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Nord-Uganda | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Nord-Uganda

Lioba Lenhart

/ 9 Minuten zu lesen

Fast 20 Jahre nach dem gewaltsamen Konflikt in Nord-Uganda gehen die größten Stabilitätsrisiken noch immer von den Entwicklungsrückständen und der chronischen Armut in der Region aus. Die Überlebenden von Krieg und Gräueltaten hoffen weiterhin auf Wiedergutmachung.

Das Grenzgebiet zwischen der Stadt Kaya im Südsudan und Oraba in Nord-Uganda erinnert nach heftigen Gefechten zwischen Rebellenmilizen und SPLA-Soldaten an eine Geisterstadt. (© picture-alliance, ZUMAPRESS.com, Sumy Sadurni)

Der Krieg zwischen der Lord’s Resistance Army (LRA) und der ugandischen Armee (1987-2006) war einer der längsten gewaltsamen Konflikte Afrikas. Während des Krieges wurden laut Schätzungen von UNICEF zwischen 35.000 und 66.000 Kinder und Jugendliche von der LRA entführt, als Soldaten zwangsrekrutiert und sexuell versklavt. Zehntausende Zivilisten wurden getötet, verstümmelt, gefoltert oder vergewaltigt. Auch die ugandische Armee beging Verbrechen an der Zivilbevölkerung. Die Infrastruktur der Region wurde zerstört und mehr als 90 % der Bevölkerung drängten sich unter menschenunwürdigen Bedingungen in Lagern für Binnenvertriebene (CSOPNU 2006).

Die LRA begründete ihre Aktionen damit, die Regierung stürzen und so die politische Teilhabe und Entwicklung des Nordens erreichen zu wollen. Sie verband ihren Kampf gegen die Regierung zudem mit der Mission, die Acholi – die größte ethnische Gruppe in der Region – „spirituell zu reinigen“. Dabei wurde christliches Gedankengut mit tradierten Überzeugungen verschmolzen. Die brutalen Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung wurden als Vergeltungsmaßnahmen gegen vermeintliche Regierungskollaborateure sowie fehlende Unterstützung des Kampfes um eine „erneuerte“ Acholi-Gesellschaft gerechtfertigt. Demgegenüber betrachtete die Regierung in Kampala den Konflikt lange Zeit als ein „Problem des Nordens“, das die Stabilität und Entwicklung des ganzen Landes bedrohen würde und militärisch entschieden werden müsste (Lenhart 2006, 2012).

Nach dem Scheitern von Friedensverhandlungen in Juba (2006-2008) zog sich die LRA aus Nord-Uganda in die Republik Süd-Sudan, die DR Kongo und die Zentralafrikanische Republik (ZAR) zurück und richtete ihre Aktionen gegen die dortige Zivilbevölkerung (Neiman 2020). Die Mehrheit der Bevölkerung Nord-Ugandas kehrte in ihre früheren Siedlungen zurück. Nach einer Phase der humanitären Soforthilfe und dem Wiederaufbau hat sich die Lage inzwischen weitgehend normalisiert und die meisten internationalen humanitären und friedensfördernden Organisationen haben Nord-Uganda verlassen.

Im April 2017 stoppten die ugandische Armee und Spezialeinsatzkräfte der US-Armee die Jagd auf LRA-Führer Joseph Kony in der ZAR. Sie begründeten diesen Schritt damit, dass die LRA keine Gefahr mehr darstelle, da die Anzahl ihrer ehemals 2.000 bis 3.000 Kämpfer auf weniger als 100 zurückgegangen sei (Browne 2017). Ein Kopfgeld des US-Außenministeriums auf Joseph Kony in Höhe von 5 Mio. US-Dollar ist jedoch noch immer in Kraft (U.S. Department of State 2025). Heute sollen sich die Reste der LRA in Kafia Kingi im Grenzgebiet zwischen dem Sudan, dem Südsudan und der ZAR aufhalten. Vielen LRA-Kämpfer und ihren Familien gelang es in jüngster Zeit, von dort zu fliehen und nach Uganda zurückzukehren (Titeca 2025).

Der Weg zum Frieden

Die ugandische Regierung versuchte, den Konflikt vor allem militärisch zu beenden, initiierte aber auch Schritte zu einer politischen Lösung. Im Jahre 2000 erließ sie ein Amnestiegesetz, um LRA-Kombattanten zur Rückkehr nach Uganda zu bewegen (Republic of Uganda 2000). Ende 2003 wandte sie sich an den Internationalen Strafgerichtshof (ICC/IStGH) in Den Haag, der daraufhin die völkerstrafrechtlichen Verbrechen der LRA-Führung untersuchte und 2005 Haftbefehle gegen LRA-Führer, Joseph Kony, und vier weiter Kommandanten erließ (Clark 2019).

Seit Mitte der 1990er Jahre bemühten sich nordugandische Politiker, kulturelle und religiöse Führer sowie lokale Nichtregierungsorganisationen (NROs) mit Unterstützung der Acholi-Diaspora, von Geberländern, internationalen NROs und UN-Organisationen um eine friedliche Lösung. Die Friedensverhandlungen zwischen der LRA und der ugandischen Regierung begannen 2006 in Dschuba in Süd-Sudan. Im Laufe der Verhandlungen wurden ein Waffenstillstandsabkommen, ein Rahmenwerk zur Herstellung von Gerechtigkeit und Versöhnung, eine Vereinbarung zur Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration von LRA-Kombattanten sowie ein Plan zum Wiederaufbau Nord-Ugandas unterzeichnet. Weil Kony seine Unterschrift von der Bedingung abhängig machte, dass die Haftbefehle des IStGH aufgehoben werden, kam kein abschließender Friedensvertrag zustande. Trotzdem begannen die ugandischen Behörden mit der Umsetzung der in Dschuba erreichten Vereinbarungen (Lenhart 2006, 2012).

Der 2007 von der Regierung beschlossene Peace, Recovery and Development Plan for Northern Uganda (PRDP) zielte zunächst auf die Verbesserung der Sicherheitslage, den Wiederaufbau der Infrastruktur und des Wirtschafts-, Erziehungs- und Gesundheitssystems, die psychosoziale Beratung von Opfern von LRA-Übergriffen sowie die soziale und ökonomische Reintegration von Ex-Kombattanten der LRA und lokaler Milizen. Die zweite Phase (PRDP 2, 2012-2015) sah die Konsolidierung der staatlichen Autorität auf lokaler Ebene (Verwaltung, Justiz und Polizei) vor. Die dritte Phase (PRDP 3, 2015-2020) rückte die wirtschaftliche Entwicklung der Region in den Vordergrund (Kasande Kihika & Kallweit 2020).

2008 wurde eine Spezialabteilung für Kriegsverbrechen am Obersten Gerichtshof Ugandas eingerichtet, die 2011 in „International Crimes Division“ (ICD) umbenannt wurde. Damit können LRA-Kombattanten nun auch in Uganda vor Gericht gestellt werden (Asiimwe 2012). Im Mai 2013 wurde außerdem das 2012 aufgehobene Amnestiegesetz wiedereingeführt und 2015 erneut verlängert. Es wurde zum 31. Dezember 2023 von der Rechtsreformkommission Ugandas überarbeitet und ist noch immer in Kraft (Republic of Uganda 2000).

2019 verabschiedete die Regierung nach einem jahrelangen Diskussionsprozess die „National Transitional Justice Policy“ (NTJP), welche Gerechtigkeit für die Opfer und nationale Versöhnung in den Mittelpunkt stellt. Dies soll durch die Aufklärung der Wahrheit über den Bürgerkrieg, die strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen durch reguläre Gerichte, die Nutzung traditioneller Justizmechanismen, die materielle Entschädigung der Opfer sowie durch Schritte der Versöhnung und Förderung einer Erinnerungskultur zur Sicherstellung des Nicht-Vergessens erreicht werden (ASF 2019). Um die in der NTJP formulierten Richtlinien umsetzen zu können, bedarf es jedoch eines Gesetzes zur Übergangsjustiz. Ein solcher Gesetzesentwurf wurde 2024 in das Parlament eingebracht, bisher aber noch nicht beraten (Parliament of the Republic of Uganda 2024).

Erfolge und Fortschritte

Fünfzehn Jahre nach Ende des Konflikts hat sich die Situation in Nord-Uganda wesentlich verbessert. Die Sicherheitslage ist gut. Es gibt keine Rebellenaktivitäten mehr, und die Kriminalitätsrate ist niedriger als im Landesdurchschnitt. Polizei und Gerichte, deren Aufgaben während des Krieges weitgehend vom Militär übernommen worden waren, sind inzwischen in allen Distrikten und Unterbezirken der Region präsent (ACCS 2013).

Der Wiederaufbau und Ausbau der Infrastruktur – Straßen, Brücken, Regierungs- und Verwaltungsgebäude, Schulen, Märkte, Krankenhäuser und Gesundheitszentren – mit internationaler Hilfe (Geberländer, EU, Weltbank) schreitet zügig voran. Fast alle großen Banken des Landes haben in Nord-Uganda Zweigstellen eröffnet (Mao 2009). Gulu, die Hauptstadt des gleichnamigen Distrikts und wichtigster Umschlagplatz des Handels innerhalb der Region und mit Süd-Sudan, erhielt 2020 City-Status und wird seitdem als „Agro-Industrial City“ beworben, da sie zu einem Zentrum der industriellen Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte entwickelt werden soll (The Independent 2020).

Auf dem Land helfen Anbieter von Mikrokrediten der Bevölkerung, die vielfach Subsistenzwirtschaft betreibt, wirtschaftlich wieder Fuß zu fassen (Odinga Balikuddembe 2020). Die Bauern sollen in die Lage versetzt werden, durch den Verkauf gelegentlicher Überschüsse ein bescheidenes Einkommen zu generieren. Außerdem werden durch die von der Regierung vorangetriebene Etablierung großer kommerzieller Farmen Arbeitsplätze geschaffen (Byaruhanga et al. 2024). Auch die Entdeckung von Ölvorkommen lässt auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Region hoffen (Wolf/ Vishal Aditya Potluri 2020).

Probleme und Defizite

Die Armutsrate Nord-Ugandas ist trotz Rückgang noch immer eine der höchsten landesweit (Abet 2023). Der Wiederaufbau öffentlicher Schulen und die Einführung der kostenfreien Grund- und Sekundarschulausbildung bieten Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit schulischer Erziehung, doch ist der Ausbildungsstandard niedrig. Auch fehlen in vielen Unterbezirken noch immer weiterführende Schulen (New Vision 2023). Ähnlich desolat ist die Situation im Gesundheitswesen. Es mangelt vor allem an Personal und Medikamenten (Makanga 2021).

Seit der Rückkehr der Binnenvertriebenen in ihre Siedlungen haben Landkonflikte zugenommen, die oft gewaltsam ausgetragen werden (Whyte et al. 2013). Das Land wird von vielen als letzte Ressource betrachtet, die ihnen nach dem Krieg geblieben ist. Die meisten dieser Konflikte drehen sich um Grenzmarkierungen und individuelle Besitzansprüche auf Clan-Land, für das es keine Eigentumsurkunden gibt. Auch stößt der Druck seitens der Regierung, Land in der Region hochkarätigen Investoren zu überlassen, auf Widerstand (Meinert/Whyte 2023).

Ein Problem, das sich im Norden infolge des Krieges in potenzierter Form zeigt, ist die hohe Arbeitslosigkeit (Ongom 2025). Selbst für Hochschulabsolventen aus vermögenden Familien ist es schwierig, Arbeit zu finden (Ssenoga 2025). Die Perspektivlosigkeit betrifft insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene in einem Land, in dem 44 % der Bevölkerung jünger als 14 Jahre sind (Statista 2025).

Die traumatischen Erlebnisse im Verlauf von mehr als zwanzig Jahren Krieg und Vertreibung sowie die Erfahrung der Schwierigkeiten des Wiederaufbaus, von Armut und mangelnden Zukunftsperspektiven mögen Gründe für die hohe Rate an psychischen Erkrankungen und Selbstmorden sein (Lenhart/Whyte 2016).

Die gemischte Bilanz des Wiederaufbaus ist nicht zuletzt auf Korruption und Vetternwirtschaft zurückzuführen. So wurden 2012 etwa 12 Mio. Euro Entwicklungshilfegelder, die für den Peace, Recovery and Development Plan (PRDP) zum Wiederaufbau Nord-Ugandas bestimmt waren, durch das Büro des Ministerpräsidenten veruntreut. Irland, Großbritannien, Norwegen und Dänemark froren daraufhin ihre Zahlungen an die Regierung ein, die einen nicht unerheblichen Teil des Staatshaushalts ausmachen (HRW 2013; Piccio 2012).

Noch bis vor wenigen Jahren waren viele Menschen davon überzeugt, dass Nord-Uganda auch nach dem Krieg eine von der Zentralregierung vernachlässigte Region geblieben ist. Dies erklärt, warum 2013 Oppositionspolitiker der Acholi die bereits 2008 vorgebrachte Idee der Abspaltung von Uganda und Gründung einer unabhängigen „Nil-Republik“ erneut ins Spiel brachten (Heuler 2013). Dass Nord-Uganda heute keine Hochburg der Opposition mehr ist, belegt der Erdrutschsieg der Regierungspartei bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2021 (Uganda Elections Data Portal 2021). Wichtige Gründe dafür waren nicht nur die unbestreitbaren Verbesserungen in Bezug auf die öffentliche Sicherheit, die Infrastruktur und die sozioökonomische Entwicklung in der Region, sondern auch die Uneinigkeit der Oppositionsparteien (Wandera/Namagembe 2025)

Aufarbeitung der Vergangenheit und Friedenskonsolidierung

Obwohl bisher ca. 13.000 Rückkehrer – mehrheitlich von der LRA zwangsrekrutierte Kindersoldaten – Amnestie erhielten und in ihren Herkunftsgemeinschaften traditionelle Versöhnungsrituale durchliefen, ist ihre Reintegration keineswegs eine Erfolgsgeschichte (Finn 2012, Kiefer 2024). Dies liegt unter anderem an der verschwimmenden Grenze zwischen Opfern und Tätern. Ex-Kombattanten, die zur Zeit ihrer Entführung und Rückkehr Kinder waren, werden in der Regel als Opfer betrachtet, wohingegen diejenigen, die in der LRA aufwuchsen und als Erwachsene zurückkehrten, häufig für begangene Gräueltaten verantwortlich gemacht werden. Auch werden junge Frauen stigmatisiert, die in der LRA sexuell missbraucht wurden und mit Kindern zurückkamen.

Um der Stigmatisierung zu entgehen, bemühen sich viele LRA-Rückkehrer um Eingliederung in die ugandische Armee oder ziehen in größere Städte, wo sie anonym bleiben und sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlagen (Kiefer 2024). Einige dieser Rückkehrer haben Peer-Support-Gruppen gebildet, die ihre Erfahrungen teilen, sich gegenseitig darin unterstützen, ihre durch Armut, Marginalisierung und Stigmatisierung verursachten materiellen, sozialen und psychischen Probleme in den Griff zu bekommen und sich in den Gemeinden für Reintegration und Versöhnung einsetzen (JRP/Quaker Peace/Social Witness 2008).

Bisher wurde erst zwei hochrangigen LRA-Kommandanten der Prozess gemacht. Dominic Ongwen, ein Mitglied der LRA-Führungsspitze, wurde 2021 vom IStGH in Den Haag für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in 61 Fällen zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt (ICTJ 2021). Thomas Kwoyelo, ein Kommandeur der mittleren Ebene in der LRA, wurde von der „International Crimes Division“ (ICD) des Obersten Gerichtshofs Ugandas zu 40 Jahren Gefängnis für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und andere gravierende Straftaten verurteilt (ICTJ 2025; Kasande Kihika 2024). Im September 2025 eröffnete der IStGH schließlich ein Verfahren gegen den noch immer flüchtigen LRA-Führer Joseph Kony. Es war die erste Anhörung des IStGHs zur Bestätigung einer Anklage, bei der der Beschuldigte nicht anwesend war (Holligan 2025).

Sowohl IStGH als auch ICD haben Reparationszahlungen für die Opfer der Straftaten von Ongwen und Kwoyelo verfügt. Am 28. Februar 2024 erließ der IStGH eine Wiedergutmachungsanordnung in Höhe von 52,4 Mio. Euro zugunsten von fast 50.000 Opfern. Doch bis November 2024 war kein IStGH-Mitgliedsstaat seinen Verpflichtungen zur Einzahlung in den dafür vorgesehenen Treuhandfonds nachgekommen (The Guardian 2024). Auch die ICD ordnete im Dezember 2024 Wiedergutmachung für mehr als 100 Opfer an, wobei bislang offen ist, wer dafür aufkommen soll. Zahlreiche Opfer sind bereits gestorben, andere müssen seit zwei Jahrzehnten mit psychischen und physischen Verletzungen fertig werden, ohne dass absehbar ist, wann sie für das erfahrene Leid entschädigt werden.

Der IStGH wird nicht nur in Nord-Uganda dafür kritisiert, dass bislang nur LRA-Vertreter angeklagt wurden, während die von der ugandischen Armee begangenen Verbrechen straflos bleiben. Auch hat die Regierung bis heute nicht der Forderung von zivilgesellschaftlichen Organisationen, religiösen Führern, Politikern, Richtern und anderen Gruppierungen entsprochen, eine Wahrheitskommission einzurichten, die auch die Rolle und Verantwortung von Regierungsvertretern und Armeeangehörigen in dem Konflikt aufklärt und Menschenrechtsverbrechen verfolgt. In dem Zusammenhang wäre es wichtig, das oben erwähnte Rahmenwerk der Nationalen Politik der Übergangsjustiz (NTJP) von 2019 endlich in ein Gesetz zu überführen (ASF 2019; Katushabe 2024; Parliament of Uganda 2024).

Weitere Inhalte

Dr. Lioba Lenhart arbeitete von 2009 bis 2021 als Professorin am Institute of Peace and Strategic Studies der Gulu University in Uganda. Seit 2021 ist sie als Programmberaterin im Bereich Krise, Konflikt und Katastrophen für das Programm Ziviler Friedensdienst des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Uganda tätig, das von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) implementiert wird. Ihre Interessen richten sich auf Prozesse der Konfliktbearbeitung, Versöhnung und Friedensentwicklung in Nachkriegssituationen, Vergangenheitsbewältigung und Erinnerungskultur sowie Land- und Ressourcenkonflikte mit Schwerpunkt Mensch-Wildtier-Konflikte.