Nach mehr als Interner Link: fünf Jahren und 430 Verhandlungstagen hat der Vorsitzende Richter Manfred Götzl im Prozess um die Morde und Anschläge des "Interner Link: Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) am 11. Juli 2018 das Urteil verkündet: Das Oberlandesgericht München (OLG) verurteilte die Hauptangeklagte Beate Zschäpe zu einer lebenslangen Haftstrafe. Auch die vier Mitangeklagten wurden zu Haftstrafen verurteilt.
Der Nationalsozialistische Untergrund
Die rechtsterroristische Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) soll in den Jahren 2000 bis 2007 zehn Menschen umgebracht haben – davon neun aus rassistischen Motiven. Unter den Opfern waren acht türkisch- und ein griechischstämmiger Kleinunternehmer sowie eine Polizistin. Außerdem hat die Gruppe mindestens zwei Sprengstoffattentate durchgeführt, bei denen zahlreiche Menschen teilweise schwer verletzt wurden, sowie zahlreiche Banküberfälle verübt.
Das rechtsterroristische Netzwerk blieb über ein Jahrzehnt lang von der Polizei unentdeckt. Zschäpe hatte mit ihren Freunden Mundlos und Böhnhardt im Untergrund gelebt. Bereits im September 2000 hatten Böhnhardt und Mundlos den türkischen Blumenhändler Enver Şimşek in Nürnberg erschossen. Doch erst am 4. November 2011 kamen die Ermittler den Tätern auf die Spur. Böhnhardt und Mundlos hatten eine Sparkasse überfallen – ein Zeuge notierte sich das Kennzeichen ihres Fluchtfahrzeugs. Als sich die Polizei dem Fluchtwagen näherte, soll Mundlos zunächst Böhnhardt erschossen und anschließend das Fahrzeug in Brand gesetzt haben. Danach soll er die Waffe gegen sich selbst gerichtet haben. Der genaue Tathergang ist bis heute umstritten. In Zwickau steckte kurz darauf Zschäpe die Wohnung der drei in Brand, wohl um Beweise zu vernichten und verschickte ein Video, indem sich die Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund zu Morden und Sprengstoffanschlägen bekennt. Wenige Tage später stellte sie sich der Polizei.
Der Münchner NSU-Prozess hatte am 6. Mai 2013 begonnen. Das Verfahren verzögerte sich jedoch mehrmals – etwa wegen diverser Befangenheitsanträge oder Erkrankungen.
Der Vorsitzende Richter sprach Zschäpe des Interner Link: zehnfachen Mordes für schuldig. Sie hatte die Beteiligung an den Taten zuletzt noch einmal bestritten. Ihre Verteidigung hatte insbesondere darauf hingewiesen, dass es keine Beweise dafür gebe, dass die 43-Jährige sich tatsächlich an einem der Tatorte aufgehalten hat. Für Götzl war dies jedoch nicht entscheidend. Der Vorsitzende Richter sah die Frau, die sich im November 2011 der Polizei in Jena gestellt hatte, nach Abwägung aller Beweise und Indizien als gleichberechtigtes Mitglied eines eingeschworenen Trios an.
Zschäpe sei mit den anderen beiden Mitgliedern des NSU, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, übereingekommen, als zusammengeschlossener Verband Menschen aus antisemitischen oder anderen Gründen zu töten, sagte der Vorsitzende Richter. Er führte aus, die Taten seien nur unter Mitwirkung Zschäpes durchführbar gewesen. Sie sei vor allem für die Zuflucht der Täter im Untergrund zuständig gewesen.
Verteidigung akzeptiert das Urteil nicht
Die Richter gingen bei dem Interner Link: einzigen überlebenden Mitglied des NSU von einer besonderen Schwere der Schuld aus. Eine Haftentlassung ist damit nach 15 Jahren rechtlich theoretisch möglich, jedoch praktisch so gut wie ausgeschlossen. Wird eine besondere Schwere der Schuld festgestellt, legt die Strafvollstreckungskammer nach 15 Jahren fest, ob aufgrund der Schuld noch weitere Zeit im Gefängnis verbüßt werden muss. Eine Sicherungsverwahrung, die zu einem lebenslangen Entzug der Freiheit nach Verbüßung der Haftstrafe führen kann, wurde nicht verhängt.
Zschäpe hatte in ihrem Schlusswort gesagt: „Bitte verurteilen Sie mich nicht stellvertretend für etwas, was ich weder gewollt noch getan habe.“ Bis Ende 2015 hatte sie von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, dann die direkte Beteiligung an den Morden bestritten und angegeben, erst im Nachhinein von den Taten erfahren zu haben. Sie hatte jedoch gestanden, von den Banküberfällen gewusst zu haben. Ihre Verteidiger wollen nun vor dem Bundesgerichtshof in Revision gehen, also das Urteil auf seine Rechtmäßigkeit überprüfen lassen. Sie sehen Zschäpes Mittäterschaft als nicht bewiesen an.