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Defizitverfahren | bpb.de

Defizitverfahren

P. Becker

Das zentrale Konvergenzkriterium für alle Mitglieder der europ. Wirtschafts- und Währungsunion ist die Begrenzung der erlaubten staatlichen Neuverschuldung auf 3 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Wird diese Grenze überschritten, kann die EU-Kommission ein D. einleiten. Das Verfahren sieht zunächst eine »Frühwarnung« (»Blauer Brief«) vor. Das förmliche D. wird eingeleitet, wenn die Kommission einen Bericht zur Einleitung des D. erstellt, worin sie ein übermäßiges Defizit und damit einen Verstoß gegen den Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts feststellt, und ihn dem Rat vorlegt. Der Rat der Finanzminister entscheidet dann mit qualifizierter Mehrheit, ob wirklich ein übermäßiges Defizit vorliegt, und empfiehlt dem Mitgliedstaat entsprechende Gegenmaßnahmen. Der betreffende Mitgliedstaat muss der EU-Kommission seinerseits einen Plan vorlegen, wie er die Maßnahmen innerhalb von 6 Monaten umsetzen und sein Haushaltsdefizit abbauen will. Entspricht der Mitgliedstaat nicht den Empfehlungen, kann der Rat Sanktionen verhängen. Dies ist zunächst eine unverzinsliche Geldzahlung des Mitgliedstaates, die allerdings 0,5 % seines BIP nicht überschreiten darf. Wenn der Staat auch weiterhin seine Verschuldung nicht abbaut, kann diese Geldeinlage nach 2 Jahren in eine Strafzahlung umgewandelt werden. Das D. wird erst dann beendet, wenn das übermäßige Defizit des Mitgliedstaats nach Ansicht des Rates wirksam abgebaut wurde. Der Vertrag von Lissabon (2009) stärkt in Art. 126 AEUV die Wächterrolle der Kommission weiter; sie kann künftig ohne Zustimmung des Rates selbst »Blaue Briefe« an einzelne Regierungen verschicken.

aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: P. Becker

Fussnoten

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