Vorgeschichte
Ende Oktober 2009 erschienen in den Medien
Das erweckte das Interesse des Verfassers, der eine Person kannte, die 1945 durch ein Gericht des sowjetischen Geheimdienstes NKWD verurteilt worden war. Die Recherchen auf der Webseite der Dokumentationsstelle Externer Link: www.dokst.de, die am 16. November 2009 eröffnet wurde, führte sofort zum Erfolg:
Emma Goldacker, geboren 1919 – das war sicher meine Schweizer Briefpartnerin Emmy Attinger-Goldacker. Sie war 1945 verhaftet und verurteilt worden.
Die Bekanntschaft mit Emmy Attinger-Goldacker hatte im Jahre 2001 begonnen. Im Juli des Jahres stand eine ältere Dame an dem Gartentor unseres Grundstückes in Dessau und fragte etwas unsicher, ob sie einmal herein kommen könnte. Sie sei mit ihrem Mann auf der Durchreise von der Schweiz nach Berlin, und dieses Haus sei ihr Elternhaus gewesen. Ihr Vater, Paul Goldacker, hätte in den 1920er-Jahren dieses Haus für seine Familie erbaut. Sie würde gern Haus und Garten wiedersehen.
Emmy Attinger-Goldacker konnte nicht wissen, dass wir über den Namen Goldacker und über die Geschichte dieses Hauses sehr gut informiert waren. Paul Goldacker hatte damals in dem I. G. Farben-Werk Filmfabrik Wolfen gearbeitet, und ich war 29 Berufsjahre mit der Filmfabrik Wolfen verbunden gewesen. Zu einem weiteren Treffen zwei Tage später kam auch der Archivar der Filmfabrik Wolfen, Manfred Gill, hinzu. Dieser hatte ein Bündel Akten mitgebracht: die Personalakte von Dr. Paul Goldacker und ergänzende Schriftstücke.
Bereits etliche Jahre zuvor hatten wir mit der Dessauer Moses-Mendelssohn-Gesellschaft e. V. zusammengearbeitet, welche die Geschichte der Juden in Dessau erforscht und aufbereitet. In der Broschürenreihe des Vereins hatten wir eine Arbeit veröffentlicht, welche sich mit den Schicksalen von jüdischen (und auch jüdisch verheirateten) Wissenschaftlern in der Filmfabrik Wolfen nach 1933 befasst.
So wussten wir, dass Emmy Goldacker 1919 in Dessau geboren worden war und ihr Vater 1926/27 dieses Haus erbaut hatte. Paul Goldacker wurde 1928 aus dienstlichen Gründen zum Agfa-Werk nach Berlin-Treptow versetzt. Er verkaufte das Haus an die Filmfabrik Wolfen. Seine Ehe wurde 1931 geschieden. Mit seiner zweiten – jüdischen – Frau zog er wieder nach Dessau, einem bevorzugten Wohnort für Akademiker, die in Wolfen oder Bitterfeld arbeiteten, als er wieder nach Wolfen versetzt wurde. 1938 flüchtete er mit seiner Frau nach Palästina. Zudem existieren Akten, welche die wirtschaftliche Lage der ersten Ehefrau mit ihren drei Kindern (darunter Emmy) dokumentieren, nachdem Versorgungszahlungen von Paul Goldacker aus Palästina zunächst ausblieben.
Emmy Attinger-Goldacker war von den Akten beeindruckt, da sie viele Sachverhalte aus der Personalakte gar nicht kennen konnte. Sie berichtete aus ihrem Leben.
Nach dem Kriege versuchte sie einen neuen Start und begann eine Ausbildung als "Neulehrerin". Ihre berufliche Vergangenheit holte sie jedoch ein. Sie wurde denunziert und von sowjetischen Soldaten festgesetzt. Es folgten Verhöre in russischer Sprache mit mangelhafter Übersetzung in verschiedenen Haftanstalten und im September 1945 eine Verurteilung zu zehn Jahren Zwangsarbeit. Die gesamte Haftzeit hat Emmy Goldacker in verschiedenen Lagern im hohen Norden Russlands verbringen müssen. Ihre Erfahrungen dort hat sie in dem Buch "Der Holzkoffer – Leben und Überleben in sowjetischen Lagern" (Hameln 1982)
Bei der Buchpräsentation im Jahre 2005 kam es zu regen Diskussionen, doch eine Aufhebung des Urteils von 1945 oder gar eine ideelle Wiedergutmachung waren hierbei kein Thema. Dabei waren bereits Rehabilitierungen bei Unrechtsurteilen sowjetischer Militär- bzw. Geheimdienstgerichte vorgenommen worden. Die Möglichkeit dazu hatte ein russisches Gesetz eröffnet, das bereits im Jahre 1991 in Kraft getreten war. Danach konnten Opfer der politischen Repressionen einen Antrag auf Rehabilitierung stellen. Doch wenn das nicht einmal in Deutschland allgemein bekannt war, wie sollte dann ein im Ausland lebendes Opfer davon erfahren haben?
Rehabilitierung
Nachdem ich in den Listen der Dresdener Dokumentationsstelle den Namen Emma Goldacker mit passendem Geburtsjahr gefunden und von Emmy Attinger-Goldacker zur genaueren Identifizierung noch einige Daten zu ihrer Gefangenschaft erhalten hatte (sie war in Russland als Emma Pavlovna Goldacker geführt worden, unter der Gefangenennummer 0-320; die aktuelle Registriernummer im Moskauer Kriegsgefangenenarchiv lautete 190767), erhielten wir am 7. Dezember 2009 die Rehabilitierungsbescheinigung für Emma Goldacker im russischen Original und dazu eine deutsche Übersetzung.
Dokument 1: Rehabilitierungsurkunde (deutsche Übersetzung)
Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Förderation Militärhauptstaatsanwaltschaft 29. November 2001 Nr. K-103792 103160 Moskau K-160, per. Cholsunowa 14
Rehabilitierungsbescheinigung
Herr/Frau Goldacker*, Emma
Geburtsjahr und -ort: 1919, Dessau, Provinz Anhalt
Staatsangehörigkeit: deutsch
Volkszugehörigkeit: deutsch
Vor Inhaftierung wohnhaft: Berlin-Britz, Hallbergstrasse 8b
Letzter Arbeitgeber vor Inhaftierung/beschäftigt als: Angestellte
Datum der Verhaftung: 4. Juli 1945
Wann und durch wen verurteilt/verfolgt: 25. September 1945, Militärtribunal der Garnison Berlin
Der Verurteilung zugrunde liegende Paragraphen und Strafmaß (Grund- und Zusatzstrafen): Art. 58-2 StGB der RSFSR, 10 Jahre Freiheitsentzug, zu verbüßen im Besserungs- und Arbeitslager
Datum der Haftentlassung: Die Strafakte enthält keine Angaben
Gemäß Art. 3 Buchst. a des Gesetzes der Russischen Förderation "Über die Rehabilitierung der Opfer von politischen Repressionen" vom 18. Oktober 1991 wurde Herr/Frau Goldacker, Emma, rehabilitiert.
Anmerkung: Die Entscheidung über die Rehabilitierung kann nicht als Grundlage für nicht im Einklang mit den geltenden gesetzlichen Bestimmungen und internationalen Verpflichtungen stehende Vermögensansprüche deutscher Staatsangehöriger dienen.
Leiter der Abteilung Rehabilitierung
der Opfer politischer Repressionen
[Siegel, Unterschrift] S. W. Urasowski
______________________
* Bitte beachten: Die Personen- und Ortsnamensschreibung erfolgt aufgrund der Schreibweise im russischen Original. Bei der Rückübertragung in lateinische Buchstaben kann es u. U. zu kleineren Unterschieden in der Schreibweise kommen.
Das ist ein sehr trockener Text. In die Freude der Betroffenen, dass sie – bereits im Jahre 2001 – rehabilitiert worden war, dürften sich wohl Gedanken eingeschlichen haben, dass in dem Schreiben kein Wort des Bedauerns und der Entschuldigung zu finden ist.
In dem zugehörenden Anschreiben wurde mitgeteilt, dass nunmehr auch die Möglichkeit bestehe, in die Akte Goldacker Einsicht zu nehmen und Kopien vom Urteil und von den Verhörprotokollen anzufordern. Diese Materialien befinden sich im Moskauer Archiv des russischen Geheimdienstes FSB.
Ende Juni 2010 trafen die entsprechenden Unterlagen über den Umweg über die Stiftung Sächsische Gedenkstätten ein. Beim Empfang zeigte Emmy Attinger-Goldacker sowohl Glücksgefühle als auch Anzeichen von Trauer und Wut: Was solange bewusst "still gelegt" war, kochte wieder hoch.
Der Brief enthielt Kopien aus dem Prozess Emma Goldacker. Es handelte sich um 24 Seiten in russischer Sprache, darunter der Arrestbefehl des Chefs der Zentralen Operativgruppe des NKWD von Berlin vom 10. August 1945. Zu diesem Zeitpunkt saß Emmy Goldacker bereits mehrere Wochen in Haft. Der Haftbefehl stützte sich auf den Artikel 58-6 des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation, der "Spionage, d. h. Weitergabe, Entwendung oder zwecks Weitergabe vorgenommene Sammlung von Nachrichten, die sich ihrem Inhalt nach als ein besonders schutzwürdiges Staatsgeheimnis darstellen, zugunsten ausländischer Staaten, gegenrevolutionärer Organisationen oder Privatpersonen" unter Strafe stellt und dafür folgendes Strafmaß vorsah: "Freiheitsentziehung nicht unter drei Jahren, verbunden mit völliger oder teilweiser Vermögenskonfiskation; in den Fällen jedoch, in denen die Spionage besonders schwere Nachteile für die Interessen der Union der SSR herbeigeführt hat oder hätte herbeiführen können: Erhöhung bis zur schwersten Maßnahme des sozialen Schutzes – Erschießung oder Erklärung zum Feind der Werktätigen, verbunden mit der Aberkennung der Staatsangehörigkeit der Unionsrepublik und damit der Staatsangehörigkeit der Union der SSR, dauernder Verweisung aus dem Gebiet der Union der SSR und Vermögenskonfiskation". Des Weiteren fand sich bei den Unterlagen das Urteil des Militärtribunals der Berliner Garnison vom 25. September 1945, welches in geschlossener Gerichtsverhandlung in Berlin getagt und die angebliche Delinquentin zu zehn Jahren "Besserungslager" verurteilt hatte, und zwar auf der Grundlage von Artikel 58-2 des russischen Strafgesetzbuches. Dieser befasst sich nicht mit Spionage, sondern mit: "Bewaffneter Aufstand oder Eindringen von bewaffneten Banden in das Sowjetgebiet in gegenrevolutionärer Absicht, Ergreifung der zentralen oder örtlichen Gewalt in der gleichen und insbesondere der Absicht, von der Union der SSR und der einzelnen Unionsrepublik irgendeinen ihrer Gebietsteile gewaltsam abzutrennen oder die von der Union der SSR mit ausländischen Staaten abgeschlossenen Verträge aufzuheben". Als Strafmaß ist hier vorgesehen: Die schwerste Maßnahme des sozialen Schutzes – Erschießen oder Erklärung zum Feind der Werktätigen, verbunden mit der Vermögenskonfiskation, Aberkennung der Staatsangehörigkeit der Union der Unionsrepublik und damit der Staatsangehörigkeit der Union der SSR und dauernder Verweisung aus dem Gebiet der Union der SSR; bei Vorliegen mildernder Umstände ist Herabsetzung bis zu Freiheitsentziehung nicht unter drei Jahren, verbunden mit völliger oder teilweiser Vermögenskonfiskation, zulässig." Schließlich enthielten die Unterlagen noch 21 Seiten handschriftlicher Protokolle von drei Verhören, und zwar aus der Nacht vom 4./5. Juli 1945, Verhörbeginn 23.45, Ende 6:20 Uhr, vom 16. August 1945, Verhörbeginn 10.00, Ende 24.00 Uhr und – ohne zeitliche Angaben vom 29. August 1945. Alle Seiten der Verhörprotokolle hatte Emmy Goldacker gegenzeichnen müssen, ohne Kenntnis der russischen Schrift und Sprache. Natürlich sind aus den Protokollen die äußeren Bedingungen der Durchführung der "Befragungen" nicht erkennbar. Allein die angegebenen Tageszeiten und die Dauer der Verhöre lassen eine gewisse Ahnung davon aufkommen.
Die Seiten waren nicht durchgehend nummeriert. Es war nicht ersichtlich, ob die übersandten Seiten aus einer stärkeren Akte mit verschiedenen Vorgängen herauskopiert waren oder aus verschiedenen Akten. Auch die Vollständigkeit der Akten und die Anzahl der Verhöre zum Prozess Goldacker waren nicht erkennbar. Das könnte Emmy Attinger-Goldacker bewerten – nach so langer Zeit? Außerdem war sichtbar, dass die Akten (oder zumindest die Kopien) einer Bearbeitung unterzogen waren. Die Namen der russischen Akteure waren in den Dokumenten getilgt.
Dokument 2: Arrestbefehl
Arrestbefehl gegen Emma Goldacker, 10. August 1945. (© Emmy Attinger-Goldacker)
Arrestbefehl gegen Emma Goldacker, 10. August 1945. (© Emmy Attinger-Goldacker)
Arrestbefehl
Ich bestätige
Chef der Zentralen Operativgruppe
des NKWD in Berlin
General-Major
[Name entfernt] [handschriftliche, unleserliche Anmerkungen]
11. August 1945
Beschluss auf Arrest 1945, 10. August in Berlin
Ich, der Untersuchungsrichter der 4. Abteilung der Zentralen Operativgruppe des NKWD in Berlin – Garde-Kapitän (Name entfernt) – habe nach Prüfung der Materialien über Goldacker, Emmi, geboren 1919 in Dessau, Provinz Anhalt, Büroangestellte, Deutsche, des Lesens und Schreibens kundig, ledig, in der Vergangenheit Mitglied des BDM, wohnhaft in Berlin-Britz, Talbergstr. 8b
gefunden,
dass Goldacker E. von Januar 1942 bis 1943 als Sekretärin einer Abteilung des SD diente, im Januar 1943 Kurse für Radio-Operateure und Verschlüsselung im Radio-Institut der SS absolvierte. Schließlich wurde sie in die Türkei delegiert, wo sie umfangreiche Aufgaben als Spionagebotin übernahm. Per Radio wurden verschlüsselte Spionage-Informationen, welche deutsche Agenten gesammelt haben, nach Berlin übermittelt. Zur gleichen Zeit wiegelte sie prominente türkische Funktionäre zu militärischen Aktivitäten gegen die UdSSR auf.
Vom Februar 1944 wirkte sie im Japanischen Konsulat in Wien als Spionage-Agentin, wo sie die Disposition der Japaner in Bezug auf den Krieg mit der UdSSR ermittelte, d. h. eine Straftat gemäß Artikel 58-6 des Strafgesetzbuches der RSFSR verübte und deshalb nach Artikel 146 des Straf- und Verfahrensrecht der RSFSR zu verfolgen ist.
Beschluss
Goldacker, Emmi ist dem Arrest und Durchsuchung zu unterwerfen.
Untersuchungsrichter der 4. Abteilung der ZOG des NKWD in Berlin Garde- Kapitän [Unterschrift]
"Bestätigung" Chef der 4. Abteilung ZOG der NKWD in Berlin
Garde Oberstleutnant [Unterschrift]
Dokument 3: Auszug aus einem Verhörprotokoll
Protokoll vom Verhör Emma Goldackers, 29. August 1945. (© Emmy Attinger-Goldacker)
Protokoll vom Verhör Emma Goldackers, 29. August 1945. (© Emmy Attinger-Goldacker)
Verhörprotokoll
der Angeklagten Goldacker, Emma am 29. August 1945
Der Dolmetscher [Name entfernt] wurde darauf hingewiesen, dass er gemäß Artikel 95 des Strafgesetzbuches der RSFSR für eine unkorrekte (unwahre) Übersetzung verantwortlich sei.
Frage: Sie werden beschuldigt nach Artikel 58-6 des Strafgesetzbuches der RSFSR. Bekennen Sie sich zu Ihrer Schuld?
Antwort: Ja, ich erkenne meine Schuld komplett an.
Frage: Genauer, was anerkennen Sie als Ihre Schuld?
Antwort: Ich anerkenne meine Schuld, die darin besteht, dass ich 1942 freiwillig den Wunsch geäußert habe, bei der Deutschen Nationalen Sicherheitsabteilung "SD" zu arbeiten und dass ich während dieser Tätigkeit Kurse für Funksendungen im Radio-Institut der "SS" absolviert habe. Nach Beendigung dieser Kurse erhielt ich einen Einsatzauftrag als Funkagentin im Deutschen Konsulat in der Türkei, wo ich gleichzeitig als verantwortlicher Verbindungsagent zwischen Konsul Wolf und seinen Agenten tätig war.
Nach dem Einsatz in der Türkei wurde ich nach Berlin zurückberufen, wo ich in der 6. Abteilung des "SD" als Registrator in der Gruppe "Z" arbeitete. Ich organisierte die Registratur und die Aufzeichnungen sämtlicher Geheimdienstagenten, welche persönlich durch deutsche Abwehragenten aus einer Anzahl Sowjetischer Kriegsgefangener angeworben waren und auf das Territorium der Sowjetunion zurück geschickt worden waren. Sie halfen auf diese Weise den deutschen Verantwortlichen bei der Durchdringungsarbeit gegen die Sowjetunion.
Anschließend wurde ich ab September 1943 bis Februar 1944 im Japanischen Konsulat in Ungarn [korrekt: Wien – offensichtlicher Übersetzungsfehler: Wien – russ.: vena, Ungarn – russ.: vengria] eingesetzt, wo man einen Englisch-Übersetzer suchte.Dort war ich als Deutscher Agent des "SD" eingesetzt. Bei der Ausführung der Agententätigkeit hatte ich auch die Mitarbeiter des Konsulats zu beobachten und vor allem, Herrn Konsul Yamagucchi, um seine Ansichten zu Deutschland zu erfahren und militärische Aktionen zu ermitteln. Über die Ausführung dieser Aufgaben berichtete ich an die Abteilung 6 "SD", dass Yamagucchi negativ zu Deutschland eingestellt war und nicht an einen Endsieg glaubte. Als Agentin arbeitete ich bis Juli 1944; ich wurde erneut nach Berlin zurück gerufen und arbeitete in der Abteilung 6 des "SD" in der Gruppe "G" als Stenographie-Sekretärin. …
Dokument 4: Urteil
Vorderseite des Urteils gegen Emma Goldacker, 25. September 1945. (© Emmy Attinger-Goldacker)
Vorderseite des Urteils gegen Emma Goldacker, 25. September 1945. (© Emmy Attinger-Goldacker)
Urteil im Namen der Union der Sowjetischen Sozialistischen Republiken
Prozess Nr. 00232
25. September 1945. Militärgericht der Berliner Garnision in der Zusammensetzung
unter dem Vorsitz Justiz-Major [Name entfernt]
und Mitgliedern der Roten Armee [Namen entfernt]
mit dem Sekretär Leutnant [Name entfernt]
und der Teilnahme [Name entfernt]
In einer geschlossenen Gerichtssitzung in Berlin wurde der Fall der Anklage gegen die Deutsche Staatsangehörige Goldacker, Emma, geboren 1919, gebürtig in der Stadt Dessau, Bundesland Anhalt, Deutschland, welche eine höhere Schule besucht hat, Büroangestellte war, keiner Partei zugehörig, ledig, geprüft auf Schuldigkeit der Straftat nach Artikel 58-2 des Strafgesetzbuches der RSFSR.
Mit den Materialien der Vor- und Justiz-Untersuchungen stellte das Militärgericht fest:
Die Angeklagte Goldacker, Emma war von 1942 bis April 1945 eine Mitarbeiterin der Verwaltung für nationale Sicherheit des Deutschen "SD", umfassend beauftragt als eine Radio-Agentin und Radio-Botschafterin im Deutschen Konsulat in der Türkei, und als Agentin Deutschlands im Japanischen Konsulat in Ungarn.
In der 6. Abteilung des "SD" arbeitend, erfüllte Goldacker Arbeit bei der Registrierung aus einer Zahl von sowjetischen Kriegsgefangenen, die von Deutschen angeworben worden waren und auf das Territorium der Sowjetunion zurückgeschickt worden waren. Sie half auf diese Weise den deutschen Verantwortlichen bei der Durchdringungsarbeit gegen die Sowjetunion.
Auf der Basis der oben genannten Feststellungen erkannte das Militär-Gericht, dass Goldacker, Emma schuldig ist gemäß Straftatbestand des Artikels 58-2 des Strafgesetzbuches der RSFSR.
Unter Anwendung der Artikel 319-320 der Straf- und Prozessgesetze der RSFSR wurde geurteilt:
Goldacker, Emma, auf der Basis des Artikels 58-2 des Strafgesetzbuches der RSFSR soll unterworfen sein dem Freiheitsentzug in einem Besserungslager für die Zeit von zehn Jahren. Die Zeit von Goldacker's Bestrafung beginnt im Juli 1945. Das Urteil ist endgültig, und es ist kein Kassationsantrag zulässig.
Vorsitzender [Unterschrift]
Mitglieder [zwei Unterschriften]
Im Verlaufe des Prozesses wandelte sich also die Anschuldigung gemäß Strafgesetzbuch-Artikel 58-6 bis zur Urteilsbegründung, bei der 58-2 zur Anwendung kam. Dieser Wandel erschließt sich nicht, zumal sich am Strafmaß wahrscheinlich nichts geändert hätte.
Dokument 5: Kommentar von Emmy Attinger-Goldacker
Späte Rehabilitierung
"Berlin: Anfang 1945. Die russische Armee näherte sich der Hauptstadt. Die anfangs fast nur nächtlichen Luftangriffe auf Berlin wurden jetzt auch tagsüber fortgesetzt. Meine Mutter und ich warteten ungeduldig auf das Ende dieses mörderischen Krieges, das Ende der Nazi-Herrschaft. Eine gute Freundin rief mich an und riet mir, sie auf der Flucht vor den Russen zu begleiten: Nimm Dein Rad und komm mit, ich fahre mit Melsene (ihrer damals noch nicht zweijährigen Tochter) Richtung Hamburg". So hatte ich in meinen Erinnerungen notiert. Ich hatte die Aufforderung der Freundin, Berlin zu verlassen, mit der Begründung abgelehnt, dass ich erstens nichts zu befürchten hätte und dass ich zweitens meine damals 60-jährige Mutter nicht allein zurücklassen könnte. Weder meine Mutter noch ich waren jemals in der NSDAP gewesen und mein Vater, Paul Goldacker, war 1938 aus Deutschland geflohen und zum Landesflüchtling erklärt worden. Dadurch hatte ich stets in der Angst gelebt, seinetwegen von der Gestapo verhaftet zu werden. Warum also sollte ich vor den Russen fliehen? Sie kamen ja als "Befreier" von der Nazi-Herrschaft!
Meine Mutter und ich dachten nicht im Geringsten daran, dass mir die Dienstverpflichtung zum Reichssicherheitshauptamt, Amt VI, je zum Verhängnis werden könnte. Eine Diktatur müsse doch die andere Diktatur verstehen und wissen, dass ich dort arbeiten musste, wohin mich die nationalsozialistische Verwaltung beorderte. Welch ein Irrtum!
Unvergesslich ist mir ein Augenblick meines ersten Arbeitstages beim RSHA: Ich saß einem SS-Offizier gegenüber, der mir meine Arbeit erklärte, und sah plötzlich an der Wand hinter dem Schreibtisch das Bild Heinrich Himmlers. Unbeschreiblich, welches Angstgefühl mich überfiel: Sie wissen, wer mein Vater ist … – Niemand durfte mein Erschrecken, meine Angst merken! Als ich das Büro dieses Offiziers verließ, konnte ich es jedoch trotz der überstandenen Angst nicht lassen, zu fragen, ob er nicht noch einige Informationen über mich bräuchte, was er arrogant grinsend mit dem Satz: "Wir ziehen unsere Informationen ohne Sie ein", abtat. Ich war erleichtert, er wusste nicht, dass mein Vater der Landesflüchtling Paul Goldacker war!
Am 23. April 1945 sah ich vom Fenster unseres Hauses die ersten russischen Soldaten. Berlin war umzingelt, und die russische Armee eroberte einen Stadtteil nach dem anderen. Die Waffen schwiegen. Gespenstige Ruhe. Langsam begannen die Überlebenden unter russischer Herrschaft ein neues Leben.
Im Juli 1945 wurde ich von einem Deutschen für eine Stange Zigaretten und eine Flasche Wodka – das Nachkriegszahlungsmittel – den Russen übergeben.
Mir wurde die Dienstverpflichtung beim RSHA, einer derjenigen Institutionen, die von den Russen als zu liquidierende Institution erklärt worden war, zum Verhängnis. Zuerst wurde mir nur Spionagetätigkeit gegen Russland vorgeworfen, später wurde jedoch aus der "Spionin" eine "Terroristin", die versucht hätte, mithilfe von in Deutschland ausgebildeter russischer Soldaten einen bewaffneten Aufstand in Russland zu organisieren. Doch dies alles erfuhr ich erst Mitte 2010, also 65 Jahre nach Kriegsende – dank Peter Löhnerts hilfreicher Initiative.
Am 4. Juli 1945, der Waffenstillstand war bereits am 8. Mai unterschrieben worden, kam ein Mann in die Schule, in der ich als angehende Neulehrerin hospitierte, und bat mich, ihn zur nächsten russischen Kommandantur zu begleiten. Nichts, aber auch wirklich nichts Böses ahnend, folgte ich ihm und befand mich etwa zwei Stunden später als Gefangene der russischen Besatzungsmacht im Kohlenkeller einer requirierten Villa. Das war die erste Station einer über zehnjährigen Gefangenschaft.
Ein Kohlenkeller ist kein normales Gefängnis. Ein leerer Sack, den ich in einer Ecke entdeckte, diente als Sitz- und Schlafgelegenheit auf dem Zementboden. Decke oder gar Kopfkissen gab es nicht. Meine Gesellschaft: ein Mann, der an epileptischen Anfällen litt, und eine sehr schöne deutsche Schauspielerin. Beide wurden nach einigen Tagen abgeholt und kamen nicht mehr in den Kohlenkeller zurück. In einer Ecke ein Eimer für unsere Bedürfnisse. Waschgelegenheit? Überflüssiger Luxus für Gefangene. Die dünne Wassersuppe gab es nur jeden zweiten Tag. Noch immer war ich trotz der inzwischen stattfindenden nächtlichen Verhöre der festen Überzeugung, dass sich meine Verhaftung als Irrtum herausstellen und die Russen mich wieder frei lassen würden. Doch statt entlassen zu werden, wurde ich ins Frauenjugendgefängnis in Berlin-Lichtenberg überführt.
In dem Augenblick, als sich hinter mir die eisenbeschlagene Tür einer drei Schritte breiten und sieben Schritte lange Gefängniszelle schloss und ich das klirrende Geräusch des sich drehenden Schlüssels vernahm, begriff ich, dass ich tatsächlich Gefangene war. Eine Gefangene ohne Rechte. Ohne Möglichkeit, sich zu verteidigen. Ohne Anwalt. Ohne das geringste Verbrechen begangen zu haben. Ich schrie und schlug meinen Kopf gegen die eisenbeschlagene Tür – bis ich begriff, dass niemand auf mein Schreien und Klopfen reagierte und dass ich durch derartige Gefühls- und Hassausbrüche nur mir selber schadete, unnötige Kraft vergeudete, die ich zum Überleben brauchte. Denn das war mir sofort klar, diese Zelle darf und wird nicht die Endstation meines Lebens sein. Ich muss überleben. Der Gedanke war wie ein Zwang. Mein Leben wird anders sein, als ich es mir erträumt hatte, das war sicher. Ich musste mich innerlich von allem, was vor diesem Augenblick mein Leben ausmachte, lösen und den Kampf ums Überleben dort anfangen, wo ich mich befand: in der Zelle eines riesigen Gefängnisses. Ich wollte und musste überleben! Die Frage "warum", die in der grellgrünen Gefängniswand eingeritzt war, ließ ich nicht an mich herankommen. Darauf gab es keine Antwort. Ich habe mich dagegen oft gefragt, warum ich nicht? Sollte es mir besser gehen, als den Tausenden während des Hitlerregimes unschuldig getöteten Menschen? Diese Erkenntnis hat mir die zehn Jahre meiner Gefangenschaft erträglicher gemacht.
Die nächtlichen Verhöre wurden wieder aufgenommen. Wie im Kohlenkeller zuvor, war es verboten, sich tagsüber hinzulegen. Die Tage waren unendlich lang. Schreiben? Bücher? Natürlich war es verboten zu schreiben, Bücher gab es auch nicht. Nach einiger Zeit war ich vollkommen verlaust. Meine einzige Beschäftigung bestand darin, Läuse zu knacken. Zuerst waren es nur Kopfläuse, später dann auch Kleiderläuse. Wenn ich mich nicht gerade entlauste, begann ich hin und her zu gehen. In der Ecke stand der übel riechende Eimer. Morgens kurze Waschgelegenheit in der Toilette, bei offener Tür. Immer unter Bewachung. Scham? – ER, der Bewacher sollte sich schämen, fand ich und wusch mich. Einmal innerhalb von vier Monaten konnte ich mich duschen, natürlich unter männlicher Bewachung. Quälender Hunger, fast unerträgliche Müdigkeit und nicht aufzuhaltende Verschmutzung sollten die Gefangenen dazu bringen, all das zu unterschreiben, was der Untersuchungsrichter brauchte, um einen Gefangenen zu verurteilen und somit eine Prämie zu erhalten.
Bei den Untersuchungsrichtern handelte es sich nicht etwa um Juristen, sondern um gute Kommunisten, die für jeden Verurteilten eine Prämie erhielten. Sie wechselten häufig, doch die Fragen wiederholten sich. Ich sollte Namen nennen, Namen von Mitarbeitern des RSHA, Namen von Agenten, mit denen ich in Istanbul oder in Wien zusammengearbeitet hätte, wo ich von 1942 bis 1944 vom RSHA eingesetzt worden war. Ich gab ihnen statt der Namen Nummern, denn sie wussten genau, dass jeder Agent eine Nummer hatte und nie den Namen eines anderen Agenten kannte. Nummern, die uns schützen sollten, und nicht, wie später im Gefangenenlager, wo wir auch Nummern bekamen, die uns zu namenlosen, gedemütigten Geschöpfen machten. Dann wollten sie wissen, ob ich in Istanbul Russen gesehen hätte. Lächerliche, sich immer wiederholende Fragen. Schließlich sagte ich ihnen, dass ich bei einem Hafenspaziergang ein ganzes Schiff voller Russen gesehen hätte. Diese Antwort fand ich natürlich in keinem der Protokolle. Die in diesen Protokollen angegebenen Antworten wurden von den Verhörern völlig frei erfunden oder verdreht.
Die nächtlichen Verhöre schienen kein Ende zu nehmen, bis ich eines Tages einem Offizier vorgeführt wurde, der mir fließend Deutsch sprechend vorschlug, mit einem Funkgerät nach Japan zu gehen, um dort für die Sowjets zu arbeiten. So könnte ich auch wie vorher, viel Geld verdienen und mir schöne Kleider kaufen!! Ich lehnte diesen Vorschlag sehr höflich mit der Begründung ab, dass ich keine Lust hätte, nach russischen auch noch japanische Gefängnisse kennen zu lernen. Dieses merkwürdige Gespräch wurde in keinem Protokoll erwähnt. In der Nacht darauf wurde ich zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt, ohne dass ich wusste, was mir vorgeworfen wurde. Ohne jede Möglichkeit, mich zu verteidigen, ohne Rechtsanwalt. Nie habe ich irgendein Schuldbekenntnis abgegeben, weder während der Verhöre, geschweige denn anlässlich meiner Verurteilung. Im Gegenteil. Als mir nach der Urteilsverkündung noch einmal das Wort gegeben wurde, benutzte ich diese Gelegenheit, um meinen "Richtern" zu sagen, dass sie mit dem gleichen Recht, mit dem sie mich heute verurteilen, jeden Deutschen verurteilen könnten.
Nachdem mein Buch ins Russische übersetzt und veröffentlicht worden war, entdeckte ich zufällig im Internet, dass dieses Buch im Sacharow-Museum in Moskau hinterlegt wurde und dass das Museum auch meine Biografie besaß. Diese Biografie enthält die Bemerkung, dass die Sowjets 1955 versucht hätten, mich als Agentin anzuwerben. Heute kann ich mit Stolz sagen, dass ich beide diesbezüglichen Versuche abgelehnt habe – den ersten, wie oben erwähnt, 1945 noch im Berliner Gefängnis und den zweiten in Moskau 1955 – ohne zu wissen, welche Folgen diese Ablehnung für mich haben könnte. Unmittelbar nach meiner ersten ablehnenden Antwort wurde ich verurteilt. 1955, in Bikowa bei Moskau, noch immer Gefangene, wurde ich nach West-Berlin entlassen. Am 27. August 1955 stand ich wieder vor der Tür unseres Hauses in Berlin-Britz. Zehn Jahre und zwei Monate, nachdem ich verhaftetet worden war.
Emma Goldacker mit ihrer Mutter, kurz nach ihrer Rückkehr nach Deutschland, September 1955. (© Emmy Attinger-Goldacker)
Emma Goldacker mit ihrer Mutter, kurz nach ihrer Rückkehr nach Deutschland, September 1955. (© Emmy Attinger-Goldacker)
Das Wiedersehen mit meiner inzwischen 70-jährigen Mutter war ergreifend. Ich war so dankbar, dass sie auf mich gewartet hatte, obwohl sie neun Jahre lang nicht wissen konnte, ob ich überhaupt noch lebte. Als politische Gefangene hatte ich, im Gegensatz zu Kriegsgefangenen, erst 1954, also neun Jahre nach meiner Verhaftung, dank des Roten Kreuzes die Möglichkeit erhalten, meiner Mutter eine Karte zu schreiben.
Nach einer kurzen Zeit des Einlebens – was genauso schwer war, wie das Annehmen des Gefangenendaseins, als ich mich von allem, was mein Leben vor der Gefangenschaft ausmachte, innerlich lösen musste, um überleben zu können – versuchte ich, einen Arbeitsplatz in Berlin zu finden, um wieder ein normaler, freier Mensch zu werden. Erst dann, wenn ich wieder Arbeit hätte, würde ich mich einleben können. Ich schrieb Bewerbungen, antwortete auf Zeitungsinserate und erhielt nur negative Antworten. Oft mit der Begründung, dass man jemanden bevorzugt hätte, der keine zehn oder elf Jahre lang seinen Beruf nicht ausgeübt hätte. Es war zum Verzweifeln, besonders nachdem ich erfuhr, wie schnell meine ehemaligen Vorgesetzten des RSHA es verstanden hatten, ihre Gesinnung zu wechseln und sich fast jeder Bestrafung zu entziehen, um wieder glänzende Stellungen zu bekleiden, sei es als Direktoren in der Industrie oder als höhere Beamte in der Verwaltung, oder auch im Auswärtigen Amt. Ich empfand nichts als Wut und Ekel. Für mich war kein Platz mehr in Deutschland. Als sich mir die Möglichkeit bot, beim Ökumenischen Institut in der Nähe von Genf zu arbeiten, nahm ich dieses Angebot an und verließ 1956 Berlin.
Ökumenisches Institut in Céligny. (© Emmy Attinger-Goldacker)
Ökumenisches Institut in Céligny. (© Emmy Attinger-Goldacker)
Genau zehn Monate nach meiner Heimkehr aus Russland begann ich meine Arbeit in der Schweiz und bin noch heute dankbar, mit welcher Geduld und Nachsicht ich hier behandelt wurde. Es war sehr schwer für eine ehemalige Gefangene – zehn Jahre sind unendlich lang –, sich wieder in einem normalen Leben zurechtzufinden. Ich hatte große Mühe, mich zu konzentrieren und Texte zu übersetzen, die andere vor mir gedacht und geschrieben hatten.
1959 heiratete ich Fred Attinger, einen Schweizer. Ich musste mich in dieser Zeit oft in den Arm zwicken, um sicher zu sein, dass dieses Leben Wirklichkeit sei. Wenn ich erwachte, wäre ich bestimmt wieder in Inta, im hohen Norden Russlands.
Ich lebe noch heute zusammen mit meinem Mann in der Schweiz und bin glücklich, die schwersten Jahre meines Lebens nicht etwa als verlorene Jahre zu betrachten, sondern als Jahre einer Lebensschule, die mich gelehrt haben, dankbar zu sein für das wiedergeschenkte Leben. Bei aller Dankbarkeit und Lebensfreude blieb im Hintergrund stets die Erinnerung an die Gefangenschaft.
Mein Mann zwang mich eines Tages förmlich, endlich die Geschichte meines Lebens aufzuschreiben. Daraus wurde dann das Buch "La Valise en Bois" ("Der Holzkoffer"), das 1976 in Paris veröffentlicht wurde und das ich erst später ins Deutsche übersetzte.
Bevor ich Peter Löhnert kennenlernte, hatte ich nicht an eine mögliche Rehabilitierung gedacht. Hier in der Schweiz hatte ich nichts von dieser Möglichkeit gehört, die es in Deutschland gab. Ich bin Peter Löhnert zu großem Dank verpflichtet, dass er sich für mich an die Sächsische Stiftung Gedenkstätten gewandt hat. Durch seine Vermittlung erhielt ich 65 Jahre nach der Verurteilung und 55 Jahre nach meiner Entlassung aus russischer Gefangenschaft nicht nur die Bescheinigung meiner Rehabilitierung, sondern ich bekam ebenfalls den auf meinen Namen ausgestellten Haftbefehl, einige Verhör-Protokolle und eine Kopie meiner Verurteilung, die am 25. September 1945 in Berlin von einem sowjetischen Militärtribunal ausgesprochen worden war.
Abschließend möchte ich es nicht versäumen, noch einmal der Stiftung Sächsische Gedenkstätten herzlich für ihre so wertvolle Hilfe zu danken. Besonderer Dank gilt Klaus-Dieter Müller, Alexander Haritonow und Ute Lange, die es ermöglichten, dass ich nicht nur meine Rehabilitation erhielt, sondern auch den von den Sowjets frei erfundenen Grund meiner Verurteilung erfuhr.