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Mythos Marshallplan? | Der Marshallplan - Selling Democracy | bpb.de

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Mythos Marshallplan?

Dr. Elke Kimmel

/ 2 Minuten zu lesen

Die positive Resonanz, die der Marshallplan bis heute besitzt, ist nicht auf Deutschland beschränkt, aber sie ist hier besonders ausgeprägt. Ganz offensichtlich hängt dieser Mythos nicht von der Höhe der eingesetzten Mittel ab, denn diese waren zwar erheblich aber dennoch nicht so riesig, dass dies allein den Mythos erklären würde.

Bundeskanzler Konrad Adenauer (l.) empfängt Frankreichs Staatspräsident Charles de Gaulle in Köln 1962. (© Bundesregierung, B 145 Bild-00012863, Foto: Rolf Unterberg)

Sonderfall Deutschland

Für Deutschland, insbesondere die Bundesrepublik, liegt der Mythos sicherlich begründet in der Koppelung aus raschem wirtschaftlichen Wiederaufstieg und unerwartet schnell wiedergewonnener politischer Anerkennung auf internationaler Ebene. In Ostdeutschland konnte man von beidem nur träumen, so dass hier ein vergleichbarer Mythos in negativer Umkehrung entstand – als das, was man selbst entbehren musste. Eine eher unkritische Haltung gegenüber dem Marshallplan war deshalb auch hier verbreitet. Kritische Stimmen zum ERP gab es vor allem von denen zu hören, die entweder in ihm den entscheidenden Schritt in Richtung deutsche Teilung erblickten, oder aber deutsche Initiativen zum wirtschaftlichen Wiederaufbau als ursächlicher für dessen Erfolg ansehen wollten.

Der Mythos ist zudem so wirkungsmächtig, weil Deutschland in der Wahrnehmung der Zeitgenossen vollständig am Boden lag, dass ein Wiederaufbau nur in Jahrzehnten möglich schien. Nicht nur gab es enorme Kriegszerstörungen in allen Bereichen und die Lebensmittelversorgung war zusammengebrochen, außerdem mussten sich die Deutschen mit den von ihnen und in ihrem Namen begangenen Verbrechen auseinander setzen.

Verknüpfte Mythen

Der Mythos vom Marshallplan ist zwar eigenständig, aber dennoch mit dem Mythos "Wirtschaftswunder" und mit dem der amerikanischen Selbstlosigkeit eng verbunden. Selbst wenn sich die Fachleute einig sind, dass der Marshallplan dem Eigeninteresse der USA entsprach, lebt dieser Mythos in Festtagsreden unvermindert weiter. Damit wird aber eine zukünftig durchdachte Wirtschaftshilfe für andere Teile der Erde zum bloßen Akt der Mildtätigkeit gemacht. In Zeiten, in denen auch die reichen Länder ihren Wohlstand bedroht sehen, werden solche Akte immer unwahrscheinlicher. Wird dagegen erkannt, dass gesundes Eigeninteresse Unterstützungsmaßnahmen für bestimmte Staaten gebietet, so liegt dieses eher im Bereich des Möglichen.

US-Präsident John F. Kennedy bei seiner berühmten Rede ("Ich bin ein Berliner") am 26. Juni 1963 in Berlin, ganz rechts der damalige Berliner Bürgermeister Willy Brandt. (© AP)

Ein weiteres Bild, das eng mit dem Marshallplan verknüpft ist, ist das der nicht zu hinterfragenden deutsch-amerikanischen Freundschaft. Hier wurde eine historische Linie, anfangend von George Marshall, über John F. Kennedys Worte angesichts des Mauerbaus in Berlin bis hin zu Ronald Reagans Aufforderung, die Mauer einzureißen, konstruiert, die den Mythos von der selbstlosen Hilfe nachhaltig stützte.

Erfolglosigkeit anderer Projekte

Der Mythos gründete sich auf europäischer Ebene nicht zuletzt darauf, dass in den vergangenen 50 Jahren zwar erhebliche und wesentlich größere Mittel in die Entwicklungshilfe geflossen sind, ein ähnlicher Schub wie in Westeuropa allerdings nicht erreicht werden konnte. Der Marshallplan wird damit vor dem Hintergrund gescheiterter Aufbauprojekte – wie beispielsweise in der ehemaligen DDR – zum unerreichbaren Vorbild, sein Funktionieren zum nicht entschlüsselbaren Rätsel. Hinzu kommt, dass angesichts der weltweiten Krisensymptome immer dringlicher nach einer Lösung gesucht wird.

Fussnoten

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Dr. Elke Kimmel, selbständige Historikerin.