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Neonazis hinter weißen Masken | Rechtsextremismus | bpb.de

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Neonazis hinter weißen Masken

Johannes Radke

/ 5 Minuten zu lesen

Mit weißen Masken und Fackeln ziehen die "Unsterblichen" durch die Nacht, skandieren rechtsextreme Parolen, Feuerwerkskörper explodieren. Die bedrohlichen Bilder dienen der Propaganda, sollen rechtsoffene Jugendliche begeistern. Es ist eine neue Aktionsform der Nazis, sie wollen einen Mythos konstruieren: von einer braunen Widerstandsbewegung.

Bei einer Razzia in 44 Wohnungen der "Unsterblichen" in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg im Januar 2012 fand die Polizei mehr als 250 Fackeln, dutzende weiße Masken... (© LKA Sachsen)

Es sind verstörende Szenen, die Bautzen in der Nacht zum 1. Mai 2011 erlebt hat. Mehr als 200 Neonazis marschierten gegen Mitternacht durch die Kleinstadt. Sie trugen weiße Masken vor den Gesichtern und brennende Fackeln in den Händen. Feuerwerkskörper explodierten, rechtsextreme Parolen wie "Frei, sozial und national" wurden skandiert. "Damit die Nachwelt nicht vergisst, dass du Deutscher gewesen bist", lautete die pathetische Botschaft auf dem Transparent an der Spitze des Zuges. Der gespenstischen Marsch, der an eine Mischung aus Ku Klux Klan und NS-Propaganda-Aktion erinnert, dauerte nur 20 Minuten. Bis die Polizei Verstärkung gerufen hatte, waren die Täter längst wieder verschwunden.

Wenige Tage später tauchte ein hochprofessionell produziertes Video von dem Aufmarsch im Internet auf. Hinterlegt wurden die Szenen mit dem Soundtrack des Hollywood-Films "Matrix". Eine provokative Machtdemonstration gegen Staat und Zivilgesellschaft. Schnell wurde klar, dass der Aufzug als reine PR-Aktion gedacht war, um mit den beängstigenden Bildern eine bundesweite "Werde unsterblich"-Kampagne zu bewerben. Mehr als 20.000 Mal wurde das Video innerhalb weniger Tage geklickt. Dutzendfach wurden die Aufnahmen immer wieder neu bei allen relevanten Videoplattformen eingestellt. Die Zuschauerzahlen dürften bis heute zusammengerechnet bei weit über 200.000 liegen. Auf der gleichnamigen und ebenfalls ungewohnt professionell gestalteten Webseite werden Interessierte aufgefordert in ihrer Region ähnliche Aktionen nach dem Vorbild der "Unsterblichen" durchzuführen.

Bald wurden die Medien auf die martialischen Bilder aufmerksam. Mehrere Fernsehsender zeigten Ausschnitte des Videos, das die Macher in weiser Voraussicht gleich in HD-Qualität zum Download anbieten. Auch bei Twitter, Facebook und Flickr ist die Gruppe aktiv. Die Maskennazis haben das geschafft, was in der Werbebranche als Viralmarketing bezeichnet wird. Das Video ist derart eindrucksvoll, dass es rechtsoffene Jugendliche sofort weitermailen und in sozialen Netzwerken posten. Anhand der vielen Kommentare lässt sich erahnen, dass selbst nicht-rechte Jugendliche durchaus fasziniert von den geradezu mystisch inszenierten Szenen zu sein scheinen. Ein langer Theorietext über die Ziele der Kampagne hätte nicht mal einen Bruchteil der Zielgruppe interessiert.

...aber auch Pyrotechnik und Waffen wie Schlagringe, Messer und Schlagstöcke. (© LKA Sachsen)

Das Maskenschauspiel, das an den Kult um die Hacker von Anonymous erinnern soll, kommt bei der Jagd um Aufmerksamkeit gerade recht. Mit der neuen Aktionsform versuchen die Neonazis den Mythos einer gesichtslosen, braunen Widerstandsbewegung zu konstruieren. Aber wer steckt hinter den Unsterblichen? Begonnen haben die Vorbereitungen im Jahr 2009. Da begann eine Gruppierung aus Brandenburg unter dem Namen "Spreelichter" mit rassistischen Argumentationsmustern gegen die Demokratie zu hetzen. Der Titel ihrer Kampagne lautet "Demokraten bringen uns den Volkstod". Dahinter stehen junge Rechtsextremisten, die zum Teil in der NPD-Jugendorganisation JN aktiv waren und sich nicht den Autonomen Nationalisten zugehörig fühlen. Dennoch gibt es einen regen Austausch mit diesem Teil des Spektrums. Für Autonome Nationalisten aus Dortmund produzierten die Spreelichter beispielsweise einen Mobilisierungs-Video für einen Naziaufmarsch im September 2011.

Das real existierende Problem der Abwanderung und Arbeitslosigkeit, vor allem im Osten Deutschlands, nutzen die Spreelichter, um das angebliche "Aussterben der Deutschen" zu belegen. Schuld daran seien die Demokratie und "die Ausländer". Die Botschaft der Unsterblichen ist kurz und prägnant: "Demokratie? Nein Danke!" Die langatmigen Theorietexte wurden zu großen Teilen aus NS-Literatur zusammenkopiert. Bis zu 200 Unterstützer kann die Gruppe allein in Brandenburg für Aktionen mobilisieren, heißt es vom Verfassungsschutz.

Die Symbolkraft der Masken wurde strategisch gewählt und wird geschickt eingesetzt. Es geht darum möglichst modern, poppig, ungewöhnlich und trotzdem ästhetisch ansprechend aufzutreten. Eine stilistische Modernisierung, die vor einigen Jahren in der rechtsextremen Szene noch undenkbar gewesen wäre. Gleichzeitig erfolgen die klandestin organisierten nächtlichen Aktionen aber auch aus der Einsicht, dass es zunehmend schwer fällt, mit klassischen Aufmärschen oder Flugblättern rechtsextreme Inhalte über die eigene Klientel hinaus zu vermitteln. In einem Positionspapier der Gruppe heißt es: "Es geht um Propaganda – um Propaganda, die unmissverständlich das System als Grund dafür erkennt und benennt, dass unser Volk seinem Tod entgegengeht."

...und Propagandamaterial wie Postkarten. Explizit bekennt die Gruppe: "Wir sind keine Dekmokraten. Na und?" (© LKA Sachsen)

Einer der führenden Köpfe der Spreelichter ist das ehemalige JN-Mitglied und Informatiker Marcel Forstmeier aus Lübbenau. Der 30-Jährige musste 2010 im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs eine Geldstrafe für die Veröffentlichung eines Flugblattes der Gruppe akzeptieren. 2005 war Forstmeier noch Mitglied der Nazigruppe "Gesinnungsgemeinschaft Südostbrandenburg". Damals war er bei einem Überfall auf einen Jugendklub in Cottbus dabei. Drei Jugendliche wurden durch die Angreifer schwer verletzt. Der Prozess läuft bis heute.

Fackelmärsche nach NS-Vorbild

"Die Unsterblichen behaupten es gäbe einen universellen gesellschaftlichen Verblendungsmechanismus und sie seien eine Avantgarde, die als einzige diesen Zusammenhang durchschauen würde", sagt Politikwissenschaftler Christoph Schulze vom Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin. Normale Bürger seien durch dieses Auftreten kaum ansprechbar, rechts-offene Jugendliche hingegen schon. "Es geht letztlich um ein abenteuerbehaftetes Freizeitangebot und das Gefühl zu einer elitären Gruppe zu gehören", sagt Schulze.

Es ist kein Zufall, dass die produzierten Bilder an die Fackelmärsche der SA erinnern. Auch den Begriff "Volkstod" haben die Macher aus dem Vokabular der Nationalsozialisten entliehen, die mit ihrer "Rassenhygiene" den "reinen Volkskörper" erhalten wollten. Entsprechend wohlwollend wurde das neue Konzept in der Szene aufgenommen und fand schon bald Nachahmer. Bislang haben lokale Neonazigruppen in sieben Bundesländern mehr als 25 Unsterblichen-Aktionen mit bis zu 300 Teilnehmern durchgeführt. Inzwischen treten sie sogar tagsüber auf. Zuletzt liefen im Februar 2012 bei einem Karnevalszug in Konstanz unerkannt zehn Weißmaskierte mit und verteilen rechtsextreme Flugblätter.

"Mir gefällt besonders daran die Farbe Weiß", heißt es auf einer neonazistischen Webseite. "Ich hatte bereits […] angeregt, dass man statt eines linken 'Black Bloc' einen deutschen 'Weißen Block' erschafft. Dieser hat die Vorteile des Block-Auftretens; aber der Deutsche kann erkennen, dass hier die 'Guten' am Werk sind." Die Begeisterung der Szene ist eindeutig. "Echt attraktiv. Das hat Mobilisierungskraft und Attraktivität, mindestens intern!", lobt ein anderer User. Und die ultrarechte Zeitschrift "Zuerst!" schwärmt: "In nicht einmal zwei Minuten entfaltet das Video eine atemberaubende Atmosphäre voller Kraft und Entschlossenheit." Gleich fünf Seiten inklusive Interview, widmete das Magazin der Masken-Gruppe.

Doch so anonym, wie sich die Unsterblichen geben, sind sie nicht. Im Januar 2012 ging die Polizei mit einer Razzia gegen die Gruppe vor. 44 Wohnungen in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg wurden gleichzeitig durchsucht. Mehr als 250 Fackeln, dutzende weiße Masken sowie Pyrotechnik, Schlagringe und Propagandamaterial wurden sichergestellt. Die Fahnder werfen den 41 Beschuldigten vor, an einem nicht angemeldeten Fackelmarsch im September 2011 in Stolpen (Sachsen) beteiligt gewesen zu sein. Aufmerksame Anwohner hatten sich die Kennzeichen ihrer Autos notiert. Kurze Zeit später folgten Razzien in Hamburg und Niedersachsen.

Ob das Konzept der Unsterblichen langfristig tragfähig sein kann, ist fraglich. Der Vorteil, durch konspirativ organisierte Aufmärsche Blockade-Aktionen von Nazi-Gegnern vorzubeugen, begrenzt die Teilnehmer automatisch auf einen kleinen Kreis von Eingeweihten. Die Innenwirkung für die erlebnisorientierten Teilnehmer wird dadurch erhöht. Aber die Außenwirkung, die erst im Nachhinein über spektakuläre Videos erzeugt wird, nimmt mit jeder neuen Aktion ab. Wer klickt schon die immer gleichen Clips mit jeweils wechselnden Städten, die in der Dunkelheit ohnehin nicht zu erkennen sind?

Zudem entfalten die ersten Ermittlungen der Polizei gegen die Gruppe Wirkung. Die sonst so selbstbewussten Unsterblichen werden zunehmend nervös. Zuletzt tauchte auf ihrer Webseite eine Warnung auf: "Viele Deutsche sitzen im Gefängnis, weil sie sich gegen die Demokraten betätigt haben." Deshalb, so die Empfehlung der Betreiber, sollen bei allen Aktionen unbedingt Handschuhe und Masken getragen werden. Der anschließende Rat für die Betroffenen der Hausdurchsuchungen klingt resignierend: "Nimm Dir am besten einen Anwalt."

ist freier Journalist mit dem Themenschwerpunkt Rechtsextremismus und Jugendkultur. Er betreut für ZEIT-Online seit Juli 2009 den Störungsmelder. Gemeinsam mit Toralf Staud hat er das ZEIT-Portal "Netz gegen Nazis" gestartet und an dem "Buch gegen Nazis" mitgeschrieben.