Exzellenz,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Deutschen Bundestages und der Landtage, sehr geehrte Damen und Herren,
gestern, am 10.Dezember haben wir den Internationalen Tag der Menschenrechte begangen. Auch wenn dieser Tag kaum im öffentlichen Bewusstsein verankert ist, so haben wir in Deutschland allen Grund dazu, anlässlich diesen Tages zu einer Konferenz hier nach Berlin einzuladen. Der Rechtsextremismus in Deutschland hat ein bedrückendes Ausmaß angenommen und er stellt die freiheitlich demokratische Ordnung unserer Gesellschaft in Frage. Mit ihm einher geht ein ungebrochener und neu aufkeimender Antisemitismus, der die Mitte der Gesellschaft erreicht.
Die jüngsten Debatten über den Holocaust und den international zunehmenden Antisemitismus bewegen die Menschen in Deutschland und im Ausland. Die Bundeszentrale für politische Bildung möchte mit dieser Konferenz jene spannungsgeladenen Debatten aufnehmen, unterschiedliche Perspektiven und Positionen vorstellen und zu einem differenzierten, vor allem aber engagierten Diskurs in diesem Themenfeld beitragen. Ich denke, es ist uns gelungen, ein spannendes Programm mit einer hochkarätigen internationalen Besetzung aufzubieten.
Es ist mir eine besondere Freude, dass eines der renommiertesten Forschungsinstitute in der Bundesrepublik, das Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU Berlin unter der Leitung von Prof. Wolfgang Benz sich unserem Anliegen angeschlossen hat und diese Veranstaltung in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung durchführt. Dafür danke ich Ihnen ganz herzlich. Ebenso geht mein Dank an das American Jewish Committee und Deidre Berger für guten Rat und Tat im Vorfeld der Konferenz.
Der Holocaust ist eines der am intensivsten erforschten Ereignisse des 20. Jahrhunderts. Eine Vielzahl wissenschaftlicher Forschungen sowie unzählige biografische Berichte legen Zeugnis von dem größten zivilisatorischen Bruch in der Weltgeschichte ab, der bis heute nachwirkt und unser Leben bestimmt – ob wir es wollen oder nicht.
Es ist uns nicht nur eine große Ehre, sondern ein unschätzbarer Gewinn für alle hier Versammelten, dass wir mit Prof. Raul Hilberg eine herausragende Persönlichkeit und einen Pionier der internationalen Holocaustforschung als Gastredner gewinnen konnten. In seinem Vortrag wird er die Erträge der Holocaustforschung vorstellen und bilanzieren. Persönlich begrüssen möchte ich darüber hinaus die Gäste, die einen längeren Weg zu uns auf sich genommen haben. Peter Longerich aus London, Yves Camus aus Paris, Nathan Sznaider und David Menashri aus Tel Aviv.
Auch die Tätigkeit der Bundeszentrale für politische Bildung ist seit ihren Gründungsjahren aufs Engste verknüpft mit der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und der in deutschem Namen erfolgten systematischen Vernichtung des europäischen Judentums. Dieses Themenfeld ist seit jeher ein Kernelement unserer Arbeit, das sich in zahlreichen Publikationen – einige davon liegen auf unserem Büchertisch aus –, Veranstaltungen und nicht zuletzt auch in den seit 1963 durchgeführten Studienreisen nach Israel widerspiegelt.
Mehr als 60 Jahre nach Kriegsende und dem Aufbau einer stabilen, lebendigen Demokratie in Deutschland sind Antisemitismus und Holocaustleugnung keineswegs aus unserer Gesellschaft verschwunden. Neuere Untersuchungen belegen, dass antisemitische Denkweisen nicht nur ein Phänomen am Rande unserer Gesellschaft, sondern immer mehr in deren Mitte zu finden sind. Antisemitismus zeigt sich heutzutage auf nationaler wie internationaler Ebene in vielen und immer wieder neuen Facetten. Jüngste antisemitische Denkmuster werden nicht selten mit der Infragestellung des Existenzrechtes Israels verknüpft und auf dem politischen Parkett instrumentalisiert.
Vor dem Hintergrund der skizzierten Entwicklungen bleibt die Vermittlung historischen Wissens über Antisemitismus und Holocaust, über die ihnen zugrundeliegenden Mechanismen und Prozesse an die jungen, nachfolgenden Generationen eine wichtige Aufgabe für die politische Bildung. Dabei gilt es nicht nur, die konkrete Wissensvermittlung in den Wertehorizont unserer freiheitlichen Demokratie einzubetten, sondern auch, die jungen Menschen in ihren jeweiligen gesellschaftlichen Lebenswelten "abzuholen" und Vermittlungsmethoden daran anzupassen.
Dabei sehen wir uns mit zwei grundlegenden Problemstellungen konfrontiert:
1.Stehen wir als Einwanderungsland vor der besonderen Herausforderung auch junge Migranten und Migrantinnen adäquat an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte heranzuführen. Die Auseinandersetzung mit dem Holocaust ist zur raison détre unseres Landes geworden. Man kann sich da nicht herausreden und sagen, dass sei nur das Problem der Deutschen.
2.Wird die Generation der Zeitzeugen in absehbarer Zeit nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Eindringlichkeit ihrer Vorträge und Ausführungen werden wir schmerzlich vermissen und so wird die politische Bildung an neuen Formaten arbeiten müssen, namentlich am Einsatz der audiovisuellen Medien.
Wenn es um die Rezeption des Holocaust geht, werden wir in Deutschland sicherlich zunächst immer eine spezifisch nationale Perspektive einnehmen und einnehmen müssen. Das ist anders auch gar nicht denkbar. Zugleich darf unsere nationale Wahrnehmung jedoch nicht den Blick auf das internationale Umfeld verstellen. Im Gegenteil: Das nationale Gedächtnis verpflichtet dazu. Es versteht sich, wenn man so will aus der eigenen Verantwortung heraus immer schon als Teil eines transnationalen Gedächtnisses.
Wenn man die jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten betrachtet, wird deutlich, dass die Holocaustrezeption in dieser Region auch von uns Deutschen und Europäern mit großer Aufmerksamkeit verfolgt werden muss. Reden wir nicht um den heissen Brei herum: Heute wird der iranische Präsident eine Konferenz in Teheran abhalten, die den Holocaust und – das ist das eigentliche Ziel – das Existenzrecht Israels in Frage stellt. Wir haben keinen Grund uns inhaltlich darauf zu beziehen.
Aber die Anzweiflung des Holocaust und die Infragestellung des Existenzrechts Israels sind ein fundamentaler Angriff auf die demokratischen Werte der westlichen Gesellschaften. Das muss trotz aller politischer Interessenlagen bekräftigt werden. Ein differenzierter Blick in die muslimische Welt soll Aufschluss darüber geben, ob und welche Diskurse zwischen den herrschenden Eliten und der Bevölkerung diesbezüglich in den diversen Ländern geführt werden. Dabei werden wir feststellen, dass Pauschalurteile nicht helfen. Ein Generalangriff auf die muslimische Welt greift ins Leere. Es geht präziser darum, wie islamistische Wortführer und die, die ihnen folgen, das Thema instrumentalisieren und was dem entgegenzuhalten ist. Nicht zuletzt deshalb müssen wir uns die Frage stellen und vor Augen halten, wie kann Deutschland, wie kann Europa seiner Verantwortung für das Existenzrecht Israels gerecht werden?
Meine Damen und Herren,
erlauben Sie mir zum Abschluss eine Anmerkung zum Format der heutigen Konferenz:
Uns als Veranstalter ist sehr bewusst, dass wir ein großes, brisantes Themenfeld mit höchst unterschiedlichen, z.T. parallel laufenden Debatten aufgegriffen haben.
Mit Blick auf die Komplexität der Materie und den zeitlichen Rahmen werden wir am Ende des Tages sicher keine neuen Ergebnisse vorweisen können, diese Erwartung scheint aber ohnehin weder angebracht noch realistisch zu sein. Vielmehr möchten wir den gegenwärtigen Stand der Debatten präsentieren und bilanzieren, Denkanstöße geben und nicht zuletzt Sie ermutigen, das Gehörte in Ihre eigene pädagogische oder publizistische Tätigkeit einfließen zu lassen.
Ich wünsche uns allen eine spannende und ertragreiche Konferenz.
-Es gilt das gesprochene Wort-
Eröffnungsrede zur Konferenz "Der Holocaust im transnationalen Gedächtnis" Die Konferenz fand am 11. Dezember 2006 im dbb-Forum in Berlin statt.
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Immer wieder werden – allen Erkenntnissen zum Trotz – Zweifel an den Ergebnissen der Holocaustforschung formuliert, deren extremste Formen in der Leugnung des Holocaust gipfeln.
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