In den letzten Jahrzehnten sind sowohl die Ausgaben als auch die Einnahmen der öffentlichen Haushalte kontinuierlich gestiegen. In fast allen Jahren zwischen 1950 und 2013 übertrafen dabei die Ausgaben die Einnahmen. Entgegen dieser Entwicklung wurde von 2014 bis 2019 sechsmal in Folge ein Finanzierungsüberschuss erzielt. Durch die Corona-Pandemie wurde diese Phase allerdings abrupt beendet. Im Jahr 2022 lag der Finanzierungssaldo bei minus 127 Milliarden Euro (2020: -189 Mrd. Euro) und die Verschuldung erreichte mit 2.368 Milliarden Euro den höchsten jemals gemessenen Stand.
Fakten
Die öffentlichen Haushalte in Deutschland gaben im Jahr 2022 – bereinigt um Zahlungen untereinander – für die Erfüllung ihrer vielfältigen Aufgaben 1.875 Milliarden Euro aus. Die höchsten Ausgaben (nicht bereinigt) entfielen auf den Bereich der Sozialversicherung mit 804 Milliarden Euro, gefolgt vom Bund (609 Mrd. Euro), den Ländern (522 Mrd. Euro) sowie den Gemeinden und Gemeindeverbänden (326 Mrd. Euro). Die EU-Anteile lagen bei 37 Milliarden Euro.
Das notwendige Geld zur Finanzierung ihrer Aufgaben erhalten die öffentlichen Haushalte aus Steuern, Gebühren, Beiträgen, Erlösen aus dem Verkauf von Vermögen oder – wenn die Einnahmen nicht ausreichen, um die Ausgaben zu decken – über Kredite. Insgesamt beliefen sich die Einnahmen der öffentlichen Haushalte (ohne Kredite) im Jahr 2022 auf 1.748 Milliarden Euro.
Insgesamt sind zwischen 1950 und 2019 sowohl die Ausgaben als auch die Einnahmen der öffentlichen Haushalte kontinuierlich gestiegen. Allein zwischen 2000 und 2019 erhöhten sich die Ausgaben bzw. Einnahmen um 55,9 bzw. 57,5 Prozent. Durch die Corona-Pandemie stiegen die Ausgaben der öffentlichen Haushalte von 2019 auf 2020 um 181 Milliarden Euro – was einem Plus von 12,1 Prozent in nur einem Jahr entspricht. Gleichzeitig sanken die Einnahmen um 53 Milliarden Euro (minus 3,5 Prozent). Von 2020 bis 2022 stiegen wiederum die Einnahmen deutlich stärker als die Ausgaben (17,4 gegenüber 11,7 Prozent).
In fast allen Jahren seit 1950 übertrafen die Ausgaben der öffentlichen Haushalte die Einnahmen. Von 1962 bis 2013 gab es in nur dreimal einen Finanzierungsüberschuss. Zwischen 2014 und 2019 lagen die Einnahmen der öffentlichen Haushalte das erste Mal in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren über den Ausgaben – 2017 wurde dabei mit einem Plus von 61,9 Milliarden Euro der Spitzenwert erreicht.
Durch die Corona-Pandemie wurde diese Phase jedoch abrupt beendet: 2020 lag der Finanzierungssaldo bei minus 189 Milliarden Euro. Dies ist das bislang höchste Finanzierungsdefizit der öffentlichen Haushalte (2022: -127 Mrd. Euro). Selbst das Defizit aus dem Jahr 2009, das insbesondere von der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise beeinflusst war, lag mit 101,7 Milliarden Euro weit darunter.
Die Finanzierungsdefizite wurden vor allem über eine Ausweitung der Verschuldung finanziert. Der Schuldenstand stieg dementsprechend von 64 Milliarden Euro im Jahr 1970 auf 538 Milliarden Euro im Jahr 1990 (Westdeutschland). Am 31. Dezember 2009 lagen die Kreditmarktschulden der öffentlichen Haushalte bei 1.694 Milliarden Euro – gegenüber dem Jahr 1991 entspricht das einer Erhöhung des Schuldenstandes um rund 183 Prozent (Deutschland). Durch die globale Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 stiegen die Schulden im Jahr 2010 sprunghaft auf mehr als zwei Billionen Euro und erhöhten sich bis 2012 weiter auf 2.068 Milliarden Euro.
Entgegen dieser jahrzehntelangen Entwicklung war die Verschuldung zwischen 2012 und 2019 insgesamt rückläufig und lag 2019 bei 1.899 Milliarden Euro. Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank der öffentliche Schuldenstand in diesem Zeitraum von 80,7 auf 59,6 Prozent. Allerdings führten insbesondere die zusätzlichen Ausgaben im Zuge der Corona-Pandemie sowie die Energiekrise im Jahr 2022 dazu, dass die Verschuldung Ende 2022 mit 2.368 Milliarden Euro den höchsten jemals gemessenen Stand erreichte. Laut Statistischem Bundesamt waren die 2020 bzw. 2022 neu errichteten Wirtschaftsstabilisierungsfonds WSF-Corona und WSF-Energie Ende 2022 mit 52,4 bzw. 30,2 Milliarden Euro verschuldet. Im Verhältnis zum BIP lag der öffentliche Schuldenstand im Jahr 2022 bei 66,3 Prozent (2021: 69,3 Prozent), die Pro-Kopf-Verschuldung betrug 28.155 Euro.
Werden die Ausgaben der öffentlichen Haushalte in Relation zum Bruttoinlandsprodukt gesetzt, ergibt sich die sogenannte Staatsquote (Ausgaben des Staates in der Abgrenzung des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen). Die Staatsquote stieg zwischen 1991 und 1996 von 46,5 auf 49,4 Prozent. Insgesamt war die Staatsquote in den Folgejahren rückläufig und erreichte in den Jahren 2007 und 2008 mit 43,4 bzw. 44,2 Prozent die niedrigsten Werte seit 1990. Im Zuge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise erhöhte sich die Staatsquote 2009 und 2010 sprunghaft auf 48,2 bzw. 48,1 Prozent. Während die Staatsquote in den Jahren 2011 bis 2019 leicht um 44,6 Prozent schwankte, wurde 2021 mit 51,3 Prozent ein neuer Höchstwert erreicht (2022: 49,8 Prozent; Werte für 2021/2022 vorläufig).
Begriffe, methodische Anmerkungen oder Lesehilfen
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Mit der Umsetzung des sogenannten Schalenkonzepts in den Finanzstatistiken umfasst der Begriff Öffentlicher Gesamthaushalt neben den Kernhaushalten des Bundes, der Länder, der Gemeinden/Gemeindeverbände und der Sozialversicherung sowie den Finanzanteilen der Europäischen Union (EU-Anteile) alle Extrahaushalte des Bundes, der Länder, der Gemeinden/Gemeindeverbände und der Sozialversicherung. Die EU-Anteile sind die aus Deutschland direkt an die EU abgeführten Einnahmen (Mehrwertsteuer-Eigenmittel der EU, Bruttonationaleinkommen-Eigenmittel der EU, Zölle, Abschöpfungen) sowie die Marktordnungsausgaben der EU an Inländer. Die Finanzanteile der Europäischen Union zählen nicht zu den Kernhaushalten, sind aber Bestandteil des Öffentlichen Gesamthaushalts.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) misst den Wert der im Inland hergestellten Waren und Dienstleistungen (Wertschöpfung), soweit diese nicht als Vorleistungen für die Produktion anderer Waren und Dienstleistungen verwendet werden. Das BIP ist gegenwärtig das wichtigste gesamtwirtschaftliche Produktionsmaß.
Die Nettokreditaufnahme entspricht der Differenz von Schuldenaufnahme und Schuldentilgung am Kreditmarkt.
Entwicklung der öffentlichen Finanzen In absoluten Zahlen, 1950 bis 2020
In absoluten Zahlen, 1950 bis 2022
Bereinigte Einnahmen 1 | Bereinigte Ausgaben 1 | Finanzierungs- saldo 2 | Nettokredit- aufnahme / -tilgung 3 | Schulden- stand 4 | |
---|---|---|---|---|---|
in Mio. Euro | |||||
2022 | 1.748.291 | 1.875.430 | -127.279 | 158.349 | 2.367.687 |
2021 | 1.629.280 | 1.762.401 | -133.184 | 246.941 | 2.319.911 |
2020 | 1.489.365 | 1.678.622 | -189.228 | 220.998 | 2.171.798 |
2019 | 1.542.690 | 1.497.437 | 45.182 | 12.494 | 1.899.168 |
2018 | 1.482.112 | 1.428.512 | 53.639 | -18.162 | 1.914.050 |
2017 | 1.429.711 | 1.367.850 | 61.897 | -17.814 | 1.967.265 |
2016 | 1.351.851 | 1.326.142 | 25.797 | -13.171 | 2.009.310 |
2015 | 1.301.816 | 1.272.757 | 29.149 | -11.026 | 2.020.704 |
2014 | 1.244.589 | 1.236.659 | 8.080 | -6.781 | 2.043.918 |
2013 | 1.201.058 | 1.208.297 | -7.179 | 21.102 | 2.043.344 |
2012 | 1.163.357 | 1.174.449 | -11.031 | 20.961 | 2.068.289 |
2011 | 1.103.862 | 1.110.165 | -6.418 | 24.467 | 2.025.438 |
2010 | 1.030.908 | 1.105.876 | -74.989 | 63.955 | 2.011.677 |
2009 | 1.011.429 | 1.113.124 | -101.714 | 89.739 | 1.694.368 |
2008 | 1.051.605 | 1.055.965 | -4.213 | 20.477 | 1.577.881 |
2007 | 1.026.688 | 1.017.532 | 8.954 | 14.946 | 1.552.371 |
2006 | 990.134 | 1.004.943 | -14.705 | 39.309 | 1.545.364 |
2005 | 946.460 | 1.002.244 | -55.787 | 53.325 | 1.489.853 |
2000 | 979.322 | 960.788 | 18.552 | 19.763 | 1.210.918 |
1995 | 889.492 | 950.523 | -60.931 | 48.970 | 1.018.767 |
1990 | 557.977 | 585.228 | -27.147 | 37.120 | 538.334 |
1985 | 444.788 | 463.807 | -18.871 | 20.738 | 388.436 |
1980 | 352.796 | 379.188 | -26.505 | 27.659 | 238.897 |
1975 | 235.558 | 269.574 | -33.961 | 27.731 | 130.008 |
1970 | 96.279 | 100.382 | -4.081 | 3.222 | 64.210 |
1965 | 66.625 | 71.878 | -5.253 | 4.003 | 44.697 |
1955 | 27.506 | 26.196 | 1.314 | 690 | 21.357 |
1950 | 13.520 | 14.388 | -868 | 310 | 9.574 |
20225 | Einnahmen | Ausgaben |
---|---|---|
in Mio. Euro | ||
Bund | 463.760 | 608.891 |
EU-Anteile | 36.686 | 36.686 |
Länder | 532.949 | 522.250 |
Gemeinden/ Gemeindeverbände | 328.416 | 325.780 |
Sozialversicherung | 809.032 | 804.373 |
Fußnote: 1 Bis einschließlich 1990: Früheres Bundesgebiet. 1950 Bundesgebiet ohne Berlin. Bis einschließlich 1959 ohne Saarland. Ab 1974 erweiterter Berichtskreis. Ab 1998 ohne Krankenhäuser und Hochschulkliniken mit kaufmännischem Rechnungswesen und ohne Zusatzversorgungskassen der Sozialversicherung. Ab 2012 vierteljährliche Kassenstatistik (Kern- und Extrahaushalte, 2012: ohne kommunale Zweckverbände); aufgrund der unterschiedlichen Berichtskreise sind die Ergebnisse mit den Vorjahren nur eingeschränkt vergleichbar.
Fußnote: 2 Differenz zwischen Ausgaben und Einnahmen einschließlich haushaltstechnischer Verrechnungen (- = Finanzierungsdefizit,
+ = Finanzierungsüberschuss); nicht identisch mit dem Finanzierungssaldo des Staates der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.
Fußnote: 3 Negatives Vorzeichen = Nettotilgung.
Fußnote: 4 Jeweils zum 31.12.; ab 2006 einschließlich ausgewählter öffentlicher Extrahaushalte; ab 2010 einschließlich aller Extrahaushalte. Bis 2009 Kreditmarktschulden einschließlich Kassenkredite; ab 2010 Schulden beim nicht-öffentlichen Bereich: Wertpapierschulden, Kredite und Kassenkredite.
Fußnote: 5 Ergebnisse der vierteljährlichen Kassenstatistik (Kern- und Extrahaushalte), nicht addierbar.
Quelle: Statistisches Bundesamt: Finanzen und Steuern: Rechnungsergebnisse der öffentlichen Haushalte, Vierteljährliche Kassenergebnisse des Öffentlichen Gesamthaushalts, Schulden des Öffentlichen Gesamthaushalts