; Ungefähr 900 Soldatinnen und Soldaten sind in Bosnien und Herzgovina stationiert, kleinere Kontingente sitzen am Horn von Afrika, im Sudan, in Äthiopien, in Georgien und auf dem Mittelmeer.

Zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben dort müssen die Soldatinnen und Soldaten "von zu Hause" ein fundiertes Wissen nicht nur über die freiheitlich-demokratische Grundordnung Deutschlands oder die Rolle Deutschlands in der EU und in der gemeinsamen Sicherheitspolitik mitbringen, sondern auch über die politischen und sozialen Verhältnisse am Einsatzort. Und sie müssen eben auch die Fähigkeit mitbringen, diese Verhältnisse vor Ort in den größeren Zusammenhang von internationaler Politik und Globalisierung einzuordnen.

Schließlich benötigen sie eine große interkulturelle Kompetenz. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass sich die Soldaten im Afghanistan-Einsatz vor Ort inzwischen Bärte wachsen lassen, weil sie festgestellt haben, dass dies bei der einheimischen Bevölkerung mehr Vertrauen erzeugt. Welche interkulturelle Kompetenz während der durchaus brenzligen Situation vor Ort rund um die kongolesischen Wahlen geholfen hat, wird uns am Dienstagabend Hauptmann Barbara Mück erzählen, die als Ethnologin und eigentlich zivile Angestellte des "Zentrums Operative Information" mit der Bundeswehr im Kongo war.

All dies vermittelt den Soldatinnen und Soldaten, die ja gleichzeitig "Bürgerinnen und Bürger in Uniform" sind, die Profession der politischen Bildung, deren Fachleute aus der Bundeswehr und aus dem zivilen Bereich hier sitzen. Für viele der Aufgaben, die Angehörige der Bundeswehr zu erledigen haben, ist politische Bildung enorm wichtig. Für uns alle, die Bürgerinnen und Bürger, ist politische Bildung sogar essentiell, denn "Demokraten fallen nicht vom Himmel", wie Theodor Eschenburg treffend bemerkte, der 1952 den ersten Lehrstuhl für "Wissenschaftliche Politik" in der jungen Bundesrepublik an der Uni Tübingen übernahm. Und weil eben Demokraten nicht vom Himmel fallen, weil demokratische Werte verstanden werden müssen, weil die aktive Gestaltung der Demokratie durch jeden Einzelnen mitbestimmt werden muss, weil Freiheit und Menschenrechte gewiss keine Selbstverständlichkeit sind, wurde im gleichen Jahr – 1952 – übrigens auch die Bundeszentrale für politische Bildung, damals noch Bundeszentrale für Heimatdienst, gegründet.

Nicht nur die Tendenzen in Deutschland, dass rechtsextreme Parteien Einzug in Landtage gehalten haben, dass die Zahl rechtsextrem motivierter Straftaten, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus sich wieder verstärkt haben, zeigen überdeutlich, dass politische Bildung für die aktive Gestaltung und Bewahrung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung durch die Bürgerinnen und Bürger unabdingbar ist. Auch die Globalisierung, die "Weltumspannung", mit all ihren Verknüpfungen, Überkreuzungen und Komplexitäten ist ohne politische Bildung nicht mehr zu verstehen. Einen ganz kleinen Ausschnitt aus dieser Materie werden Sie im Laufe dieser Veranstaltung vertiefend kennenlernen, in dem wir zum einen die Zusammenhänge zwischen dem Zerfall von Staaten und der Gefahr, die diese auch auf umliegende Regionen ausstrahlen, näher beleuchten werden. Des Weiteren werden die kausalen Beziehungen zwischen dem wirtschaftlichen Aufschwung in Asien, insbesondere in China, und den gesellschaftlichen Verwerfungen, die dies dort mit sich bringt, Thema sein. Die Überlegungen werden bis hin zu der Frage reichen, wie dieser wachsende Gigant auf dem afrikanischen Rohstoffmarkt bereits heute einkauft, wie dort Politik gemacht wird mit Geldern, die zum Teil die von den EU-Ländern geleistete Entwicklungshilfe schon übersteigt – und zwar auch in zerfallenden Staaten.

Meine Damen und Herren, Deutschland hat am 1. Januar nicht nur die EU-Ratspräsidentschaft übernommen, sondern auch den Vorsitz in der "Gruppe der Acht" führenden Industrienationen, kurz "G8", deren diesjähriges Gipfeltreffen im kommenden Juni in Heiligendamm stattfindet. Als Leitmotiv für ihren Vorsitz hat die Bundesregierung "Wachstum und Verantwortung" gewählt. Das Hauptaugenmerk des Gipfels an der Ostsee soll auf der Frage nach der "Ausgestaltung der globalisierten Weltwirtschaft und der Entwicklung Afrikas" liegen. Wir liegen also mit der Themensetzung zu unserer Konferenz hier im Hauptstrom der derzeitigen politischen Fragestellungen.

Mit den Hintergrundinformationen, die Sie als Teilnehmende im Rahmen der Konferenz und der sich aus den Diskussionen ergebenden offenen Fragestellungen erhalten, können Sie als Rezipienten, wie auch als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in Ihren jeweiligen Arbeitsbereichen zur Aufklärung, Urteilsbildung und Aktivierung zur Teilhabe an den politischen Prozessen – bei aller Komplexität die diese haben – beitragen.

Zur Vertiefung interessehalber für Sie und natürlich zum Weitersagen finden Sie in Ihren Tagungsmappen eine Zusammenstellung der Publikationen, Veranstaltungen und Online-Angeboten der bpb zu den Themenbereichen Globalisierung, internationale Sicherheitspolitik, Asien und Afrika. Anschauungsmaterial finden Sie auch auf unserem Büchertisch. Ich lade Sie herzlich ein, reichlich davon Gebrauch zu machen.

Und damit wünsche ich Ihnen für diese drei Tage intensiven Austausch und produktive Ideen für Ihre politische Bildungsarbeit vor Ort.

− Es gilt das gesprochene Wort −

Fussnoten