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USA: Das Federal Reserve System

Caspar Dohmen

/ 4 Minuten zu lesen

Die mächtigste Zentralbank ist die der USA: das "Federal Reserve System", kurz Fed. Aufmerksamkeit ist ihr heute garantiert, denn sie bestimmt die Geldpolitik der mächtigsten Volkswirtschaft.

So werden 100-Dollar-Scheine gedruckt. (© picture-alliance, Zoonar | DesignIt)

Geburtsstunde der mächtigsten Zentralbank

Am 23. Dezember 1913 entschloss sich die amerikanische Politik zur Gründung einer Zentralbank mit der Bezeichnung Federal Reserve System. Damit waren die USA spät dran. Großbritannien hatte 1694 als Erstes eine Zentralbank mit einem Geldausgabemonopol eingerichtet. Die Bank von Frankreich entstand 1800, die Deutsche Reichsbank 1876, die Bank von Japan 1882 und die Schweizer Nationalbank 1907. In den USA dauerte es viel länger, bis sich ein Zentralbanksystem durchsetzen konnte – bis 1913. Denn über die richtige Konstruktion hatte lange ein erbitterter Streit getobt. Gegen Notenbanken in privater Hand, die lange Zeit üblich waren, gab es bereits im frühen 18. Jahrhundert großen Widerstand in den USA. Zu den schärfsten Gegnern gehörte Thomas Jefferson, der dritte Präsident der Vereinigten Staaten und Mitverfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung.

Damals schrieb eine erste private Zentralbank in den USA gerade unrühmlich Geschichte. Robert Morris gehörte nicht nur die sogenannte Bank von Nordamerika, sondern er war gleichzeitig Finanzkommissar der Regierung. Damit dominierte eine einzige Person das Finanzwesen, die Wirtschaft und die Politik. Allerdings erhielt er keine Verlängerung der Lizenz. Der zweiten Bank der Vereinigten Staaten, die 1816 gegründet wurde, war ebenfalls nur eine kurze Lebenszeit beschieden. Präsident Andrew Jackson schloss sie 1832. Auch er war überzeugt, dass besser Regierung und Parlament und keinesfalls Privatbankiers über die Bereitstellung des Geldes und die Kontrolle des Geldwertes entscheiden sollten.

Der Interner Link: Sezessionskrieg (1861-1865) machte den Befürwortern einer öffentlichen Zentralbank für die USA einen Strich durch die Rechnung. Die Regierung benötigte damals viel Geld, um den Bürgerkrieg gegen die abtrünnigen Südstaaten zu finanzieren. Dafür brachte sie Dollarnoten in Umlauf. Beim Vertrieb dieser Geldmengen war die Politik auf die Banken angewiesen, deren Lobbyisten als Gegenleistung große Freiheit für ihre Geschäfte erreichten. Das Land wurde laut dem Wirtschaftshistoriker Niall Ferguson zu einem "Experimentierfeld für vollkommen uneingeschränkte Bankgeschäfte". Binnen weniger Jahrzehnte verdoppelte sich die Anzahl der Banken in den Vereinigten Staaten auf mehr als 8.200. Es kam zu diversen Krisen mit vielen Bankpleiten. Kundinnen und Kunden stürmten aus Angst um ihre Ersparnisse immer wieder den Bankschalter, ob 1873, 1884 oder 1893.

Letzter Kreditgeber

Nach der Pleite der Knickerbocker Trust Company, einer Privatbank mit sehr hohen Einlagen, im Jahr 1907 tobte eine der schwersten Finanzkrisen, die die USA bis dahin erlebt hatten. Die Panik der Menschen gefährdete das gesamte Finanzsystem. John Pierpont Morgan war damals der mächtigste Banker an der Wall Street, dem einflussreichen Finanzdistrikt in New York. Er überzeugte seine Kollegen, Geld ins marode System zu pumpen, um so Vertrauen bei der Bevölkerung zurückzugewinnen. Progressive Politiker wollten aber in Zukunft nicht mehr vom Gutdünken eines Wirtschaftsmagnaten abhängig sein. Zudem kamen damals Reformpolitiker in den USA ans Ruder, die sich für starke staatliche Institutionen einsetzten, um dem Markt Grenzen zu setzen. Große Kartelle wurden zerschlagen und die Zeit war ebenfalls reif für eine starke Zentralbank, die im Notfall als "lender of last resort", also als letzter Kreditgeber, für die Volkswirtschaft bereitstand.

Konstruktion der Fed als Kompromiss

Die Konstruktion der Fed ist ein Kompromiss zwischen den Anhängern eines starken Zentralstaats und den Verteidigern der Rechte der Einzelstaaten. Die Fed besteht aus zwölf regionalen Federal-Reserve-Banken, zuständig für das tägliche Geschäft wie die Verwaltung von Bargeld. Diese regionalen Notenbanken gehören den Geschäftsbanken in ihrem jeweiligen Bezirk an. Ihre Gewinne müssen sie an die Bundesregierung abführen. In den Verwaltungsräten der regionalen Notenbanken sitzen auch Vertreter gesellschaftlicher Gruppen.

Anders als die EZB oder die Bundesbank ist die US-Notenbank keine öffentliche Einrichtung. Aber über allem sitzt das Federal Reserve Board of Governors, der politisch bestimmte Verwaltungsrat, seit Februar 2018 geführt von Jerome Powell. Das Gremium entscheidet unabhängig. Es gibt also in den USA eine Art der Gewaltenteilung zwischen Finanzsektor und Politik, die Kontinentaleuropa fremd ist. Die Zinsentscheidungen trifft der sogenannte Offenmarktausschuss (FOMC): Dazu gehören die sieben Mitglieder des Federal Reserve Board, der Präsident der Federal Reserve Bank of New York und vier Vertreter anderer Regionalbanken, die nach einem Turnusverfahren wechseln.

Der Start der Fed verlief schwierig, denn die Notenbank schaute dem zum größten Teil auf Krediten aufbauenden Börsenboom in den Zwanzigerjahren lange tatenlos zu und be¬förderte damit den Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 1929. Und als die Krise tobte, versorgte sie die abstürzende Wirtschaft unzureichend mit Geld. Das ist ein Grund dafür, dass die Fed in jüngerer Zeit bei Krisen immer wieder große Mengen Geld in die Wirtschaft pumpte – ob nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 oder der Finanzkrise nach dem Platzen der Immobilienblase in den USA 2007 mit über 1.200 Milliarden Dollar.

Finanzkrise 2007/2008Erzwungene Transparenz

Eigentlich wollte die Zentralbank verschweigen, mit wie viel Geld sie Banken während der Finanzkrise 2007/2008 unter die Arme gegriffen hatte. Dagegen klagte die Nachrichtenagentur Bloomberg und bekam Recht. Die Richterinnen und Richter entschieden, dass die Zentralbank die Informationen über die Notfallkredite während der Finanzkrise veröffentlichen müsse. Die Fed hatte sich darauf berufen, dass sie eine private Institution sei. Noch heute sorgt die Notenbank für große Diskussion in den USA.

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Caspar Dohmen ist Wirtschaftsjournalist. Nach seinem Studium der Volkswirtschaft und Politik arbeitete er als Redakteur für den Wiesbadener Kurier, das Handelsblatt und die Süddeutsche Zeitung. Heute schreibt er als freier Wirtschaftsjournalist für die SZ, verfasst Hintergrundberichte für den Deutschlandfunk und die ARD-Sender und arbeitet als Buchautor und Dozent u.a. an den Universitäten Witten-Herdecke und Siegen.