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"Ich habe nichts gegen Flüchtlinge, aber …" – Ein Faktencheck | Rechtsextremismus | bpb.de

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"Ich habe nichts gegen Flüchtlinge, aber …" – Ein Faktencheck

Christoph Schulze und Jonas Frykman

/ 4 Minuten zu lesen

Wenn irgendwo eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber eingerichtet werden soll, melden sich fast immer Anwohner mit Fragen, Sorgen und Ängsten. Gerne wird betont, dass man ja nichts gegen Flüchtlinge an sich habe, dass aber die Flüchtlingsunterkunft in der unmittelbaren Nachbarschaft eine unzumutbare Belastung sei. Beliebte Argumente der Unterkunftsgegner haben wir einem Faktencheck unterzogen.

1. "... die Kriminalität steigt"

Straftaten von Flüchtlingen werden nicht gesondert erfasst. In der Externer Link: Polizeilichen Kriminalstatistik wird zwar zwischen deutschen und nicht-deutschen Tatverdächtigen unterschieden. Zu der letzteren Gruppe zählen aber neben Flüchtlingen auch in Deutschland niedergelassene Ausländer sowie Durchreisende, Touristen, Angehörige ausländischer Streitkräfte und ausländische Studierende. In der Externer Link: Polizeistatistik des Landes Berlin für das Jahr 2014 wird der Anteil von Flüchtlingen an allen Straftatverdächtigen jedoch explizit mit 1,3 Prozent ausgewiesen. Zwar geht es dabei um Tatverdächtige, nicht um Straftäter. Dennoch: Die Zahl ist höher als der Anteil von Flüchtlingen an der Berliner Bevölkerung.

Einige Faktoren sind bei der Kriminalitätsbelastung von Flüchtlingen im Vergleich zur deutschen Wohnbevölkerung zu berücksichtigen: Asyl- und aufenthaltsrechtliche Delikte können von deutschen Staatsangehörigen nicht begangen werden; 2014 waren das bundesweit immerhin 156.000 Ermittlungsverfahren. In der oben erwähnten Tatverdächtigenstatistik der Berliner Polizei wurden diese Delikte allerdings herausgerechnet. Hinzu kommt: 70,5 Prozent aller Asylbewerber sind unter 35 Jahre alt, zwei Drittel sind männlich. Unter den Flüchtlingen in Deutschland sind also überdurchschnittlich viele junge Männer – eine Bevölkerungsgruppe, die laut Bundeskriminalamt besonders häufig straffällig wird, unabhängig von der Herkunft. Zudem könnte die Unterbringung in Massenunterkünften Konflikte zwischen Bewohnern und dadurch Straftaten begünstigen. Ob das zutrifft, lässt das brandenburgische Innenministerium zur Zeit untersuchen.

Flüchtlingsheime sind entgegen vieler Befürchtungen nach Auffassung von Polizeibehörden aber keine Kriminalitätsschwerpunkte. Bundesweite Statistiken über die Kriminalitätsentwicklung im Umfeld neuer Gemeinschaftsunterkünfte gibt es zwar nicht, aber die Lageeinschätzungen sind einhellig: In Berlin, Bremen und Dresden haben neue Asylbewerberunterkünfte, so die jeweiligen Polizeibehörden, nicht zu einer erhöhten Kriminalität geführt. Umgekehrt nimmt aber die rassistisch motivierte Kriminalität zu: Im Jahr 2014 wurden bundesweit rund 150 Attacken auf Flüchtlingsheime gezählt, wesentlich mehr also als 2013. Da hatte das Bundeskriminalamt insgesamt 58 gegen Flüchtlinge gerichtete Straftaten gezählt, darunter Propagandadelikte, Sachbeschädigung, Brandstiftung, Volksverhetzungen, Körperverletzungen und Beleidigungen.

2. "... Immobilien verlieren an Wert"

Als der Hamburger Senat ankündigte, im exklusiven Stadtteil Harvestehude eine Flüchtlingsunterkunft einzurichten, reichten drei Anwohner Klage ein und begründeten dies unter anderem mit einer drohenden Wertminderung ihrer Immobilien. Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt. Ausschlaggebend war jedoch nicht ein möglicher Wertverlust, sondern dass der Bebauungsplan eine Unterkunft in dem Wohngebiet nicht zulasse. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Dem Eigentümerverband Haus und Grund Deutschland liegen keine Daten vor, die einen Wertverlust durch Heimeröffnungen belegen würden. Auch der Immobilienverband IVD, die bundesweite Interessenvertretung der Makler, kann für die Ängste der Eigentümer keine sachlichen Belege anführen. Noch deutlicher äußert sich der Wertermittlungsausschuss des Immobilienverbandes Berlin-Brandenburg. Er hält Ängste vor einem Wertverlust für "subjektive Eindrücke". Zwischen der Eröffnung einer Unterkunft und der Immobilienpreisentwicklung gebe es keinen Zusammenhang.

3. "... Anwohner wurden vor vollendete Tatsachen gestellt"

Nicht nur bei Flüchtlingsunterkünften klagen Anwohner oftmals, dass über ihre Köpfe hinweg entschieden würde. Auch Moscheebauten, psychiatrische Einrichtungen, selbst Spielplätze können den Argwohn von Nachbarn auf sich ziehen. Es geht dabei nicht nur um Vorurteile. Bürger sorgen sich um ihre Lebensqualität und fordern zu Recht, an Entscheidungen über ihre Umgebung beteiligt zu werden.

Die bevorstehende Einrichtung einer Unterkunft wird oft durch Pressemitteilungen bekannt gegeben. Die Verwaltungen bieten ergänzend häufig Einwohnerinformationsveranstaltungen an. Dies ist sicherlich eine gute Idee, aber verpflichtet sind sie dazu nicht. Schließlich gibt es kein Recht darauf, sich seine Nachbarn aussuchen zu können. Kommunale Verwaltungen können neue Unterkünfte teilweise aber schon deshalb nicht langfristig ankündigen, weil sie häufig erst kurzfristig erfahren, dass sie zusätzliche Flüchtlinge unterbringen müssen.

Durch Bürgerbeteiligungsverfahren über die Aufnahme von Flüchtlingen zu entscheiden, ist aber nicht möglich. Das Asylrecht ist im Grundgesetz verankert und die Unterbringung von Flüchtlingen eine Pflichtaufgabe der Kommunen. Der prozentuale Anteil an Flüchtlingen, die den einzelnen Ländern zugewiesen werden, ist durch Quoten geregelt, die anhand der Steuereinnahmen und der Bevölkerungszahlen festgelegt werden. Wie die Flüchtlinge in den Ländern auf die Kommunen verteilt werden, ist von Land zu Land unterschiedlich.

4. "... Flüchtlinge überfordern die Infrastruktur"

Die Bevölkerung strukturschwacher Regionen hat mit schlechter Verkehrsanbindung, Ärztemangel und Schulschließungen zu kämpfen. Die Infrastruktur wird ausgedünnt, weil die Einwohner weniger und älter werden. In Dörfern und Kleinstädten fürchten daher manche, noch länger auf einen Augenarzttermin oder einen Kita-Platz warten zu müssen, wenn auch Flüchtlinge diese Dienste in Anspruch nehmen.

Unterversorgung ist ein gravierendes Problem in vielen ländlichen Regionen. Die dort untergebrachten Flüchtlinge betrifft es sogar noch stärker als die Wohnbevölkerung. Denn sie haben kein Auto, mit dem sie zu Anwälten und Psychotherapeuten in eine größere Stadt fahren könnten. Zu berücksichtigen ist dabei jedoch, dass Asylbewerber von vielen, insbesondere medizinischen Leistungen gesetzlich ausgeschlossen sind.

Ein Flüchtlingswohnheim kann dem Rückbau der Infrastruktur einer Kleinstadt sogar entgegenwirken: Sobald Flüchtlinge nämlich in das Einwohnermelderegister eingetragen sind, erhöht sich die Einwohnerzahl einer Gemeinde. Damit erhöht sich auch, etwas zeitversetzt, die Zuweisung aus dem kommunalen Finanzausgleich, auf die finanzschwache Kommunen angewiesen sind. Wenn Flüchtlingskinder Kitas und Schulen besuchen, kann dies drohende Schließungen wegen Unterbelegung abwenden helfen.

Faktenkasten: Flüchtlinge in Deutschland & Europa

Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 202.834 Asylanträge gestellt (173.072 Erstanträge, 29.762 Folgeanträge). Es ist davon auszugehen, dass es 2015 deutlich mehr werden, denn alleine in den ersten vier Monaten, von Januar bis Ende April 2015, nahm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 100.755 Erstanträge und 13.370 Folgeanträge entgegen. Im Vergleichszeitraum 2014 waren es dagegen 43.519 Erst- und 6.261 Folgeanträge.

2014 wurde über 128.911 Anträge entschieden: In 2.285 Fällen (1,8 Prozent) wurden die Anträge anerkannt. 2015 wurde bereits über 77.146 Asylanträge entschieden, 782 Personen (1,0 Prozent) wurde Asyl gewährt. Doch für 2014 liegt die Gesamtschutzquote allerdings bei 31,5 Prozent, weil Deutschland unter bestimmten Bedingungen auch jenen Schutz gewährt, deren Asylantrag nicht anerkannt wurde. Entschieden wird dabei nach folgenden Kriterien:

Als Flüchtling anerkannt wird, wer im Herkunftsland aufgrund seiner oder ihrer Externer Link: "Rasse", Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt wird.

Subsidiären Schutz erhält, wer nachweisen kann, dass ihm oder ihr im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht.

Ein Abschiebestopp wird für Personen verhängt, für deren Leib, Leben oder Freiheit bei Abschiebung in ein anderes Land konkrete Gefahr besteht.

Entsprechend dieser Kategorien wurden 2014 31.025 Asylantragsstellern (24,1 Prozent) zwar kein Asyl gewährt, sie wurden aber als Flüchtling anerkannt und haben eine vorläufige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Von Januar bis Ende April 2015 wurden 25.659 Personen (33,3 Prozent der 77.146 entschiedenen Asylanträge) als Flüchtlinge anerkannt. 5.174 Personen (4 Prozent) wurde 2014, 439 (0,6 Prozent) von Januar bis Ende April 2015 ein subsidiärer Schutz und damit eine befristete Aufenthaltserlaubnis gewährt. Ein Abschiebestopp und damit ebenfalls eine befristete Aufenthaltserlaubnis wurde 2014 für 2.079 Personen (1,6 Prozent) und von Januar bis Ende April 2015 für 594 Personen (0,8 Prozent) ausgesprochen.

Abgelehnt dagegen wurden 2014 43.018 Asylanträge, was einer Quote von 33,4 Prozent entspricht, von Januar bis Ende April 2015 waren es 29.613 Anträge und eine Quote von 38,4 Prozent. Über ein weiteres Drittel der Anträge (2014: 45.330 Anträge, 35,2 Prozent; Januar bis Ende April 2015 20.842, 27,0 Prozent) hat sich durch eine sogenannte "Formelle Entscheidung" erledigt. Damit bezeichnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge alle jene Asylanträge, über die keine inhaltliche Entscheidung getroffen wird, weil Deutschland zum Beispiel gar nicht für den Antrag zuständig ist, jemand seinen Asylantrag zurückgezogen oder seinen Aufenthaltsstatus geändert hat.

2014 kamen von den 173.072 Asylsuchenden, die erstmalig in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, 22,7 Prozent aus Syrien. Die zweitgrößte Gruppe von Flüchtlingen stammte mit 9,9 Prozent aus Serbien, gefolgt von 7,6 Prozent aus Eritrea, Afghanistan (5,3 Prozent) und Albanien (4,5 Prozent). 2015 haben sich die Zahlen etwas verschoben. Von Januar bis Ende April 2015 war das Kosovo das zahlenmäßig häufigste Herkunftsland mit 25.427 Erstantragsstellern. Syrien lag mit 19,412 Erstanträgen auf dem zweiten Platz, Albanien mit 11.053 Erstanträgen auf Rang drei.

Abschiebungen
10.884 Menschen wurden 2014 aus Deutschland abgeschoben, 8.557 mit dem Flugzeug, 2.301 Personen über die Landesgrenzen, 26 Personen über den Seeweg. Darüber hinaus wurden 4.772 Menschen an EU-Mitgliedsstaaten überstellt, darunter 1.352 Minderjährige, weitere 2.967 Personen wurden innerhalb von sechs Monaten nach unerlaubter Einreise in die Länder, aus denen sie nach Deutschland gekommen waren, zurückgeschoben. Noch einmal 3.612 Menschen wurde die Einreise nach Deutschland an Flughäfen oder Seehäfen verwehrt.

Europa und Flüchtlinge
In der Europäischen Union wurden im vergangen Jahr 626.710 Anträge auf Asyl gestellt, 32,4 Prozent der Flüchtlinge taten das in Deutschland. Damit trägt Deutschland zumindest zahlenmäßig den größten Anteil bei der Aufnahme von Asylsuchenden, gefolgt von Schweden (13 Prozent), Italien (10,3 Prozent) und Frankreich (10,3 Prozent). Vergleicht man jedoch Zahl der Asylsuchenden pro Einwohner miteinander, ergibt sich ein anderes Bild. In Schweden kommt auf 119 Schweden ein Asylbewerber, in Deutschland sind es 398 Einwohner pro Asylsuchendem, in Italien liegt das Verhältnis bei 941 zu 1, in Frankreich bei 1024 zu 1.

Fußnoten

  1. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Externer Link: Schlüsselzahlen Asyl 2014
    Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Externer Link: Aktuelle Zahlen zu Asyl

  2. Kleine Anfrage an den Bundestag: Drucksache 18/3896

  3. Eurostat | Anzahl der Asylanträge & Bevölkerungszahlen, Anteil an der Bevölkerung eigene Berechnungen.

Christoph Schulze und Jonas Frykman arbeiten für das Aktionsbündnis Brandenburg gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Das Aktionsbündnis ist eine landesweit tätige Organisation mit Sitz in Potsdam, die aus lokalen Bündnissen und Persönlichkeiten des Landes Brandenburg besteht.