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Webtalk: NPD-Verbot | Pro & Contra | Rechtsextremismus | bpb.de

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Webtalk: NPD-Verbot | Pro & Contra Welche Meinung habt ihr zum NPD-Verbot?

/ 1 Minute zu lesen

Der Webtalk mit Richard Stöss (Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin) und Sebastian Wehrhahn (Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin) ist nun beendet, vielen Dank für eure Beteiligung! Wenn ihr jetzt erst recht verwirrt seid, wie ihr nun eigentlich zum NPD-Verbot steht, könnt ihr auch unseren Externer Link: Test durchspielen, in dem wir die wichtigsten Argumente zusammengetragen haben.

Hier könnt ihr euch die Aufzeichnung des Webtalk-Livestreams anschauen. Moderiert hat für uns die Journalistin Hadija Haruna:

Rohtranskript des Webtalks zum Nachlesen:

Transkipt Transkript des Webtalks vom 07.11.2013 (NPD-Verbot)

Anmerkungen in [Klammern]

Moderation: Hadija Haruna (HH)
Richard Stöss (RS)
Sebastian Wehrhahn (SW)

HH: Herzlich willkommen zum zweiten Webtalk der BPB, heute zum Thema NPD-Verbot. Es gibt ja gute Gründe für und gegen ein Verbot der NPD, und genau darüber will ich heute mit meinen Gästen sprechen. Wer hier neben mir sitzt ist SW, er hat Philosophie studiert und arbeitet seit vielen Jahren in der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, kurz MBR, in Berlin. In der Arbeit stärkt der Verein das demokratische Engagement von Menschen, die daran interessiert sind, er berät und unterstützt zum Beispiel Grundschullehrer, Bezirksräte und Initiativen. Ziel des Vereins ist es, ein offensives Eintreten gegen Rechts und demokratische Netzwerke in den Stadtteilen Berlins zu fördern. Seine Position ist ganz eindeutig, er sagt: Die NPD gehört verboten. Direkt neben mir sitzt Herr Richard Stöss, er ist Professor für Politikwissenschaften am Fachbereich Politische Wissenschaften an der Freien Universität in Berlin. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Parteien und Wahlforschung sowie Rechtsextremismus. Zu seinen zahlreichen Werken zählen unter anderem Veröffentlichungen wie "Gewerkschaften und Rechtsextremismus", aber auch das Buch "Rechtsextremismus im Wandel". Und er hat eine gegenteilige Position, er sagt nämlich: Ein NPD-Verbot kann nur das letzte Mittel sein. Solange nicht alle anderen Mittel ausgeschöpft sind, und das sind sie noch nicht, ist ein Verbot nicht sinnvoll.
Ihr habt Lust bei unserem Thema mitzudiskutieren? Dann nehmt an unserem Chat teil. Direkt unter dem Video auf der Seite, gerne aber auch unter Facebook oder Twitter unter dem Hashtag #wirgegenrex mit X am Ende. Ihr müsst mir aber nicht nur sagen ja oder nein zum NPD-Verbot, ihr könnt mir auch einfach gerne eure Meinung mitteilen, und: was sagt ihr zu den Argumenten unserer Experten, meiner Gäste hier. Bevor wir aber hier anfangen über ein NPD-Verbot zu sprechen würde ich mich gerne erst einmal mit der NPD beschäftigen. Wer ist die NPD überhaupt? Ich habe ein Zitat mitgebracht, das möchte ich euch gerne vorlesen. Das Zitat stammt aus einer Internet-Meldung der NPD Sachsen von 2009: "Ein Parlament ist Mittel zum Zweck, nicht mehr und nicht weniger. Und so nutzen wir die Landtagsbühne als Politikwerkstatt, als Plattform zur Entwicklung politischer Visionen; um uns mit Herrschaftswissen und geistigem Rüstzeug im Kampf gegen die Feinde unseres Landes auszustatten. Und natürlich um unsere Gegner mit ihren eigenen Waffen zu schlagen und ihnen jeden Tag aufs Neue die Maske vom Gesicht zu reißen."
Die NPD gibt es seit 1964, und in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre gelang es der Partei in mehrere westdeutsche Landtage Einzug zu halten. Allerdings nur für eine Legislaturperiode, danach waren quasi zwei Jahrzehnte lang Bedeutungslosigkeit für die NPD angesagt. Erst nach der Wiedervereinigung ist es der NPD gelungen, wieder politischen Einfluss zu bekommen und Stärke zu gewinnen, und das ganz besonders im Osten Deutschlands. Aktuell ist die NPD in zwei Landtagen vertreten, das ist einmal in Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen. Die NPD gibt es also fast fünfzig Jahre, und fast genau so lange wie es die NPD gibt gibt es auch die Debatte um ihr Verbot
Bevor wir aber darüber diskutieren, möchte ich gerne mit Ihnen beiden darüber sprechen, wie arbeitet die NPD heute, wie sieht das Programm aus, und welche politische Rolle spielt sie denn? Herr Wehrhahn, was steht denn im Programm der NPD, oder, was sind die wichtigsten politischen Forderungen?

SW: Relativ aufschlussreich ist bereits der erste Satz in dem Programm der NPD, da heißt es nämlich, im 21. Jahrhundert entscheidet sich Sein oder Nichtsein des deutschen Volkes. Das finde ich aus zweierlei Gründen interessant. Zum einen weil darin ein Geschichts- und ein Weltbild ausgesprochen ist, was für die extreme Rechte nicht nur heute, sondern schon seit geraumer Zeit, extrem wichtig und extrem prägend ist, nämlich die Idee einer unmittelbar drohenden Gefahr, nämlich die Gefahr des Untergangs; und angesichts dieser Gefahr sind drastische Mittel, drastische Maßnahmen unausweichlich. Das ist nicht nur wichtig um das Parteiprogramm zu verstehen, sondern auch, um zu verstehen, wie rechtsextreme Ideologie funktioniert und wie sich überhaupt Leute dazu mobilisieren lassen, sich zu radikalisieren und relativ harte Taten zu vollziehen.
Ein zweiter Punkt den ich interessant finde ist, dass sich daran eine Frage anschließt, nämlich die Frage, wen meint die eigentlich, wenn die NPD von Volk spricht. Das wird dann schnell klar wenn man das Programm weiterliest, und das ist auch sehr wichtig wenn wir über die NPD sprechen, dass wir uns da klar sind: Die NPD meint mit Volk weiße deutsche Männer und Frauen, und das heißt, keine jüdischen Menschen, keine muslimischen Menschen, keine schwarzen Menschen, keine homosexuellen Menschen... die Liste könnte man weiter fortsetzen. Das heißt, sie hat einen sehr engen, völkischen, fast schon nationalsozialistischen Volksbegriff. Und daraus leiten sich dann auch die entsprechenden Forderungen in der Politik ab, ganz zentral natürlich rassistische Forderungen, wenn die NPD beispielsweise von der Rückführung von sogenannten Ausländern spricht, wenn die NPD darüber spricht, dass Fremde und Ausländer aus dem Gesundheits- und Sozialsystem ausgegliedert werden müssen... Aber das hat auch Konsequenzen für andere Politikbereiche, wenn man sich die familienpolitischen Forderungen der NPD anschaut, dann sehen wir da zum Beispiel dass die da von einem zutiefst sexistischen Verständnis von Geschlechtern ausgehen, also es gibt sozusagen zwei Geschlechter, Mann und Frau, die fundamental unterschiedlich sind, die fundamental unterschiedliche Fähigkeiten haben und aus denen sich dann unterschiedliche Rechte und Pflichten ableiten. Und eine weitere Forderung die ich ganz bemerkenswert fand beim Lesen des Programms, eine Bedingung für die nationale Souveränität, um die es der NPD geht, ist das Verfügen über einsatzfähige Nuklearwaffen, denn nur dann ist Deutschland wirklich souverän in deren Augen.

HH: Sie haben es gerade ganz klar deutlich gemacht, wer gehört dazu, wer gehört nicht dazu, wird klar definiert... Herr Stöss, die NPD propagiert ja einen sogenannten völkischen Nationalismus. Was ist denn genau darunter zu verstehen?

RS: Völkischer Nationalismus ist die Verbindung von zwei ideologischen Elementen Einmal das völkische Denken, hat Herr Wehrhahn ja gerade schon angedeutet, und dann das nationalistische Denken. Nationalismus meint eigentlich, dass die Nation der oberste Wert ist. Die Nation bestimmt sozusagen die Hierarchie der Werte, der Normen. Die Hierarchie meint eben auch dass für die NPD die Wiederherstellung des deutschen Reiches an oberster Stelle steht und alle anderen Werte, alle anderen Normen sind dem nachgeordnet. Beispielsweise nachgeordnet sind die Menschenrechte, die Bürgerrechte in Deutschland. Das alles wird nachgeordnet, das eigentliche Ziel der Partei, das nationalistische Ziel, ist die Wiederherstellung des deutschen Reiches. Jetzt debattieren die, in welchen Grenzen, in den Grenzen von 1937, das meint unter Einschluss der ehemaligen deutschen Ostgebiete, die heute völkerrechtlich abgesichert Teil des polnischen Staates, oder in Teilen auch von Russland, sind; andere gehen sogar soweit, die sagen Wiederherstellung des deutschen Reiches in den Grenzen von 1939, das meint unter Einschluss der Ostmark - Ostmark meint Österreich, das ja 1939 dazugehört hat. Das ist sozusagen die nationalistische Seite, die folglich eben, weil die Bürgerrechte nachgeordnet sind, ein antidemokratisches Moment ist. Völkische Seite, hat Herr Wehrhahn bereits gesagt, meint dass diese Nation eben nur aus weißen Deutschen besteht, das heißt es gibt eine ethnische Homogenität, und alle anderen Ethnien, Völker, wie auch immer das formuliert wird, werden entweder diskriminiert, ausgeschlossen, verfolgt, oder im Zweifel sogar, das ist jetzt bei der NPD nicht so der Fall aber in anderen rechtsextremen Ideologien, eben auch in Anführungszeichen vernichtet, wie das im Nationalsozialismus bei den Juden der Fall war. Also jedenfalls eine massive Diskriminierung und Ausgrenzung, die das völkische Element meint, und damit ist auch der völkische Gedanke, das völkische Prinzip auch antidemokratisch. Das heißt also, wir haben es mit zwei Prinzipien zu tun, die sich beide gegen die Demokratie richten. <09:05>

HH: Bevor wir jetzt den Vergleich zur nationalsozialistischen Zeit ziehen, nochmal: Unter diesem völkischen Verständnis, was für Programmpunkte finden sich denn da noch? Ein Beispiel hatten Sie ja genannt, aber was passt denn dazu, mit was arbeitet die NPD da?

SW: Ich habe gerade vorgestern ein Interview mit einer Funktionärin vom sogenannten Ring nationaler Frauen gelesen, die ihre familienpolitischen Forderungen vorgestellt hat und auf die Nachfrage, gilt das denn für alle deutschen Mütter, herumgedruckst hat und gesagt hat, naja, es kommt schon darauf an, was man unter deutschen Müttern versteht. Also das ist dann ein Punkt wo ganz deutlich wird, was dieser völkische Ansatz zur Folge haben würde, nämlich, dass es eine systematisierte Ungleichbehandlung von Menschen in Deutschland gäbe - so denn Menschen, die nach dem Verständnis der NPD nicht deutsch sind, überhaupt noch hier leben dürften.

HH: Was sich dann quasi auf alle gesellschaftspolitischen Bereiche beziehen würde?

RS: Also zum Nationalismus kann man sagen, wirtschaftlich hat das natürlich enorme Bedeutung Der geschlossene Nationalstaat, das ist ja das Prinzip der NPD, zielt darauf ab dass man eine geschlossene Volkswirtschaft hat. Die machen ja immer so Witze und sagen, eigentlich wollen sie Verhältnisse wie in Nordkorea. Also, alles nach außen hin abgeschottet, inwendig soll sich die Volkswirtschaft selbst versorgen, was natürlich unter den Bedingungen der Globalisierung völlig utopisch ist. Der geschlossene Nationalstaat meint eben auch eine wirtschaftliche Abschottung, nicht nur eine ethnische, sondern auch eine wirtschaftliche Abschottung. Die Produzenten sollen autonom für Deutschland produzieren, bestenfalls noch exportieren, aber das Prinzip des geschlossenen Nationalstaates spielt eben auch ökonomisch eine große Rolle, eine verhängnisvolle Rolle, wie ich meine.

HH: Lassen sich denn noch weitere Anknüpfungspunkte zwischen NPD und NSDAP, also der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei im Dritten Reich, festmachen? RS: Also, die offizielle Formulierung ist ja, es besteht eine Wesensverwandtschaft zwischen NPD und NSDAP. Wesensverwandtschaft meint nicht Identität, aber Wesensverwandtschaft bedeutet eben, dass beide Gruppierungen völkisch und nationalistisch waren, die NSDAP sicherlich, was das völkische und nationalistische angeht, noch wesentlich radikaler als die NPD. Bloß das ist im Augenblick noch schwer zu bewerten. Die NSDAP war ja an der Macht, wir wissen nicht, was passieren würde, wenn die NPD an der Macht wäre, wenn man sozusagen die Möglichkeit hätte, sich auszutoben. Jedenfalls im Augenblick ist es so, dass bestimmte radikale Formulierungen... der Nationalismus beispielsweise der NSDAP bezog sich ja auf Lebensraum im Osten, also die Unterwerfung der Völker im Osten, die alle als minderwertig gelten, das findet man bei der NPD nicht. Man findet auch bei der NPD nicht, was den Umgang mit fremden Ethnien, oder in Anführungszeichen mit Ausländern angeht, dass da vernichtet werden soll. Selbst der Antisemitismus, der auch da ist, läuft nicht darauf hinaus, etwa auf einen neuen Holocaust, da geht es lediglich nur auf Ausgrenzung, auf Rückführung und und und... Insofern sind sie vielleicht ein völkischer Nationalismus light im Vergleich zur NSDAP, aber im Prinzip ist es dieselbe ideologische Ausrichtung.

HH: Herr Wehrhahn, warum ist die NPD in manchen Regionen Deutschlands so stark und in manchen Regionen überhaupt nicht und kommt noch nicht einmal an die Fünf-Prozent-Hürde heran bei Wahlen?

SW: Ich würde ganz allgemein erst mal sagen dass die NPD überall dort stark sein kann, wo es keine alltagskulturellen Bedingungen gibt die ihr entgegenstehen, das heißt, wo es keine starken migrantischen Communities gibt, wo es keine alternativen Jugendkulturen gibt, wo es auch keine Kultur der Thematisierung gibt - das, glaube ich, ist ein unglaublich wichtiger Punkt. Wenn man sich bestimmte Regionen anguckt, in denen Lokaljournalistinnen und -journalisten nicht gerne das Thema anfassen, in denen die lokale Politik nicht so gerne möchte dass das Thema behandelt wird weil es vielleicht rufschädigend sein könnte, all das sind Voraussetzungen, die der NPD nur in die Hände spielen. Das würde ich sagen trifft auf einige Orte zu an denen die NPD sehr stark ist.

HH: Und wenn man das jetzt regionalspezifisch sieht und dann aber noch mal bundesweit... Herr Stöss, ist unsere Demokratie durch die NPD ernsthaft gefährdet, kann man das so sagen, oder ist das eine überspitzte Frage?

RS: Das demokratische System der Bundesrepublik Deutschland ist durch die NPD natürlich nicht substanziell gefährdet. Also, die Demokratie ist hierzulande mittlerweile ganz stark und, wie ich meine, auch unumkehrbar. Wir haben, das hat sich seit den sechziger Jahren entwickelt, mittlerweile auch eine sehr kritische Öffentlichkeit, wir haben in vielen Regionen der Bundesrepublik Ansätze von zivilgesellschaftlichen Bestrebungen... das alles muss sich schon noch weiterentwickeln, das ist vielleicht alles noch nicht hinreichend genug, aber das sind Entwicklungen die einfach da sind, und deswegen kann man eigentlich nicht sagen dass die NPD in der Lage wäre, selbst wenn sie noch in mehrere Bundesländer einzieht, das politische, das demokratische System substanziell zu gefährden. Aber, das muss man schon sagen, sie richtet sich natürlich gegen fundamentale Werte unserer Rechtsordnung, ja, wenn wir hier von Menschenrechten reden, es ist eine Partei, die die Menschenrechte in toto ablehnt, auch die Staatsbürgerrechte ablehnt, oder eben nur für weiße Deutsche gelten lassen will. Dabei handelt es sich natürlich um einen massiven Verstoß gegen demokratische Werte, das muss man schon auch sehen. Wenn ich sage, das System selbst ist nicht bedroht, heißt das noch nicht, dass sie völlig problemlos in dieser Demokratie einzuordnen ist.

HH: Im Chat, springen wir noch mal kurz zurück, da ist nämlich eine Frage von Ronja reingekommen, und sie fragt: Wie arbeitet und verhält sich die NPD in den Landtagen, in denen sie vertreten ist? Und ich glaube, die Frage geht noch mal an Sie, Herr Wehrhahn.

SW: Die NPD nutzt, das haben Sie ja auch im Eingangzitat der NPD gesagt, nutzt ihre Präsenz im Landtag in erster Linie als Bühne. Als Bühne, um zum einen rassistischen Propaganda zu verbreiten, nicht nur rassistische, natürlich auch... es gibt Beispiele, wo der Nationalsozialismus verherrlicht wurde, beziehungsweise das Andenken an die Ermordeten im Nationalsozialismus mit Füßen getreten wurde, indem nämlich die Abgeordneten den Raum verlassen haben. Die NPD nutzt allerdings diese Parlamente noch in einer anderen Weise als Bühnen, nämlich um sich zu inszenieren als einzig wahre Opposition, und Beweis dieser einzig wahren Opposition ist dann natürlich, dass sie abgelehnt werden von allen. Sollte es solche Fälle geben, wo sie von allen abgelehnt werden, dass diese Fälle auf einem demokratischen Konsens, auf einer Ablehnung von Rassismus beruhen, und nicht auf der Ausgrenzung einer angeblichen Opposition, ist natürlich eine andere Frage. Die NPD verkauft es dessen ungeachtet natürlich als Beweis ihrer angeblichen Opposition.

RS: Man kann vielleicht noch ergänzen, was vielleicht noch ganz wichtig ist, die NPD benutzt die Landtagsarbeit als Finanzierungsquelle. Das ist enorm wichtig, denn viele Funktionäre werden dann als wissenschaftliche Mitarbeiter der Landtagsabgeordneten eingestellt, man kann die Mittel, die zur Verfügung gestellt werden für Fraktionen - in beiden Fällen gibt es ja Fraktionen, die noch zusätzlich Mittel bekommen - für die Öffentlichkeitsarbeit benutzen. Ich würde mal sagen, dass ein Großteil der Finanzquellen der NPD, auf die kommen wir vielleicht noch, gerade auch durch diese Form der staatlichen Finanzierung bedingt sind oder sich darauf gründen; ihnen ist auch diese materielle Seite der parlamentarischen Arbeit enorm wichtig.

HH: Das ist ja dann quasi die politische Ebene. Aber es wird ja auch immer wieder gesagt, Herr Wehrhahn, dass die NPD enge Verbindungen zur rechten militanten Szene, also beispielsweise den sogenannten Freien Kameradschaften, pflegt.
Wie sieht denn das Verhältnis genau aus?

SW: Das hängt davon ab, welche Regionen man sich anschaut. Prinzipiell ist es so, dass eine der vier Säulen, auf denen das Programm der NPD fußt, der sogenannte Kampf um den politischen Willen ist. Das heißt, die NPD möchte die alleinige Vertreterin des, wie sie es nennen, nationalen Lagers sein, und in einigen Regionen gestaltet sich das dann so, dass sie versuchen, diesen Anspruch gegen die Kameradschaften durchzusetzen, und dass es da mitunter auch Kämpfe und Rivalitäten gibt, in anderen Regionen, wie beispielsweise in Berlin, kann man diesen Rivalitäten nicht sprechen, weil die Spektren identisch sind. Also wenn wir uns den Berliner Landesverband angucken, dann haben wir da mit dem Vorsitzenden eine Person, die auf eine langjährige Karriere im sogenannten Spektrum der autonomen Nationalisten zurückblicken kann; im Landesverband im Vorstand setzt sich das dann durchaus fort. Und wenn man sich die zentralen Projekte der letzten Jahre anguckt, beispielsweise den Aufmarsch zum 1. Mai 2010, der unter dem Motto stattfand, Unserem Volk eine Zukunft - Nationaler Sozialismus jetzt, der wurde mit der Logistik der NPD und der Jungen Nationaldemokraten, also der Jugendorganisation der NPD, vorher beworben, das war ein gemeinsames Projekt von sogenannten parteifreien Strukturen und der NPD, der Anmelder war Sebastian Schmidtke, der ein Jahr später zum Landesvorsitzenden der NPD Berlin gewählt wurde. Also wir sehen, man kann in Berlin zum Beispiel nicht von einer Zusammenarbeit, sondern von einer Amalgamierung sprechen...

HH: ...das heißt...?

SW: ...also sozusagen dass diese beiden Spektren kaum voneinander zu trennen sind. In anderen Regionen ist das durchaus anders, dass da mitunter noch ein bisschen Platz dazwischen ist.<19:30>

HH: Passend dazu kam jetzt über Twitter die Frage von Klara Klein herein: Gibt es eine Verbindung zwischen NPD und NSU? Darüber wird ja auch viel diskutiert, und ist ja auch ein bisschen Anlass warum wir heute hier darüber sprechen.

SW: Nun, es gibt ja bislang an verschiedenen Punkten Hinweise, Anekdoten, Beweise, die solche Verbindungen nahelegen. Wenn wir uns angucken, wer sind die Angeklagten in München, dann haben wir da immerhin zwei Leute, die langjährige NPD-Funktionäre waren. In Thüringen, ich glaube sogar beide in Jena. Wenn wir uns David Petereit angucken, Abgeordneter aus Mecklenburg-Vorpommern, Herausgeber von einem rechtsextremen Magazin, wo bereits 2002 ein Gruß veröffentlicht wurde "vielen Dank an den NSU". Das heißt, neun Jahre bevor dieser NSU sich selbst enttarnt hat, wurde aus diesem Magazin bereits begrüßt. Das wirft zumindest die Frage auf, wie genau sind diese Beziehungen denn beschaffen?

HH: Wie sehen Sie das, Herr Stöss?

RS: Ich denke, dass gerade wenn es zu einem Verbotsprozess kommen sollte, diese Frage eine wichtige Rolle spielen wird. Kann man der NPD nachweisen, dass da tatsächlich Verbindungen bestehen? Man muss ja auch den Nachweis erbringen, dass eine Verbindung von der Partei hin zum NSU, also nicht nur bei einzelnen Personen... bei einzelnen Personen, denke ich, ist das auch so, aber der Nachweis, dass die Partei selbst da involviert war, der wird sehr schwer fallen im Augenblick, jedenfalls kenne ich keine Informationen die darauf hindeuten. Und das wird die NPD natürlich auch immer sagen: Damit haben wir nichts zu tun, einzelne unserer Mitglieder sympathisieren mit denen oder so, die sind auch solidarisch mit den Angeklagten, aber das hat nichts mit der Partei zu tun, wir haben uns immer wieder von Gewalt distanziert. Und das ist auch so, die NPD macht das ja, verbal distanziert sie sich immer von Gewalt, unabhängig davon, was einzelne Mitglieder dann tun. Insofern wird die Herstellung einer solchen Verbindung gerichtsfest nicht ganz einfach sein.

HH: [In die Kamera] Und wie sieht es bei euch aus? Habt ihr Fragen, möchtet ihr euch uns mitteilen, ist die NPD bei euch in der Gegend aktiv und wenn ja, wie äußert sich das? Nehmt an unserem Chat teil, direkt auf der Seite unter dem Video, über Facebook oder über Twitter unter dem Hashtag #wirgegenrex mit X am Ende. Und wir kommen zum nächsten Punkt. Jetzt ist für mich die Frage, wie viel muss eine Demokratie, in der wir ja leben und die wir auch wollen, aushalten können? Und wenn ich mir so demokratietheoretische Gründe angucke, und das habe ich im Vorfeld gemacht, dann ist ja ein Parteiverbot eigentlich problematisch. Es heißt ja, in einer Demokratie geht alle staatliche Macht vom Volk aus und deshalb sollte es keine staatliche Instanz geben die das Recht hat, der Bevölkerung vorzuschreiben, wie sie sich politisch organisiert. Also die Frage, wie viel muss ich aushalten, Herr Stöss? Darf eine Demokratie überhaupt einen Gegner verbieten? Muss eine Demokratie das "aushalten"?

RS: Richtig ist, dass Demokratie in ihrer Reinform auf dem Prinzip der Volkssouveränität beruht. Das heißt, die Philosophie ist die, das Volk findet sich zusammen in Parteien, in Verbänden, in sonstigen Organisationen, gegebenenfalls in sozialen Bewegungen, und und und, entwickelt sozusagen eine Willensbildung, die von unten nach oben geht, irgendwann dann in den Staat einmündet, das heißt der Staat ist nichts weiter als ein Ergebnis dieser Willensbildung, und der Staat hat deswegen nicht das Recht, dem Volk vorzuschreiben, wie diese Willensbildung im einzelnen organisiert sein soll, welche Parteien genehm sind, welche Parteien ungenehm sind. Das ist die Theorie, der ich im übrigen auch anhänge, es gibt aber ein Aber. Die Bundesrepublik hat bei ihrer Gründung, als das Grundgesetz verabschiedet wurde, oder als das Grundgesetz zunächst einmal diskutiert wurde im parlamentarischen Rat, sich auf ein Prinzip verständigt, das man die wehrhafte Demokratie nennt. Das ist eine Erfahrung aus der Weimarer Republik vor allen Dingen, da ist ja... Adolf Hitler ist mehr oder weniger legal an die Macht gekommen, also, die letzten Wahlen waren schon nicht mehr frei, weil die Kommunisten sich nicht mehr beteiligen konnten, weil sich teilweise bestimmte Sozialdemokraten beteiligen konnten, aber immerhin ist es zu einer mehr oder weniger demokratischen Entscheidung gekommen, was dann die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes dazu veranlasst hat zu sagen, es darf nicht sein, dass politische Kräfte, die gegen die Demokratie sind, unter Ausnutzung der demokratischen Spielregeln an die Macht kommen um dann die Demokratie abzuschaffen. Das meint wehrhafte Demokratie, das heißt also, der Staat hat sehr wohl das Recht, Bestrebungen zu verbieten, die sich fundamental gegen demokratische Prinzipien, gegen den wesentlichen Gehalt unserer Verfassung, unseres Grundgesetzes richten. Das heißt, man darf Parteien verbieten, man darf auch Verbände verbieten, und man kann sogar einzelnen Personen die Grundrechte absprechen, wenn sie denn die Bedingung erfüllen, dass sie sich fundamental gegen die, so heißt das bei uns, freiheitlich-demokratische Grundordnung richten, also gegen den Wesenskern unserer Verfassung richten. Also auf ihre Frage, im Prinzip nein, aber in Deutschland schon, wegen der Erfahrung des Nationalsozialismus.

HH: Also es gibt sozusagen eine Klammer. Und der Kommentar aus dem Chat der gerade hereingekommen ist, von Guest76, er sagt: Ich denke, in einer Demokratie muss die freie Rede erlaubt sein. Und wenn ich das lese, dann hat das ja nicht so viel damit zu tun was Sie gerade gesagt haben, da geht es ja dann um mehr. Freie Rede ist ja das eine, und die Grundsätze der Basis zu übertreten indem man aggressiv und gewalttätig vorgeht ist ja etwas anderes.

RS: Nee, nee, es geht auch schon um Freiheit in der Demokratie. Wir hatten ja vorher auch die Frage warum hier überhaupt kein NPD-Mitglied sitzt. Das hängt ja ganz eng damit zusammen. Also die Annahme, dass in der Demokratie alles erlaubt ist, dass man alles sagen darf, die ist falsch. Denn unsere Demokratie, und nicht nur die deutsche, ist immer ein System, das auf bestimmten Werten beruht. Das heißt, die freie Rede findet da ihre Grenze, wo, beispielsweise, bestimmte Rechte, Menschenrechte, verletzt werden. Es ist eben nicht in Ordnung, wenn jemand Juden diskriminiert und sagt, der Holocaust war eigentlich völlig berechtigt. Das heißt, die Freiheit hat auch Grenzen. Und diese Grenzen werden durch unsere Grundrechte bestimmt. Und eine Partei, meiner Meinung nach jedenfalls, die massiv diese Grundrechte verletzt, hat auch nicht das Recht, hier zu so einer Diskussion einen Vertreter zu schicken, denn das würde ja heißen, dass wir die Übertretung von solchen Grundrechten, die Missachtung von demokratischen Werten, gutheißen. Und ich jedenfalls tue das nicht, und deshalb würde ich mich mit solchen Leuten nicht an einen Tisch setzen.

HH: Die freie Rede hat also Grenzen. Und da würde ich gerne mal, Herr Wehrhahn, sie haben da was mitgebracht, ein paar Plakate zeigen lassen. NPD-Wahlplakate, und jetzt zum Thema, wie viel geht und wie viel geht nicht, wie viel müssen wir aushalten können - vielleicht zeigen Sie die mal?

SW: Ja. [zeigt NPD-Plakat "Gas geben!"] Vielleicht belassen wir es auch bei einem, insgesamt zeige ich sehr ungern Neonazi-Propaganda. Wir haben hier ein besonders ekliges Beispiel, das war im letzten Berliner Landeswahlkampf... das dürfte jetzt wahrscheinlich auch reichen... [legt Plakat weg] Damit hat die NPD, wahrscheinlich kalkuliert, für extrem viel Aufsehen gesorgt. Ich würde wahrscheinlich etwas ganz ähnliches sagen [wie Herr Stöss], aber zunächst mal angefangen mit der Frage, was heißt denn aushalten? Auch jenseits von der juristischen Ebene will ich das nicht aushalten. Ich will dagegen protestieren, und ich möchte mich dafür einsetzen, dass solche Positionen so wenig Raum wie möglich haben. Und da sind juristische Mittel gar nicht mal die ersten an die ich denke, aber es sind eben Mittel die ich da auch nicht ausschließen würde.

RS: Ich fand das Plakat doch ganz interessant, weil es zeigt, wie schlitzohrig die Partei in Wahlkämpfen Propaganda macht. Der sitzt auf seinem Motorrad und sagt: Gas geben! Was ist denn daran schlimm, nicht? Die Assoziation, die damit gemeint ist, bezieht sich natürlich auf etwas völlig anderes. So kann man in der gesamten Agitation und Propaganda der NPD aufzeigen, könnte man an vielen anderen Beispielen auch dass sie so sozial auftritt, dass sie sich um die kleinen Leite kümmert, dass sie die Altersarmut bekämpfen will, und und und... Das sind alles Argumente, hinter denen immer nur dieses völkische Denken steht und die nur das Ziel haben, diesen völkischen Nationalismus hier einzuführen. Aber es wird instrumentalisiert mit irgendwelchen anderen Bedürfnissen, die in der Bevölkerung tatsächlich auch da sind. Deswegen finde ich es schon ganz gut auch über solche Plakate zu reden und auch deutlich zu machen, wie die Leute dadurch auf eine völlig falsche Fährte gelockt werden sollen.

HH: Das ist ja auch eine subtile Beeinflussung, gerade wenn es eine Grauzone gibt in der man sich bewegen kann, dann gibt es da die verschiedensten Methoden das einzugehen... Aber jetzt noch mal auf die Demokratie, weil viele auch hier im Chat, bekommt ja mit, diskutieren gerade, wo ist die Beschränkung, wie viel muss man zulassen, wie viel darf man verbieten. Also vielleicht noch mal an Sie beide die Frage, was bleibt denn von einer Demokratie, jetzt überspitzt gefragt, wenn man die Meinungsfreiheit und die Parteienfreiheit einschränken würde.

SW: Ich finde, die Frage klingt so, als würde danach etwas wegfallen was jetzt da ist. Da würde ich Herrn Stöss total zustimmen, beide Begriffe, Parteienfreiheit und Meinungsfreiheit, sind in ihrer Definition bereits eingeschränkt. Wie das bei rechtlichen Begriffen immer so ist, man muss natürlich definieren, welchen Geltungsbereich haben die denn zum Beispiel Und bei Meinungsfreiheit gibt es ja viele Momente, wo die an ihre Grenzen stößt. Ich darf zum Beispiel niemanden verleumden, ich darf nicht zu Straftaten aufrufen, Jugendschutzgesetz setzt Grenzen, Sittlichkeit setzt Grenzen. Wenn ich unterschrieben habe dass ich keine Geheimnisse weitergebe, darf ich die auch nicht weitergeben. Und sogar, das finde ich ein ganz gutes Beispiel, um das Prinzip zu verdeutlichen, sogar in den Vereinigten Staaten, wo die freedom of speech noch einen sehr viel höheren Rang hat als hier beispielsweise, gibt es dieses eine Urteil, auch schon von Anfang des Jahrhunderts, das unter Strafe stellt, in einem Theater unberechtigt "Feuer" zu schreien wenn kein Feuer ausgebrochen ist. Das hat auf den ersten Blick nicht viel mit dem Thema zu tun, zeigt aber, diese Begriffe enthalten für sich genommen bereits Einschränkungen. Ähnlich mit der Parteienfreiheit, das heißt, ich kann eine Partei gründen, ich kann auch in eine Partei eintreten, es heißt aber auch, die Partei muss nach innen demokratisch organisiert sein, das heißt da haben wir auch bereits eine Einschränkung. Und jenseits solcher Formalia frage ich mich, warum an der Stelle der mögliche Verlust von Meinungsfreiheit beklagt wird, wo es um das Recht von Neonazis geht, neonazistische Propaganda zu verbreiten. Wenn beispielsweise Leute sagen, wir fühlen uns durch solche Plakate verletzt, wir fühlen das Andenken an unsere Verwandten verletzt; wenn Interessengruppen sagen, also jetzt auch mal von der NPD weg, wir wollen nicht mehr dass diskriminierende Sprache in den Medien verwandt wird, in Kinderbüchern verwandt wird, da ist das Verständnis relativ gering, wenn man sich die Debatten anguckt - aber wenn die NPD sagt, wir würden für uns gerne das Recht in Anspruch nehmen, für uns witzige Formulierungen zur nationalsozialistischen Vernichtung auf unsere Plakate zu drucken, dann wird die Meinungsfreiheit mobilisiert. Und da fallen mir Sachen ein, die für mich eine größere Gefahr für die Meinungsfreiheit sind als möglicherweise der Verzicht von Neonazis auf diese Propaganda.

RS: Da liegt aber wahrscheinlich die Differenz die wir beide haben, weil ich ja denke eine Demokratie muss in gewissem Umfang tatsächlich auch unkonventionelle, abweichende Meinungen ertragen können, sich mit ihnen auch auseinandersetzen, ohne dass sofort staatliche Repression eintritt. Die Frage ist ja, wer verbietet, und wer setzt sich eigentlich mit solchen Meinungen auseinander. Wir sollten das nicht alles dem Staat überlassen und sagen, der Staat muss jetzt zuschlagen, der muss die Partei verbieten, oder der muss mit dem Verfassungsschutz die alle beobachten und dann an den Pranger stellen. Sondern das ist für mich auch ein Teil von Demokratie, dass es zunächst auch mal eine geistig-politische Auseinandersetzung geben muss in der Bevölkerung. Angefangen bei der politischen Bildung bis bin zu zivilgesellschaftlichen Einrichtungen. Sie selbst sind Bestandteil davon, die ja doch sehr gute Arbeit macht und genau diesen Kampf aufnimmt; das finde ich gut und richtig und das muss man auch unterstützen. Deswegen ist ja mein Argument, erst wenn das ganz hart an der Kante ist, dass dann staatliche Repression zuschlagen muss, und dafür haben wir beispielsweise das politische Strafrecht. Also beispielsweise solche Plakate müssen natürlich, kann man daraufhin überprüfen, verstoßen sie gegen Strafrecht, verstoßen sie gegen geltendes Recht? Ohne dass der Staat jetzt gleich Verbotsmaßnahmen einleitet, sondern sagt, in dem Fall dürft ihr das nicht machen, und man kann dann die Autoren oder diejenigen die das verbreiten bestrafen, im Zweifel auch zu Gefängnisstrafen verurteilen. Das ist alles möglich. Die Frage ist aber in der Tat, wo ist die Grenze, wie viel müssen wir ertragen, das war ja Ihre Frage, wie viel müssen wir eigentlich ertragen, und ich denke dass man das nicht so allgemein beantworten kann, sondern man muss es immer in der konkreten historischen Situation sehen. Ich glaube halt im Augenblick, das die zivilgesellschaftlichen Potenziale im Kampf gegen den Rechtsextremismus noch längst nicht ausgeschöpft sind, weil es vom Staat auch Hemmnisse dagegen gibt. Also diese berühmte Extremismus-Klausel, ich weiß nicht ob wir darüber noch reden werden - dass der Staat ja teilweise zivilgesellschaftlichen Einrichtungen sogar mit Misstrauen begegnet, die gegen den Rechtsextremismus kämpfen, und sie unter den Verdacht stellt, sie hätten ja eigentlich auch etwas gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, die sind ja dann linksextrem oder ich weiß nicht was. Also ich glaube, dass diese Potenziale noch längst nicht ausgeschöpft sind, so dass man sagen kann, okay, die ultima ratio ist jetzt das Parteiverbot. So weit sind wir noch nicht, deswegen würde ich eher jetzt erst mal die Forderung stellen, gerade jetzt angesichts der Koalitionsverhandlungen, kümmert euch mal darum, dass zivilgesellschaftliche Initiativen gestärkt werden, nicht nur moralisch, sondern auch finanziell; dass die politische Bildung ausgebaut wird in dem Sinne, und und und... genau das was wir hier veranstalten über die Bundeszentrale für politische Bildung, die ja da auch sinnvolle Projekte macht. Da ist noch sehr viel Musik drin, wie man sich da kümmern kann, bevor man den Schnitt macht und sagt, jetzt müssen wir mit einem Verbot ran.

HH: Also Ihnen geht es quasi um Bewusstseinsbildung und die Unterstützung von Bewusstseinsbildung von zivilgesellschaftlicher Seite, und Sie [zu SW] sagen, ja das ist wichtig - Sie machen es ja auch mit Ihrem Verein - aber wir brauchen auch den Staat dahinter der das vorantreibt.

SW: Ja, so ähnlich. Da sind tatsächlich gar nicht so weit auseinander. Ich glaube nur nicht, dass das in so einer Reihenfolge geschehen muss. Ich glaube, und da sind wir uns wahrscheinlich einig, das wichtigste Mittel gegen Rechtsextremismus ist eine engagierte Gesellschaft, sind Leute, die in der Lage sind, dagegen aufzubegehren, dem Widerstand entgegen zu setzen. Und das ist schließlich auch das, was am erfolgversprechendsten ist. Ich glaube nur, dass juristische Mittel nicht außer Acht zu lassen sind. Ich glaube zwar auch, es ist noch lange nicht ausgeschöpft, und nicht umsonst bin ich in diesem Bereich tätig und nicht juristisch; ich glaube nur, man kann nicht darauf verzichten, das zeigen auch Verbote von Kameradschaften oder anderen Verbindungen. <36:10>

HH: Da gibt es noch einen Unterstützer auf Facebook, FrankieWG hat einen Kommentar hinterlassen, er sagt: Statt Verbot Investition in die Bildungsarbeit gegen Rechtsextremismus. Und das wäre auch eigentlich meine nächste Frage, nämlich:Was kann man anstatt eines Parteiverbotes noch tun, was ist wichtig? Sie haben es schon ein bisschen angesprochen, Herr Stöss, aber vielleicht noch mal detaillierter hinzugucken, was fehlt, was braucht es, um anstatt einem Verbot auch wirklich Kontra zu geben?

RS: Also ich kann für meine Seite nur sagen, für die wissenschaftliche Seite, für die Praxis ist ja Herr Wehrhahn zuständig, es gibt auf meiner Ebene eine Fülle von Modellen wie man mit dem Problem umgeht; Unterrichtseinheiten, Erziehungsmethoden, Friedenserziehung beispielsweise. Es ist ja die Frage, wie geht man an das Problem ran, wie bekämpft man Rassismus, also Gewalt gegen "Fremde", gegen "Ausländer", wie löst man eigentlich Konflikte ohne Gewalt, und und und. Diese ganze Ebene, die auch stark pädagogisch geprägt ist, da gibt es eine Fülle von Maßnahmen, eine Fülle von Projekten, eine Fülle von Vorschriften, übrigens auch von Erforschung von gelaufenen Projekten, wie sind die eigentlich erfolgreich gewesen, was davon kann man weitermachen, Best Practice nennt sich so was, welches davon ist wirklich erfolgreich... Ich glaube, es mangelt daran, das anzuwenden. Aber es liegt um Grunde genommen unheimlich viel vor. Deswegen ist es meiner Meinung nach auch die Aufgabe des Staates, also der staatlichen Behörden, solche Projekte zu fördern, die Umsetzung zu fördern.

HH: Wenn ich jetzt von meinem Gefühl ausgehe, da stockt es, das fühlt sich nicht so transparent an. Wie sehen Sie das?

SW: Ich sehe das im Prinzip ähnlich, aber anstatt dass ich nochmal dasselbe sage, sage ich einfach noch weitere Sachen. Prinzipiell glaube ich, dass man sich Rechtsextremismus überall dort entgegenstellen kann, wo er einem begegnet. Und das sind eben nicht nur Aufmärsche der NPD, sondern der begegnet uns in unserem Alltag, in Sportvereinen, der begegnet uns in Kleingartenkolonie, wo immer man hinguckt... Wenn ich beim Fußballschauen sitze und hinter mir jemand sich darüber aufregt dass bestimmte Nationalspieler in seinen Augen keine Nationalspieler seien weil sie nicht so deutsch aussehen wie er sich Deutsche vorstellt, dann kann ich aufstehen und dem widersprechen. Ich kann das nicht so stehen lassen. Wenn in meiner Nachbarschaft eine Neonazi-Kneipe aufmacht kann ich mich mit meinen NachbarInnen in Verbindung setzen, kann ich Projekte und Initiativen kontaktieren und fragen, was kann man da machen; dann können wir Wege finden, wie wir die da wieder raus kriegen. Und natürlich auch, wenn Neonazis ankündigen, in meiner Stadt einen Aufmarsch zu machen, kann ich mich mit Leuten in Verbindung setzen und versuchen, Proteste zu organisieren, dass dieser Aufmarsch vielleicht nicht stattfinden kann.

RS: Die Aufgabe wäre natürlich... wir sagen immer, das sind antidemokratische Erscheinungen - wie kann man eigentlich demokratische Strukturen in der Gesellschaft ermöglichen. Das fängt in der Schule an, wie können wir mehr Demokratie in der Schule haben? Ich als Parteienforscher kann Ihnen sagen, wie können wir mehr Demokratie in Parteien haben? Überhaupt demokratische Strukturen zu fördern, die Leute zu ermuntern, sich selbst auch zu betätigen, wie Sie das auch gesagt haben, sich auch zivilgesellschaftlich couragiert zu betätigen. Und dann eben auch in der politischen Bildung immer deutlich zu machen, das lohnt sich, das ist vernünftig. Wir haben Schüler beispielsweise, die Selbstverwaltung machen: das lohnt sich, wir können dadurch besser unsere Interessen innerhalb einer Schule vertreten. Also wenn wir da mehr demokratische Strukturen reinbringen: Engagement ist sinnvoll, Engagement lohnt sich... Das heißt, die Arbeit gegen Rechtsextremismus muss viel breiter sein, nicht nur weg mit NPD, oder Faschismus, sondern es geht darum, demokratische Strukturen im Bewusstsein, aber dann auch in der Realität zu schaffen. Und da denke ich gibt es eine Fülle von Ansätzen, man könnte unheimlich viel tun, wenn die moralische und finanzielle Unterstützung dafür gegeben wäre.

HH: Und wenn ich das richtig verstanden habe geht es auch nicht nur um Rechtsextremismus allein, sondern auch um Recht, und natürlich auch um Rassismus, weil das ist ja auch ein Thema, das oftmals nicht angesprochen wird, wenn ich das richtig gedeutet habe... Weil es ja um Rechtsextremismus geht, und das bin ich ja nicht... aber ich kann auch direkt im Fußballstadion etwas tun, wenn ich etwas mitbekomme.
Ja, und auch jetzt wieder die Frage an euch, ihr habt zugehört, ihr habt euch vielleicht eine Meinung gebildet... teilt sie uns gerne mit, stellt aber auch gerne Fragen an die Experten. Im Chat wird heftig diskutiert, da häufen sich die Themen. Über Facebook, aber auch über Twitter unter dem Hashtag #wirgegenrex mit X am Ende. Hier ist noch etwas hereingekommen, eine Mail über die Seite der Bundeszentrale. K.O. ist der Namensgeber: Ich bin für ein Verbot der NPD, da ja die Abschaffung der Demokratie eines ihrer Ziele ist und sie somit meiner Meinung nach nicht auf demokratischen Rechten bestehen kann. Diese Meinung ist ein perfekter Übergang zum nächsten Kapitel, nämlich der Frage, was bringt ein Verbot der NPD.
Was bringt ein Verbot der NPD?

RS: Vielleicht darf man dazu sagen: Doch, demokratische Rechte haben alle. Selbst Straftäter haben demokratische Rechte, selbst Leute die einsitzen weil sie verurteilt sind, haben demokratische Rechte. Also das kann nicht das Argument sein. Man kann sie verbieten, wird sie verbieten, und dann können sie dagegen klagen.

HH: Dazu kommen wir ja noch, was das bedeuten könnte wenn sie dagegen klagen, wenn das alles so kommen würde. Aber momentaner Zustand ist ja, die NPD genießt, Sie hatten es angesprochen, viele Privilegien und auch den Zugang zu Infrastrukturen; als Beispiel, viele Bürgerinnen und Bürger finanzieren indirekt über ihre Steuern die NPD mit, und die Frage, die im Raum steht, ist, ob ein Verbot den Rechtsextremismus wirksam bekämpfen würde, das schwang ja jetzt immer wieder mit. Herr Wehrhahn, was wäre denn der konkrete Nutzen von einem Verbot? SW: Ganz unmittelbar würde die NPD Geld verlieren, Mandate verlieren, Immobilien verlieren. Das würde für die NPD selbst natürlich die Folge haben, dass sie nicht mehr existiert, aber auch darüber hinaus Folgen haben. Das heißt, es könnten keine Rechtsrock-Konzerte mehr als NPD-Veranstaltungen angemeldet werden, es könnte keine rassistischen Veranstaltungen unter dem Deckmantel der NPD durchgeführt werden, insbesondere nicht in städtischen, bezirklichen Räumlichkeiten, auf die die NPD einen Anspruch hat. Und dann gibt es natürlich noch mittelfristige Folgen die so ein Verbot hat, das sehen wir bei der Geschichte der Verbote von anderen Parteien und Organisationen, dass es ein sehr zeitaufwändiger Prozess ist, sich wieder in irgendeiner Form, in einer Struktur zu organisieren, die eine ähnliche Kraft hat wie sie die NPD jetzt hat.

RS: Wir hatten ja schon mal ein Parteiverbot, das ist schon lange her, aber da war auch der Effekt, dass nach dem Verbot der Sozialistischen Reichspartei, das 1952 war, also ewig her, dass das ein Signal war an den bestehenden Rechtsextremismus außerhalb der SRP, da gab es ja auch noch andere Gruppierungen, dass die gemerkt haben, der Staat lässt sich nicht alles bieten. Also wir, der demokratische Staat, lassen uns nicht auf der Nase herumtanzen, und wenn es zu schlimm wird, greifen wir auch ein. Und das hat dazu geführt, dass der Rechtsextremismus in den 50er Jahren wesentlich friedlicher war, also das Anknüpfen an den Nationalsozialismus, das haben sie dann alle sein lassen, jedenfalls verbal in der Öffentlichkeit. Weil sie sich gesagt haben, okay, sonst sind wir auch gefährdet, dass man uns verbietet. Also es hat auch so eine gewisse Wirkung auf den übrigen Rechtsextremismus, dass sie nicht so radikal auftreten können, besonders was Gewalt angeht. Also da sind schon Effekte - wir reden jetzt vom organisierten Rechtsextremismus allerdings - Effekte auf den organisierten Rechtsextremismus.

HH: Also so wie ich das heraushöre, könnte ein Verbot die rechtsextreme Szene auch schwächen, ist das das was Sie ausdrücken wollten, Herr Stöss?

RS: Ja, den organisierten Rechtsextremismus. Wir müssen ja sehen, der Rechtsextremismus erscheint ja in sehr unterschiedlichen Facetten. Es gibt die Organisationen, es gibt den nicht organisierten, subkulturellen, bewegungsförmig strukturierten Rechtsextremismus... Dann gibt es, das wird hier offenbar ja auch angesprochen gerade, den Rechtsextremismus in den Köpfen, also rechtsextreme Einstellungen. Also man muss jetzt genau gucken, was sind die Effekte eines Verbots, auf welche dieser drei Gruppen beziehen sich diese Effekte?

HH: Da ist gerade ein Kommentar über Facebook reingekommen, von Steffen Blattner, er sagt: Nicht verbieten! Wenn man eine Partei verbietet, ändert das gar nichts an dem rechten Müll in den Köpfen derer, die sie wählen. Nehmt der NPD die Basis, und das Problem erledigt sich von alleine. Sonst ist es morgen nicht die NPD, sondern irgendeine andere Partei rechts außen. Das würden Sie unterschreiben, oder eher nicht?

SW: Das würde ich so unterschreiben; die Frage ist ja, ob man nicht das eine tun kann ohne das andere zu lassen, also... natürlich ist es so, und da gebe ich dem User bedingt recht, ein Verbot ist nicht die Maßnahme, die notwendigerweise ein Umdenken von denen zur Folge hat, die verboten werden. Gleichzeitig kann man natürlich auch feststellen, dass Neuorganisationsprozesse immer auch zur Folge haben, dass Leute nicht mehr mitmachen, weil es aufwändig ist, weil man sich zerstreitet, und in einer Szene wo alle Führer gut finden, wollen alle auch gerne Führer sein. Das heißt, da gibt es Streitigkeiten, es gibt Zersplitterungen, und so weiter und so fort. Das wäre ein Erfolg, eine Schwächung, und ja, vielleicht würden auch einige Leute umdenken. Zweifelsohne ist das nicht das Feld, auf dem der Kampf gegen Rechtsextremismus und rechtsextreme, rassistischen, antisemitische Einstellungen gewonnen wird. Da geht es tatsächlich darum, das an der Basis anzugehen.

RS: Vielleicht noch hier zu der Meldung von dem Steffen Blattner: Es ist ja richtig, dass die Gefahr besteht, dass wenn eine Partei verboten wird sich die Mitglieder in einer anderen Partei zusammenfinden. In der Regel ist es aber, dass wenn das Bundesverfassungsgericht eine Partei verbietet, verbietet es auch zugleich die Bildung von Nachfolgeorganisationen. Das heißt, eine Partei nach dem Muster der NPD wird es dann nicht mehr geben. Eine vielleicht friedlichere, dass die in andere Parteien gehen, in die AfD beispielsweise, Alternative für Deutschland, eine europakritische Partei, oder es gibt ja noch Die Freiheit, ich weiß nicht ob die noch eine Rolle spielen da,, weiß man nicht... Aber eine Nachfolgeorganisation für die NPD, im übrigen auch für ihre Suborganisationen, die dann auch verboten werden, also Junge Nationaldemokraten, die Frauenorganisation Ring nationaler Frauen, das alles wird nicht mehr funktionieren. Insofern wird es nicht ganz einfach sein für die Mitglieder, die überzeugte Nationaldemokraten waren, eine andere Partei zu finden. Das ist auch die Erfahrung mit der SRP, die meisten sind in der Tat dann in die innere Emigration gegangen. Deren Einstellung im Kopf hat sich dadurch nicht geändert, aber sie haben nicht, oder nur in Ausnahmefällen, die Basis für eine neue Partei oder für eine bestehende Partei gebildet.

HH: Hier ist ein Kommentar reingekommen der knüpft eigentlich direkt daran an, und zwar ist es: Wäre denn eine neue Partei, wie Sie sie beschreiben, die zwar nicht wie die NPD ist, und einen anderen Namen trägt, in anderem Gewand erscheint, ohne Beobachtung nicht viel gefährlicher?

RS: Nun, wir gehen ja davon aus dass die zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sehr wohl beobachten, genau hingucken, was machen die eigentlich, und sich dann auch mit denen auseinandersetzen, im Internet, auf der Straße, in Gegendemonstrationen, und und und... Selbst wenn man, wie ich, kein Anhänger des Verfassungsschutzes ist und dann auch nicht meint, dass der Verfassungsschutz jeder Partei hinterher schnüffeln muss, denke ich, haben wir genug demokratische Potenziale, im übrigen auch demokratische Medien, sollte man nicht vergessen, denn auch die Presse ist ja auch zumeist sehr kritisch zu diesen Parteien eingestellt... Dass sozusagen da eine Öffentlichkeit da ist, die deutlich macht, hier ist eine neue Partei und was damit passiert. Also die Aufklärung kann sehr wohl funktionieren.

SW: Ja, dem würde ich anschließen. Zum einen gibt es eine sehr aktive Beobachtung der NPD durch antifaschistische, zivilgesellschaftliche Initiativen. Es gibt natürlich dasselbe auch für andere, Kameradschaften, und auch andere rechte Parteien. Und natürlich wird es auch der Fall sein wenn es eine neue rechte Partei gibt die sich gründet. Da, würde ich sagen, gibt es keinen unmittelbaren Zusammenhang. Wenn, dann im umgekehrten Sinne, dass der Neugründungsprozess überhaupt Aufsehen erregt und eine stärkere In-Focus-Nahme eher begünstigen könnte.

HH: Und jetzt mal weg von einer Parteienbildung sondern eher der Blick auf die Szene: So ein Verbot von der Partei als trotzdem einziges seriöses Organ, in Anführungszeichen... Würde das die Szene nicht noch mehr radikalisieren?

SW: Ich frage mich ja immer, was das für Vorstellungen sind: Wie radikaler soll es denn eigentlich noch werden? Und zum anderen gibt die Erfahrung mit verbotenen Organisationen das nicht her, es kam nicht zu einer Radikalisierung. Es gibt Leute, die behaupten, das Oktoberfestattentat 1980 war eine Folge von dem Verbot der Wehrsportgruppe Hoffmann; nun kann man gleichzeitig auch fragen, ob nicht Organisationen wie Wehrsportgruppen ohnehin ein gewalttätiges Potenzial in sich tragen, das genau zu solchen Taten führt. Und wenn wir uns den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) anschauen, und die Biographie der Täter und der Täterinnen anschauen, merken wir, dass da eine verbotene Organisation keine besonders große Rolle gespielt hat. Umgekehrt könnte man fragen, was wäre denn vielleicht anders verlaufen, wenn der Thüringer Heimatschutz schon damals unter stärkerer Repression gewesen wäre, vielleicht verboten worden wäre, und nicht lediglich durch ungezählte V-Männer staatlich auch noch finanziert worden wäre.

RS: Es gibt ja eine Theorie, die lautet, dass wenn im Rechtsextremismus Parteien besonders erfolgreich sind, dann achten sie darauf, dass das gewalttätige Potenzial zurückgefahren wird. Also da ist ein Beispiel, Sie haben das ja vorhin erwähnt, die NPD war in den 1960er Jahren in sieben westdeutschen Landtagen vertreten, und damals war die Gewaltbereitschaft jenseits der NPD im Rechtsextremismus sehr gering. Das hat die Partei auch immer versucht zu verhindern, sie hat es nicht immer geschafft wie wir wissen, mit ihrem Ordnerdienst. Sie hatte einen Ordnerdienst, der ziemlich militant aufgetreten ist. Aber das Gewaltpotenzial war ziemlich gering, weil die NPD gesagt hat, wir wollen Wahlkämpfe gewinnen, und da schadet uns nur, wenn man gewalttätig ist. Das kann man zeigen, dass die ersten terroristischen Aktivitäten zu einer Zeit waren wo die NPD auch ziemlich schwach war. Das wird als Argument immer herangeführt. Ich denke auch, und da würde ich ihm zustimmen, dass mittlerweile die NPD ja selbst mit diesen Gruppen zusammenarbeitet. Diese These mag früher gestimmt haben, sie mag auch in anderen Ländern stimmen, also es gibt auch Beispiele dafür in Frankreich und in anderen europäischen Ländern, ich denke aber in Deutschland, gerade was die NPD angeht, ist die Bereitschaft eher da mit solchen Gruppen zusammen zu arbeiten, wenn auch mit dem Interesse, sie in die Partei zu integrieren, aber man arbeitet mit ihnen zusammen und toleriert damit natürlich auch die Gewalt.

HH: Und jetzt noch mal einen Blick auf die Gesellschaft geworfen. Wir haben es ja vorhin schon ein bisschen angesprochen, jeder ist sozusagen beteiligt, es geht nicht nur um den extremen Rand, über den immer gesprochen wird... Würde so ein NPD-Verbot nicht auch zu einer falschen Beruhigung führen, also die NPD wäre dann quasi nicht mehr sichtbar und alle könnten dann denken, so, das Problem hat sich erledigt, und der Rechtsextremismus ist besiegt. Was würde das gesellschaftlich bedeuten? Würde das beruhigen?

SW: Das kommt darauf an, würde ich sagen. Prinzipiell besteht diese Gefahr natürlich immer, wenn man über Rechtsextremismus oder Rassismus spricht, es kommt darauf an, wie man darüber spricht. Man könnte so eine These auch ganz ähnlich für die Untersuchungsausschüsse zum NSU behaupten oder für den Prozess in München. Das heißt, wenn der Prozess vorbei ist, ist die Aufmerksamkeit weg. Es wird wahrscheinlich niemand sagen, dann lassen wir den Prozess lieber bleiben. Sondern dann muss man darüber nachdenken, wie spricht man denn über Rechtsextremismus und Rassismus: Spreche ich in einer Art und Weise darüber, die das Problem als sehr weit weg von mir darstellt, das sind nur Jugendliche, nur Männer, nur in Ostdeutschland, hat mit mir überhaupt nichts zu tun, kommt in meinem Bezirk nicht vor, in meiner Partei nicht vor, in meiner sozialen Klasse nicht vor, und so weiter und so fort...? Oder spreche ich über Rechtsextremismus und Rassismus als ein gesellschaftliches Problem? Wenn wir uns Umfragewerte angucken, dann gibt es Zustimmungen zu Rassismus zwischen zwanzig und dreißig Prozent. Wenn wir Leuten zuhören, die Interessengruppenvertreter sind, dann merken wird, es gibt ein massives Problem mit Rassismus in Institutionen, bei der Polizei, im Bildungsbereich. Also, eine Sorge habe ich nicht: Dass uns die Anlässe ausgehen, über Rechtsextremismus und Rassismus zu sprechen. Ich wünsche mir, dass es irgendwann so ist, aber ich glaube es erst mal für die absehbare Zeit noch nicht daran. Es finden jeden Tag Übergriffe statt, es finden jeden Tag Angriffe statt, es gibt genügend Anlässe, darüber zu sprechen, man muss sie nur wahrhaben wollen.

HH: Also das Argument ist nicht haltbar?

RS: Das Argument ist erst mal ja schon bedenkenswert. Alle reden jetzt über ein Verbot. Interessanterweise redet niemand darüber, was machen wir sonst noch? Gerade jetzt, wo Koalitionsverhandlungen sind, da wird eine neue Bundesregierung gebildet, die über achtzig Prozent der Mandate im deutschen Bundestag hat, da würde man doch erwarten, dass sie sagt, okay, Verbot wollen wir jetzt machen, tun wir jetzt, womöglich beteiligt sich sogar der Bundestag, die Bundesregierung... Aber was noch? Wie geht man denn mit dem Rechtsextremismus in den Köpfen um, der hier immer im Internet angesprochen wird [gemeint ist der Chat]? Das fehlt mir halt, und deswegen ist die Gefahr besonders groß, gerade von konservativ eingestellten Menschen, die sagen, da ist der Staat dafür zuständig, der Staat hat jetzt das seinige getan, wir haben die verboten, damit ist Ruhe im Karton. Die Gefahr besteht für mich, wenn man nicht ein Gesamtprogramm macht, das sowohl repressive Maßnahmen enthält, meinetwegen auch Verbot, aber eben auch gesellschaftspolitische Maßnahmen enthält. Und genau diesen Mangel sehe ich im Moment, deshalb finde ich das Argument schon erst mal diskussionswürdig.

HH: Und im Chat-Kommentar wird das noch mal bestätigt: Ich bin gegen ein Verbot, das Problem ist in Köpfen. Und Guest76, der vorhin sich schon mal zu Wort gemeldet hat, schreibt noch mal im Chat: Freie Kameradschaften wird es ja weiter geben, von daher werden noch oft Rechte auf die Straße gehen. Herr Stöss, definieren Sie die NPD dann eher als ein Symptom oder als das Problem selbst?

RS: Also, das Argument mit dem Symptom ist ja nicht ganz falsch. Die Erfolge der NPD beruhen ja unter anderem auch darauf, dass bestimmte Menschen, die unzufrieden mit ihrer Lebenssituation sind, das können soziale Probleme sein, das können aber auch politische Probleme sein, politisch-kulturelle Probleme sein, die sehr unzufrieden sind, und wollen dann sozusagen den etablierten Parteien einfach mal die Braune Karte zeigen. Das kann aus Protest sein, es kann auch aus Überzeugung sein, aber anyway, die Unzufriedenheit schlägt sich hier nieder in der Unterstützung von Rechtsextremismus. Insofern ist die NPD natürlich auch ein Stück weit Ausdruck von Unzufriedenheit in der Gesellschaft. Aber was lehrt uns das denn? Also wir müssen dann an die Ursachen der Unzufriedenheit gehen. Es gibt halt soziale Probleme, gerade in den neuen Bundesländern, denken wir mal an die Demonstrationen gegen Hartz IV, die Hartz-IV-Auseinandersetzungen, die haben eben gerade in Ostdeutschland noch größere Bedeutung gehabt als in Westdeutschland, weil da das Lohnniveau niedriger ist, das Rentenniveau niedriger ist, und die NPD-Erfolge, als sie das erste Mal in Sachsen eingezogen sind 2004, fanden auf dem Höhepunkt dieser Hartz-IV-Protestaktivitäten statt. Also ein Stück weit spielt das schon auch eine Rolle. Doch daraus die falschen Schlussfolgerungen zu ziehen wäre ja falsch, also der Staat muss schon auch etwas tun um die Lebenslage der Menschen zu verbessern, oder um jedenfalls den Leuten deutlich zu machen, wir tun wirklich alles, damit es euch tendenziell besser geht. Und in dem Augenblick, wo die Menschen den Eindruck haben, das machen die nicht, die kümmern sich eh nicht um uns, durch welche Maßnahmen auch immer, besteht natürlich die Gefahr, dass auch solche Parteien gewählt werden. Nur mal als letzten Satz, wenn man unzufrieden ist mit seiner sozialen Lage ist die einzige Alternative nicht, NPD zu wählen. Man kann sich auch in Gewerkschaften organisieren, man kann sich in Initiativen, die sich um Arbeitslosigkeitsprobleme kümmern, engagieren... Es gibt ganz viele Möglichkeiten, man muss seine Stimme nicht unbedingt der NPD geben, wenn man unzufrieden ist.

SW: Vielleicht noch mal ganz kurz daran anschließend, dem würde ich total zustimmen. Ich glaube, und daraus folgt auch etwas für die genannten Organisationen, für Parteien, für Gewerkschaften, und so weiter und so fort, wenn man sagt, dass der Kampf gegen Rechtsextremismus auch einer ist um die Deutungshoheit über die soziale Frage, über soziale Themen, dann heißt das eben auch für Verbände, für Parteien, für Initiativen, dass es wichtig ist, Fälle von sozialer Ungleichheit so zu thematisieren, dass die Leute das Gefühl haben, es geht um sie - und gleichzeitig zu verzichten auf nationalistische, völkische, rassistische Deutungen dieser sozialen Probleme.

HH: Also, soziale Gerechtigkeit: Wer trägt die Schuld, wer trägt sie nicht, und sollte die NPD verboten werden, ja oder nein? Was ist denn eure Meinung [in die Kamera]? Ihr diskutiert heftig auf Facebook, das muss ich mir später noch mal ganz genau anschauen, aber: Schickt mir eure Nachrichten, kommentiert auch das was meine Gäste hier sagen, gerne über Facebook, auf der Seite unter dem Video, oder auf Twitter unter dem Hashtag #wirgegenrex mit X am Ende. Wir kommen zum letzten Punkt dieses Gesprächs, nämlich der Umsetzung der Frage: Wie funktioniert denn so ein Verbot einer Partei überhaupt? Wir diskutieren dieses Verbot ja seit dem Bekanntwerden der Mordserie des NSU; der Bundesrat hat beschlossen, einen Verbotsantrag zu stellen beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, und der wird derzeit bearbeitet, oder erarbeitet. Die Frage um die es jetzt gehen soll ist, welche Voraussetzungen müssen eigentlich erfüllt sein damit eine Partei verboten wird? Und sind die Voraussetzungen im Fall der NPD gegeben? Herr Stöss, wieso wird eine Partei überhaupt zugelassen, mal plakativ gefragt?

RS: Parteien werden eigentlich gar nicht zugelassen. Jedermann, jedefrau ist berechtigt, eine Partei zu gründen. Wenn sich diese Partei an Wahlen beteiligt, muss sie sich bei dem Bundeswahlleiter, oder auf Landesebene bei den Landeswahlleitern, anmelden. Die Voraussetzungen für die Zulassung bei den Wahlen sind rein formaler Art. Also, es müssen ein paar Leute sein, ich glaube fünf oder sechs, mehr müssen es gar nicht sein; sie müssen ein Programm haben, das Programm kann sehr kurz sein, sehr klein sein - aber nur formal, keiner guckt, was in dem Programm steht. Und sie müssen, wie das so schön heißt, die Ernsthaftigkeit dokumentieren, dass sie am politischen Willensbildungsprozess teilnehmen, aber selbst Joke-Parteien, das gibt es schon auch bei uns, haben die Möglichkeit, sich an Wahlen zu beteiligen. Also es gibt keine Zulassung von Parteien, der Parteigründungsprozess ist frei, und es gibt allenfalls formale Bedingungen, aber keine inhaltlichen Bedingungen an die Gründung einer Partei.

HH: Das ist also in viel geglaubter Irrtum, dass man zugelassen werden müsste, das haben Sie gut erklärt. Wie genau funktioniert denn dann, wenn ich eine Partei gegründet habe, die existiert dann, wie die NPD schon fast fünfzig Jahre - und wie funktioniert dann ein Verbotsverfahren? Wie setzt man das in Gang, wer entscheidet dann über das Wie und das Was?

RS: Also zuständig für Parteiverbote, jetzt geht es um Parteien die auf Bundesebene aktiv sind, ist das Bundesverfassungsgericht. Es gibt ja Parteien die nur auf Landesebene zugange sind, und da wären dann die Landesverfassungsgerichte zuständig. Wir bleiben aber mal auf der Bundesebene, also das Bundesverfassungsgericht entscheidet über das Verbot einer Partei. Da ist der Zweite Senat zuständig, das Bundesverfassungsgericht hat ja zwei Senate, das ist wichtig; der Zweite Senat besteht aus acht Richtern und Richterinnen. Und die Entscheidung muss mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit gefällt werden, das heißt, die Hürden sind schon deswegen unheimlich hoch: Wenn nur drei Richterinnen oder Richter dagegen sind, läuft nichts. Antragsberechtigt sind nur drei: Der Bundestag, der Bundesrat und die Bundesregierung. Also keine Verbände beispielsweise, keine Privatpersonen können da tätig werden, es sind nur diese drei Institutionen, oder genauer gesagt Verfassungsorgane. Nur die dürfen einen Antrag stellen und müssen diesen Antrag begründen. Diese Begründungen, die da ausgearbeitet werden, das machen in der Regel die Verfassungsschutzämter, die tragen die Argumente zusammen, und werden dann von Juristen namens der Bundesregierung, des Bundestags oder des Bundesrats vorgetragen. Und dann entscheidet der Zweite Senat mit Zwei-Drittel-Mehrheit seiner Mitglieder.

HH: Ich glaube, Sie haben die Frage die jetzt reingekommen ist, vorhin schon beantwortet, aber ich stelle sie trotzdem noch mal, um es deutlich zu machen. Henry Krause fragt über Facebook: Vielleicht könnt ihr mal darüber aufklären in welchen westlichen Demokratien es überhaupt das Instrument des Parteiverbotes gibt?

RS: Ganz schwierige Frage. Also, Parteiverbote gibt es in vielen westeuropäischen Ländern, wobei die Bedingungen ganz unterschiedlich sind. Der entscheidende Punkt in Deutschland ist ja, dass wir die wehrhafte Demokratie haben, und dass deswegen Parteiverbote nur durch das Bundesverfassungsgericht durchgeführt werden können. In Spanien beispielsweise gibt es das Instrument des Parteiverbots, auch dort ist das Verfassungsgericht zuständig, aber es gibt kein Prinzip der wehrhaften Demokratie. Das heißt, wenn man in Spanien eine Partei verbieten will, muss man ganz anders argumentieren. Die haben beispielsweise einmal die Herri Batasuna, das ist eine Partei der militanten Basken, verboten, aber mit dem Argument, die bekämpfen ja militant, bewaffnet, die Demokratie. Das heißt, da haben wir in den einzelnen Ländern ganz unterschiedliche Vorstellungen. In Dänemark beispielsweise gibt es kein Parteiverbot, in Dänemark kann man eine NSDAP gründen, die gibt es auch im übrigen - obwohl die Dänen während des Zweiten Weltkrieges ja besetzt waren von Deutschland, also hätte man ja annehmen können, die wehren sich jetzt gerade wenn eine Nazi-Partei organisiert ist. Nein, die argumentieren so wie wir vorhin mit der Volkssouveränität, demokratische Prinzipien, Parteien werden nicht verboten. In den USA gibt es beispielsweise auch kein Parteiverbot. Also man muss sich das in einzelnen Fällen angucken. Teilweise kann man Parteien auch durch einen administrativen Akt verbieten, wobei die Parteien dann aber sich gerichtlich dagegen wehren können. Die Situation ist ganz kompliziert, so dass man nicht sagen kann, es gibt die Länder, da gibt es ein Verbot, und es gibt Länder, da gibt es kein Verbot.

HH: Herr Wehrhahn, nach einem Urteil vom Bundesverfassungsgericht heißt es, ein Parteiverbot geht nur dann, wenn eine Partei nicht nur verfassungsfeindlich ist, sondern verfassungswidrig. Das sind ja zwei ganz nahe Begriffe, vielleicht noch mal kurz erläutern was das genau bedeutet.

SW: Also, verfassungsfeindlich bezeichnet eine Einstellung gegenüber Grundwerten unserer Demokratie Damit eine verfassungswidrige Haltung vorliegt, muss auch eine, wie es heißt, aktiv-kämpferische aggressive Grundhaltung gegenüber den Werten der Demokratie vorliegen. Das letzte Mal ausbuchstabiert wurde das glaube ich Mitte der 1950er Jahre, insofern ist es wirklich die große Frage, was die Richterinnen und Richter darunter fassen werden.

HH: Kämpferisch-aggressive Haltung - aber die NPD distanziert sich ja von Gewalt, darüber haben wir auch mehrmals hier gesprochen. Ist das nun ein Lippenbekenntnis, ist die NPD gewalttätig? Das ist jetzt natürlich sehr spekulativ, aber da noch mal hingeguckt, wenn es nun um Verfassungswidrigkeit geht und damit natürlich auch um die Frage, ob ein NPD-Verbot überhaupt durchzubringen wäre?

SW: Das Moment der Gewalt kann man insgesamt von der NPD nicht trennen. Wir haben ja vorhin über die Grundlagen gesprochen... ein solcher Begriff von Volksgemeinschaft bedeutet immer Gewalt gegen die, die nicht dazu gehören, egal ob nun jemand selbst die Lunte anzündet oder nicht. Zweifelsohne ist diese Frage, wer die Lunte anzündet, für ein Verbot durchaus relevant, das gebe ich zu. Aber es mangelt ja nun auch nicht an Beispielen wo es Verbindungen in gewaltbereite Szenen gibt, wo Ordnerdienste zum Beispiel von der NPD beauftragt werden die sich aus gewaltbereiten Strukturen rekrutieren. Wenn wir uns angucken, was für NPD-Funktionsträger zum Beispiel zu Veranstaltungen von Blood & Honour ins Ausland fahren - Blood & Honour ist hierzulande verboten -, dann wirft das auch die Frage auf, wie denn die Beziehungen beschaffen sind. Und wenn wir uns auch einzelne Aussagen angucken in Hinblick auf eine Zukunft wie sie sich die NPD vorstellt... Ich glaube, auf der Homepage von dieser Sendung ist dieses Zitat auch drauf von Udo Voigt, dem ehemaligen Vorsitzenden, der das Selbstbestimmungsrecht der Völker dergestalt auslegt, dass es erlaubt sein muss, wenn wir - wen auch immer er mit wir mein - entscheiden, dass Europa das Land der weißen Rasse ist, dass sie das zur Not auch mit militärischen Mitteln durchsetzen würden. Das ist doch eine relativ klare Ansage zum Verhältnis zur Gewalt.

RS: Das Stichwort ist natürlich: Man weiß es nicht. Das ist genau das Problem. Das Bundesverfassungsgericht hat sich letztmalig in diesem Zusammenhang beim KPD-Verbot 1956... erstmalig 1952 beim SRP-Verbot, darüber haben wir vorhin gesprochen, als Nachfolgeorganisation der NSDAP, und dann wurde 1956 die KPD verboten. Da hat es diese Formulierung gebracht, die Herr Wehrhahn auch angesprochen hat. Also man muss sozusagen gewalttätig sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten, mit dem Ziel, diese letztendlich zu beseitigen. Das Problem: Was heißt dabei Gewalt? Weder die KPD noch die SRP hat damals einen gewalttätigen Kampf gegen die Bundesrepublik geführt. Was meinte das Bundesverfassungsgericht damals mit Gewalt? Es gibt ja unterschiedliche Gewaltbegriffe, es gibt noch einen Begriff der strukturellen Gewalt, es gibt den Begriff der ideologischen Gewalt. Man kann, wenn man nur den Holocaust leugnet, damit sozusagen Gewalt ausdrücken. Die Frage ist, wie wird das Bundesverfassungsgericht urteilen, es muss sich ja diese Kriterien selbst erarbeiten, es ist nicht verpflichtet, sich an sein Urteil von 1952 oder 1956 zu halten. Die Richter und Richterinnen können sagen, wir haben jetzt, unter den heutigen Bedingungen, ganz andere Kriterien an denen wir uns orientieren. Das heißt, man weiß es nicht, und damit ist ein Verbotsverfahren immer auch ein Risiko. Es kann daneben gehen. Nicht wie beim letzten Verbotsverfahren, sondern auch aus inhaltlichen Gründen, dass man der NPD gar nicht nachweisen kann, dass sie sich mit allen Mitteln gegen den Wesenskern unseres Grundgesetzes, unserer Demokratie richtet.

HH: Bevor ich die Frage stelle, was vor zehn Jahren war, kommt hier eine Frage aus dem Chat von Guest442: Kann man die NPD nicht als Nachfolgeorganisation der Sozialistischen Reichspartei, also wiederum der NSDAP verstehen und somit ein Verbot erzwingen ohne ein erneutes Verfahren zu riskieren?

RS: Das ist ein interessanter Gedanke. Der spielte bei der NPD, bei der alten NPD, die Sie angesprochen hatten, in den 1960er Jahren... 1969 hatte sie sich ja an der Bundestagswahl beteiligt und damals knapp die Fünf-Prozent-Hürde verfehlt mit 4,3 Prozent, und da kam bereits das Argument auf, man muss doch überhaupt kein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht gegen diese Partei einleiten, denn Nachfolgeorganisationen - die NSDAP ist durch alliiertes Recht verboten worden, und die Gründung von Nachfolgeorganisationen ist verboten. Das heißt, man muss die NPD einfach nur auflösen, nichts, kein Verfassungsgericht... Das ist jetzt hier derselbe Gedanke, der hier eine Rolle spielt. Das Problem ist jetzt, kann man wirklich den Nachweis bringen, dass die NPD eine Nachfolgeorganisation der SRP und damit indirekt der NSDAP ist? Ich denke mal, das wird sich juristisch nicht durchsetzen lassen. Sie ist von der Ideologie her richtig, wenn man sagt, völkischer Nationalismus, diese Traditionslinie, NSDAP, SRP, NPD, das stimmt. Aber juristisch, zu einer Nachfolgeorganisation gehört schon ein bisschen mehr als nur in derselben ideologischen Tradition zu stehen. Deswegen denke ich ist der Gedanke zwar erst mal so berechtigt, aber ich glaube nicht dass er sich rechtlich durchsetzen lässt.

HH: Sie sprachen es gerade eben an, vor zehn Jahren hat es nicht geklappt mit dem Verbotsverfahren. Vielleicht noch mal kurz zusammengefasst, was ist damals passiert?

RS: Da ging es nicht um die Ideologie, nicht um den Kampf der NPD gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes. Das hatte ganz formale Gründe, da ging es um V-Leute. Also, es hat sich herausgestellt, dass die Verfassungsschutzämter, wenn ich mich richtig erinnere, etwa dreißig V-Leute unter den führenden Funktionären der NPD hatten - damals hat man gesagt, 210 führende Funktionäre, Landesvorstände, Bundesvorstand. Und damit ist gegen ein Prinzip verstoßen worden, das wir schon vorhin angesprochen hatten, die Staatsfreiheit der Parteien. Die Gründung der Parteien ist frei und sie agieren unabhängig vom Staat. In dem Augenblick, wo der Staat V-Leute in die Parteien einschmuggelt und die dort wichtige Funktionen übernehmen, ist die Partei nicht mehr staatsfrei, der Staat hat dann seine Hände unmittelbar in der Partei drin durch seine V-Leute, und die könnten jetzt beispielsweise dem Staat verraten, wie die Verteidigungsstrategie der NPD vor dem Bundesverfassungsgericht ist. Also die Partei wäre nicht mehr autonom, wenn der Staat seine Hände drin hätte, und das sei ein Verfahrenshindernis, um ein Verfahren nach rechtsstaatlichen Mitteln durchzuführen. Das hat eine Minderheit der Richter, es war nicht die Mehrheit, aber es gab eben nicht die Zwei-Drittel-Mehrheit zur Fortführung, eine Minderheit der Richter festgestellt und gesagt, diese V-Leute sind ein Verfahrenshindernis, und wenn man ein Verfahren gegen die NPD macht, muss man vorher - die Frage ist, wie lange vorher - die V-Leute raus ziehen.

HH: Die V-Leute aus Führungsebene, wenn ich das richtig verstanden habe. Ist dieses V-Leute-Problem mittlerweile gelöst? Also V-Leute, noch mal ganz deutlich gemacht, bezahlte Neonazis und nicht irgendwelche Spitzel - wie ist das heute?

SW: Das würde mich stark wundern. Um die Wahrheit zu sagen, ich weiß es nicht, und die Möglichkeiten, das zu wissen, sind auch sehr begrenzt. Eine Anekdote, die das vielleicht gut beleuchten kann: Ende 2012 war es glaube ich, dass die Innenminister auf einer Konferenz telefonisch beschlossen haben, dass die V-Leute aus den Führungsebenen der NPD angezogen werden. Nun ist die Materialsammlung für das Verbotsverfahren erstellt worden, verschiedene Leute haben das gesichtet, und es findet sich allerdings niemand der unterschreiben würde, ja das ist frei von sogenannten V-Mann-Quellen, oder jemand, der unterschreiben würde, ja die V-Mann-Quellen sind tatsächlich abgeschaltet worden. Das, finde ich, sagt eine ganze Menge über den Grad der demokratischen Kontrollierbarkeit von Geheimdiensten aus, wenn sozusagen die Landeschefs diese Entscheidung lieber weiterdelegieren wollen, nein das soll mal der vom LKA sagen, nein das soll mal der vom Verfassungsschutz sagen, und vielleicht wissen die es auch nicht. Das heißt, diese Praxis, Neonazis zu bezahlen im Austausch für Informationen höchst fragwürdiger Güte, ist nicht kontrollierbar, ist auch nicht transparent, ist im Zweifelsfall nicht nachvollziehbar und ist nach meinen Begriffen eher Teil des Problems als Teil der Lösung.

HH: Und nochmal um es richtig zu verstehen, es geht schon um V-Leute in der Führungsebene und nicht darum, ob es generell noch V-Leute in der NPD gibt bei diesem Verfahren? Würde das einen Unterschied machen?

RS: Nein, ich glaube nicht. Ich nehme mal an, dass wenn da V-Leute angeworben werden, dass die natürlich irgendwas wissen müssen, sonst macht es ja keinen Sinn denen Geld zu geben. Dass die also im wesentlichen schon in den mittleren bis oberen Führungsgruppen angesiedelt sind. Man muss natürlich noch eines bedenken, das Verfassungsgericht ist ja heute nicht mehr zusammengesetzt wie noch vor zehn Jahren. Das heißt also, dieses Argument mit den V-Leuten muss ja heute gar nicht mehr von den Verfassungsrichtern angeführt werden. Die können ja sagen, das sind eigentlich gar keine Staatsvertreter in den Parteien, sondern das sind eigentlich Neonazis, die sich nur ein paar Mark nebenbei verdienen. Wäre rein theoretisch denkbar. Das heißt, auch da weiß man nicht genau, wie geht das Verfassungsgericht mit denen um. Sicherheitshalber, denke ich, haben jetzt einige Innenminister gesagt, wir haben die jetzt rausgezogen, oder wir werden die rausziehen. Aber Sie wissen ja gar nicht ob dieses Argument überhaupt noch eine Rolle spielt, und dann wissen wir gar nicht ob die wirklich rausgezogen sind, da stimme ich ihm völlig zu, da darf man auch skeptisch sein.

HH: Und skeptisch sein darf man noch wegen einem anderen Grund, und den hat uns jemand via Kommentar über die Seite der Bundeszentrale reingeschickt: Der Verbotsantrag würde doch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte abgelehnt werden, da die NPD die Demokratie in Deutschland nicht gefährdet, da sie zu klein ist und die Verfassungsfeindlichkeit der gesamten Partei durch die beantragenden Verfassungsorgane bisher nicht nachgewiesen werden konnte. Sprich, die Frage ist, würde der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein Verbot, was hier in Deutschland gefallen wäre, nicht sowieso kippen?

RS: Das ist ein ganz beliebtes Argument, vor allem von denjenigen, die gegen ein solches Verbotsverfahren sind. Also erstens muss man sagen, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat nicht die Möglichkeit, ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aufzuheben. Die Annahme, das Bundesverfassungsgericht bezeichnet die NPD als verfassungswidrig und löst sie auf... da kann der Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte nicht sagen, nein, das Urteil gilt nicht. Das Problem ist viel, viel komplizierter. Der Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte hat sich in der Vergangenheit mit Parteiverbotsprozessen beschäftigt und hat in mehreren Prozessen auch gesagt, dass das Parteiverbot gegen die Menschenrechte verstößt. Beispielsweise in der Türkei gab es mehrere solcher Fälle. Aber was dann passiert, ist wieder auf der Ebene des nationalen Rechts: wie geht dann das jeweilige Land damit um? In der Türkei gab es nicht, so wie bei uns, ein Verfahren vor einem Bundesverfassungsgericht oder so etwas, und es gibt in der Türkei auch keine wehrhafte Demokratie, das heißt, da sind die Bedingungen anders als bei uns. Bei uns ist das so, das Bundesverfassungsgericht hat beschlossen, und dann gilt der Beschluss Es muss allerdings in seiner Begründung für seinen Beschluss auf die Argumente des Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Bezug nehmen, also es muss sagen, also die haben in den und den Fällen so argumentiert, und diese Argumente bewerten wir im Fall der NPD so und so. Was hier derjenige oder diejenige der den Kommentar geschrieben hat meint, ist wahrscheinlich das Urteil über die Herri Batasuna, über die ich vorhin gesprochen habe, in Spanien. Da hat der Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte nun in der Tat die Hürden enorm hoch gehangen und hat gesagt, eine Partei darf man nur verbieten, wenn sie sich mit bewaffneter Gewalt gegen die bestehende Ordnung richtet. Und wenn das jetzt auf die NPD übertragen würde, würde man es der NPD nicht nachweisen. Also es ist keinesfalls so, dass NPD-Mitglieder hier mit der Kalaschnikow Attentate verüben oder terroristische Aktivitäten verüben. Nur, auch da muss man wieder sehen, das war ein Urteil auf spanische Verhältnisse angewandt. Der Europäische Gerichtshof muss in seinem Urteil auch die Verhältnisse in der Bundesrepublik berücksichtigen, und das sind völlig andere, von unserer politischen Kultur her, von unserer historischen Erfahrung mit dem Nationalsozialismus, als das in Spanien der Fall ist. Deswegen denke ich, die Annahme ist nicht richtig, dass der Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte ein solches Verfahren ablehnen würde, oder dieses Urteil ablehnen wird. Das muss man im einzelnen gucken, und selbst wenn er es ablehnt, bleibt das erst einmal folgenlos für die Bundesrepublik Deutschland, die NPD wäre trotzdem verboten.

HH: Das heißt, es kommt auf das Land an, auf die Bedingungen, und das Bundesverfassungsgericht könnte die Sache dingfest machen?

RS: In Deutschland. Wegen der besonderen Situation in Deutschland ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht durch ein europäisches Gericht aufhebbar.

HH: Das ist eine wichtige Information. Wir haben jetzt viele Argumente für und gegen ein Verbot gehört. Was ist eure Meinung? Ich rufe euch noch ein letztes Mal bevor diese Sendung zu Ende ist auf. Ihr könnt euch natürlich gerne noch weiter auf Facebook austauschen. Teilt uns eure Meinung mit, stellt uns eure Fragen, gerne auf der Seite unter dem Video, über Facebook oder Twitter unter dem Hashtag #wirgegenrex mit X am Ende. Und wenn ihr euch unsicher seid, seid ihr eher pro oder contra, könnt ihr auch auf der Bundeszentralenseite einen Test machen. Und da haben wir auch schon einen kleinen Test geschaltet [Einblendung der Statistik], und das Diagramm zeigt eine ziemlich eindeutige Meinung, es ist nämlich fast eine Patt-Situation, und die wenigstens sind klar, ob sie jetzt für oder gegen ein Verbot sein sollen. So ein bisschen auch hier wie wir diskutieren, es ist eben auch keine ganz leichte Antwort. Damit sind wir schon fast am Ende angekommen, wir haben hier sehr viel gesprochen und ich möchte Ihnen noch mal das Wort geben zum Abschluss. Was noch ganz wichtig wäre in der Entscheidungsfindung pro und contra für jeden einzelnen von uns...!?

SW: Vielleicht drei Punkte: Zum einen, unabhängig davon wie dieser Verbotsantrag ausgehen wird, ist glaube ich eine Sache wichtig auf die wir auch schon mal zu sprechen gekommen sind: Es ist wichtig, Rechtsextremismus überall dort entschlossen entgegenzutreten wo er auftritt. Das ist das Fußballstadion, das sind die Parlamente, das sind aber auch die Gremien und Institutionen, die Parteien und die Kirchen, auch die Gewerkschaften. Überall dort wo er mir begegnet, kann ich auch etwas tun, und es ist wichtig, sich ihm dort entgegenzustellen. Nicht zuletzt auch dort wo die meisten Übergriffe und Angriffe passieren, nämlich auf der Straße. Und ein zweiter Punkt, der glaube ich sehr wichtig ist: Um die Bedingungen für dieses Engagement überhaupt zu schaffen, ist eine Anerkennung, die natürlich auch auf einer ethischen Ebene stattfindet, die aber auch auf einer finanziellen Ebene stattfinden muss, wichtig. Und vor allem dass wir vielleicht endlich eine Debattensituation verlassen, wo wir uns von einer Extremismustheorie die Bedingungen diktieren lassen, das heißt, eine vollkommen irrsinnige Gleichsetzung von links und rechts, die die Bedingungen, Rechtsextremismus anzugehen, eher verschlechtert als verbessert. Und vielleicht als letzten Punkt, Sie hatten das ja auch schon gesagt: Sprechen wir nicht immer nur dann über Rassismus und Rechtsextremismus, wenn es um Neonazis geht, sonder wir damit, auch über Rassismus zu sprechen, wenn es um unseren Alltag geht, und beginnen wir damit, Leuten zuzuhören, die von diesem Rassismus betroffen sind und die verschiedentlich ihre Erlebnisse, ihre Erfahrungen und ihre Forderungen kundtun.

HH: Danke. Und Herr Stöss?

RS: Ich bin ja, das hat sich deutlich gezeigt, kein glühender Verfechter eines solchen Verbotsverfahrens, Verbotsantrages; aber wenn man es schon macht - gerade jetzt angesichts der Koalitionsverhandlungen -, sollte man sich dafür entscheiden, dass nicht nur ein Verfassungsorgan, nämlich der Bundesrat, wie es bis jetzt geplant ist, sondern die beiden anderen Verfassungsorgane ebenfalls einen solchen Antrag unterstützen und dann mit einem eigenen Antrag vor dem Bundesverfassungsgerichts vertreten sind. Das würde nach außen hin den Verfassungsrichtern dokumentieren, dass insgesamt das politische Deutschland ein solches Verbot wünscht. Wenn es nur ein Verfassungsorgan ist, könnte der Eindruck entstehen, na gut, das sind jetzt die Länderinnenminister, aber die anderen wollen da nicht mitmachen. Also es sollten alle drei Verfassungsorgane einen solchen Verbotsantrag stellen. Das zweite ist, er muss wirklich gut begründet werden. Wir haben ja immer wieder gesagt, das Risiko ist enorm groß. Wenn das nach hinten losgeht, ist es ein Ritterschlag für die NPD. Wenn ein Verbot nicht ausgesprochen werden sollte, hat die Partei die besten Argumente und kann dann letztendlich tun und lassen was sie will, denn danach wird es keinen weiteren Verbotsantrag mehr geben. Das kann ihre Militanz, die Zusammenarbeit mit den gewalttätigen Gruppen, noch weiter befördern. Das heißt also, es muss gründlich nachgewiesen werden, dass die Partei wirklich von ihrer Ideologie her, von ihrer ganzen Darstellungsweise, strukturell gewalttätige Ziele verfolgt. Das muss jetzt nicht unmittelbar persönliche Gewalt sein, sondern strukturell gewalttätige Ziele, dass der Rassismus strukturell gewalttätig ist, dass andere Ziele die sie hat gewalttätig sind, und zweitens dass nachgewiesen wird dass es eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus gibt, was in Deutschland besonders wichtig ist. Das muss dann der Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte auch bedenken, dass wir diese nationalsozialistische Vergangenheit haben, die wir auch besonders sensibel betrachten. Wenn diese beiden Nachweise wirklich gut geführt werden können, strukturelle Gewalttätigkeit der Partei und Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus, könnte ich mir vorstellen, dass ein solches Verfahren dann auch erfolgreich ist.

HH: Vielen Dank für den regen Austausch, für die vielen Argumente. Falls ihr die Sendung nicht ganz oder nur zum Teil gesehen habt, in ein paar Stunden könnt ihr sie auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung nachschauen. Ihr könnt aber auch dort nachlesen, wir haben viele Texte und Videos zu dieser schwierigen Frage "NPD-Verbot ja oder nein?" online gestellt. Ich danke euch fürs Zuschauen und fürs Mitmachen, bis zum nächsten Mal.

Fussnoten

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