21 und ein bisschen realistischer?
Die Bewertungen der Bilanz und der Perspektiven Ostdeutschlands gehen auch im 21. Jahr der deutschen Einheit auseinander. Einhelliger Anerkennung von Erfolgen stehen divergierende Meinungen über den Umbau der Produktionsverhältnisse und dessen Folgen gegenüber.I.
Auch im 21. Jahr des vereinten Deutschland dürften das Erreichte und die Zukunftsperspektiven Ostdeutschlands je nach Perspektive des Betrachters unterschiedlich bewertet werden. Die im Einigungsprozess verantwortlichen Politiker und ihre Nachfolger werden die zweifellos vorhandenen Erfolge ein weiteres Mal bejubeln und ihre Unfehlbarkeit beteuern, ihre Kritiker werden auf die Schattenseiten und deren Folgen verweisen.
Produktion: Auf der einen Seite hat sich Ostdeutschland in den vergangenen Jahren zu einem leistungsfähigen Wirtschaftsstandort mit einer modernen Infrastruktur entwickelt. So ist die gesamtwirtschaftliche Leistung, das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner, von 1991 bis 2010 auf mehr als das Doppelte gestiegen. Anfang der 1990er-Jahre erzielt worden. Seit der zweiten Hälfte des ersten Jahrzehnts der deutschen Einheit hat sich die Dynamik der Entwicklung deutlich abgeschwächt. Die anfänglichen Wachstumsvorsprünge des Ostens sind inzwischen Geschichte.[1] Die Aufholfortschritte sind immer kleiner geworden; im Jahr 2010 wurden erst drei Viertel des Produktivitätsniveaus in den alten Ländern erreicht.[2]
Arbeitsmarkt: Auf der anderen Seite hat der Arbeitsmarkt mit den Erfolgen beim Neuaufbau moderner Produktions- und Dienstleistungsstätten nicht mithalten können. Der Verlust an Arbeitsplätzen war infolge der Transformationskrise, der Politik der schnellen Lohnangleichung und der Kapitalsubventionierung beim Aufbau einer modernen Produktion so heftig und andauernd, dass erst im vergangenen Aufschwung vor der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise wieder Beschäftigung aufgebaut wurde. Die tariflichen Arbeitszeiten sind länger und die Entlohnung niedriger als im Westen. Die Arbeitslosigkeit ist immer noch deutlich höher sowie der Anteil an Langzeitarbeitslosen und somit von Hartz IV Empfängern größer.
Bevölkerung: Und schließlich wurde trotz breit angelegter Eindämmungsversuche seitens der Tarifparteien bis zur Zahlung von Bleibeprämien durch Länderregierungen der Bevölkerungsschwund nicht gestoppt. Abwanderung und Geburtenrückgang haben in Ostdeutschland zu Schrumpfungs- und Alterungserscheinungen geführt, dass selbst mehr als 20 Jahre nach dem Beginn der politischen Transformation das Geburtenniveau sowie die anhaltend negative Wanderungsbilanz der neuen Länder zu einer weiteren Verstärkung dieser Tendenzen beitragen. Hinzu kommt, dass selbst bei künftig günstigerer Bevölkerungsentwicklung das lange "Gedächtnis" demografischer Prozesse zu einem bleibenden Effekt des Geburten- und Abwanderungseffektes führen wird: Die Halbierung der Anzahl der Geburten in den frühen 1990er-Jahren generiert 20 bis 30 Jahre später einen Echoeffekt von abermals sinkenden Geburten.[3]