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Wiedergutmachung

Der Begriff ist unzutreffend und irreführend, da die Schäden durch Verfolgung, Beraubung, Versklavung, durch Freiheitsentzug und Ermordung unter dem nationalsozialistischen Regime nicht "wieder gut gemacht" werden können. Gemeint sind materielle Leistungen an die Opfer, die in zwei Hauptkategorien unterteilt werden, in Rückerstattung und Entschädigung. Die Rückerstattung begann unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg auf Veranlassung der Besatzungsmächte. Sie betraf vor allem Vermögenswerte, die sich der deutsche Staat, aber auch Einzelpersonen, im Zuge der Verfolgung von Juden und anderen angeeignet hatten (in diesen Bereich fällt zum Beispiel auch das Vermögen der 1933 aufgelösten deutschen Gewerkschaften).

Die Regelung der Besatzungszeit betraf vor allem das noch auffindbare Eigentum der Verfolgten. Das Bundesrückerstattungsgesetz von 1957 fixierte Restitutionsleistungen für nicht mehr auffindbare Werte in Höhe von drei Milliarden DM. Da diese Leistungen nur für die alte Bundesrepublik galten, konnten für das Gebiet der DDR erstmals nach der Wende ab Anfang der neunziger Jahre Ansprüche auf Rückgabe von Eigentum erhoben werden.

Wichtiger, auch im finanziellen Umfang (80–100 Milliarden DM), ist der Gesamtbereich Entschädigung. Nach ersten Ansätzen in der Besatzungszeit regelt das 1953 vom Bundestag verabschiedete "Bundesentschädigungsgesetz" (bis 1965 vielfach geändert und erweitert) die Leistungen an rassisch, religiös und politisch Verfolgte für Schäden an Leben, Gesundheit, Freiheit und beruflichem Fortkommen. Eine umfangreiche Bürokratie, gelegentlich unsensible Bearbeiter in den Entschädigungsämtern, zeitraubende Gutachten machten das Verfahren für die Opfer zu einer meist mühseligen und oft unerfreulichen Prozedur. Im Gegensatz zur gesamten Höhe der Aufwendungen (80–100 Milliarden DM) sind die Leistungen an die einzelnen Empfänger überwiegend bescheiden. Ein Monat KZ-Haft wird zum Beispiel mit der Zahlung von 150,– DM abgegolten. Für Gesundheitsschäden werden Renten gezahlt.

Keineswegs alle Verfolgten des NS-Regimes haben Entschädigungsleistungen erhalten. Die Zahlungen sind fast ausschließlich durch die alte Bundesrepublik erfolgt, ausgeschlossen waren alle, die in der Verfolgungszeit nicht im Deutschen Reich (in den Grenzen von 1937) gelebt hatten bzw. nicht innerhalb enger Fristen ihren Wohnsitz nach 1945 in der Bundesrepublik genommen hatten. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten vor allem Bürger des Deutschen Reiches bzw. der Bundesrepublik entschädigt werden. Damit ging die Masse der ausländischen Opfer des NS-Staates zunächst leer aus. Erst nach der Vereinigung von Bundesrepublik und DDR wurden Abkommen mit ehemaligen Ostblockstaaten geschlossen, um deren Bürger für die erlittene Verfolgung zu entschädigen. Auch Kommunisten, Sinti und Roma, Opfer der Wehrmachtsjustiz, Zwangssterilisierte oder unter dem Vorwurf "asozial" im KZ Inhaftierte blieben jahrzehntelang oder sogar bis heute von jeder Entschädigung ausgeschlossen.

Mit Israel und der Jewish Claims Conference (als dem Interessenverband nicht in Israel lebender Juden) schloss die Bundesrepublik bereits 1952 ein Abkommen, das (neben der anschließenden deutschen Gesetzgebung) eine Globalzahlung von 3,5 Milliarden DM an das jüdische Volk festlegte. Außerdem schloss die Bundesrepublik in den sechziger Jahren mit elf westeuropäischen Ländern Globalabkommen über Entschädigungen in der Höhe von 876 Millionen DM für NS-Verfolgte ab. Nach der Vereinigung von Bundesrepublik und DDR folgten ähnliche Abkommen mit Polen (500 Millionen DM), mit Weißrussland, der Ukraine und Russland (zusammen eine Milliarde DM). Die verfolgten Bürger der baltischen Staaten mussten noch länger warten.

Die Entschädigung des größten Teils der Zwangsarbeiter ist noch nicht erfolgt, da die deutsche Wirtschaft erst im März 2001 ihren Anteil von fünf Milliarden DM für den Fonds der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" aufbringen konnte und die Rechtssicherheit gegenüber neuen Ansprüchen noch nicht durch den Bundestag gewährleistet ist. Das bedeutet, dass ein beträchtlicher Teil der Millionen Zwangsarbeiter nie in den Genuss einer bescheidenen Entschädigungssumme kommen wird, denn allein in den beiden vergangenen Jahren sind bereits über 100000 Menschen aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten gestorben.

Literatur

  • Brodesser, Herrmann-Josef u.a.: Wiedergutmachung und Kriegsfolgenliquidation: Geschichte – Regelungen – Zahlungen, München 2000.

  • Goschler, Constantin: Wiedergutmachung. Westdeutschland und die Verfolgten des Nationalsozialismus, 1945–1954, München 1992.

  • Herbst, Ludolf / Goschler, Constantin (Hg.): Wiedergutmachung in der Bundesrepublik Deutschland, München 1989.

  • Kessler, Ralf / Peter, Hartmut Rüdiger: Wiedergutmachung im Osten Deutschlands 1945–1953. Grundsätzliche Diskussionen um die Praxis in Sachsen-Anhalt, Frankfurt a. M. 1996.

  • Pross, Christian: Wiedergutmachung. Der Kleinkrieg gegen die Opfer, Frankfurt a. M. 1988.

Fussnoten

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