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Herbert Trimbach: Versammlungsfreiheit ist ein Menschenrecht | Rechtsextremismus | bpb.de

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Herbert Trimbach: Versammlungsfreiheit ist ein Menschenrecht

Herbert Trimbach Dr. Herbert Trimbach

/ 8 Minuten zu lesen

"Den Rechtsstaat auch in schwierigen Situationen bewahren – selbst dann, wenn es schwerfällt", sagt Ministerialdirigent Dr. Herbert Trimbach, der nach einem abwechslungsreichen Berufsleben als Staatsanwalt, Richter und in den Justizverwaltungen des Bundes, eines Freistaates und eines Landes seit Februar 2012 als Leiter der Abteilung Öffentliche Sicherheit und Ordnung, Polizei, Ordnungsrecht, Brand- und Katastrophenschutz im Ministerium des Innern des Landes Brandenburg auch die Fachaufsicht über die Versammlungsbehörde innehat.

Mehr als 1000 Neonazis aus ganz Deutschland marschierten am 14. Januar 2012 in einem sogenannten Gedenkmarsch anlässlich der Bombardierung Magdeburgs am 16. Januar 1945 durch die Stadt. Rund 5000 Gegendemonstranten protestierten mit einer Menschenkette, Mahnwachen, Informationsständen und einem bunten Programm gegen Rechtsextremismus. (© dpa)

Aufzüge und Versammlungen des rechtsextremen Lagers sowie Versuche, diese zu verhindern oder zu blockieren, bewegen seit geraumer Zeit die Diskussion in Deutschland und spalten die politischen Lager. In meinem beruflichen Alltag werde ich mit diesen Debatten häufig konfrontiert und muss mich mit Argumenten und Emotionen beider Seiten auseinandersetzen. Diese kommen sowohl aus der Mitte der Bevölkerung als auch aus dem politischen und publizistischen Raum. Die Versammlungsfreiheit ist anerkanntermaßen ein besonders hohes verfassungsrechtliches Gut. Sie ist als Staatsbürgerrecht im Grundgesetz verankert, erfährt jedoch über Artikel 12 der Europäischen Grundrechtecharta und Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie § 1 des Versammlungsgesetzes eine Ausweitung zu einem Menschenrecht ("Jedermann hat das Recht, …"). Verbotenen Parteien oder Vereinen steht dieses Grundrecht nicht zu. Es kann auch einzelne Personen geben, die dieses Recht durch Missbrauch zum Kampfe gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verwirkt haben. Hierfür bedarf es aber jeweils einer Feststellung des Bundesverfassungsgerichts. Für alle anderen aber schützt Artikel 8 Absatz 1 des Grundgesetzes die kollektive Erörterung oder Kundgabe von Meinungen im Rahmen von Versammlungen oder Demonstrationen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird davon jedes Verhalten erfasst, welches eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung darstellt. Damit ist die Versammlungsfreiheit – wie auch die übrigen Grundrechte - als Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat zu verstehen. Der Bürger hat einen Anspruch gegen den Staat auf Beseitigung einer Beeinträchtigung dieses geschützten Rechtsguts.

Zum Recht auf Versammlungsfreiheit gehört insbesondere das Recht, jede Meinung kund zu tun, unabhängig davon, ob diese von einem Großteil der Bevölkerung geteilt oder toleriert wird oder sogar - wie bei rechten Gruppierungen - eine gesamtgesellschaftlich geächtete ist. Würde man dieses Recht nur Gruppen zugestehen, deren Meinung in der Bevölkerung überwiegend geteilt wird, wäre die verfassungsrechtlich verankerte Garantie der Versammlungsfreiheit entbehrlich und entwertet. Dem Begriff der Rechtsstaatlichkeit ist gerade der Gleichheitssatz immanent, was hier heißt, dass für Andersdenkende nicht andere rechtliche Kriterien gelten können. Die Versammlungsfreiheit als Abwehrrecht kommt daher auch und vor allem Minderheiten zugute. So sagte bereits Rosa Luxemburg: "Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei - mögen sie noch so zahlreich sein - ist keine Freiheit. Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden. Nicht wegen des Fanatismus der 'Gerechtigkeit', sondern weil all das Belebende, Heilsame und Reinigende der politischen Freiheit an diesem Wesen hängt und seine Wirkung versagt, wenn die 'Freiheit' zum Privilegium wird."

Es gilt das Neutralitätsgebot

Trotzdem werden angesichts rechtsextremer Demonstrationen und Aktionen zunehmend mehr Stimmen laut, Veranstaltungen rechter Gruppierungen "einfach" zu verbieten. Aufgrund des hohen Verfassungsrangs der Versammlungsfreiheit kann ein Verbot jedoch nur als Ultima Ratio und nur nach strenger Abwägung der Einschränkung der grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit und der Bedeutung und Wertigkeit der weiteren zu schützenden Güter ergehen, mithin niemals "einfach". So ist ein Verbot einer Versammlung nach geltendem Recht möglich, wenn die Versammlung an einem Ort stattfindet, der von historisch herausragender Bedeutung hinsichtlich der Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der NS-Herrschaft ist, und die Würde der Opfer durch eine solche Versammlung beeinträchtigt wird. So sind z.B. im Land Brandenburg auf der Grundlage einer landesgesetzlichen Regelung Versammlungen auf Gräberstätten sowie in deren unmittelbarer und enger räumlicher Nähe grundsätzlich verboten. Damit wurde z.B. rechtsextremen Aufmärschen im Waldfriedhof Halbe, der größten Kriegsgräberstätte Deutschlands, wirkungsvoll begegnet. Auch für die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück in der Stadt Fürstenberg/Havel und die Gedenkstätte und das Museum Sachsenhausen in der Stadt Oranienburg wurde eine entsprechende landesgesetzliche Regelung geschaffen.

Ein Verbot ist auch möglich, wenn nach den erkennbaren Umständen zum Zeitpunkt des Erlasses des Verbotes die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. An diese Bedingungen sind jedoch aus meiner Sicht völlig zu Recht sehr strenge Maßstäbe zu legen. Ein Auftreten einer gesellschaftlich missachteten Gruppierung allein kann und darf - wie schon gezeigt - kein solcher Umstand sein. Gleiches gilt für die Forderung nach beschränkenden Verfügungen, wie zum Beispiel die Änderung des vorgesehenen Versammlungsortes/Demonstrationsweges. Zum Schutzgut der Versammlungsfreiheit gehören neben der Bestimmung des Inhaltes auch die des Ortes, des Zeitpunktes und der Dauer einer Versammlung. Bedeutsam ist vor allem der sogenannte Prioritätsgrundsatz. Er besagt, dass dem Erstanmelder grundsätzliche zeitliche Priorität eingeräumt werden muss, wichtige Gründe aber, wie die besondere Bedeutung des Ortes und Zeitpunktes für die Verfolgung des jeweiligen Versammlungszweckes, im Einzelfall auch zu einer anderen Entscheidung führen können. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann die Versammlungsbehörde in Einzelfällen hiervon jedoch abweichen. Betrachtet man die Anwendbarkeit dieser Entscheidung für rechte Demonstrationen, wird deutlich, dass eine Güterabwägung durchaus auch zuungunsten des Erstanmelders ausfallen kann. Eine Abweichung vom Prioritätsprinzip dürfte jedoch immer dann als unzulässig anzusehen sein, wenn eine spätere Anmeldung einer anderen Versammlung überwiegend zu dem Zweck erfolgte, die zuerst angemeldete Versammlung an diesem Ort oder zu dieser Zeit zu verhindern.

Auch wenn man subjektiv betrachtet viele der Forderungen zu Verboten von oder Maßnahmen gegen rechte Demonstrationen unterstützt, sind der Staat und seine Vertreter an die gerade in Deutschland hart erkämpfte Rechtsstaatlichkeit gebunden. Die Versammlungsbehörde steht somit unter einem strengen Neutralitätsgebot. Sie muss jede ihrer Entscheidungen auf der Grundlage der Verfassung und des Versammlungsgesetzes treffen, eine strenge Güterabwägung unter strikter Beachtung des Übermaßverbots vornehmen. In der Mehrzahl der Fälle sind die Voraussetzungen für ein Verbot nicht gegeben; eine gleichwohl erlassene Verfügung würde einer (verfassungs-)gerichtlichen Prüfung nicht standhalten. Beispiele dafür findet man in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mehrfach. Beispielhaft auch wegen des Bezuges auf die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit sei eine Entscheidung gegen eine Verbotsverfügung des Polizeipräsidenten in Aachen genannt. Darin heißt es:

"… Die Meinungsfreiheit ist für die freiheitlich demokratische Ordnung des Grundgesetzes schlechthin konstituierend. Es gilt die Vermutung zugunsten freier Rede (vgl. BVerfGE 7, 198 <208>; stRspr). Die Bürger sind rechtlich nicht gehalten, die Wertsetzungen der Verfassung persönlich zu teilen. Das Grundgesetz baut zwar auf der Erwartung auf, dass die Bürger die allgemeinen Werte der Verfassung akzeptieren und verwirklichen, erzwingt die Werteloyalität aber nicht. Die Bürger sind daher auch frei, grundlegende Wertungen der Verfassung in Frage zu stellen, solange sie dadurch Rechtsgüter anderer nicht gefährden. Die plurale Demokratie des Grundgesetzes vertraut auf die Fähigkeit der Gesamtheit der Bürger, sich mit Kritik an der Verfassung auseinander zu setzen und sie dadurch abzuwehren. …"

Blockaden dürfen das Versammlungsrecht nicht aushöhlen

Neben den Rufen nach Verboten kommt es in den vergangenen Jahren verstärkt zu offenem Widerstand großer Bevölkerungsgruppen im unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Umfeld von rechten Versammlungen und Aufmärschen, auch und gerade in meinem Bundesland Brandenburg. Dies geschieht oft in Form sogenannter Spontandemonstrationen, die im Übrigen als einzige nicht der ansonsten versammlungsrechtlich verpflichtenden Anmeldefrist von mindestens 48 Stunden unterliegen. Wie der Name sagt, entstehen sie spontan, d.h. sie bilden sich unvermittelt aus einem bestimmten Anlass heraus, und ihnen liegt keine vorherige Organisation zugrunde. Dass es wegen der vorherigen Ankündigungen in Medien, Blogs und ähnlichem bei Spontandemonstrationen gegen rechte Aufmärsche in der Praxis manches Mal an diesem Merkmal mangelt, sei an dieser Stelle dahingestellt.

Spontanversammlungen stellen im Grundsatz zweifellos ein wirksames Mittel der öffentlichen Meinungsbildung dar und spielen in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit rechtsextremistischem Gedankengut eine wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang sind auch friedliche Sitzblockaden vom Recht auf Versammlungsfreiheit geschützt. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2011 ist insoweit als richtungsweisend anzusehen. Das Gericht hat entschieden, dass eine Sitzblockade nicht zwangsläufig als Gewalt anzusehen ist, sondern unter bestimmten Umständen durchaus vom Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit gedeckt sein kann. Es hat eine strafbare Nötigung von Sitzblockaden dann verneint, wenn diese politisch motiviert und friedlich sind. Die Polizei stellt dieses Urteil vor hohe Anforderungen. Sie muss in einer Versammlungslage, gerade wenn eine rechte Versammlung auf spontane Gegendemonstrationen mit Sitzblockaden trifft, auf eine enorme Dynamik im Geschehen reagieren, die im Nachhinein oft kaum mehr nachvollziehbar ist. Und dabei ist - das wird insbesondere von den Gegendemonstranten und auch in der Presseberichterstattung gerne übersehen - das strikte Neutralitätsgebot auch hier zu wahren. Sie muss die zuerst angemeldete Versammlung schützen. Hierzu sei nochmals ein Zitat aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angeführt:

"… Mit Art. 8 GG wäre nicht zu vereinbaren, dass bereits mit der Anmeldung einer Gegendemonstration erreicht werden kann, dass dem Veranstalter der zuerst angemeldeten Versammlung die Möglichkeit genommen wird, sein Demonstrationsanliegen zu verwirklichen. Es ist Aufgabe der zum Schutz der rechtsstaatlichen Ordnung berufenen Polizei, in unparteiischer Weise auf die Verwirklichung des Versammlungsrechts hinzuwirken. …"

Folgerichtig geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass - wenn sich eine Versammlung friedlich verhält und Störungen lediglich von Gegendemonstrationen ausgehen - behördliche Maßnahmen sich zuerst gegen die störenden Gegendemonstrationen zu richten haben.Sofern eine Sitzblockade mehr ist als eine friedliche Blockade im Sinne eines kurzen optischen Haltesignals, sondern es sich um eine tatsächliche Verhinderung der Versammlung des rechten Lagers handelt, muss die Polizei eingreifen. Mit der dauerhaften Störung oder gar Verhinderung einer Versammlung ist die Grenze zur Strafbarkeit überschritten. Für die Polizei besteht dann Verfolgungszwang; nach dem Legalitätsprinzip muss sie nun eingreifen. Für Opportunitätsentscheidungen bleibt ihr insofern kein rechtlicher Raum. Polizeiliches Einschreiten in solchen Konstellationen wird in der Öffentlichkeit jedoch nur selten toleriert. Wie würde die öffentliche Beurteilung des gleichen Sachverhalts wohl ausfallen, wenn Demonstrationen, deren Meinungsbildung vom überwiegenden Teil der Bevölkerung getragen wird, durch eine andersdenkende Minderheit in Form einer Sitzblockade gestört würden?

Ziviler Ungehorsam ist zweifelhaftes Mittel gegen Rechts

Akte zivilen Ungehorsams können zweifellos zur Meinungsbildung beitragen, sollten allerdings beim Kampf gegen Rechts im Rahmen von grundrechtlich geschützten Versammlungen nicht das Mittel der Wahl sein, jedenfalls nicht das erste. Und die Akteure sollten sich darüber im Klaren sein, dass die begangenen Normverletzungen sanktioniert werden und die unstreitig zu unterstützenden Beweggründe nur in der richterlichen Strafzumessung Berücksichtigung finden. Selbstverständlich müssen alle rechtsstaatlichen Mittel ausgeschöpft werden, dem Rechtsextremismus auch rechtlich zu begegnen. In meiner jetzigen Tätigkeit bin ich auch für das Polizeirecht sowie das allgemeine Ordnungsrecht zuständig. Basierend auf diesen Rechtsgrundlagen werden z.B. in Brandenburg regelmäßig rechtsextremistische Musikveranstaltungen verhindert, z.B. in Finowfurt (Schorfheide) auf dem Gelände einer Familie, die sich seit Jahren aktiv in der Neonaziszene bewegt. Man kann also auch auf dem Boden des Rechtsstaates viel tun. Eine Aushöhlung der Versammlungsfreiheit durch den Staat als Garant der Grundrechte ist aber keine Lösung.

Verbote allein rufen erfahrungsgemäß keine Gesinnungsänderungen hervor; sie verdrängen auch nicht ihre Akteure, sondern allenfalls deren Aktivitäten. Sie werden vielleicht für den Einzelnen weniger sichtbar, aber sind sie damit auch in der gesamtgesellschaftlichen Realität weniger bedrohlich? Ordnungspolitische Maßnahmen haben letztlich keine eminent große Reichweite und die nicht zu unterschätzende Tendenz, die Freiheiten aller zu treffen. Der Kampf gegen rechtsextreme Gesinnungen muss gesamtgesellschaftlich auf dem Boden des Rechtsstaates erfolgen. Nur auf diesem Wege kann er dauerhaft und nachhaltig erfolgreich sein; allerdings nicht allein durch Polizei und Ordnungsbehörden. Justiz, Politik, Bildungsinstitutionen, Bürgerengagement und Medien sind hier gleichermaßen gefragt.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Rosa Luxemburg "Die russische Revolution" (1918) Externer Link: http://de.wikiquote.org/wiki/Rosa_Luxemburg

  2. Gesetz über Versammlungen und Aufzüge an und auf Gräberstätten (Gräberstätten-Versammlungsgesetz - GräbVersammlG) vom 26.10.2006 (GVBl. I/06, Nr. 11, S. 114)

  3. Gesetz zu § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Versammlungsgesetzes vom 23.05.2005 (GVBl. I/05, Nr. 12 S. 174)

  4. BVerfG, Beschluss vom 06.05.2005 - 1 BvR 961/05 - (Rn. 21-25)

  5. BVerfG, Beschluss vom 24.03.2001 – 1 BvQ 13/01 - (Rn. 24)

  6. BVerfG, Beschluss vom 07.03.2011 - 1 BvR 388/05 -

  7. BVerfG, Beschluss vom 01.09.2000 - 1 BvQ 24/00 - (Rn. 16)

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Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht. Autor/-in: Herbert Trimbach für bpb.de

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Der Jurist Dr. Herbert Trimbach war unter anderem im Bundesjustizministerium und als Richter und Staatsanwalt am Landgericht Schweinfurt tätig, bevor er 1992 an das damalige Bezirksgericht Potsdam und 1993 als Referatsleiter zum Justizministerium Brandenburg wechselte. 2007 wurde er zum Vorsitzenden Richter des 13. Zivilsenats und 4. Familiensenats am Brandenburgischen Oberlandesgericht (OLG) berufen. Seit Februar 2012 leitet er die Abteilung Öffentliche Sicherheit und Ordnung, Polizei, Ordnungsrecht, Brand- und Katastrophenschutz im Ministerium des Innern des Landes Brandenburg.