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Währungshüter: Die Zentralbanken

Caspar Dohmen

/ 5 Minuten zu lesen

Die Zentralbanken sind für die Geldpolitik zuständig und überwachen das Bankensystem. In der Finanzkrise 2007/2008 und der Staatsschuldenkrise in den 2010er-Jahren rückten sie in den Fokus.

Die Bank of England in London: Lange Zeit galt der britische Pfund weltweit als Leitwährung. (© picture-alliance, empics | Aaron Chown)

Die Zentralbanken sind Kerninstitutionen eines modernen Staates. Es dauerte lange, bis sich die heutigen Zentralbanken herausgebildet haben. Über die Ausgestaltung gab es immer wieder Streit. Das ist nicht verwunderlich, schließlich ist es eine entscheidende Frage, wer für das Geld in einer Gesellschaft zuständig ist. Jahrhundertelang lag die Macht darüber in den Händen der Herrscher. Allerdings missbrauchten sie ihr Privileg immer wieder, indem sie beispielsweise versuchten, heimlich minderwertiges Geld unter das Volk zu bringen.

Die Gründung der Bank of England

In England war es üblich, Gold zur sicheren Aufbewahrung bei der königlichen Münzprägung im Tower zu deponieren. Als Charles I. in Geldnot geriet, beschlagnahmte er kurzerhand vorübergehend diese privaten Goldvorräte. Die verunsicherten Eigentümer übergaben ihre Edelmetalle nun lieber privaten Verwahrern, oft waren es Goldschmiede. Wer sein Gold bei ihnen abgab, erhielt dafür eine Quittung. Später begannen die Leute, mit diesen Quittungen zu bezahlen. Das erleichterte gehörig das Geschäft. Und irgendwann bemerkten die Goldschmiede, dass sie mehr Quittungen ausstellen konnten, als es ihrem Goldbestand entsprach: Denn die Eigentümer tauschten ihr Gold nicht alle gleichzeitig zurück. Die Goldschmiede konnten deswegen mehr "Geld" in Umlauf setzen und damit Geschäfte machen.

In den Niederlanden machte die Bank von Amsterdam selbiges Geschäft gemeinsam mit der Regierung. Diese Praxis hatte zur Folge, dass das Gold in den Tresoren gleichzeitig mehreren Beteiligten gehörte. Auf diesem Prinzip beruht unser Bankwesen noch immer. Aus den Quittungen wurden später Banknoten und aus den ausgebenden Zettelbanken wurden Notenbanken. Das war ein lukratives Geschäft, solange die Kunden daran glaubten, dass sie ihr Gold zurückerhielten. Ohne die Zubilligung der Nutzerinnen und Nutzer war aus ihren Quittungen Fiat-Geld geworden. Der Ausdruck Fiat-Geld geht auf das biblische "Fiat lux" zurück, was übersetzt bedeutet: Es werde Licht. Es ist Geld, das aus dem Nichts geschaffen wird.

Entstehung der Notenbanken

Zunächst gingen die Leute davon aus, dass sie einen Rechtsanspruch auf den Rücktausch der Quittungen in Gold hatten. Jedoch entschieden britische Gerichte bereits Anfang des 19. Jahrhunderts anders: "Das Geld, das in den Gewahrsam eines Bankiers gegeben wird, ist in jeder Hinsicht das Geld des Bankiers, mit dem er tun und lassen kann, was er will; er macht sich keiner Verletzung einer treuhänderischen Pflicht schuldig, wenn er es durch gefährliche Spekulation in Gefahr bringt; er ist nicht daran gebunden, es aufzubewahren oder als das Eigentum des Kunden zu behandeln, aber er muss natürlich den Betrag zurückerstatten, so wie das vertraglich vereinbart ist." Nachzulesen ist dies bei dem amerikanischen Ökonomen Murray Rothbard in "The Mystery of Banking". Es ist also ein Irrtum, zu glauben, die Ersparnisse bei der Bank gehörten dem jeweiligen Kunden. Von Gesetz wegen handelt es sich vielmehr um einen Kredit, den die Kundin oder der Kunde der Bank gibt.

Private Banknoten

Die Regenten erlaubten explizit oder stillschweigend ab dem 17. Jahrhundert auch privaten Geschäftsbanken, Geld auszugeben. So erteilte der englische König William 1694 dem Kaufmann William Paterson als Gegenleistung für einen großen Kredit die Genehmigung zur Gründung der Bank of England – damit verbunden war das Recht, Banknoten auszugeben, die zunächst handschriftlich angefertigt wurden. Auch in vielen anderen Regionen machte man dies. Dadurch wurde die Zahlungsmittelknappheit überwunden, die mit der Begrenztheit des Münzmetalls einherging.

Lange Zeit waren also private Banken für die Ausgabe von Banknoten zuständig. Phasenweise gab es mehrere Tausend private Notenbanken. Weil diese häufig jedoch zu viele Noten druckten, kam es immer wieder zu Krisen. Deswegen übertrugen viele Staaten die Herstellung von Münzen und Banknoten schließlich an Zentralbanken. Das Währungsmonopol besitzen weltweit hauptsächlich Notenbanken, die nicht in privater Trägerschaft sind. Und für die Zentralbanken in privater Trägerschaft wie in den USA oder Italien gibt es klare staatliche Regeln.

Aufgaben

Die zentrale Aufgabe der Notenbanken ist bis heute die Bereitstellung von Zentralbankgeld: Dies besteht aus Guthaben der Geschäftsbanken bei der Zentralbank und aus dem Bargeld, das innerhalb der Volkswirtschaft zirkuliert. Die Schöpfung des Zentralbankgelds kann in beliebigem Umfang erfolgen, denn anders als früher gibt es für das heutige Zentralbankgeld keine Deckung mehr beispielsweise durch Gold oder Silber.

(© bpb, Caspar Dohmen)

Auf zwei Wegen entsteht heute Zentralbankgeld: Zum einen kaufen die Notenbanker mit frisch geschöpftem Zentralbankgeld Gold, Devisen, Anleihen oder Wechsel, zum anderen nehmen Geschäftsbanken bei der Zentralbank einen Kredit auf. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzt bei der Versorgung der Banken mit Geld vorzugsweise auf Tender, d. h., dass sie Geld zu einem Mindestsatz – meist dem Leitzins – anbietet und Kreditinstitute dafür Angebote abgeben. Als Sicherheit müssen die Institute Interner Link: Wertpapiere bei der EZB hinterlegen.

Konjunkturmanager

Moderne Notenbanken nehmen Einfluss auf das konjunkturelle Geschehen, indem sie den Leitzins erhöhen oder senken. Damit beeinflussen sie die Konditionen, zu denen sich die privaten Geschäftsbanken Zentralbankgeld leihen können. Dahinter verbirgt sich die Idee, dass bei einer Politik des billigen Geldes eine wirtschaftliche Rezession günstig beeinflusst werden kann: Die Banken würden dann mehr Kredite an Unternehmen vergeben und es käme zu Wachstum. Umgekehrt sollen höhere Zinsen die Kreditkosten in Zeiten des Booms verteuern und die Wirtschaftsentwicklung dämpfen, um Überhitzung zu vermeiden.

Wenn die Zinsen sinken, profitieren davon die Kreditnehmer, die private Konsumentin genauso wie Unternehmen oder der Staat, der sich mit Anleihen Geld bei Anlegern borgt. Allerdings hat die Notenbank mit diesem Mechanismus nur indirekt Einfluss auf die Geschäftsbanken. Senkt die Notenbank die Zinsen, bedeutet dies nicht automatisch, dass die Banken wie gewünscht die Kredit- und damit die Geldmenge ausweiten, und umgekehrt gilt dies für Zinserhöhungen.

Krisenmanager

Unsere Zentralbanken spielen auch eine wichtige Rolle in Krisenzeiten. Denn sie fungieren als sogenannte letzte Kreditgeberin in Volkswirtschaften und können dementsprechend bei Liquiditätskrisen gegensteuern. Wenn beispielsweise Kundinnen und Kunden Banken nicht mehr trauen und sie in Scharen ihr Geld von den Konten abheben – also ein sogenannter "bank run" wie etwa bei der Silicon Valley Bank (SVB) Anfang 2023 stattfindet – können Zentralbanken den Geschäftsbanken quasi unbegrenzt Mittel zur Verfügung stellen und damit Bankpleiten verhindern.

Das Gleiche gilt für den Fall, dass sich Banken untereinander kein Geld mehr leihen wie nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008. Damals sprangen ebenfalls die Zentralbanken in Europa und den USA ein. Diese Aufgabe von Zentralbanken definierte der Ökonom Walter Bagehot, Herausgeber der englischen Wochenzeitung "The Economist", bereits Mitte des 19. Jahrhunderts. Damals waren die Möglichkeiten der Zentralbanken jedoch aufgrund des Goldstandards noch stark begrenzt.

Grenzenlose Liquidität

In unserem heutigen Geldsystem gibt es für die Notenbanken praktisch keine Grenzen mehr bei der Herstellung von Geld. Ohne das Eingreifen der EZB wäre wahrscheinlich eine ganze Reihe von Banken in der Finanzkrise insolvent geworden. Bereits während der ersten Phase stellte die Notenbank den Instituten der Eurozone dreistellige Milliardensummen zu dem sehr günstigen Zinssatz von nur einem Prozent zur Verfügung. Dadurch gibt sie dem Markt "Liquiditätsspritzen". Von November 2019 bis Juli 2022 kaufte die EZB Banken jeden Monat Anleihen im Wert von 20 Milliarden Euro ab und verschaffte ihnen damit zusätzliche Liquidität. Zentralbankgeld verschwindet wieder aus dem Wirtschaftskreislauf, wenn die Zentralbank Wertpapiere oder Gold verkauft oder die Geschäftsbanken ihre Kredite bei der Zentralbank zurückzahlen.

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Caspar Dohmen ist Wirtschaftsjournalist. Nach seinem Studium der Volkswirtschaft und Politik arbeitete er als Redakteur für den Wiesbadener Kurier, das Handelsblatt und die Süddeutsche Zeitung. Heute schreibt er als freier Wirtschaftsjournalist für die SZ, verfasst Hintergrundberichte für den Deutschlandfunk und die ARD-Sender und arbeitet als Buchautor und Dozent u.a. an den Universitäten Witten-Herdecke und Siegen.