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Blackout und Bevölkerungsschutz | Blackout | bpb.de

Blackout Editorial Sind Blackouts in Deutschland wahrscheinlich? Einfluss einer möglichen Energieknappheit und der Energiewende auf die Versorgungssicherheit Von "Energielücke" bis "Zappelstrom". Diskursgeschichte der Blackout-Narrative in Deutschland Der Blackout und die politische Rechte Stromausfälle: Ursachen, Folgen und Lösungen Blackout und Bevölkerungsschutz. Notfallvorsorge und Krisenmanagement Schutz kritischer Infrastrukturen während eines Blackouts

Blackout und Bevölkerungsschutz Notfallvorsorge und Krisenmanagement

Wolfram Geier Peter Lauwe

/ 15 Minuten zu lesen

Ein lang anhaltender und weiträumiger Stromausfall ist trotz wachsender Risiken durch Naturkatastrophen, Cyberangriffe und Kriege unwahrscheinlich. Auch der Bevölkerungsschutz ist durch ein integriertes föderales System gut aufgestellt.

Wie ein echter Blackout beginnen und enden könnte und welche katastrophalen Auswirkungen er haben würde, hat der österreichische Journalist und Romanautor Marc Elsberg 2012 in seinem gut recherchierten Thriller „Blackout – Morgen ist es zu spät“ einem Millionenpublikum nahegebracht. Auch wenn es sich dabei um einen fiktiven Roman handelt, baut er auf sehr konkreten Erkenntnissen auf, die bereits 2010 in der vom Deutschen Bundestag in Auftrag gegebenen Studie „Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften – am Beispiel eines großräumigen und langandauernden Ausfalls der Stromversorgung“ zusammengetragen und bewertet wurden.

Der Bericht zeigte seinerzeit nachvollziehbar auf, dass das Szenario eines mindestens zweiwöchigen und großflächigen, das heißt mehrere Bundesländer übergreifenden Stromausfalls wegen der nahezu vollständigen Abhängigkeit des öffentlichen wie privaten Lebens von der ständigen Verfügbarkeit elektrischen Stroms einen „Kollaps der gesamten Gesellschaft“ verursachen könnte. Schon nach wenigen Tagen sei die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung in den betroffenen Gebieten nicht mehr sicherzustellen. Die öffentliche Sicherheit sei gefährdet und auch der Staat könne seiner grundgesetzlich verankerten Schutzpflicht für seine Bürger nicht mehr gerecht werden. Zwar sei die Wahrscheinlichkeit eines derartigen Stromausfalls gering, jedoch sei das Risiko dafür gestiegen und ein gesamtgesellschaftliches Risikobewusstsein nur in Ansätzen vorhanden. Neben diesen Analysen zeigte der Bericht auch, welche Anstrengungen erforderlich sind, um beispielsweise die Durchhaltefähigkeit bei den kritischen Infrastrukturen (KRITIS) zu erhöhen oder die Kapazitäten des nationalen Katastrophenmanagements weiter zu optimieren.

Was ist was beim Stromausfall?

Stromabschaltung, Stromausfall, Blackout und Brownout sind Begriffe, die im Kontext der Stromversorgungssicherheit immer wieder auftauchen und nicht selten verwechselt oder synonym gebraucht werden, obwohl sie sich deutlich voneinander unterscheiden.

Während die Stromabschaltung, zum Beispiel wegen lokaler Arbeiten am Netz, ein geplantes Vorhaben ist, das den Betroffenen im Vorfeld angekündigt wird und in der Regel nur eine begrenzte Zeit andauert, kommt der Stromausfall unerwartet und ungeplant. Er betrifft meist nur eine lokal begrenzte Region und ist nach wenigen Minuten oder Stunden bis maximal einem Tag behoben. Die Ursachen können vielfältig sein, meist sind es Unfälle bei Bauarbeiten, Kurzschlüsse in Transformatoren oder Ähnliches. Der Blackout hingegen ist ein unerwarteter Stromausfall, der großflächig und lang anhaltend ist. Die Schäden sind enorm, und die öffentliche Sicherheit und Ordnung können aufgrund der Dauer und der Auswirkungen bedroht sein. Ein Brownout beschreibt eine Versorgungssituation, bei der angesichts einer gewissen Nachfrage nicht genug Strom produziert werden kann. Eine solche Situation kann beispielsweise aufgrund eines Brennstoffmangels für Kraftwerke oder einer grundsätzlich zu geringen Erzeugungsleistung auftreten. Die Nachfrage muss dann reduziert werden, damit Angebot und Nachfrage wieder in Einklang kommen und die Versorgung mit Strom stabil und zuverlässig gewährleistet werden kann. Erreicht wird dies, indem regional und zeitlich begrenzt ein Teil der Verbraucher von der Stromversorgung getrennt wird. Bei einer länger andauernden Mangellage können dann Abschaltungen in einem rollierenden Verfahren reihum erfolgen, um die Auswirkungen gemildert auf mehrere Verbraucher zu verteilen.

Sowohl der seinerzeit im Bundestag diskutierte Bericht als auch der in Kreisen des Krisenmanagements und des Bevölkerungsschutzes intensiv gelesene Thriller „Blackout“ sind nun deutlich über zehn Jahre alt. Anfang 2024 stellt sich trotz der über Jahre hinweg sehr hohen Versorgungssicherheit und der sehr geringen Wahrscheinlichkeit eines Blackouts in Deutschland die Frage, welche Risiken, Gefahren und Bedrohungen einerseits existieren, die gegebenenfalls einen Blackout zur Folge haben könnten, und wie es andererseits um das Risiko- und Krisenmanagement mit Blick auf ein solches Ereignis bestellt ist.

Risiko- und Bedrohungsbetrachtung

Extreme Abhängigkeiten von einer oder mehreren Schlüsselinfrastrukturen steigern das Risiko, in eine große Katastrophenlage zu geraten, wenn diese tiefgreifend gestört werden oder längerfristig und großflächig ausfallen. Neben der Stromversorgung gilt dies insbesondere für die ebenfalls von Elektrizität abhängigen IT-Infrastrukturen. Die jahrzehntelange hohe Versorgungssicherheit in Deutschland kann in Verbindung mit der extremen Abhängigkeit der Gesellschaft sogar dazu führen, dass sich unter den Aspekten des Risiko- und Krisenmanagements jede Störung oder jeder Ausfall der Versorgung umso stärker auswirkt, da die Institutionen und Menschen nicht gewohnt sind, mit solchen Situationen adäquat umzugehen und sich darauf praktisch vorzubereiten. Die Wissenschaft bezeichnet dieses Phänomen als „Verletzlichkeitsparadoxon“.

Für einen potenziellen Blackout kommen zahlreiche und sehr unterschiedliche Ursachen infrage, die einzeln, kombiniert oder in Form einer Kaskade auftreten können. Diese reichen von schweren Naturereignissen wie Stürmen, Extremniederschlägen, Hochwasser, Hitzewellen, Erdbeben und Sonnenstürmen über Unfälle, Systemfehler und menschliches Versagen bis hin zu Anschlägen, Sabotage und Cyberangriffen. Echte Blackouts haben wir in Deutschland glücklicherweise noch nicht erlebt. Aber es ist in Europa und Deutschland zu mehreren großen Stromausfällen gekommen, die teilweise enorme Auswirkungen hatten. So war beispielsweise 2003 fast ganz Italien von einem Ausfall betroffen, der durch eine starke Netzbelastung im französisch-schweizerischen Grenzgebiet ausgelöst wurde. Der Stromausfall war nach recht kurzer Zeit behoben. Anders sah dies im Winter 2005 im Münsterland aus. Von diesem regional begrenzten Stromausfall waren einige Landstriche bis zu sieben Tage lang betroffen. 2006 fiel der Strom in Teilen Deutschlands und Europas aufgrund eines Schaltfehlers aus. Der Stromausfall konnte schnell behoben werden, da keine nachhaltigen Schäden im Stromnetz zu verzeichnen waren. 2019 kam es in Berlin-Köpenick bei Bauarbeiten zu einem Stromausfall, der auch eine Klinik betroffen hat. Aus Sicht des Risiko- und Krisenmanagements lassen diese Ereignisse ahnen, welche massiven Probleme und Herausforderungen bei einem echten Blackout auftreten könnten.

Neben den Gefahren, die unter anderem die Klimakrise in Form von Wetterextremen mit sich bringt, rücken spätestens seit dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 erstmals auch wieder Kriege in den Fokus der nationalen Sicherheitspolitik und damit auch in den Fokus der Zivilen Verteidigung, zu der hierzulande der Bevölkerungsschutz als eine von vier tragenden Säulen zählt. Kritische Infrastrukturen stehen dabei aufgrund ihrer hohen Relevanz für das Funktionieren der Gesellschaft besonders im Fadenkreuz kriegerischen Denkens und Handelns. Neben dem klassischen Militäreinsatz sind neue Dimensionen im Cyber-, Informations- und Weltraum hinzugekommen. Wirtschaftliche Repressalien, Cyberangriffe und Desinformationskampagnen ergänzen das klassische Repertoire, weswegen man diese sehr flexibel einsetzbare Kombination als hybride Kriegsführung bezeichnet. Neben kriminell motivierten Tätern greifen staatliche oder staatlich gelenkte Hacker regelmäßig Infrastrukturen über die IT an und versuchen, wichtige Insiderinformationen zu erlangen und Infrastrukturen zu stören und zu zerstören. Die Stromversorgung der Ukraine war bereits vor 2022 im Visier Russland zuzuordnender Hackergruppierungen und wird seither regelmäßig sowohl mit Cyberattacken als auch mit konventionellen Waffen angegriffen.

Krisenvorsorge und Krisenmanagement

Mit dem Kriegsbeginn, spätestens aber mit der Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines und dem Beschluss der Bundesregierung, auf direkte russische Gaslieferungen nach Deutschland zu verzichten, wurde das Risiko von Stromausfällen beziehungsweise Blackouts auch in Deutschland unter den Vorzeichen von Krieg und Ressourcenmangel intensiv in der Öffentlichkeit und im politischen Raum diskutiert. Ein Krisenstab im für Energiefragen zuständigen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) wurde einberufen und koordinierte alle zentralen politischen Maßnahmen der Krisenvorsorge und des Krisenmanagements in Kooperation mit anderen relevanten Bundesressorts und Geschäftsbereichsbehörden. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts im Winter 2022/23 aus fachlicher Sicht schon frühzeitig als gering eingeschätzt wurde, hatte das BMWK bereits kurz nach dem Überfall auf die Ukraine wichtige Studien und Stresstests bei den großen Übertragungsnetzbetreibern in Auftrag gegeben, um darauf aufbauend weitere Entscheidungen treffen zu können. Den Ergebnissen nach war es zwar theoretisch denkbar, dass es im Winter unter ungünstigen Bedingungen zu Stromausfällen kommen könnte, gleichzeitig wurde aber das Risiko für einen vollumfänglichen Blackout durch die Netzbetreiber als sehr gering bis unwahrscheinlich bewertet.

Um die Energieversorgung in Deutschland auch in Krisenzeiten sicherstellen zu können, verfügt die für diese Aufgabe zuständige Fachbehörde des BMWK, die Bundesnetzagentur (BNetzA), über ein umfangreiches Instrumentarium und auch die nötigen gesetzlichen Grundlagen. Mit Blick auf Mangellagen und Krisen ist in diesem Kontext insbesondere der Notfallplan Gas mit seinen drei Eskalationsstufen zu nennen, der zusammen mit den weiteren ergriffenen Maßnahmen, zum Beispiel den Appellen zur Einsparung von Energie in der Wirtschaft, in der öffentlichen Verwaltung und in der Bevölkerung, maßgeblich dazu beigetragen hat, dass Deutschland gut durch den Winter 2022/23 gekommen ist. Auch beschleunigte Gesetzgebungsverfahren, beispielsweise für den schnellen Bau und die rasche Inbetriebnahme von Flüssiggasterminals, haben ihren Teil dazu beigetragen, die Krisenlage stabil zu halten und auch weiterhin eine hohe Versorgungssicherheit in Deutschland gewährleisten zu können. Übungen der BNetzA mit anderen Partnern setzten im Herbst 2023 den Weg der Optimierung des Krisenmanagements fort. Darüber hinaus sind im Bereich der Stromversorgung in einer drohenden oder eingetretenen Mangellage Maßnahmen wie eine rollierende Abschaltung beziehungsweise ein Brownout möglich, um einem Blackout vorzubeugen.

Unabhängig von, aber teilweise in Kooperation mit staatlichem Handeln sind die Energieversorgungsunternehmen, insbesondere die großen Übertragungsnetzbetreiber, für eigene Sicherheitsmaßnahmen und ein unternehmensinternes Risiko- und Krisenmanagement verantwortlich. In den vergangenen Jahren haben sie umfangreiche Vorkehrungen zur Absicherung ihrer technischen Infrastruktur gegenüber Angriffen und Gefahren aller Art getroffen. Gesetzliche Bestimmungen wie die EU-Verordnung über die „Risikovorsorge im Elektrizitätssektor“ mit entsprechenden rechtlichen Verpflichtungen ergänzen diese Vorkehrungen.

Parallel zu den Maßnahmen im Wirtschaftsressort hat das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) im Herbst 2022 den Gemeinsamen Koordinierungsstab Kritische Infrastruktur (GEKKIS) aller Ressorts der Bundesregierung auf Ebene der Staatssekretäre ins Leben gerufen. Ziel und Zweck dieses neuen Stabes ist es, den Schutz von KRITIS unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine und der Anschläge auf die Gaspipelines durch eine ressortübergreifende Zusammenarbeit zu stärken und damit einen wichtigen Beitrag zur Krisenvorsorge und zum Krisenmanagement zu leisten. Die Risikobetrachtungen im Rahmen des GEKKIS finden auf Grundlage ausgewählter Szenarien statt, deren Entwicklung vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) fachlich unterstützt wird. Die Energieversorgungssicherheit spielt dort eine bedeutende Rolle. Aktuelle Lagebilder zur Versorgungssicherheit bei KRITIS werden regelmäßig durch das BBK in Zusammenarbeit mit Bundes- und Länderbehörden erstellt und vermitteln den Stäben und sonstigen Einrichtungen ein aktuelles Bild für eventuell nötige Entscheidungen.

Bevölkerungsschutz

Doch was geschieht, wenn es entgegen aller Vorsorge trotzdem zu einem großen Stromausfall oder gar zu einem Blackout kommen sollte? Welche Pläne gibt es, die Katastrophe zu bewältigen? Welche Aufgaben kommen dem Bevölkerungsschutz zu? Trotz aller aktuellen und noch vor wenigen Jahren kaum für möglich gehaltenen Herausforderungen – und entgegen der ab und an medial geübten Kritik an den Strukturen des Bevölkerungsschutzes – verfügt Deutschland über ein sehr leistungsfähiges und integriertes Hilfeleistungssystem für den Katastrophenfall. Durch standardisierte Verfahren ist Deutschland darüber hinaus sowohl mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union als auch mit den Vereinten Nationen auf internationalem Terrain verbunden, um sich im Katastrophenfall gegenseitig helfen zu können.

Verfassungsgemäß ist der Bund für den Schutz der Bevölkerung im Falle eines Krieges zuständig (Zivilschutz), während die Länder den Schutz der Bevölkerung vor friedenszeitlichen Gefahren, Schadenslagen und Katastrophen zu verantworten haben (Katastrophenschutz). Im Rahmen der Amts- und Katastrophenhilfe unterstützen sich Bund und Länder im Bedarfsfall gegenseitig. Die Systemarchitektur des aus Zivil- und Katastrophenschutz bestehenden Bevölkerungsschutzes lässt sich bildlich am besten als Pyramide vorstellen, die gestuft alle drei Verwaltungsebenen des integrierten Hilfeleistungssystems umfasst: die kommunale Ebene, die Länder- und die Bundesebene. Die Basis bilden die Gemeinden, kreisfreien Städte und Landkreise, die aufgrund von Gesetzen für den Brandschutz und die Allgemeine Hilfe, den Rettungsdienst und den Katastrophenschutz operativ verantwortlich sind. Integrierte Leitstellen für diese Aufgaben koordinieren in der Regel auf Kreisebene das tägliche Einsatzgeschehen. Im Katastrophenfall übernehmen spezielle Stäbe auf Ebene der Kommunalverwaltungen die Koordination, bei besonderen Lagen auf Ebene der Landesverwaltungen. Für die operative Durchführung der Aufgaben bedienen sich Staat und Kommune der Feuerwehren und der privaten Hilfsorganisationen. Die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW), die Einsatzorganisation des Bundes im Bevölkerungsschutz, unterstützt die Länder und Kommunen im Rahmen der Amts- und Katastrophenhilfe. Insgesamt steht dem integrierten Hilfeleistungssystem in Deutschland damit ein enormes Potenzial zur Verfügung, das zu den leistungsfähigsten der Welt zählt. Ein zentraler Grundsatz für das Krisenmanagement und den Bevölkerungsschutz ist, dass man „vor und in der Krise Köpfe kennt“ (3-K-Prinzip), um sowohl im Rahmen der Vorsorge als auch bei der Bewältigung von Lagen sofort und immer mit den zuständigen Personen in Kontakt zu stehen.

Gesetzlicher Rahmen

Aufgrund der gesetzlichen Verantwortung für die Aufgaben des Brand- und Katastrophenschutzes sowie des Rettungsdienstes existieren in allen 16 Bundesländern Fachgesetze für diese Aufgaben. Die jeweiligen Innenministerien üben die Fachaufsicht aus. In einigen Bundesländern ist die Aufgabe des Rettungsdienstes den Gesundheitsministerien zugeordnet, wobei über spezielle Ländergremien die Zusammenarbeit mit den Innenressorts gewährleistet ist. Die Mitte der Pyramide ist also für diese Aufgabenvielfalt gesetzlich zuständig, unterstützt die kommunale Ebene mit materiell-technischen Ressourcen, kann eigene Einheiten aufstellen und koordiniert bei besonders großen Lagen mit Krisenstäben auf der politisch-administrativen Ebene.

Der für den Zivilschutz verantwortliche Bund bildet die Spitze in der pyramidenförmigen zivilen Sicherheitsarchitektur. Das Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes (ZSKG) setzt dabei den Rahmen für den Bevölkerungsschutz und die Unterstützung der Länder im Katastrophenfall. Die Mitarbeit des Bundes beim Katastrophenschutz der Länder bietet die Möglichkeit, Ressourcen aus dem Zivilschutz für die alltägliche Gefahrenabwehr bei friedenszeitlichen Katastrophenlagen nutzen zu können. Durch die Mitwirkungspflicht aller Stufen zum Schutz der Bevölkerung im Verteidigungsfall sind diese durch den sogenannten „Doppelnutzen“ miteinander verzahnt. Zuständige Bundesbehörden zur Aufgabenerfüllung des ZSKG sind das BBK und das THW als Geschäftsbereichsbehörden des BMI.

Blackout und Maßnahmen des Bevölkerungsschutzes

Im Bevölkerungsschutz spielen die Energiesicherheit und die Ausfallproblematik aufgrund der enormen gesamtgesellschaftlichen Relevanz schon seit Langem eine wichtige Rolle. Das Szenario eines großen, flächendeckenden Stromausfalls während eines extremen Winters wurde bereits 2004 in der ersten durch BMI und BBK organisierten Länderübergreifenden Krisenmanagement-Übung (LÜKEX) durchexerziert. Ergebnis war neben einer umfassenden Sensibilisierung der beteiligten Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden, der Einsatzorganisationen und der Elektrizitätswirtschaft unter anderem ein umfassendes „Krisenhandbuch Stromausfall“. Dieses wurde für viele Jahre zu einem zentralen Leitfaden für Behörden, Unternehmen und Organisationen.

Weitere LÜKEX-Übungen beschäftigten sich auch in den Folgejahren mit Themen der Energiesicherheit, beispielsweise die LÜKEX 2018, die eine Gasmangellage zum Gegenstand hatte. Auch die LÜKEX 2023 mit angenommenen Cyberangriffen auf Regierungshandeln kann mit Blick auf gegenwärtige hybride Kriegsformen in diesen Gesamtzusammenhang eingeordnet werden.

Zahlreiche interne Risikoanalysen in Behörden und Unternehmen der Energiewirtschaft haben in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass trotz international gestiegenem Risiko stetige Verbesserungen im Risiko- und Krisenmanagement vorgenommen wurden. Das BBK hat dazu mit Methodenkompetenz, Handlungshilfen und Leitfäden, beispielsweise für den Aufbau von Notstromversorgungen oder für die Treibstoffversorgung bei Stromausfällen, beigesteuert und Bundesressorts, Länder und Kommunen fachlich und beratend unterstützt.

Einen wichtigen Beitrag hat das BBK auch mit dem Konzept des integrierten Risiko- und Krisenmanagements geleistet, das die Maßnahmen staatlicher beziehungsweise kommunaler Gefahrenabwehrbehörden und die Betreiber von KRITIS verknüpft. Elemente und Abläufe einer strukturierten Zusammenarbeit zwischen Akteuren des Bevölkerungsschutzes und Betreibern von KRITIS im Integrierten Katastrophenrisiko- und Krisenmanagement konnten so auch in ein Standarddokument des Deutschen Instituts für Normung aufgenommen werden. Strukturierte Verfahren und Abläufe sowie eine erfolgreich koordinierte Zusammenarbeit von Staat, Kommune und Unternehmen sind gerade für Vorsorgemaßnahmen mit Blick auf große Katastrophen wie einen Blackout von entscheidender Bedeutung.

Neben den Aktivitäten des Bundes wurde bereits vor über zehn Jahren auf Ebene der Länder und Kommunen damit begonnen, Musternotfallpläne für den Fall eines Blackouts zu erarbeiten und zur Umsetzung auf kommunaler Ebene anzuordnen, zumindest aber zu empfehlen. Ein frühes Beispiel ist der „Musternotfallplan Stromausfall“ des Regierungspräsidiums Karlsruhe von 2014, der sehr konkrete Handlungsempfehlungen zur Vorbereitung auf einen flächendeckenden und lang anhaltenden Stromausfall beinhaltet und als direkte Ergänzung des bereits erwähnten Krisenhandbuchs gesehen wird. Mittlerweile verfügen auch die Länder über entsprechende Rahmen- und Handlungsempfehlungen sowie Notfallpläne bei Stromausfall. Federführend sind die für den Katastrophenschutz jeweils zuständigen Innenministerien, die im Katastrophenfall bei großen und besonderen Lagen einen Krisenstab gegebenenfalls auch ressortübergreifend auf Landesebene koordinieren.

Aufgrund der besonderen Lage durch den Krieg in der Ukraine und die nicht ganz abschätzbaren Folgen für die Energieversorgung in Deutschland hatten die Länder die Kommunen für den Winter 2022/23 angewiesen, entsprechend erweiterte Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Es sollten Anlaufstellen für die Bevölkerung als Notversorgungseinrichtungen und auch als Wärmeinseln im Fall eines größeren Energieausfalls vorgeplant werden, um in einer solchen Situation vor allem der betroffenen Wohnbevölkerung effektiv helfen zu können. Die Hilfsorganisationen, die unter anderem für den Sanitätsdienst und die soziale Betreuung im Katastrophenfall zuständig sind, haben zusammen mit kommunalen Verwaltungen entsprechende Einrichtungen vorbereitet, wobei sie auf die Erfahrungen aus der Fluchtmigration 2015/16 und aus der Corona-Pandemie zurückgreifen konnten.

Vorsorgemaßnahmen des Bundes, der Länder und der Kommunen gegenüber einem Blackout sind jedoch nicht nur auf planerische Maßnahmen beschränkt. So hält zum Beispiel das THW sogenannte Fachgruppen Elektroversorgung vor, die neben hoher Fachexpertise ihrer Mitglieder auch über leistungsfähige und leistungsstarke Netzersatzanlagen und Notstromaggregate verfügen und diese im In- und Ausland zum Einsatz bringen. Für die Länderaktivitäten kann exemplarisch Hessen genannt werden. Das Land hat in den vergangenen Jahren große Netzersatzanlagen und spezielle Fahrzeuge beschafft, die den unteren Katastrophenschutzbehörden zur Verfügung gestellt wurden und so einen wichtigen Beitrag für das Krisenmanagement bei großen Stromausfällen leisten. Diese Potenziale hat Hessen bereits in den EU-weiten Einsatz gebracht, als Slowenien 2014 aufgrund einer extremen Winterwetterlage von massiven Stromausfällen betroffen war. Die Einsatzorganisationen, allen voran die Feuerwehren, aber auch die Hilfsorganisationen, verfügen mittlerweile über eine stattliche Anzahl von Netzersatzanlagen und Notstromaggregaten, ebenso die relevanten Unternehmen oder die dazu gesetzlich verpflichteten Einrichtungen, wie zum Beispiel Krankenhäuser. Allerdings würden diese Kapazitäten bei einem Blackout lediglich dazu dienen, eine zeitlich begrenzte Notversorgung für die wichtigsten gesellschaftlichen Bereiche anzubieten. Das BBK empfiehlt hier, eine Vorsorge für 72 Stunden zu treffen. Eine entsprechende Eigenvorsorge für eine solche, wenn auch wenig wahrscheinliche, Lage sowohl in Unternehmen als auch in der Bevölkerung ist daher nicht nur sinnvoll, sondern notwendig. Das BBK hat auch hierzu umfangreiche Empfehlungen für den Selbstschutz und die Selbsthilfe für die Bevölkerung veröffentlicht. Gleichermaßen existieren solche Angebote auf der kommunalen Ebene bei Feuerwehren und Hilfsorganisationen.

Ausblick

Auch wenn ein Ereignis wie ein landes- oder bundesweiter Blackout derzeit unwahrscheinlich ist, erfordern die internationalen sicherheitspolitischen Entwicklungen, Kriege und insbesondere die Klimakrise eine stetige Anpassung von Vorsorgemaßnahmen sowie des Risiko- und Krisenmanagements. Ziel muss sein, die gesamtgesellschaftliche Resilienz gegenüber Krisen und Katastrophen zu stärken. Mit der vom Bundeskabinett 2022 beschlossenen Nationalen Resilienzstrategie und der 2023 ebenfalls vom Kabinett beschlossenen Nationalen Sicherheitsstrategie existiert ein politischer Rahmen, der genau diesem Ziel dient. Das 2024 erwartete KRITIS-Dachgesetz zum Schutz kritischer Infrastrukturen wird die Resilienz der für unsere Gesellschaft so (über-)lebenswichtigen Basis weiter in den Fokus nehmen. Alle in den vergangenen Jahren von Bund, Ländern, Kommunen, Unternehmen und Hilfsorganisationen erbrachten Maßnahmen sowie die künftigen Vorhaben werden dazu dienen, Blackouts auch weiterhin zu verhindern und die Auswirkungen von Stromausfällen so gering wie möglich zu halten. Dies kann jedoch nur gemeinsam gelingen, denn Risiko- und Krisenmanagement einschließlich des Bevölkerungsschutzes sind eine große Gemeinschaftsaufgabe von Staat und Gesellschaft.

ist Abteilungsleiter im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in Bonn.
E-Mail Link: wolfram.geier@bbk.bund.de

ist Referatsleiter im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in Bonn.
E-Mail Link: peter.lauwe@bbk.bund.de