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Der israelisch-palästinensische Konflikt | Nahost | bpb.de

Nahost Editorial Der israelisch-palästinensische Konflikt Ist Frieden zwischen Israelis und Palästinensern möglich? Das Unvorhersehbare vorhersagen: Der künftige Weg des israelisch-palästinensischen Systems Die israelisch-palästinensische Konfrontation und ihre Widerspiegelung in der öffentlichen Meinung Israels Die Al-Aqsa-Intifada und das Genfer Abkommen Die Europäische Union und der Nahostkonflikt

Der israelisch-palästinensische Konflikt

Elmar Krautkrämer

/ 28 Minuten zu lesen

Im historischen Überblick werden die Ereignisse bis zur Staatsgründung Israels im Mai 1948 geschildert. Außerdem stehen die Kriege und die Suche nach Frieden im Mittelpunkt.

Programmierung des Konflikts

Das Erbe des Osmanischen Reiches

Ein Ziel Großbritanniens und Frankreichs im Ersten Weltkrieg war es, nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches den Vorderen Orient unter ihre Kontrolle zu bringen. Nach einem Geheimabkommen zwischen London und Paris von 1916 sollte Frankreich Syrien mit dem Libanon, Großbritannien das Zweistromland sowie Palästina mit Jordanien erhalten. Sherif Ibn al Hussein, Haupt der haschemitischen Dynastie und Herrscher des Hedschas mit den heiligen Stätten Mekka und Medina, ging eine Allianz mit Großbritannien ein, um nach dem Krieg ein arabisches Großreich errichten zu können. Er setze 1917 seinen Sohn Feisal in Damaskus als König ein. Die Pariser Friedenskonferenz stellte 1919 die ehemals türkischen Gebiete des Nahen Ostens vorerst unter das Mandat des Völkerbundes, doch im April 1920 übertrug die Konferenz von San Remo Großbritannien das Mandat über Mesopotamien und Palästina, Frankreich über Syrien mit dem Libanon. Als die Franzosen 1920 Syrien übernahmen, vertrieben sie den in Damaskus residierenden Feisal, der dafür mit britischer Hilfe König des neuen Landes Irak wurde. Husseins jüngster Sohn Abdullah erhielt Transjordanien, das man 1928 zu einem unabhängigen Königreich machte. Das restliche, bereits konfliktreiche Palästina blieb Mandatsgebiet ohne Staatscharakter unter dem britischen Kolonialministerium, das hier einen Hochkommissar einsetzte.

Der Zionismus und die Balfour-Deklaration

Für Palästina war bereits der Zionismus von Bedeutung. Der Begriff wurde Ende des 19. Jahrhunderts geprägt und bezeichnete den Wunsch der in vielen Ländern verfolgten Juden, nach Zion in das Land der Väter zurückzukehren. 1897 konnte in Basel der erste internationale Zionistenkongress zusammentreten und ein Grundsatzprogramm verabschieden, in dem die jüdische Besiedlung Palästinas gefordert wurde. Initiator war der österreichische Jude Theodor Herzl, der in seinem 1896 erschienenen Buch "Der Judenstaat" organisatorische Vorschläge dafür dargelegt hatte. Herzl gilt daher als Vater der jüdischen Heimstätte in Palästina und somit des Staates Israel.

1897 war bereits die erste Alija (Einwanderungswelle) im Gang, in der von 1882 bis 1903 30 000 Juden nach Palästina kamen. Damals lebten dort bereits 350 000 Menschen, größtenteils Araber. Die lange in der Historiographie vertretene Auffassung, Herzl und seine Anhänger hätten ein nahezu unbewohntes Palästina vor Augen gehabt, ist nicht mehr haltbar. Vielmehr ist Herzl auf den wirklichen Sachverhalt aufmerksam gemacht worden, dachte aber nicht an gewaltsames Vorgehen. Mit der zweiten Alija bis 1914 konnte die jüdische Bevölkerung Palästinas auf 85 000 ansteigen.

Palästina war für Londons Kolonialpolitik von zentraler Bedeutung. Damit war der Suezkanal vom Osten abzusichern und der Landweg von Ägypten nach Indien frei. Als 1917 die Führung der britischen Zionisten von der Londoner Regierung die Anerkennung Palästinas als Heim des jüdischen Volkes wünschte, versprach der britische Kolonialminister Lord Balfour dem Vorsitzenden der Vereinigung jüdischer Gemeinden in England, Lord Rothschild, dieses Vorhaben zu erleichtern, jedoch mit der Einschränkung, dass nichts getan werden dürfe, "was die bürgerlichen und religiösen Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina oder die politische Stellung der Juden in irgendeinem anderen Land beeinträchtigen könnte". Auf diese "Balfour-Deklaration" haben sich die Zionisten Palästinas lange berufen. Lord Rothschild war mit Chaim Weizmann (1874 - 1952) befreundet. Dieser sollte für die Verwirklichung der zionistischen Idee von größter Bedeutung werden. 1918 wurde Weizmann nach Palästina entsandt, wo er alsbald als Vertreter der wirtschaftlichen und politischen Interessen der wachsenden jüdischen Bevölkerung fungierte. 1928 wurde er Präsident der "Jewish Agency" und setzte sich immer wieder für eine enge arabisch-jüdische Zusammenarbeit ein.

Arabischer Terror 1920/21 und 1929

Als die dritte Alija eingesetzt hatte, wurden viele Araber von der Furcht ergriffen, dass die Einwanderung eines Tages zur jüdischen Majorität führen könnte. Das schürte den schon länger wachsenden Antizionismus, der in blutigen Ausschreitungen 1920 und 1921 seinen Ausdruck fand. Eine britische Untersuchungskommission gab der Balfour-Deklaration und der zionistischen Propaganda die Mitschuld an den Vorfällen. Das "Churchill White Paper" vom Mai 1922 nannte die Errichtung der jüdischen Heimstätte rechtmäßig, sprach sich aber auch gegen den extremen Zionismus aus.

Inzwischen hatten die gut 600 jüdischen Siedlungen miteinander Kontakt aufgenommen und bildeten zusammen ein Gemeinwesen, den Jischuv mit der Jewish Agency an der Spitze. Die Araber versäumten es, eine vergleichbare Institution zu gründen. Mit der zweiten Alija waren ungefähr 40 000 Juden ins Land gekommen, von denen ein großer Teil Palästina wieder verließ. Doch gerade jene, die blieben, waren von dem Willen beseelt, den Jischuv zu einem Staatswesen auszubauen. Unter ihnen war David Gruen, der sich bald David Ben Gurion nannte und 1948 Israels erster Ministerpräsident werden sollte.

Der erste britische Hochkommissar Sir Samuel (1920 - 1925) wollte die einflussreichen Jerusalemer Clans versöhnen und ernannte den aus dem bedeutendsten Clan kommenden Hadj Amin el-Husseini zum Großmufti von Jerusalem. Dieser wurde überdies Vorsitzender des Obersten Islamischen Rates und damit Sprecher der arabischen Nationalisten. Im August 1929 kam es zu einem heftigen arabisch-jüdischen Zusammenstoß in Jerusalem, hinter dem die Agitation des Großmufti stand. Die Unruhen griffen auf andere Städte über. Am schlimmsten waren die arabischen Massaker in Hebron und Safed. Die Ereignisse leiteten eine tiefe Feindschaft zwischen den beiden ethnischen Gruppen und Religionen ein. Die britische Regierung kündigte 1930 eine Reduzierung oder gar vorübergehende Einstellung der Einwanderung an, doch Chaim Weizmann konnte die Durchsetzung verhindern. Mit der fünften Alija 1931 bis 1939 erreichte die Einwanderung mit 265 000 Personen einen ersten Höhepunkt, bedingt durch den Nationalsozialismus in Deutschland.

Der Weg zum Staat Israel

Von Peels Teilungsplan zum Zweiten Weltkrieg

Im April 1936 bildeten die arabischen Nationalisten ein "Arab Higher Committee" (AHC) unter dem Vorsitz des Mufti. Eine britische Kommission unter Earl William Peel kam zu dem Ergebnis, dass die Teilung Palästinas ein Weg zum Frieden sei. Danach sollte die Küstenebene bis zur libanesischen Grenze sowie die fruchtbare Ebene im Nordwesten zu einem jüdischen Staatsgebiet zusammengefasst und der Araberstaat mit den Häfen Tel Aviv und Jaffa mit Transjordanien vereinigt werden. Die Araber lehnten den Plan kompromisslos ab, während sich in der Jewish Agency Weizmann für eine Annahme mit Änderungsvorbehalten aussprach. Für ihn war mit der Gründung eines wenn auch noch kleinen jüdischen Staates ein erstes Ziel erreicht. Nach Veröffentlichung des Planes flammte eine arabische Rebellion auf, die nicht nur antijüdisch, sondern auch antibritisch war. Ab Herbst 1938 konnte der neue Hochkommissar Sir Wauchope die Rebellion in wenigen Monaten mit Truppen aus dem Mutterland und aus Ägypten unterdrücken. Das AHC hatte er zuvor aufgelöst und seine Spitze verhaften lassen. Dem Großmufti gelang die Flucht in den Libanon, und er galt fortan als des Landes verwiesen. 1941 konnte er Hitler besuchen, der ihm die Vernichtung der Juden auch im arabischen Raum versprach.

1939 war Großbritannien angesichts des bevorstehenden Krieges auf die Gunst der Araber bedacht. Dem trug ein neues Weißbuch der britischen Regierung, das "MacDonald White Paper" vom Mai 1939, Rechnung, das die jüdische Einwanderung für die nächsten fünf Jahre auf 75 000 Personen begrenzte. Danach sollte sie nur mit arabischer Zustimmung möglich sein. Die Juden reagierten verbittert. Bei Protestkundgebungen und Zusammenstößen mit der britischen Polizei trat die geheime Kampfgruppe "Irgun" in Erscheinung. Nach Kriegsausbruch 1939 erklärte Ben Gurion: "Wir werden gemeinsam mit England gegen Hitler kämpfen, als gäbe es kein Weißbuch, und wir werden gegen das Weißbuch kämpfen, als gäbe es keinen Krieg." Die Juden leisteten in der britischen Armee Kriegsdienst, wenngleich sie erst ab 1944 an Operationen teilnehmen konnten, und der Jischuv stellte seine technischen Einrichtungen zur Verfügung. Die jüdische Streitmacht "Hagana" konnte sich nun offen zeigen, und aus ihrer Eliteeinheit "Palmach" gingen der spätere Verteidigungsminister Moshe Dajan und Ministerpräsident Yitzhak Rabin hervor. Recht selbstständig handelten die Kampfgruppen "Lehi", nach ihrem Gründer auch "Sternbande" genannt, und die nationale Militärorganisation "Etzel".

Im Mai 1942 fand im New Yorker Biltmore Hotel eine Konferenz der amerikanischen zionistischen Organisationen statt, an der auch Ben Gurion und Weizmann teilnehmen konnten. Eine Resolution, das "Biltmore-Programm" , forderte die Realisierung der Balfour-Deklaration und die totale Öffnung des Landes für die Einwanderung. Von nun an erhielt der Jischuv die propagandistische und finanzielle Unterstützung der USA und konnte sich zu einer Institution mit vorstaatlichem Charakter entwickeln. Das Biltmore-Programm bestritt dem britischen Weißbuch seine moralische und rechtliche Gültigkeit. Doch da die britische Regierung das ignorierte, nahm bei den Zionisten die Verbitterung zu. Die Kampfgruppen "Irgun" und "Lehi" verübten Attentate gegen britische Verwaltungseinrichtungen und Politiker. Die Spannungen hielten auch in den ersten Nachkriegsjahren an. Dem Jischuv ging es darum, Juden, die den Holocaust in Europa überlebt hatten und nun mit Schiffen nach Palästina kamen, die Einwanderung zu ermöglichen. Eine weltweit beachtete Tragödie ereignete sich noch im Sommer 1947 mit der "Exodus".

Gründung und Behauptung Israels

Der britische Premierminister Clement Attlee übertrug den Vereinten Nationen im April 1946 die Regelung der Palästinafrage. Ein Plan des "United Nations Special Committee on Palestine" (UNSCOP) sah die Teilung Palästinas in einen jüdischen Staat aus 56 Prozent des Territoriums und einen arabischen Staat aus 43 Prozent vor. Ein Prozent entfiel auf das internationale Gebiet von Jerusalem. Die Jewish Agency akzeptierte den Plan, und im April 1947 wurden ein provisorischer Volksrat (Parlament) und eine provisorische Regierung gebildet. Die Zionisten nahmen die Ortschaften des ihnen zugesprochenen Gebietes militärisch in Besitz, drängten aber über die von UNSCOP vorgesehenen Grenzen hinaus. Bei diesen Operationen kam es am 8. Mai 1948 zu dembekannten Blutbad in Deir Yassin, in demvon"Irgun" und der "Sternbande" 250 Menschen, die meisten Frauen und Kinder, ermordet wurden. Ähnliche Massaker folgten, und es kam zu einer Fluchtwelle der arabischen Bevölkerung aus den künftig jüdischen Gebieten. Die Frage, obdie Massaker eine Zwangsumsiedlung auslösensollten, ist heute nicht mehr umstritten. Vielmehr ist belegt, dass die Araber durch verschiedene Methoden zur Auswanderung getrieben wurden, wozu auch Vertreibungen gehörten wie in Ramle und Lydda. Bis Ende 1948 sind zwischen 600 000 und 750 000 Araber aus dem israelischen Gebiet geflohen bzw. wurden vertrieben, was später von israelischen Politikern begrüßt worden ist.

Am 14. Mai 1948 verließ der letzte britische Hochkommissar, Sir Alan Cunningham, Palästina, und wenige Stunden später trat der jüdische Volksrat zu einer Sitzung zusammen, in der Ben Gurion die Staatsproklamation verlas. In der folgenden Nacht eröffneten die Armeen Ägyptens, Transjordaniens, Syriens, des Libanon und des Irak den Krieg gegen Israel. Die Ägypter drangen an der Küste bis 30 km südlich von Tel Aviv vor, die Jordanische Legion nahm die Altstadt von Jerusalem ein. Eine vom UN-Sicherheitsrat festgelegte Waffenruhe nutzten die Israelis zum Kauf von Kriegsmaterialien im Ausland, und als die Kämpfe im Spätsommer wieder aufflammten, war die israelische Armee mit Panzern, Bombern und Jagdflugzeugen den Arabern bald weit überlegen. Die Hagana war inzwischen zur "Israelischen Verteidigungsarmee" umgebildet worden, in die die Palmach und dieIrgun-Bataillone eingegliedert wurden; sie erhielt eine straffe Organisation und Operationsleitung.

Der von der UNO zur Vermittlung eingesetzte Graf Bernadotte wurde im September in Jerusalem, wahrscheinlich von Mitgliedern der Sternbande, ermordet. Die von seinem Nachfolger Ralph Bunche in Rhodos geführten Verhandlungen führten 1949 zu Waffenstillstandsverträgen. Israel hatte sein Territorium gegenüber dem UNSCOP-Plan um 21 Prozent erweitern können. Transjordanien konnte bei dieser Gelegenheit mit israelischem Konsens Westjordanien annektieren und aus beiden Teilen das Königreich Jordanien schaffen. Jerusalem wurde, da die Altstadt zur jordanischen Westbank gerechnet wurde, zu einer geteilten Stadt. Israel wurde schnell von den Großmächten und vielen Regierungen, jedoch nicht von den arabischen, anerkannt. Die UN-Vollversammlung verabschiedete im Dezember 1948 einen Beschluss, der Israel die Wiederaufnahme der Flüchtlinge auferlegte, doch der wurde nicht umgesetzt. 1967 flohen erneut etwa 550 000 Palästinenser aus den im Sechstagekrieg eroberten Gebieten. Gegenwärtig kann von 3,5 bis 4 Millionen Flüchtlingen in den Nachbarstaaten Israels ausgegangen werden.

Vom Suezkrieg zur Intifada

Der Suezkrieg und Sechstagekrieg

Nach dem Sieg über die arabischen Nachbarn rüstete Israel mit amerikanischer Unterstützung verstärkt auf. Seine Grenzregionen musste es gegen Guerillas aus Syrien, Jordanien und dem zuÄgypten gehörenden Gaza-Streifen schützen. Ägypten unter Staatspräsident Gamal Abdul Nasser rüstete ebenfalls ab 1954 mit sowjetischer Hilfe auf. Da die USA und die Weltbank die Kredite für das Projekt des Assuan Staudamms verweigerten, verkündete Nasser am 26. Juli 1956 die Nationalisierung des Suezkanals. England und Frankreich, die hierdurch beachtliche Einnahmen verloren, planten zusammen mit Israel die militärische Besetzung der Kanalzone, und im Oktober griffen israelische Truppen unter Moshe Dajan im Süden an. In wenigen Tagen waren der Gazastreifen und der größte Teil des Sinai eingenommen. Großbritannien und Frankreich bombardierten Port Said und setzen Luftlandetruppen ab. Durch massiven Druck seitens der USA erzwang die UNO den Abzug aller Invasionstruppen. Eine UN-Sicherheitstruppe übernahm die Kontrolle der ägyptisch-israelischen Grenze auf dem Sinai. Die USA waren nun bestrebt, den sowjetischen Einfluss im Nahen Osten einzudämmen. Mit der "Eisenhower-Doktrin" von 1957 wurde er zur amerikanischen Interessen- und Sicherheitszone erklärt. Damit waren die Fronten des Kalten Krieges auf die Region ausgedehnt.

Die Jahre der Ruhe nach dem Suezkrieg nutzte Israel zur wirtschaftlichen Konsolidierung und weiteren militärischen Aufrüstung mit Waffenkäufen aus den USA, Frankreich, Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland. Auch die Grundlagen für eine Nuklearrüstung wurden in diesen Jahren gelegt. Anfang der sechziger Jahre kam es zu arabisch-israelischen Spannungen, die durch den Streit um das Jordanwasser eskalierten. Als Israel 1964 den Bau eines Systems zur Ableitung von Wasser aus dem See Genezareth in die Negevwüste abgeschlossen hatte, beschloss die Arabische Liga, die Quellflüsse des Jordan in Syrien und dem Libanon umzuleiten. Israel verhinderte das gewaltsam, worauf sich Zwischenfälle an seinen Grenzen zu Jordanien und Syrien häuften. Anfang Mai zog Nasser die Zustimmung zur Stationierung von UN-Friedenstruppen entlang der israelischen Grenze auf dem Sinai zurück, und die aufgegebenen Stellungen wurden von ägyptischen Truppen besetzt. Kurz darauf sperrte er den Golf von Akaba für israelische Schiffe, was Israel als Aggression empfand. König Hussein von Jordanien unterzeichnete mit Ägypten ein Verteidigungsabkommen und gestattete irakischen Truppen den Durchmarsch zur israelischen Grenze. Zugleich rief PLO-Chef Ahmed Shukeiri die Palästinenser zum Heiligen Krieg gegen Israel auf. Dieses sah sich von allen Seiten bedroht und machte mobil. Durch eine Regierungsumbildung unter Ministerpräsident Levi Eschkol wurde Moshe Dajan Verteidigungsminister.

Am Morgen des 5. Juni 1967 führte die israelische Luftwaffe einen Überraschungsschlag gegen Ägypten, das in wenigen Stunden drei Viertel seiner Luftstreitkräfte, zum größten Teil noch am Boden, verlor. Im Norden eroberten israelische Truppen die Golanhöhen. Syrien verlor fast die Hälfte seiner Luftstreitkräfte. Jordanische Truppen waren zunächst nach Jerusalem vorgestoßen, das jedoch am 7. Juni ganz unter israelische Kontrolle kam. Moshe Dajan erklärte, dass Jerusalem wieder vereinigt und die Hauptstadt Israels sei und bleibe. Es wurde später auch formell annektiert (1980). Am 10. Juni war Israel zu der von den Vereinten Nationen geforderten Feuereinstellung bereit. Innerhalb von sechs Tagen hatte seine Armee die Streitkräfte Ägyptens, Syriens und Jordaniens kampfunfähig gemacht, den Gaza-Streifen, die Westbank, den gesamten Sinai und im Norden die Golanhöhen eingenommen. Drei Brücken über den Jordan sicherten die Kontrolle über beide Ufer. Am 22. November 1967 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 242, deren Realisierung bis heute Voraussetzung für Frieden im Nahen Osten ist. Darin wurde der Rückzug der israelischen Streitkräfte aus den während des Junikrieges besetzten Gebieten im Gegenzug für eine arabische Anerkennung des Existenzrechts Israels gefordert. Doch die Resolution war ein Kompromiss und blieb wirkungslos. Indem sie das Recht jedes Staates betonte, "innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen frei von Drohung und Akten der Gewalt in Frieden zu leben", konnte Israel sich darauf berufen, dass seine Vorkriegsgrenzen diese Sicherheit nicht gewährleisteten und ein Rückzug auf diese nicht gefordert werden könne. Die arabischen Staaten und auch die PLO lehnten die Resolution ab, da sie die Anerkennung Israels bedeutet hätte. Bemühungen des UNO-Gesandten Gunnar Jarring sowie des US-Außenministers William Rogers, Ägypten zum Frieden mit Israel zu bewegen, waren erfolglos. Nasser hob den Waffenstillstand 1968 auf und begann einen Abnutzungskrieg, mit dem er Israel zum Rückzug aus dem Sinai zwingen wollte. Sowjetische Spezialeinheiten stärkten die ägyptische Schlagkraft, was Israel mit Luftangriffen beantwortete. Im August 1970 wurde durch Vermittlung von Rogers das Feuer eingestellt.

Arafat, die PLO und die Fedajin

Nasser beauftragte 1964 den Vertreter der Palästinenser in der Arabischen Liga, Ahmed Shukeiri, eine politische Organisation zur Befreiung Palästinas zu bilden. Shukeiri gehörte zur traditionellen arabischen Oberschicht, hatte in Cambridge promoviert und in diplomatischen Diensten Syriens und Saudi-Arabiens gestanden. Er berief den Palästinensischen Nationalkongress (PNC) nach Jerusalem ein, der hier die "Palestine Liberation Organisation" (PLO) gründete. Diese verabschiedete das "Palästinensische Manifest" als Charta der Bewegung, die mit ihrer zweiten, radikaleren Fassung von 1968 die Befreiung Palästinas vom Zionismus und die Beseitigung Israels forderte. Als es unter Shukeirs Nachfolger Jahia Hamouda zu einer Rivalität zwischen Gruppierungen der PLO kam, erwies sich die von Jassir Arafat geführte und schon 1959 in Kuweit gegründete "Al-Fatah" als die an Mitgliedern stärkste und am besten organisierte Gruppe. Sie trat 1969 in die PLO ein, wodurch ihr Führer Arafat Vorsitzender ihres Exekutivkomitees werden konnte, das faktisch eine Regierung des palästinensischen Widerstands war.

Arafat gehörte zur gleichen Schicht wie seine Vorgänger; er wurde 1929 in Kairo oder Jerusalem als Kind eines reichen Kaufmanns und einer dem einflussreichen Clan der Husseinis entstammenden Mutter geboren. Da diese bald nach der Geburt starb, wurde das Kind von ihren Verwandten in Jerusalem versorgt. Hier erlebte der Knabe von 1936 bis 1939 die arabische Rebellion, die ihn beeindruckt haben mag. Als Zehnjähriger ging er zur neuen Familie seines Vaters nach Kairo zurück, wo er die höhere Schule besuchte, das Abitur ablegte und dann Bauwesen und Elektrotechnik studierte. Hier war er Mitglied einer antiisraelischen Studentengruppe, in der er bald mit dem Palästinensertuch, der Keffiyah, auftrat, die bis heute sein Erkennungszeichen und Symbol ist. Nach dem Ingenieurexamen ging er nach Kuweit, damals Sammelpunkt palästinensischer Notabler in hohen Positionen. Hier wurde er als Bauunternehmer wohlhabend und übernahm nach 1959 die Führung der Fatah, die er zunächst zu einer geheimen, konspirativen Bewegung und dann zu einer Guerillaorganisation ausbaute. Sie fand bald in arabischen Städten Anhänger und wurde auch in europäischen Hochschulstädten präsent. Geheime Spendengelder ermöglichten ihr Waffenkäufe, so dass sie ab 1964 von Ost- und Westjordanien aus bewaffnete Aktionen unternehmen konnte. Ab dieser Zeit lebte Arafat als Fatahführer meistens in Jordanien und seinen Nachbarländern. Nach dem Sechstagekrieg bildeten die palästinensischen Guerillagruppen, auch "Fedajin" (d.h. die Opferbereiten) genannt, Basen zur Wiederaufnahme des Kampfes. In Jordanien wurden die Milizen der PLO bald zur Konkurrenz der haschemitischen Dynastie, was König Hussein zu ihrer Zerschlagung im "Schwarzen September" 1970 sowie im Juli 1971 veranlasste. Arafat konnte als Beduine verkleidet aus Amman entkommen.

Yom Kippur als Wende - Frieden mit Ägypten

Israel war sich seit 1967 seiner militärischen Überlegenheit so sicher, dass es mit dem unerwarteten Oktoberkrieg 1973 zunächst in eine Existenzkrise geriet. Doch durch amerikanische Hilfe endete der Krieg glimpflich, und Israel hatte mit Gebieten östlich des Suez und auf dem Golan sogar Trümpfe gewonnen. Dennoch mussten ein Jahr später Premierministerin Golda Meir und ihr Verteidigungsminister Moshe Dajan zurücktreten. Neuer Regierungschef wurde Yitzhak Rabin.

Am 22. Oktober 1973 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 338, welche die an den Kämpfen beteiligten Parteien aufforderte, sich gemäß der Resolution 242 auf die Ausgangspositionen zurückzuziehen. Bemerkenswert war, dass der US-Gesandte Henry Kissinger mit dem sowjetischen Außenminister Andrej Gromyko gemeinsam den Wortlaut erstellt hatte, was das Interesse beider Länder belegte, eine Ausweitung des Konflikts zu verhindern. Kissinger, zunächst der für die Nahostpolitik zuständige Berater des US-Präsidenten und später Außenminister, vermittelte nach einem Waffenstillstand im Januar 1974 den ersten und im Sommer 1975 in Genf den zweiten Sinai-Vertrag. Damit verpflichteten sich Israel und Ägypten, nicht mehr zur Androhung und zum Gebrauch von Gewalt zu greifen, und Israel gab beachtliche Gebiete auf dem Sinai frei. Ägyptens Präsident Anwar al-Sadat nahm 1977 eine Einladung des neuen israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin an und trat am 20. September vor die Knesset. Hier sprach er sich dafür aus, dass Israel alle Garantien erhalte, die ihm ein Leben in Sicherheit und Frieden ermöglichen. Proteste der arabischen Staaten und der PLO konnten den Prozess nicht aufhalten. US-Präsident Jimmy Carter lud Begin und Sadat zu einem Dreiertreffen ein, das im September 1978 im Camp David, dem Feriensitz des Präsidenten, stattfand. Hier einigte man sich auf ein Rahmenabkommen, das die Grundsätze für den endgültigen Friedensvertrag festlegte, der am 26. März 1979 in Washington feierlich unterzeichnet wurde. Im Februar 1980 nahmen beide Staaten diplomatische Beziehungen auf, und Israels Räumung des Sinai war bis zum April 1982 abgeschlossen. Die Arabische Liga reagierte empört und schloss Ägypten aus. Arafat war erbost, denn nach dem Vertrag von Camp David sollten an künftigen Verhandlungen "gewählte Vertreter der Einwohner des Westjordanlands und Gazas" teilnehmen können, während die PLO nicht erwähnt wurde. Arafat erklärte, Sadat als Verräter solle wissen, dass er vernichtet werde. Tatsächlich fiel Sadat am 6. Oktober 1981 dem Attentat einer Gruppe von Islamisten zum Opfer. Sein Nachfolger, Hosni Mubarak, setzte die Politik seines Vorgängers fort.

Debakel im Libanon - Die erste Intifada

Die palästinensischen Milizen im Libanon blieben eine ernste Bedrohung Israels. Sie bildeten bald auch hier einen Staat im Staat. Ein Anschlag auf den israelischen Botschafter in London war 1982 für Israel Veranlassung, einen Feldzug gegen den Libanon unter dem Namen "Frieden für Galiläa" zu eröffnen, der von Verteidigungsminister Ariel Sharon geplant und geleitet wurde. Die Folge war der von der UNO und den USA durchgesetzte Exodus Arafats und seiner Kämpfer, die auf arabische Länder verteilt wurden. Arafat musste in Tunis sein neues Hauptquartier einrichten. Als im September 1982 im Libanon der proisraelische Präsident Gemayel ermordet wurde, richteten christliche Milizen unter dem Schutz israelischen Militärs in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Shatila vor Beirut ein Blutbad an, in dem Hunderte, möglicherweise gegen tausend Menschen ermordet wurden.

Sharon musste als Hauptverantwortlicher zurücktreten. Er blieb einige Jahre Minister mit wechselnder Zuständigkeit, übernahm 1990 den Vorsitz des Likud und wartete auf seine Chance zum Wiederaufstieg. Im August 1983 trat Premierminister Begin zurück. Nachfolger wurde Yitzhak Shamir. Der Libanonfeldzug war in der israelischen Gesellschaft nicht populär. In Tel Aviv kam es zu großen Demonstrationen. Arafat ließ aus Tunis erklären, dass seine Organisation den Kampf gegen Israel fortsetzen werde. Seine Kämpfer, die aus arabischen Ländern ausgewiesen wurden, ließen sich in der Westbank und zum größten Teil im Gaza-Streifen nieder und schürten hier den Widerstandsgeist. In den besetzten Gebieten erregte die immer häufigere Errichtung jüdischer Siedlungen den Zorn der Araber. Die Siedlungen waren auch "gleichsam wasserstrategisch geplant und angelegt", wodurch Israel über 80 Prozent der Wasserversorgung verfügt, was sich auf die palästinensische Landwirtschaft bis heute katastrophal auswirkt. Da die Israelis die Kontrolle der Bevölkerung von Jahr zu Jahr verstärkten, kam es im Dezember 1987 zu Unruhen, die vom Gaza-Streifen ausgehend auf die Westbank übergriffen und in einen Aufstand mündeten, der als erste "Intifada" gilt. Das arabische Wort bedeutete soviel wie "Abschüttelung" und meint damit die Abschüttelung der Besetzung. Eine Komponente war zuerst ziviler Ungehorsam wie z.B. Steuerverweigerung, doch dann warfen palästinensische Jugendliche Steine und Molotowcocktails gegen israelische Soldaten und Institutionen, und im weiteren Verlauf kam es häufiger zu bewaffneten Aktionen. Shamir ließ das Militär hart und rücksichtslos durchgreifen. Nachdem der Aufstand im Herbst 1990 seinen Höhepunkt erreicht hatte, konnte er im Frühjahr 1991 als beendet gelten. Die PLO und ihre Führer spielten in der Intifada keine besondere Rolle, wohl aber Kämpfer der Fatah. Arafat sprang erst spät auf den fahrenden Zug. Seiner Bewegung war mit "Hamas" ein starker politischer Konkurrent erwachsen. 1988 löste König Hussein das Westjordanland aus seinem Königreich und übertrug es der PLO. Daraufhin rief Arafat auf einer Sitzung des Palästinensischen Nationalrats am 15. November 1988 in Algier den Palästinenserstaat aus. Doch die Aktion blieb ohne Bedeutung, da die USA, die westeuropäischen Länder und selbst die Sowjetunion den Staat nicht anerkannten.

Auf der Suche nach Frieden

Im Zeichen der Oslo-Verträge

Nach dem Ende des Golfkrieges berief George Bush für den 31. Oktober 1991 eine Nahostkonferenz nach Madrid ein. Die Vertreter der PLO konnten nur als ein Teil der jordanischen Delegation teilnehmen. Als Folge der Konferenz wurde in Washington weiter verhandelt. Es konnte kein Ergebnis erzielt werden, da die Shamir-Regierung nicht in guter Absicht verhandelte. Nach seiner Abwahl erklärte Shamir, dass er mit den Palästinensern noch zehn Jahre ergebnislos verhandelt hätte. Parallel dazu gelang es den Palästinensern, separate Geheimverhandlungen mit den Israelis aufzunehmen. Im Juni 1992 wurde Yitzhak Rabin neuer Regierungschef von Israel, Shimon Peres sein Außenminister. Der Status der PLO, die bis dahin als "Terrororganisation" galt, wurde legalisiert. Nun konnten Verhandlungen zwischen beiden Seiten auf einer rechtlich einwandfreien Basis stattfinden. Arafats Sprecherin, die Literaturprofessorin Hanan Ashrawi, knüpfte über Vertraute Kontakte zum norwegischen Außenminister Jorgen Holst, der geheime Verhandlungen zwischen israelischen und palästinensischen Unterhändlern in Oslo vermittelte. Geführt wurden die Gespräche auf palästinensischer Seite von Ahmud Kurei (alias Abu Ala, seit 2003 palästinensischer Ministerpräsident), auf israelischer Seite von Jossi Beilin, einem engen Vertrauten von Außenminister Peres, der sich in die letzte Phase der Verhandlungen persönlich einschaltete. Als erster Schritt fand ein Briefwechsel zwischen Arafat und Rabin statt, in dem die palästinensische Seite das Existenzrecht Israels voll anerkannte, dem Terror abschwor und die Resolutionen 242 und 338 des Sicherheitsrates als Grundlage für Verhandlungen akzeptierte. Im Gegenzug anerkannte Rabin nur die PLO als Repräsentantin des palästinensischen Volkes und war bereit, künftig mit ihr zu verhandeln. Das war ein Durchbruch. Jetzt erst wurden die USA und die Weltöffentlichkeit umfassend informiert. Am 13. September 1993 wurde von Arafat und Rabin sowie US-Präsident Bill Clinton als Garant das in Oslo ausgehandelte Grundlagenabkommen, auch Prinzipienerklärung und Oslo I genannt, unterzeichnet. Es legte die Grundlagen für das Verhältnis zwischen den Israelis und Palästinensern in einer fünfjährigen Interimsphase fest, an deren Ende ein Abkommen über den endgültigen Status des Gaza-Streifens und des Westjordanlandes stehen sollte.

Ein Vorfall sollte den Fortgang des Friedensprozesses ernsthaft gefährden. In Hebron erschoss am 25. Februar 1994 der aus den USA eingewanderte Arzt Baruch Goldstein, ein extremistischer Siedler, wahllos 29 in der Ibrahim-Moschee betende Moslems. Nur durch die Bemühungen der amerikanischen, ägyptischen und der israelischen Regierung um Schadensbegrenzung blieb Arafat verhandlungsbereit. Nach dem Gaza-Jericho-Abkommen vom 4. Mai 1994 gruppierte Israel seine Streitkräfte im Gaza-Streifen um und zog sie aus der Stadt Jericho ab. Befugnisse seiner Zivilverwaltung wurden auf die "Palestinian National Authority" (PNA) übertragen, die zum Exekutivorgan der Palästinenser in den künftigen Autonomiegebieten wurde. Allerdings behielt Israel sich das Recht vor, zu jeder Zeit Truppen in die autonomen Gebiete zu entsenden, wenn jüdische Siedlungen oder Israelis des Schutzes bedurften. Damit war die vorgesehene Autonomie erheblich eingeschränkt. Arafat kam Anfang Juli in den Gaza-Streifen, um dort seinen vorläufigen Regierungssitz zu nehmen.

Im September 1995 unterzeichneten Rabin und Arafat ein weiteres Abkommen, das als Interimsabkommen oder Oslo II gilt. Das Westjordanland wurde in drei Zonen eingeteilt. Zur Zone A gehörten die künftig sechs autonomen Städte Nablus, Tulkarem, Kalkilia, Bethlehem, Ramallah und Jenin. Für Hebron als siebte Stadt sollte eine besondere Regelung getroffen werden. Die Zone B mit den Städten und Dörfern, in denen knapp 70 Prozent der palästinensischen Bevölkerung leben, wurde in eine Vielzahl von "Inseln" unterschiedlicher Größe aufgeteilt, die durch israelische Straßen voneinander getrennt und deren Grenzen nur an Kontrollstellen (Checkpoints) zu überqueren sind. Für das Gebiet waren eine palästinensische Zivil- und israelische Militärverwaltung vorgesehen. Die Zone C, die 70 Prozent der Westbank umfasst, ist kaum palästinensisch bevölkert, aber dafür mit jüdischen Siedlungen durchsetzt; hier behielt Israel allein die Zuständigkeit für Sicherheit und öffentliche Ordnung. Im Falle der Gefährdung seiner Sicherheit sollte Israel das Interimsabkommen außer Kraft setzen können, was auch inzwischen geschehen ist.

In den Augen der palästinensischen Oslo-Gegner, allen voran der Hamas, erschienen die PNA und ihr Chef als ein Instrument der Besatzungsmacht und als korrupt. Arafat umgab sich mit Sicherheitsdiensten, die ihn abschirmten und dafür sorgten, dass Opponenten mundtot gemacht wurden. Von einer Demokratie war und ist das Regime Arafat weit entfernt. In Israel gab es zahlreiche Gegner einer Autonomie für die Westbank. Ein israelischer Extremist ermordete am 4. November 1995 Ministerpräsident Rabin. Shimon Peres wurde neuer Regierungschef; er setzte den Kurs Rabins fort, bis er im Mai 1996 die Wahlen gegen Benyamin Netanjahu verlor.

Nach dem Abschluss des Hebron-Protokolls im Januar 1997 räumte die israelische Armee 80 Prozent der Stadt (H-1-Zone). Die restlichen 20 Prozent, in denen 450 extremistische Siedler unter 20 000 Palästinensern leben, bilden die H-2-Zone und umfassen im Wesentlichen den Stadtkern. Arafat nannte Hebron die "befreite Stadt", was von den meisten Palästinensern nicht so gesehen wurde.

Das im Oktober 1998 unterzeichnete "Wye-River-Memorandum", das unter dem Motto "Land gegen Sicherheit" stand, brachte keine Befriedung und war für die weitere Entwicklung ohne Bedeutung. Die israelischen Wahlen im Mai 1999 gewann Ehud Barak gegen Netanjahu; der Regierungswechsel versprach dem Friedensprozess Auftrieb zu geben. Doch auch das Sharm el-Sheik-Protokoll, das von Arafat und Barak in Gegenwart der amerikanischen Außenministerin Albright, des ägyptischen Präsidenten Mubarak sowie des jordanischen Königs Abdullah im September 1999 unterzeichnet wurde, brachte keinen Fortschritt. Jetzt wurde als Termin für das Schlussabkommen September 2000 festgelegt. Als Arafat eine erneute Ausrufung des Palästinenserstaates ankündigte, drohte Israel, militärisch einzuschreiten, und der PNA-Chef ließ den Plan fallen.

Camp David 2000, Taba und die zweite Intifada

US-Präsident Clinton lud Arafat und Barak zu neuen Verhandlungen in Camp David ein, die im Juli 2000 stattfanden. Angeblich hat Israel das "großzügigste Angebot" unterbreitet, sprich 95 Prozent des besetzten Territoriums zur Staatsbildung angeboten, was Arafat als unzureichend ablehnte. Dies ist jedoch eine Legende, wie die Dokumente eindeutig zeigen. Belegt ist vielmehr, dass Israel eine Landaufteilung im Verhältnis 38:12 präsentierte, was für die arabische Seite unzureichend war, die jedoch keinen Gegenvorschlag präsentierte. Im September kam es erneut zu einem folgenschweren Ereignis. Ariel Sharon besuchte mit einem großen Aufgebot an Sicherheitskräften den Felsendom. Die Palästinenser empfanden das als Provokation, und es kam zu einem Aufstand in den Autonomiegebieten. Dieser Besuch war der Auslöser für die zweite, d. h. die "Al-Aqsa-Intifada", die bis heute mit ihrem verheerenden Wechselspiel von Attentaten und Vergeltungsschlägen andauert. Dennoch wurden die Verhandlungen im Januar 2001 im ägyptischen Badeort Taba wieder aufgenommen. Hier boten die Israelis den Palästinensern tatsächlich 94 Prozent des Westjordanlandes an und den Ausgleich der fehlenden sechs Prozent mit drei Prozent israelischen Territoriums sowie einem Korridor zwischen dem Westjordanland und dem Gaza-Streifen. Die palästinensische Seite aber war nur bereit, zwei Prozent des Westjordanlandes auszutauschen. Neu aber waren in Taba das gute Verhandlungsklima und das Einvernehmen in Detailfragen. Danach wurde von israelischer Seite erklärt, dass man niemals zuvor einer Vereinbarung so nahe gekommen sei und die Bereitschaft bestehe, auf der Grundlage des Erreichten weiter zu verhandeln. Dass es dazu nicht mehr kam, lag am Wahlsieg Sharons sowie an der zunehmenden Intensität der palästinensischen Gewalttätigkeiten und der israelischen Vergeltungsschläge.

Gefahr für Arafat

Sharons Ziel war es, die Palästinenser mit militärischer Gewalt zu zwingen, dem Terror ein Ende zu setzen, und in seinen Augen war Arafat der Hauptverantwortliche, der von der Spitze der Autonomiebehörde entfernt werden sollte. Es gab Vorschläge, ihn zu töten oder gewaltsam ins Exil zu bringen. Ende des Jahres 2001 wurde sein Amtssitz in Ramallah von Panzern umstellt und das Verwaltungsgebäude der PNA von israelischen Kampfflugzeugen zerstört. Im April 2002 durchstießen im Zusammenhang mit der Operation "Schutzwall" Panzer die Mauern des Hauptquartiers. Arafat musste mit seinen engsten Mitarbeitern in einen Bunker flüchten, der von israelischen Soldaten umstellt wurde. Dann rückten Panzer in Nablus und in Jenin ein, dessen Zentrum zum größten Teil zerstört wurde.

Am 24. Juni 2002 hielt US-Präsident George W. Bush eine Rede, in der von einer "Vision zweier selbstständiger Staaten" sprach, aber ohne Einschränkung den Rücktritt Arafats forderte. Doch weder die US-Administration noch die europäischen Länder waren sich in dieser Frage einig. Arafat lehnte einen Rücktritt ab, der in seinen Augen einer Kapitulation gleichgekommen wäre. Die Diskussion trug nur zur Steigerung seiner Popularität bei.

Die Road Map und die "Genfer Inititative"

Im September 2002 legten die Außenminister der USA, der EU, Russlands sowie der Vertreter der UNO, die sich im "Nahostquartett" zusammengetan hatten, einen Plan vor, nach dem die Gründung eines palästinensischen Staates in drei Phasen bis 2005 erfolgen soll. Das ausführliche Dokument erhielt den Namen "Fahrplan", in seiner englischen Bezeichnung "Road Map". Ende September zog Israel seine Truppen aus Ramallah ab. Arafat, der eine zunehmende Opposition in der PNA spürte, sicherte seine Macht durch die Einsetzung eines Übergangskabinetts für die Zeit bis zu den vorgesehenen Wahlen im Januar 2003. Doch diese wurden dann auf unbestimmt Zeit verschoben.

Aus den israelischen Parlamentswahlen im Februar 2003 ging der Likud als stärkste Fraktion in der Knesset hervor, doch musste Sharon eine kleine Koalition mit der Shinui und der ultrarechten Mafdal bilden, was eine schwache, aber dennoch absolute Mehrheit von 61 der 120 Mandate ergab. Er konnte nun den harten Kurs gegenüber den Palästinensern fortsetzen, deren Widerstand aber auch eine Folge der permanenten israelischen Demütigungen ist. Besonders explosiv blieb die Lage im Gaza-Streifen, der nach dem Urteil einer israelischen Korrespondentin einem "großen Gefängnis" gleicht. Ein deutscher Politiker hat nach einer Reise in die Westbank die Demütigungen der dortigen Palästinenser durch Siedler recht anschaulich beschrieben. Am 17. November 2003 wurde in Istanbul ein brutaler Anschlag auf zwei Synagogen verübt. Voreilig wurden als Täter Palästinenser vermutet. Unter den 24 Toten waren fünf jüdische Türken. Der israelische Außenminister Silvan Shalom kam zur Kranzniederlegung und sprach bei dieser Gelegenheit von einem Zusammenhang zwischen den palästinensischen Terrorakten und den antiisraelischen wie propalästinensischen Vorbehalten in Europa, die er sogar "verbalen Terror" nannte. Die EU-Mitglieder wiesen das als nicht akzeptabel zurück.

George W. Bush ließ im April 2003 den Regierungen in Jerusalem und Ramallah die "Road Map" als sein neues Friedenskonzept überreichen. Doch sollte eine Diskussion mit den Palästinensern darüber erst möglich sein, wenn Arafat nicht mehr als Gesprächspartner in Betracht komme. Dieser hatte inzwischen den zweitmächtigsten Mann der PLO, Mahmud Abbas (Abu Mazen), zum Ministerpräsidenten ernannt, der in Washington wie in Jerusalem als Gesprächspartner akzeptiert wurde. Bush, Sharon und Abbas diskutierten auf dem Gipfel von Akaba am 4. Juni die "Road Map" und beschlossen ihre Umsetzung. Doch zwischen Arafat und Abbas kam es nun zu einem Machtkampf, der mit dem Rücktritt des Premierministers endete. Nachfolger wurde der bisherige Parlamentspräsident Ahmed Kurei (Abu Ala), der als Vertrauter Arafats gilt. Die israelische Regierung lehnte Verhandlungen mit dieser Führung ab. Eine von ihr formell beschlossene Ausweisung Arafats ließ sich wegen des Widerstands in den arabischen wie europäischen Regierungen, selbst in Washington, nicht realisieren.

Auch in Israel regte sich gegen den Regierungskurs Widerstand, der selbst vor den Wehrpflichtigen nicht Halt machte. Von September 2000 bis Januar 2002 hatten 400 israelische Soldaten den Dienst an der Waffe verweigert, um nicht in den besetzten Gebieten eingesetzt zu werden. Im Januar 2002 hatte die von 52 Reservisten in der Zeitung Ha'aretz veröffentlichte Erklärung Aufsehen erregt, nicht mehr jenseits der Grenzen von 1967 zu kämpfen, "um ein ganzes Volk zu beherrschen, zu vertreiben, auszuhungern und zu erniedrigen". Im September 2003 verweigerten 27 Piloten ihre Teilnahme an Angriffen auf zivile Ziele in den Palästinensergebieten, was sie in einem Manifest "Nicht mehr mit uns" begründeten. 13 Angehörige einer israelischen Eliteeinheit folgten dem Beispiel, und 200 israelische Intellektuelle solidarisierten sich mit den Piloten. Heftige internationale Kritik richtete sich gegen den von Sharon mit Nachdruck fortgesetzten Bau der Sperranlage mit einer acht Meter hohen Betonmauer im Nordabschnitt, da die Anlage nicht auf der Grenze, sondern durch palästinensisches Gebiet verläuft und viele Bewohner von ihrem Besitztum abschneidet.

Am 1. Dezember 2003 wurde in Genf ein Vertragsentwurf unterzeichnet, der von einer israelischen Delegation unter Leitung von Jossi Beilin und einer palästinensischen unter Leitung von Jassir Abed Rabbo mit Unterstützung des Schweizer Außenministeriums erarbeitet worden war. Ziel ist die Zweistaatenlösung, wobei die Grenze auf der "grünen Linie" vom 4. Juni 1967 verlaufen soll. Das Territorium des Palästinenserstaates soll aus dem Gaza-Streifen und 97,5 Prozent des Westjordanlandes bestehen. Für die restlichen 2,5 Prozent soll Palästina ein gleich großes Territorium am Gaza-Streifen und eine Autostraße zwischen diesem und dem Westjordanland erhalten. Als Hauptstadt des Staates ist Jerusalem vorgesehen, dessen Altstadt mit Ausnahme der Klagemauer und des jüdischen Viertels unter palästinensische Kontrolle kommen soll. Die Massenrückkehr der Flüchtlinge steht nicht mehr zur Debatte. Doch soll Israel alle Siedler aus dem Gaza-Streifen und dem Westjordanland zurückführen.

Sharon war empört, dass unautorisierte Personen Verhandlungen mit der Gegenseite geführt hatten, und das Projekt wurde nicht ernsthaft diskutiert. Beilin wollte mit der "Genfer Initiative" eine neue Dynamik in den Friedensprozess bringen. Eine Folge von Genf war, dass in der politischen Rechten Israels Stimmen laut wurden, die eine Abkehr vom Plan eines Großisrael forderten. Aufschlussreich war auch der Likud-Parteitag im Januar 2004, auf dem sich Sharon selbst für die Bildung eines palästinensischen Staates aussprach und große Nachgiebigkeit Israels in Aussicht stellte.

Die Situation erfuhr durch die gezielte Tötung von Scheich Ahmed Yassin eine enorme Verschärfung. Am Morgen des 22. März 2004 wurde der völlig gelähmte Führer der Hamas beim Verlassen einer Moschee von einer aus einem israelischen Kampfhubschrauber abgefeuerten Rakete getötet. Sharon hatte das Einsatzkommando für die Operation persönlich dirigiert. Der Vorgang stieß weltweit auf Kritik, da Israel kein Recht zur außergesetzlichen Tötung habe und damit keine Bedingungen für Dialog und Frieden schaffe. Drei Wochen später wurde Yassins Nachfolger, Abdel Asis Rantisi, in seinem Wagen auf die gleiche Weise umgebracht, was die Rachebereitschaft der palästinensischen Bevölkerung erhöhte.

Inzwischen hat Sharon einen neuen Plan vorgelegt, der den völligen Abzug aus dem Gaza-Streifen mit der Räumung aller dortigen jüdischen Siedlungen vorsieht. Dafür sollen die sechs größten Siedlungsblöcke in der Westbank, in denen die Mehrheit der 220000 Siedler lebt, endgültig israelisches Staatsgebiet werden. Dafür erhielt Sharon in Washington von US-Präsidenten Bush grünes Licht, was international missbilligt wurde. Durch diese einseitige Festlegung der USA wurden die drei anderen Mitglieder des so genannten "Nahostquartetts", Russland, die EU und die UNO, desavouiert. Die Autonomiebehörde reagierte empört, dass über die Köpfe der Palästinenser hinweg die Grenzen ihres künftigen Staates festgelegt werden sollen. Sie nannte Bushs Parteinahme einen "Todesstoß für den Friedensprozess". Die Europäische Union ließ verlauten, sie würde einseitig festgelegte Grenzen zwischen Israel und den Palästinensergebieten nicht anerkennen und forderte das Festhalten an der "Road Map" mit dem Ziel eines palästinensischen Staates neben Israel. Davon ist man nun weiter entfernt als jemals zuvor.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Theodor Herzl, Der Judenstaat, Augsburg 1996.

  2. Vgl. Friedrich Schreiber/Michael Wolffsohn, Nahost. Geschichte und Struktur des Konflikts, Opladen 19892; Ludwig Watzal, Feinde des Friedens. Der endlose Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern, Berlin 20022, S. 13f.

  3. Vgl. Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik, Serie D, Bd XIII, Nr. 515.

  4. Wortlaut in: Elmar Krautkrämer, Krieg ohne Ende? Israel und die Palästinenser. Geschichte eines Konflikts, Darmstadt 2003, Anhang: Dok. 6.

  5. Vgl. Christopher Sykes, Kreuzwege nach Israel, München 1967, S. 385ff.

  6. Vgl. Norman G. Finkelstein, Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Mythos und Realität, München 2002, S. 106 - 167. Eine Relativierung der Vertreibungsthese hat Benny Morris, The Birth of the Palestinian Refugee Problem Revisited, Cambridge 20042, vorgenommen.

  7. Ermächtigung des Präsidenten vom 9. März 1957, in: Europa-Archiv, (1957), S. 9785f.

  8. Vgl. beide Fassungen in: Yehoshafad Harkabi, Das Palästinensische Manifest und seine Bedeutung, Stuttgart 1980, Anhang A und B .

  9. "Bewegung zur Befreiung Palästinas", auf Arabisch: "Harkat-al Tahir al-Watani al-Filastini". Die rückwärts gelesenen Anfangsbuchstaben ergeben Fatah.

  10. Vgl. F. Schreiber/M. Wolffsohn (Anm. 2), S. 296ff. Danach belief sich die Zahl der Ermordeten auf 328, wozu noch 991 Vermisste kamen.

  11. Vgl. zur Wassernot der Palästinenser Harald Neifeind, Der Nahostkonflikt. Historisch, politisch, literarisch, Schwalbach 20022, S. 244ff.; ausführlich dazu auch Amira Hass, Gaza. Tage und Nächte in einem besetzten Land, München 2003, S. 150 - 156.

  12. Vgl. Friedrich Schreiber, Aufstand der Palästinenser. Intifada, Opladen 1990.

  13. Vgl. zu den Geheimverhandlungen Marck Halter/Eric Lauren, Unterhändler ohne Auftrag. Die geheime Vorgeschichte des Friedensabkommens zwischen Israel und der PLO, Frankfurt/M. 1994. Zu den folgenden Ausführungen über den Friedensprozess vgl. L. Watzal (Anm. 2), S. 75 - 190, sowie die zahlreichen Artikel auf der Homepage des Autors: (www.watzal.com). Eine ähnliche Auffassung wie Watzal vertrat Jahre später auch Abdallah Frangi, Der Osloer Friedensprozess als ein Weg zum Frieden?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ) , B 35 - 36/2002, S. 16ff.

  14. Vgl. Einzelheiten dazu in: Archiv der Gegenwart, (1994), S. 38689, und (1995), S. 40408.

  15. Vgl. die Information des ehemaligen israelischen Außenministers Shlomo Ben-Ami, in: Botschaft des Staates Israel in Deutschland, Hintergrund, November 2001.

  16. A. Hass (Anm. 11), Kap. IV.

  17. Vgl. Norbert Blüm, Warum ich Sharon bekämpfe, in: Rheinischer Merkur vom 3. 1. 2004, S. 32.

  18. Vgl. den Wortlaut der Anzeige der 52 Reservisten in: Le Monde diplomatique vom Dezember 2003, S. 4; Begründung der 27 Piloten in: Badische Zeitung vom 4. 10. 2003, S. 3.

  19. Vgl. Moshe Zuckermann, Eine Mauer wird errichtet, in: APuZ, B 35 - 36/2002, S. 25ff.

  20. Vgl. den Inhalt in: Le Monde diplomatique vom Dezember 2003, S. 14.

Dr. phil., geb. 1927; 1952 - 1971 Gymnasiallehrer, 1971 - 1993 Professor für Neueste Geschichte an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg.
Anschrift: Neuhäuserstraße 58, 79199 Kirchzarten.
E-Mail: E-Mail Link: Wkrautkraemer@t-online.de

Veröffentlichungen u. a.: Israel und Nahost, Frankfurt/M. 1980; Krieg ohne Ende? Israel und die Palästinenser. Geschichte eines Konflikts, Darmstadt 2003.