Curricula für die Hochschulen der Bundeswehr*)
Allgemeine Grundlagen
Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr
/ 83 Minuten zu lesen
Link kopieren
Zusammenfassung
Die Konzeption von Hochschulen der Bundeswehr ist Teil der Bildungsreform in den Streitkräften. Zu den Gründen für die Einrichtung bundeswehreigener Hochschulen gehörte u. a. die Absicht, das Studium von vornherein besonders eingehend pädagogisch aufzubereiten. Als Weg für eine solche pädagogische Aufbereitung wurde die Konstruktion von Curricula gewählt. Das mit der Erarbeitung der Curricula beauftragte Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr gibt in der vorliegenden Veröffentlichung einen Überblick über die allgemeinen Grundlagen der eigenen Curriculum-Entwicklung. Die Darstellung beginnt mit einer Begriffsklärung. Ein Curriculum wird als der Versuch betrachtet, den Lernprozeß für alle daran Beteiligten mit Hilfe wissenschaftlicher Analyse seiner Bedingungen auf möglichst klar bestimmte Ziele hin zu organisieren, zu kontrollieren und zu revidieren. Es soll so unterschiedliche Aufgaben lösen helfen wie: die Komplexität der Verhältnisse zu bewältigen, die gesellschaftlichen Veränderungsprozesse zu berücksichtigen, aus der Fülle des Fachwissens begründet auszuwählen oder den Lernprozeß insgesamt rationaler und durchsichtiger zu gestalten. Ausgangspunkt der Curriculum-Konstruktion ist die Bestimmung der die einzelnen Fächer übergreifenden „allgemeinen Lernziele" und die der Tätigkeitsfelder, auf welche hin ausgebildet werden soll. Die „allgemeinen Lernziele" werden über eine bildungspolitische Entscheidung im Zusammenhang mit einer Gesellschaftsanalyse gewonnen. Letztere bildet mit der Analyse von Wissenschaft und Berufsstruktur den allgemeinen Rahmen für die Untersuchung der speziellen Tätigkeitsfelder. Die möglichst genaue Erforschung der Tätigkeitsfelder dient dem Zweck, Kriterien zu gewinnen, nach denen die Qualifikationen zu benennen sind, welche der Student zur Bewältigung seiner späteren Aufgaben benötigt. Die als „fachspezifische Lernziele" bezeichneten Anforderungen stehen in engem Verhältnis zu den „allgemeinen Lernzielen“ und dürfen diesen in keinem Fall widersprechen. Die Tätigkeitsfelder, auf die sich die Studiengänge an den Hochschulen der Bundeswehr beziehen, sind die jeweiligen beruflichen Verwendungen als Pädagoge, Ingenieur oder Informatiker und für alle Studienrichtungen gemeinsam die Spezifika der Offizierssituation und der Studiensituation. Die Wahl dieser beiden Tätigkeitsfelder neben der beruflichen Verwendung wird mit der Erläuterung der Situationen in einem eigenen Abschnitt über die speziellen Grundlagen der Curriculum-Entwicklung begründet. Wie sich die allgemeinen und speziellen Grundlagen in einem Curriculum konkret niederschlagen, vermittelt abschließend beispielhaft die schematische Darstellung des Studienfachs „Wirtschaftsund Organisationswissenschaften".
Vorwort
*) Dieser Ausgabe der Wochenzeitung DAS PARLAMENT liegt der zweite Teil eines insgesamt vierteiligen Schemas bei, das einen Überblick über das Curriculum Wirtschaftsund Organisaponswissenschaft gibt. Einige Abschnitte dieses äettrages beziehen sich auf das gesamte Schema, as aus drucktechnischen Gründen nicht vollständig " edergegeben werden kann, aber von Interessen-
en bei der Bundeszentrale für politische Bildung a Mai 1974 kostenlos angefordert werden kann.
Am 1. Oktober 1973 hat in den Hochschulen der Bundeswehr Hamburg und München der Lehrbetrieb begonnen. Abgesehen von den besonderen Voraussetzungen, die sich durch die Zugehörigkeit beider Hochschulen zum Bereich der Bundeswehr ergeben, ist dieser Lehrbetrieb vor allem dadurch gekennzeichnet, daß er in der Regel in drei Jahren ein volles wissenschaftliches Studium ermöglichen, dieses aber nicht auf einen traditionellen Fachstudiengang begrenzen soll. Der Entschluß der politischen Leitung der Bundeswehr und damit auch der Bundesregierung, Bundeswehrhochschulen zu errichten, stand deshalb von vornherein unter drei Aspekten zur 'Diskussion: einmal ging es überhaupt um die Absicht, eigene Hochschulen zu errichten, also das Studium nicht an den öffentlichen Hochschulen durchzuführen; zum anderen kamen Möglichkeiten und Gefahren einer im Vergleich drastischen Studienzeitverkürzung zur Sprache; schließlich stieß das Vorhaben einer erziehungsund gesellschaftswissenschaftlichen Erweiterung der Fachstudiengänge auf Interesse, geriet zugleich aber auch in den Streit der Meinungen.
Mit der Eröffnung der beiden Hochschulen kann diese Diskussion nicht beendet sein. Sie wird sich jetzt allerdings wohl mehr dem Studium selbst und seinen Bedingungen zuwenden. Als Beitrag zu diesem Teil der Diskussion und zugleich zur Unterrichtung der Lehrenden und Studierenden an den beiden Hochschulen ist die vorliegende Veröffentlichung bestimmt. Wir wollen in der Hauptsache Auskunft geben über den bisherigen Stand der Curriculum-Entwicklung und über die bis zur Gründung der Hochschulen entwickelten Vorstellungen über die erziehungsund gesellschaftswissenschaftlichen Teile des Studiums — nach der Gründung sind die Fachbereiche und Senate der Hochschulen selbst am Zuge.
Weil diese Veröffentlichung einführen und den Laien als Zielgruppe berücksichtigen soll, kann auf einen Anmerkungsapparat verzichtet werden und die theoretische Auseinandersetzung mit anderen Positionen unterbleiben. Dennoch soll sie auch als Grundlage für die in der üblichen wissenschaftlichen Form demnächst erscheinenden Veröffentlichungen einzelner Fachcurricula dienen 1)Die folgenden Ausführungen sind das Ergebnis von Projektgruppenarbeiten und dem Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr (früher Wissenschaftliches Institut für Erziehung und Bildung in den Streitkräften) als ganzem zuzurechnen. Die Leitung des Instituts bedankt sich an dieser Stelle für den Einsatz der Mitarbeiter und für das Bemühen um Konsens in einem Problembereich, der wie andere Beispiele (etwa die Hessischen Rahmenrichtlinien) zeigen, besonders konfliktträchtig ist. Beides erst hat politische Praxis von Wissenschaft ermöglicht.
Thomas Ellweh Rall Zoll
Einführung
Abbildung 2
Graphische Darstellung: Die Aufteilung des Curriculum-Schemas in vier Teilen
Graphische Darstellung: Die Aufteilung des Curriculum-Schemas in vier Teilen
Zur Vorgeschichte der Hochschulen der Bundeswehr Am 11. Juli 1970 berief der Bundesminister der Verteidigung eine „Kommission zur Neuordnung der Ausbildung und Bildung in der Bundeswehr" und erbat von ihr ein Gutachten über die künftige Organisation und die Inhalte der Aus-und Fortbildung von Offizieren, Unteroffizieren und längerdienenden Mannschaften. Die Kommission sollte die allgemeine bildungspolitische Entwicklung, den wünschenswerten engen Zusammenhang von öffentlichen Einrichtungen und solchen der Bundeswehr und die Notwendigkeit berücksichtigen, möglichst jedem längerdienenden Soldaten eine Berufsausbildung oder einen zusätzlichen Berufs-und Bildungsabschluß anzubieten.
Die „Bildungskommission" legte als erstes Ergebnis ihrer Beratungen ein vorläufiges „Rahmenkonzept" (15. Dezember 1970) vor und löste damit eine umfangreiche Diskussion aus. In der weiteren Arbeit konnten etwa 150 Stellungnahmen berücksichtigt werden. Das endgültige Gutachten wurde am 18. Mai 1971 der Öffentlichkeit übergeben. Kurz darauf begannen die Vorarbeiten für die Verwirklichung der Vorschläge; im Sommer 1972 kam es zu ersten verbindlichen Entscheidungen. Einige bezogen sich auf die Neuordnung der Offiziersausbildung. Für die Offiziersausbildung ging der Vorschlag der Bildungskommission dahin, alle Anwärter, die sich für einen mindestens zwölfjährigen Dienst in der Bundeswehr verpflichten oder Berufsoffizier werden wollen, gemeinsam fünf Jahre auszubilden: „Die fünfjährige Ausbildungsstufe besteht aus zwei Jahren militärischer Ausbildung und einem dreijährigen wissenschaftlichen Studium.
Trotz der Zweiteilung ist die fünfjährige Ausbildungsstufe als eine Einheit zu verstehen.
Ein enger Zusammenhang zwischen militärischer und wissenschaftlicher Ausbildung muß gewährleistet sein. Deshalb sollen nur solche Fachbereiche angeboten werden, die für die Tätigkeit des Offiziers von Nutzen sind.'
Nach Ansicht der Kommission sollte das Studium an den Hochschulen der Bundeswehr -„dem an allgemeinen Hochschulen vergleichbar sein und zu gleichwertigen Abschlüssen führen", allerdings nur in solchen Fachbereichen, „die zu ihrem Teil sowohl zur Vorbereitung des Offizierberufes beitragen als auch — mit Rücksicht auf die Offiziere auf Zeit — den Übertritt ins zivile Berufsleben ermöglichen". Im Studium sollten bei der Auswahl der Fachinhalte die Belange der Streitkräfte berücksichtigt werden; man sollte es so anlegen, „daß die spätere Praxis und mit ihr der Beruf des Offiziers gegenwärtig sind".
Auf Grund dieser und der sie ergänzenden Kommissionsvorschläge und nach Verhandlungen mit den zuständigen Dienststellen des Bundes und der Länder sowie nach Konsultation der Westdeutschen Rektorenkonferenz und des Wissenschaftsrates erbat der Bundesminister der Verteidigung die Zustimmung der Bundesregierung zur Errichtung der Hochschulen der Bundeswehr in Flamburg und München. Nach dem entsprechenden Beschluß der Bundesregierung und nach der Zusage des Senates der Freien und Hansestadt Hamburg und der Staatsregierung des Frei-staates Bayern wurden im November 1972 ein Gründungsausschuß für die Hochschule in Hamburg und im Februar 1973 ein Gründungsausschuß für die Hochschule in München berufen. Beide Ausschüsse machten in der Hauptsache Vorschläge für die Berufun gen des Lehrkörpers der Hochschulen und für deren Organisation; sie beschäftigten sich auch mit den Curricula-Entwürfen, die inzwischen im Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr erarbeitet und im Bundesministerium der Verteidigung beraten worden waren. Vorgaben für die Gestaltung des Studiums Aus der hier nur angedeuteten Entstehungsgeschichte der Hochschulen der Bundeswehr ergeben sich in der Hauptsache drei Besonderheiten, auf welche man sich bei der Vorarbeit für die Errichtung der Hochschuleneinstellen mußte:
Erstens kann an diesen Hochschulen nur eine begrenzte Zahl von Fachbereichen eingerichtet werden. Zu fragen ist jeweils, — ob sich innerhalb der von der Bundeswehr freigestellten Studentengruppe eine genügend große Zahl findet, um einen eigenen Fachbereich und seine Kosten zu rechtfertigen;
— ob in der anschließenden Dienstzeit die Möglichkeit besteht, Studium und Praxis so zu verbinden, daß sich Kenntnisse und Fähigkeiten aktualisieren und Erfahrungen sammeln lassen;
— ob sich schließlich für das Studium und die in der Bundeswehr zu sammelnden Erfahrungen auch im Falle des Ausscheidens aus der Bundeswehr (Zeitoffizier) eine Nutzungsmöglichkeit ergibt.
Hinsichtlich der damit angesprochenen Besonderheit sind die grundlegenden Entscheidungen gefallen: In Hamburg und München arbeiten die Fachbereiche Elektrotechnik, Maschinenbau (Luft-und Raumfahrttechnik), Wirtschaftsund Organisationswissenschaften sowie Pädagogik und in München außerdem noch Informatik und Bau-und Vermessungsingenieurwesen. Zweitens war von vornherein eine nur fünfjährige Ausbildungszeit bereitgestellt, von der drei Jahre auf das Studium entfallen. Daraus ergab sich die Notwendigkeit, Studiengänge zu planen, die in der Regel nach drei Jahren zum Abschluß führen, dennoch aber mit den Studiengängen an öffentlichen Hochschulen, die meist erheblich mehr Zeit beanspruchen, vergleichbar bleiben. Dieser Notwendigkeit will man einerseits durch die Einteilung des Studiums in drei Studienjahre zu je drei Trimester, also durch eine stärkere Nutzung der verfügbaren Zeit, andererseits durch eine straffere Organisation des Studiums entsprechen. Mit den 9 Trimestern stehen etwa 27 Studienmonate zur Verfügung. Das entspricht fast genau 8 Semestern der bisherigen Einteilung an öffentlichen Hochschulen. Selbstverständlich geht eine solche Vergleichsrechnung nicht auf: Bei einer Trimestereinteilung bleibt weniger Zeit zur Verarbeitung des Erlernten und Erfahrenen; außerdem schließen nur wenige Studenten an öffentlichen Hochschulen in der Regelstudienzeit tatsächlich ab. Die zeitliche Straffung des Studiums läßt sich also nur rechtfertigen, wenn man überflüssige Inhalte streichen, mehr pädagogische Hilfe geben und schließlich das Studium überschaubarer als bisher machen kann. Das wiederum legt es nahe, die Möglichkeiten der modernen Curriculum-Theorie zu nutzen und zumindest zu versuchen, das Studium auf eine für Lehrende und Lernende gemeinsame Planungsgrundlage zu stellen, deren ständige Fortschreibung auch ein ständiges Durchdenken der Möglichkeiten und Grenzen eines dreijährigen Studiums erzwingt.
Drittens mußte man sich schließlich bei der Planung des Studiums auf streitkräftebedingte und andere Anforderungen einrichten, die sich aus der Analyse der späteren Tätigkeitsfelder und den „allgemeinen Lernzielen" herleiten. Hier hat sich der Ausweg angeboten, in der Art eines Studium Generale neben dem eigentlichen Fachstudium ein bestimmtes Angebot zu erbringen und so auch die Bedürfnisse etwa der Teilstreitkräfte zu befriedigen. Alle Erfahrungen gehen jedoch dahin, daß mit einem solchen Nebenstudium wenig bewirkt wird. Schon die Bildungskommission brachte deshalb nachdrücklich zum Ausdruck, „daß nicht an ein Nebeneinander von Fach-und Begleitstudium gedacht ist, sondern sich beide Elemente des Studiums gegenseitig durchdringen müssen. Dabei soll das erzie- hungs-und gesellschaftswissenschaftliche Element für alle Studierenden zunächst gleich sein . . . Erforderlich sind dazu eine enge Kooperation des ganzen Lehrkörpers, eine sinnvolle Studienplanung und eine ständige Abstimmung zwischen den beiden Elementen des Studiums, welche deren gegenseitige Durchdringung und damit zugleich jedes für sich fördert."
Neben den Aufgaben der infrastruktureilen Vorbereitung, der Bereitstellung notwendiger Einrichtungen und der Gewinnung des Lehr-körpers stellte sich also mit der politischen Entscheidung über die Errichtung von Hochschulen der Bundeswehr auch die Aufgabe einer Studienplanung, welche die zeitliche Straffung des Studiums ermöglicht, das Studium so weit es geht für alle Beteiligten transparent macht und auch in eher traditionelle Studiengänge erziehungs-und gesellschaftswissenschaftliche Elemente einbezieht.
Zur Curriculum-Entwicklung über die Schwierigkeiten bei der Entwicklung von Curricula für Hochschulstudiengänge wird im nächsten Abschnitt das Notwendige gesagt. In der Einführung nehmen wir nur vorweg, daß 1971 zu Beginn der konkreten Planung für die Fachbereiche und Studiengänge an den Hochschulen der Bundeswehr eine praktikable Curriculum-Theorie weder vorlag noch in absehbarer Zeit zu erwarten war. Es gab und gibt nur eine ziemlich weitreichende Übereinstimmung darin, daß den drei Kernschwierigkeiten des akademischen Studiums in der Gegenwart — die ständig zunehmende Stoff-und Wissensfülle in den einzelnen Wissenschaften, — die immer undeutlicheren Beziehungen zwischen wissenschaftlichen Studiengängen und Berufsfeld, — das Fehlen eines Kanons allgemeiner und fachlicher Bildung, der Schule, Hochschule und Berufswelt miteinander verbindet, durch eine neue Art der Planung des Studiums begegnet werden muß. In eine solche Planung haben neben den überlieferten Fächer-und Themenkatalogen der einzelnen Wissenschaften, die sich ständig ausweiten, vor allem Bezüge zum Berufsfeld einzugehen. Weiter erscheint die Betonung von grundlegenden Fähigkeiten notwendig, weil man damit dem raschen Veränderungsprozeß in den Wissenschaften und in ihren Anwendungsgebieten entspricht und auf ein „lebenslanges Lernen“ noch am ehesten vorbereitet. Daß es schließlich heute keine Beschränkung auf ein bloß berufsbezogenes Studium mehr geben darf, im Studium vielmehr fächerübergreifende, „allgemeine“ Lernziele anzustreben sind, wird öffentlich kaum mehr bestritten — bis ein solcher Konsens dann auch Hochschulwirklichkeit verändert, ist allerdings mehr als nur eine Frage der Zeit.
Die mit der Vorbereitung der Rahmen-Curri. cula für die sechs Fachbereiche der Hochschulen der Bundeswehr beauftragten Mitarbeiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr entschieden sich im Herbst 1971 insofern für einen gemeinsamen Weg, als alle die Analyse der jeweiligen Berufssituation in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellten. Demzufolge sollten nicht die einzelne Fachwissenschaft und ihre Nachbarwissenschaften den Ausgangspunkt der Überlegungen bilden, sondern der Blick auf die wichtigsten Funktionen etwa des Elektroingenieurs, Nun gibt es im derzeitigen Stand der Wissenschaft kaum zureichende Analysen der Bedingungen, unter denen heute und in absehbarer Zukunft ein Beruf ausgeübt wird, und der wichtigsten Tätigkeiten innerhalb dieses Berufes. Soweit Wissenschaft zu solchen Analysen überhaupt imstande ist, würde man dazu längere Zeit benötigen. Die Vorentscheidung in unserem Institut konnte also nur bedeuten, daß man sich mit einer vorläufigen und begrenzten Analyse des jeweiligen Berufsfeldes und mit einer sehr knappen und abstrahierenden Zusammenfassung der verschiedenen Tätigkeitsbereiche zufrieden gab.
Die später notwendigen Schritte in der Curriculum-Entwicklung werden andernorts dargestellt. Im Ergebnis lagen jedenfalls bis zum Sommer 1972 Entwürfe für Wirtschafts-und Organisationswissenschaften, Pädagogik, Elektrotechnik, Luft-und Raumfahrttechnik, Bauingenieurwesen, Informatik und etwas später auch für Maschinenbau vor. Diese Entwürfe oder Rahmen-Curricula wurden mit Vertretern der Teilstreitkräfte diskutiert, um zu gewährleisten, daß auch die besonderen Belange der Bundeswehr zur Geltung kommen. Allerdings gelang zu diesem Zeitpunkt ein entscheidender Schritt noch nicht. Die erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlichen Bestandteile des Studiums konnten nur erwähnt, aus zeitlichen Gründen dagegen noch nicht in die einzelnen Studiengänge wirklich eingearbeitet werden. Wir behalfen uns deshalb mit der Unterscheidung zwischen einem für alle Fachbereiche geltenden „Allgemeinen Teil" und den „Besonderen Teilen" für jeden einzelnen Fachbereich. In ersterem wurden in der Hauptsache die allgemeinen, also fächerübergreifenden Lernziele vorgestellt und begründet; außerdem wurden ein Überblick über die Einzelschritte der Curriculum-Entwicklung gegeben und abrißhaft die Situations-Analysen vorgestellt, welche insgesamt den Curricula zugrunde liegen sollten. Obgleich ein solches Ergebnis nicht befriedigen konnte, brachte es doch in einer Hinsicht eine erste Sicherheit: Aus dem jeweiligen Rahmenplan für das gesamte Studium ließ sich eine vorläufige Organisation der neun Trimester entwickeln und verdeutlichen, auf welche Weise die beabsichtigte Studienzeit-verkürzung möglich sein kann. Gleichzeitig ergaben sich erste Erfahrungen über den Wert des Rahmen-Curriculum als Planungsgrundlage — Erfahrungen, die in den ingenieurwissenschaftlichen Fachbereichen mit ihrer Gewöhnung an eine relativ straffe Studienplanung weniger neu waren und also auch weniger bewirken konnten als in anderen Fachbereichen. Praktisch wirkte sich die Vorlage der Entwürfe diskussionsfördernd aus; das Institut, welches sich bis dahin nur auf die Unterstützung durch Sachverständigengutachten angewiesen sah, erhielt nunmehr kritische Anregungen und zahlreiche Hinweise.
Ende 1972 kam es vor diesem Hintergrund zu einer Revision der Rahmen-Curricula noch im Institut selbst. Diese Arbeitsphase führte zu einem ersten Ergebnis im Curriculum für das Vermessungswesen; etwas später konnte das grundlegende Schema für das (neue) Curriculum Wirtschaftsund Organisationswissenschaften vorgelegt werden. Als „neu" erwies sich dabei vor allem der Weg einer Studien-planung, die nicht nur an die Bedingungen eines traditionellen Tätigkeitsfeldes anknüpft, sondern über die später zu bewältigenden Aufgaben die Tätigkeitsbereiche neu analysiert und bestimmt: In unserem Fall handelt es sich um die Tätigkeitsbereiche des Berufes im engeren Sinne, des Offiziers und des Studiums.
Die Studien-und die Offizierssituation im Curriculum Am Anfang der soeben geschilderten Curriculum-Entwicklung stand eine Vorentscheidung, die so, aber eben auch anders ausfallen konnte, die nach unserer Meinung plausibel, aber nicht unbedingt notwendig und damit auch nicht für andere zwingend ist. Dieser Entscheidung zufolge sollte von einer, wenn auch nur vorläufigen Analyse des Berufsfel-
es, nicht dagegen von der jeweiligen Fach-Wssenschaft, ihrer Systematik und ihrem traerten Kanon an Lehrinhalten ausgegangen werden. Eine solche Entscheidung bedeutet natürlich keine Wendung gegen die Wissen-sc aft. Sie hat im Kern auch nur zur Folge, daß in Zweifelsfällen die Belange des Berufsfeldes, soweit sie erkennbar sind, den Ausschlag geben. Dadurch wird das Studium nicht bloße „Hinführung zum Beruf", „Ausbildung" in einem engeren Sinne; es löst sich aber auch nicht völlig aus den verschiedenen Bezügen zum Berufsfeld, nimmt vielmehr dessen Bedingungen in die eigene, selbstverständlich immer auch kritische Reflexion auf.
Als wir in einem späteren Stadium der Curriculum-Entwicklung dazu übergingen, neben der Berufssituation auch die künftige Situation des Offiziers und die gegenwärtige Situation des Studenten gesondert zu berücksichtigen, bedeutete das wieder eine Entscheidung für einen Weg und zugleich den Verzicht auf andere denkbare Konzeptionen. Diesmal lag die Entscheidung allerdings schon aus praktischen Gründen nahe. Wie ausgeführt, war in den ersten Anläufen eine Verzahnung der einzelfachlichen mit den erziehungsund gesellschaftswissenschaftlichen Bestandteilen des Studiums nicht gelungen. Nicht zuletzt versperrte dabei der Umstand den Weg, daß die fachlichen Bestandteile allein aus einer Analyse des jeweiligen Berufsfeldes im engeren Sinne abgeleitet waren und sind. Vom Berufsfeld z. B.des Bauingenieurs gibt es aber keine direkte Beziehung zu den besonderen Anforderungen des Offiziersberufes und schon gar keine thematische Brücke zu der Notwendigkeit, in das Studium selbst pädagogische Elemente und Hilfen einzubauen.
Um aus dieser Schwierigkeit herauszukommen, behandelten wir analog zur Berufssituation die Offizierssituation und die Studien-situation zunächst einmal gesondert und entwickelten gewissermaßen zwei weitere (Teil-) Curricula. Ein solches Verfahren entbindet vpn dem krampfhaften Bemühen, alles und jedes von vornherein zu „integrieren". Sozial-und naturwissenschaftliche Themen können und müssen so lange für sich und auf die ihnen gemäße Weise behandelt werden, bis sich ein sinnvoller Bezug ergibt. Oft wird das eben nicht der Fall sein. Auf der anderen Seite muß man auch den damit verbundenen Nachteil sehen: Ein Studium, für das drei Curricula-Ansätze nebeneinander vorgelegt werden, ist nicht wirklich auf einen gemeinsamen Nenner gebracht. Unser Verfahren bedeutet aber keinen Verzicht auf eine Integration der verschiedenen Bestandteile des Studiums.Zum Beginn werden die drei Situationen so weit wie möglich analysiert, später werden daraus Lernziele und Lerninhalte ab-7 geleitet und schließlich werden die Lerninhalte zu Lehreinheiten zusammengefaßt. In dieser Phase der Organisation des Studiums soll es — nach unserer Auffassung — zur Integration der verschiedenen Teile des Studiums kommen, erst dann also, wenn geklärt ist, wo es Berührungspunkte, Überschneidungen, Verstärkungseffekte usw. gibt und wo nicht.
Das im Institut erarbeitete Schema eines Curriculum beruht auf dem Nebeneinander von drei Situationen, -deren Analyse jeweils Ausgangspunkt für die Entwicklung von Lernzielen und Lehreinheiten ist. Es zeigt auch, wie im konkreten Fall die Integration aussehen kann; bei einem ingenieurwissenschaftlichen Studiengang werden in aller Regel die Verflechtungen geringer, wird also das Nebeneinander der Bestandteile ausgeprägter sein. Derart variieren zu können, mag als Vorzug des gewählten Verfahrens gelten. Es sollte auch dazu beitragen, daß künftig der ebenso beliebte wie beliebige Vorwurf entfällt, mit Hilfe der erziehungsund gesellschaftswissenschaftlichen Elemente des Studiums sei bloße Indoktrination beabsichtigt. Das Curriculum, so wie es hier vorbereitet ist, bietet in erster Linie eine Planungsunterlage; keinesfalls legt es den Hochschullehrer auf eine „Lehrmeinung" fest. Die Transparenz der Studienplanung fördert vielmehr die Kommunikation und die notwendige Kooperation der Hochschullehrer, ermöglicht aber auch eine bessere Überprüfung des Lehrerfolges als bisher. Manche Widerstände von Hochschullehrern gegen eine Studienplanung im angestrebten Sinne lassen sich sicher auch auf die bislang weitgehend unbekannte Erfahrung zurückführen, daß nicht nur die Leistung von Studenten, sondern auch die eigenen überprüfbar werden.
Das Einbeziehen einer „Offizierssituation" muß später noch ausführlicher begründet werden. Hier sei nur gesagt, daß wir trotz der weiten Ausdifferenzierung der Tätigkeiten von Offizieren von gewissen Grundgemeinsamkeiten dessen ausgehen, was die Studenten der Hochschule der Bundeswehr nach ihrem Studium praktisch tun. Vieles davon reicht z. B. weit ins Pädagogische hinein: die meisten Offiziere sind im Anschluß an ihre Ausbildung zunächst einmal Einheitsführer und damit selbst Ausbilder. Trotz dieses Gewichtes der pädagogischen Inhalte in dem Teil-Curriculum, das sich auf den Offizier bezieht, haben wir aber auch für die Studiensi.
tuation einen eigenen Ansatz gewählt. Das etmöglicht es, diese Situation selbst erst einmal zu analysieren und z. B. die besonderen Schwierigkeiten gerade des Studienanfängers aufzuspüren, um ihnen von vornherein begegnen zu können. Das kann nicht auf Anhieb gelingen; der ständigen Curriculum-Revision fallen gerade hier wichtige Aufgaben zu. Die , Entscheidung für die „Studiensituation" als eines von drei zu berücksichtigenden Tätigkeitsfeldern führt zwangsläufig thematisch zu Prioritäten. Unter dem Aspekt der Studiensituation sollte z. B. vom Lernen und von Ler.
Schwierigkeiten sehr früh die Rede sein; für den künftigen Ausbilder könnte dieses Thema auch später behandelt werden. In den inzwischen vorliegenden neuen Curricula ist vom Lernen schon im ersten Trimester die Rede.
Studienplanung als offener Prozeß Den Kollegien und Studenten der beiden Hochschulen der Bundeswehr lagen — das wird aus all dem ersichtlich — zu Beginn ihrer Lehr-und Lerntätigkeit keine ausgereiften Pläne vor. Es gab eine Planung für den Ablauf der ersten Trimester und es gab für jeden Fachbereich ein Rahmen-Curriculum; schon die zentrale Besonderheit der erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlichen Bestandteile des Studiums war über ein sehr allgemeines Papier vom Herbst 1972 hinaus nur für zwei Fachbereiche näher präzisiert Nur in diesen Fällen ist ein konkreter Vorschlag für die Integration der verschiedenen Studienteile mittels der Organisation des Studiums vorgelegt worden und kann nun von den Fachbereichsräten weiterentwickelt werden. Daß man so offen verfährt, hat in der Diskussion immer wieder Verwunderung ausgelöst. Dennoch versteht es sich von selbst. Ein modernes Studium läßt sich nicht erzwingen. Kollegen, die es schon für eine „Indoktrination" halten, wenn man das von ihnen angebotene Fachstudium z. B. durch pädagogische Bestandteile anreichern will, muß man „gewinnen"; man kann ihnen nichts befehlen. Curriculum-Planung muß also immer wieder zu plausiblen Ergebnissen führen und möglichst alle beteiligen. Dieser Beteiligung stehen spezifische Schwierigkeiten im Wege. Zu ihnen gehört der unterschiedliche Stand der Vorbildung, gehören auch die Geheimnisse und Geheimsprachen einer sich dieser Beteili gung bisher kaum erschließenden Curriculum-Theorie. Liegt eine schematische Darstellung des Studienplanes erst einmal in genügender Anzahl vor, erschwert schon das Revision und Änderung. Mehr noch gilt das für ausformulierte Texte und die ihnen beigefügten Begründungen. Anders als der frühere Lehrplan „lebt" das moderne Curriculum, ohne daß es dafür schon zureichende Formen gäbe. Gerade diese Schwierigkeit hat sich auch in Hamburg und München gezeigt. Sie zu einem Teil zu überwinden, soll Aufgabe der vorliegenden Veröffentlichung sein, innerhalb derer es die Aufgabe der Einführung war, den Stand von Überlegungen darzustel-len, nicht etwa ein künftig verbindliches Verfahren oder gar ein jetzt schon verbindliches Ergebnis.
A. zur Curriculum-entwicklung
I. Begriff und Ansatz
1. Zum Begriff Curriculum Die Entwicklung eines Curriculum kann man als den Versuch bezeichnen, den Lernprozeß für alle daran Beteiligten mit Hilfe wissenschaftlicher Analyse seiner Bedingungen auf möglichst klar bestimmte Ziele hin zu organisieren, zu kontrollieren und zu revidieren.
Ein Curriculum unterscheidet sich vom traditionellen Lehrplan vor allem dadurch, daß die Vielzahl der Bedingungen und Faktoren des Lernens berücksichtigt wird und die Entwicklung wie die Verbesserung des Curriculum in enger Zusammenarbeit aller Beteiligten erfolgt. Ein Curriculum dient verschiedenen Zwecken. In der Hauptsache stellt es den Versuch dar: — die zunehmende Komplexität der Verhältnisse, d. h. die Vielfalt der gesellschaftlichen Anforderungen an das Bildungssystem und dessen organisatorische Differenzierung zu bewältigen; — die zunehmende Beschleunigung der Veränderungsprozesse in vielen Teilbereichen des Lebens wenigstens durch eine sorgfältige Analyse der bestimmenden Trends im Lernprozeß zu berücksichtigen; die ständig wachsende Zahl der heute schon kaum noch überschaubaren Erkenntnisse und damit die Fülle des Fachwissens durch eine begründete, jedenfalls aber im Curricu-
um selbst vorgestellte Auswahl zu bewältigen, — zusammen mit den fachlichen Kenntnissen und Fähigkeiten die davon nicht zu trennenden gesellschaftlichen und politischen Aspekte des jeweiligen Faches herauszuarbeiten und in den Lernprozeß einzubringen;
— den Lernprozeß insgesamt rationaler und durchsichtiger zu gestalten und dadurch wissenschaftlich angeleitete Kontrolle ebenso wie Beteiligung zu ermöglichen.
Den damit mehrfach angesprochenen Lernprozeß bestimmen in erster Linie folgende Fragen:
— Welche Aufgaben wird der Student nach dem Studium zu bewältigen haben?
— Welche Kenntnisse, Einstellungen und Verhaltensweisen soll sich der Lernende aneignen? — Anhand welcher Inhalte sollen diese Kenntnisse und Verhaltensweisen erworben werden?
— Wann, in welcher Reihenfolge und mit welchen Verfahren und Hilfsmitteln sollen die Kenntnisse und Verhaltensweisen vermittelt werden?
— Wie läßt sich der Lehrund Lernerfolg kontrollieren?
— In welchem organisatorischen Rahmen soll Lehren und Lernen erfolgen?
Vereinfacht geht es damit um die Ziele, um das Wissen, um die Lehrverfahren, um die kontrollierende Rückkopplung des Lernprozesses und um dessen organisatorische Voraussetzungen. Das erklärt, warum an der Curriculum-Ent-B Wicklung neben den Betroffenen selbst noch andere Gruppen beteiligt sind: Eine besondere Bedeutung gewinnt die forschende Wissenschaft bei den vorbereitenden Analysen sowie bei der Kontrolle und Weiterentwicklung der Curricula. Weiter gibt es neben der Zuständigkeit staatlicher Stellen, die das Curriculum wie bisher den Lehrplan wenigstens in Ansätzen zu genehmigen haben, den Einfluß interessierter Gruppen in der Gesellschaft. Solche Einflüsse der Gewerkschaften, Industrieverbände, Kirchen oder Parteien wirken sich nicht bloß auf die politische Willensbildungsprozesse — z. B.: Genehmigungsverfahren — aus; sie bestimmen schon die Analyse der Bedingungen des Lernprozesses. In dieser Analyse erfolgt eine Bestandsaufnahme der verschiedenen Interessen und im Zweifel eine Entscheidung, ob Interessen bevorzugt und andere vernachlässigt werden sollen.
Die damit angesprochene Analyse der Bedingungen betrifft zunächst die Ziele, zu denen der Lernprozeß führen soll. Daran wird deutlich, daß heute jeder bewußte pädagogische Vorgang mit Veränderung zu tun hat, sich also auf eine durch die Ziele näher bezeichnete Zukunft bezieht. Diese Ziele hängen deshalb nicht nur mit der gesellschaftlichen Situation, mit der Berufsstruktur, mit dem Stand der Wissenschaft, sondern auch mit Vorstellungen derer zusammen, welche auf die Gestaltung des Lernprozesses Einfluß nehmen können. Da das Curriculum nicht nur formal zwischen auf Verhalten, Kenntnisse oder Fähigkeiten gerichteten Zielen unterscheidet, sondern inhaltliche Entscheidungen über die Art des Verhaltens wie der Kenntnisse oder Fähigkeiten treffen muß, kann es zu Konflikten zwischen den beteiligten und interessierten Gruppen kommen. Sie können schon während der Curriculum-Entwicklung oder erst im Lernprozeß ausgetragen werden, aber auch unausgetragen bleiben. Die Analyse der Bedingungen des Lernprozesses befaßt sich mit solchen Zielkonflikten ebenso wie mit den Rollen jener Gruppen im Entwicklungsprozeß, der Organisation der Lehrveranstaltungen, den Lehrstätten, den Lehrverfahren oder der alledem zugeordneten Verwaltung. Damit so konkret analysiert werden kann, bedarf es allerdings eines allgemeinen Rahmens für die Analyse. Ihn bilden Untersuchungen -der gesellschaftlichen Verhältnisse, der jeweiligen Berufssituationen, auf die hin zunehmend ausgebildet wird, und der Lage der beteiligten Fachgebiete und Wissenschaften. Die Ziele des Lernprozesses lassen sich, wie ausgeführt, zum einen nach der Art der Qualifikation (Kenntnisse, Einstellungen, Verhaltensweisen) unterscheiden, zum anderen danach, ob sie sich auf ein spezielles Fachgebiet beziehen oder fachübergreifende Bedeutung besitzen. Ein fachübergreifendes, also ein allgemeines Lernziel ist z. B. Partizipation. Fach-spezifische und fachübergreifende Lernziele brauchen nicht unbedingt in engem Zusammenhang zu stehen, -die ersteren dürfen aber den letzteren nicht widersprechen; die letzteren stellen den einzuhaltenden Rahmen dar. Das ergibt eine Zuordnung, keine Rangfolge Bei den fachspezifischen Lernzielen kann es dagegen ihrem Gewicht nach eine über-oder Unterordnung, eben eine Bewertung oder Gewichtung geben.
Zur Organisation des Lernprozesses gehören die Antworten auf alle Fragen, die oben zur Erläuterung des Begriffes „Lernprozeß" gestellt wurden — nicht nur Probleme der Einteilung von Lehrpersonal und Lehrräumen. Die Kontrolle des Lernprozesses bezieht sich auf die empirische Überprüfung des Curriculumablaufes, vor allem auf die erzielten Ergebnisse, soweit sich diese mit Hilfe von Tests und Untersuchungsverfahren ermitteln lassen. Anhand solcher Untersuchungsergebnisse erfolgt die Curriculum-Revision (hier im Sinne von Weiterentwicklung); sie muß außerdem berücksichtigen, was sich im Bedingungsgefüge des Curriculum, was sich z. B. in der Wissenschaft oder im Berufsfeld verändert hat. 2. „Allgemeine Lernziele" und „Situationsanalysen"
als Ausgangspunkt Eine besondere Schwierigkeit in der Darstellung der konkreten Curriculum-Entwicklung besteht darin, daß sich die einzelnen Schritte des Entwicklungsprozesses stark vermitteln. Teilweise muß man sogar von einer Gleichzeitigkeit verschiedener Schritte ausgehen Zum Beispiel sind die „allgemeinen Lernziele" das Ergebnis einer Analyse der Gesellschaft wie einer bildungspolitischen Entscheidung Dabei folgert die bildungspolitische Entscheidung ebenso aus der Gesellschaftsanalyse wie diese nicht möglich ist ohne normative Vorentscheidungen über den wünschenswerten Zustand der Gesellschaft und über die anzustrebenden Merkmale sozialer Verhaltensweisen. Ausgangspunkt jeder näheren Bestimmung von Lernprozessen sind ausgesprochene oder unausgesprochene Zielvorstellungen. Diese Zielvorstellungen kann man je nach ihrer Reichweite auf den Lernprozeß, bezogen in allgemeine oder spezielle (fachspezifische) Lernziele, unterscheiden. Der besondere Charakter der „allgemeinen Lernziele" besteht in deren globaler Gültigkeit für soziales Verhalten. „Allgemeine Lernziele" sind also nicht auf bestimmte Situationen begrenzt, sondern bilden den Rahmen bzw. die Richtschnur für spezielles Verhalten. Aus der allgemeinen Gültigkeit folgt, daß sich für das jeweilige'Fach Forderungen verschiedener Art für eine Realisierung der „allgemeinen Lernziele" ableiten. Eine erste Forderung besteht darin, daß bei der Bestimmung derfachspezifischen Lernziele und Lerninhalte auch solche ausdrücklich zu berücksichtigen sind, die eine Partizipation in Gesellschaft und Politik ermöglichen. Für den Studiengang Maschinenbau folgert hieraus, daß er u. a. auch Elemente vermittelt, die sich auf den politischen Prozeß in der Bundesrepublik Deutschland beziehen. Eine zweite Forderung geht dahin, daß die fachspezifischen Lernziele den „allgemeinen Lernzielen" zumindest nicht widersprechen dürfen, sie möglichst aber realisieren sollen. Im Blick auf Partizipationsfähigkeit würde ein solcher Widerspruch vorliegen, wenn ein Curriculum die jeweilige Verteilung von Macht in der Gesellschaft als naturgegeben und unveränderbar darstellen wollte. Als ein Beispiel für eine Berücksichtigung der Norm „Partizipationsfähigkeit" ließe sich das Lernziel im Curriculum Wirtschaftsund Organisationswissenschaften anführen, das vom Absolventen des Studienganges die Kenntnis von Partizipationsmodellen für betriebliche Entscheidungsprozesse und die Fähigkeit zu ihrer Verwirklichung verlangt. Eine dritte Forderung bezieht sich auf die Studienorganisation, und zwar auf die Form der Lehrveranstaltungen. Partizipationsfähigkeit als Norm ist nur berücksichtigt, wenn Veranstaltungen auch Eigeninitiative und Selbständigkeit der Studenten fördern. Danach sind etwa Vorlesungen eher zu beschränken. Eine vierte Forderung betrifft die Organisationsstruktur, d. h. hier die Beteiligung der Studenten an den Entscheidungen und der Verwaltung der Hochschule.
Wie bereits erwähnt, gelangt man zu der Formulierung „allgemeiner Lernziele" in der Regel aufgrund von Entscheidungen in Zusammenhang mit einer Gesellschaftsanalyse. Entscheidungen solcher Art bestimmen auch die Bildungspolitik. Sie sind, soweit sie sich auf ein Menschenbild beziehen, soweit begründbar, daß sich dafür allgemeine Zustimmung finden läßt. Wer ein Curriculum entwickelt, wird sich deshalb um eine möglichst breite Zustimmung z. B. dadurch bemühen, daß er diejenigen Grundsätze eines der Demokratie zugeordneten Verständnisses vom Menschen betont, über die weitgehend Konsens besteht.
So bringen die Grundrechte im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ein Verständnis vom Menschen zum Ausdruck. Ebenso wie die Grundrechte bekommen „Allgemeine Lernziele“ ihren jeweiligen konkreten Inhalt aber erst über den direkten Bezug auf die gesellschaftliche und politische Realität. Zu den Charakteristika von Grundrechten wie „allgemeinen Lernzielen“ gehört es, daß sie in einer sich schnell wandelnden Welt stets neu zu verwirklichen sind und daß sie sich als Normen für in Zukunft zu Tuendes, nicht zuletzt auf vorhandene Unzulänglichkeiten, auf Mängel in den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen, beziehen. Die Analyse der Gesellschaft im Rahmen der Curriculum-Entwicklung muß deshalb vor allem solche Mängel ansprechen, also Defizitanalyse sein.
Die Curriculum-Entwicklung mit ihrem Anspruch auf Rationalität und Durchsichtigkeit des Vorgehens hat aber nicht nur aufzuzeigen, wie sie zu den „allgemeinen Lernzielen" gelangt und welche Bedeutung diese besitzen. Auch die Herkunft der fachspezifischen Lernziele und ihre Ableitung sind zu dokumentieren. Ausgangspunkt für die Gewinnung der fachspezifischen Lernziele bilden die als Situationsanalysen bezeichneten Untersuchungen der Tätigkeitsfelder und deren Rahmenbedingungen, auf die hin das praxisorientierte Studium ausbilden soll. Bei den Situationsanalysen kann man von denen, die sich auf den Rahmen für Studium und Beruf beziehen, jene unterscheiden, welche die speziellen Anforderungen des jeweiligen Berufes betreffen. Beide Arten der Analyse stehen in enger Beziehung zueinander. Die Unterscheidung ist jedoch sinnvoll, weil man die Analyse von Gesellschaft, Berufsstruktur und Wissenschaft für die Konzeption jedes Studiums benötigt. Die allgemeinere Analyse führt damit zur Formulierung allgemeiner Lernziele und bildet zugleich den Rahmen für eine Bestimmung der fachspezifischen Lernziele. Die Ableitung der fachspezifischen Lernziele erfolgt von den Tätigkeitsfeldern, in denen der Absolvent des jeweiligen Studienganges später arbeitet. Mit der Analyse der Tätigkeitsfelder werden die Situationen erfaßt, auf die hin auszubilden ist; zugleich erhält man über die einzelnen Tätigkeiten Kriterien, die es erlauben, diejenigen Qualifikationen (fachspezifische Lernziele) zu benennen, welche zur Ausübung der Tätigkeiten erforderlich sind, Von den Qualifikationen bzw. fachspezifischen Lernzielen lassen sich wiederum die Lerninhalte ableiten — und damit wird eine begründete Auswahl aus der Stoffmenge möglich —, die für eine Vermittlung der Lernziele notwendig und ausreichend sind.
Die Analyse der Tätigkeitsfelder, auf welche das Studium vorbereiten soll, betrifft erst einmal zwei Teilbereiche: die jeweilige Verwendungssituation als Bauingenieur, Pädagoge oder Informatiker und die Situation als Offizier und Einheitsführer. Von daher beurteilt, setzt sich das jeweilige Fach aus Elementen zusammen, die sich auf die auch zivil verwendbare Berufssituation wie auf die Offizierssituation beziehen. Alle Studiengänge enthalten also neben den Besonderheiten des Bauingenieurwesens, der Pädagogik oder der Informatik einheitliche Elemente, welche auf die Situation bzw. Funktion vor allem des Kompaniechefs vorbereiten.
Aus Überlegungen zu Fragen der Hochschuldidaktik ergibt sich, daß auch oder gerade ein curricular geplantes Studium im vorgeschriebenen Zeitraum ohne eine intensive Einführung in die Studienbelange und eine begleitende erziehungswissenschaftliche Betreuung nicht realisierbar ist. Hieraus leitet sich die Notwendigkeit ab, neben den beiden Tätigkeitsbereichen das Studium selbst als drittes Studienobjekt in die Konzeption der Studiengänge mit einzubeziehen. Analog zur Verwendungssituation und zur Offizierssituation wird auch die Studiensituation analysiert und über die ermittelten Tätigkeiten in Lernziele und Lerninhalte umgesetzt.
Jedes Studienfach besteht also aus den für alle einheitlichen Elementen der Offiziers-und der Studiensituation und den Besonderheiten der Verwendungssituation als Informatiker, Pädagoge oder Elektroingenieur. Alle fachspezifischen Lernziele besitzen die gleiche Wertigkeit, unabhängig davon, auf welche Situation oder auf welches Tätigkeitsfeld sie sich beziehen. Rein quantitativ betrachtet beanspruchen die Elemente, die sich aus der spezifischen Verwendungssituation als Bauingenieur etc. herleiten, aber den weitaus größeren Teil der Studienzeit. Von integrierten Studiengärigen kann man sprechen, weil die aus allen drei Situationen stammenden Lernziele und Lerninhalte über die Lehreinheiten nach wissenschaftssystematischen und methodischen Gesichtspunkten zusammengefaßt werden.
II. Allgemeine Grundlagen
1. Zur Analyse von Gesellschaft, Wissenschaft und Berufsstruktur a) Zur Gesellschaftsstruktur Die Analyse der Gesellschaft als Voraussetzung für die Bestimmung .der „allgemeinen Lernziele" und die Beschreibung der Tätigkeitsfelder nimmt in der Curriculum-Entwicklung einen zentralen Platz ein. In den bislang veröffentlichten Arbeiten wird auf diese besondere Bedeutung meist hingewie-seh, eine Analyse jedoch nicht durchgeführt oder zumindest nicht vorgestellt. Zur Begründung heißt es dann, daß Curriculum-Entwicklung die Zusammenarbeit vieler Gruppen voraussetze und eine Abstimmung der unterschiedlichen Positionen und Interessen schwierig sei. Vor allem fehle auch eine „allgemein anerkannte" Gesellschaftstheorie, aus der sich sowohl verbindliche Werte ableiten als auch die wesentlichen Interessen und Prozesse ermitteln ließen.
Eine solche Argumentation beruht auf einem Mißverständnis: Eine konkrete Curriculum-Entwicklung kann nicht auf einer allgemein anerkannten Gesellschaftstheorie beruhen, weil es sie nicht gibt. Wohl aber haben alle Beteiligten darauf Anspruch, daß im Curriculum dargestellt wird, welche Auffassungen von der Gesellschaft in die Arbeit ausgesprochen oder unausgesprochen eingegangen sind und welchen Einfluß sie auf das jeweilige Vorgehen haben. Curriculumarbeit soll durchschaubar sein. Dies erfordert, daß man mit dem Vortrag jener Gesellschaftsauffassungen mindestens einen Rahmen absteckt, innerhalb dessen sich dann auch die anderen Situationsanalysen bewegen. Aus der bereits erläuterten Doppelfunktion der Gesellschaftsanalyse folgert dabei, daß sie in Gegenwart und Zukunft zu bewältigende Probleme anspricht und sich damit entscheidend auch den Defiziten zuwendet. Daß im folgenden der Schwerpunkt bei den Mängeln liegt, ist also funktional begründet und darf nicht als grundsätzliche Ablehnung alles Bestehenden mißverstanden werden.
Sowenig der Hinweis auf die unterschiedlichen Interessen der an der Curriculum-Entwicklung Beteiligten ein Argument sein kann für den Verzicht auf eine Gesellschaftsanalyse und ihre, wenn auch nur ansatzweise Präsentation, sosehr müssen sich andererseits ungleiche gesellschaftspolitische Positionen auf die Art der Darstellung einer solchen Analyse auswirken. Auch im vorliegenden Fall überwiegen deshalb die weniger umstrittenen deskriptiven die analytischen Passagen. Allerdings sollten die anzusprechenden Widersprüche in der gesellschaftlichen und politischen Realität weniger als Ausdruck einer bestimmten Sichtweise und mehr als immanente — weithin von Menschen hervorgerufene und deshalb nicht so sehr zu beklagende als vielmehr zu behebende — Widersprüche der gesellschaftlichen Entwicklung selbst betrachtet werden.
Die Entwicklung zur modernen Industriegesellschaft ist mit dem Begriff der Krise eng verbunden. Ursprünglich meinte Krise die »totale“ Umwandlung des Gesellschaftssystems im Gefolge der industriellen und der Französischen Revolution und die damit einhergehende, bislang unbekannte Dynamik wirtschaftlichen und sozialen Wandels. Auch heute noch bezieht sich der Begriff Krise meist auf Erscheinungen wirtschaftlicher Art, die im wesentlichen zu Beginn des 19. Jahrhunderts strukturiert wurden. Mit den Anfängen des Industriesystems, das gegenüber Agrargesellschaft und Feudalsystem entwicklungsgeschichtlich eindeutig einen Fortschritt darstellt, verbinden sich Merkmale wie starkes Bevölkerungswachstum, Agrarrevolution, technische Revolution, Arbeitsteilung, Landflucht und Begriffe wie Eigentumsgarantie, Gewerbefreiheit, Vertragsfreiheit, Konkurrenz, Markt, Tauschprinzip, Gewinnstreben, Ausgleich der Interessen.
Einige dieser Bedingungen für die Entwick-
ung des Industriesystems tragen von der Genese an Widersprüche in sich, welche die bisherige Geschichte der industriellen Gesellschaft wesentlich mit geprägt haben. So wurde zum Beispiel der materielle Reichtum der Industrienationen durch eine Reihe bedeutsamer „sozialer Kosten" wie Umweltschäden etc. einerseits und eine Verarmung der heutigen Entwicklungsländer andererseits erkauft. Der Zwang zum Wirtschaftswachstum führte zu einer wenigstens teilweisen Verselbständigung des Wirtschaftsprozesses von den tatsächlichen Bedürfnissen der Bevölkerung. Der über die Konkurrenz vieler Anbieter und Nachfrager auf einem eben polypolen Markt angenommene Ausgleich der unterschiedlichsten Interessen im Sinne eines allgemeinen Wohls fand nur zeitweise und nur auf wenigen Teilmärkten statt; Konzentrationsprozesse bis hin zu Monopolen haben das vermeintliche Gleichgewicht eindeutig zuungunsten im wesentlichen der Nachfrager verschoben. Die errungenen Gleichheits-und Freiheitsrechte haben nur im politischen, nicht aber im wirtschaftlichen Bereich gleiche Bedingungen geschaffen; zwar konnte jeder auf dem Markt bieten und anbieten, die meisten Menschen hatten aber nur ihre Arbeitskraft zu verkaufen und mußten dies auch tun, um leben zu können, während andere aufgrund von Kapitalbesitz Arbeitskraft anderer zu kaufen vermochten; der Begriff Klassengesellschaft bezieht sich auf die damit verbundene Ungleichheit und ihre Folgen. Zudem hat die Begrenzung des Menschen auf den Wert, den er auf dem Markt erzielt, das Normengefüge menschlichen Zusammenlebens wie die menschliche Existenz schlechthin nicht unberührt gelassen; der wirtschaftliche Prozeß, der zur Abschaffung materieller Not führen sollte, um dem Menschen Zeit für seine eigentlichen Interessen zu schaffen, hat diese Interessen in erheblichem Umfang verschüttet.
Damit sind einige jener gegensätzlichen Entwicklungstendenzen angesprochen, die sich immer wieder als Krisen der Gesellschaft in den unterschiedlichsten Formen zeigen und die auch derjenige feststellen muß, der keine umfassende, einseitige und direkte Abhängigkeit der Gesellschaft von den ökonomischen Strukturen annimmt. Die Widersprüche zeigen sich je nach historischer Entwicklung in recht unterschiedlicher Gestalt; wegen ihrer vielfältigen Vermitteltheit sind die konkreten Erscheinungen oft nur schwer zu erkennen; ihr grundlegender Charakter für die gesellschaftliche Entwicklung begründet ihre Bedeutung für eine auf Partizipation angelegte Reform der Gesellschaft. Vom einzelnen mit einem erst einmal beschreibenden Ansatz her betrachtet ist die heutige Gesellschaft durch eine immer stärkere Rollendifferenzierung und durch ein immer höheres Maß an Mobilität gekennzeichnet.
Bis um Beginn des 19. Jahrhunderts wat die solale Position des ifizelnn weitgehend be-reitS rillt seiner Geburt, also mit der Herkunft und der ersten Sozialen Umwelt festgelegt und ziemilich eindeutig uthtissen. Mit dem Beginn der industriellen Revolution kam es zu einet Trennung von Familie und Arbeit bzw. Produktion; Großfamilie und Nachbarschäft verlören damit ihre Bedeutung für die soziale Sicherung des einzelnen und weitgehend auch als wichtigste normen-und wertsetzende Instanzen. Die Kleinfamilie kann nur einen Teil der Funktionen der früheren Großfamilie wahrnehmen; andere Funktionen sind an gesellschaftliche Gruppen oder an staatliche Institutionen abgegeben. Stark vereinfacht beschreibt der Begriff der Rollendifferenzierung den sozialen Tatbestand, daß der einzelne in einer Vielzahl von sozialen Handlungsfeldern steht — als Familienmitglied, in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, in Vereinen, als Utlauber am Urlaubsort usw. —, die sich gegenseitig nur wenig bedingen, stets aber ausgeprägte Anforderungen an den einzelnen stellen. In allen diesen Rollen wird der einzelne aber nur temporär beansprucht. Das gilt vor allem für den Beruf, der auch den Lebensrhythmus, im Vergleich jedenfalls zum 19. Jahrhundert, immer weniger bestimmt.
Uber die Rollendifferenzierung wird berufliche und gesellschaftliche Mobilität möglich. Je weniger der einzelne von einem einzigen Bezugssystem aus definiert ist, desto eher kommt es zum Wechsel des Wohnortes, des Arbeitsplatzes, des ganzen Berufsfeldes oder auch der konkreten sozialen Kontakte. Das hat positive Wirkung, weil der einzelne damit größere soziale Chancen erwirbt und seinen sozialen Rang durch freie Berufswahl, durch Berufswechsel, durch eine besondere Ausbildung oder Fortbildung verbessern kann. Ins Negative gewendet, läßt sich annehmen, daß in früheren Zeiten, die solche Chancen nicht boten, auch der mit ihnen verbundene Leistungsdruck fehlte.
Rollendifferenzierungen und Mobilität in der modernen Gesellschaft kommen am stärksten in den gegenwärtigen Organisationslormen der Arbeit zum Ausdruck und sind, historisch betrachtet, auch Folgen der durch die industrielle Revolution veränderten Produktionsweise. In ihrem Gefolge kam es zu einer immer differenzierteren Arbeitsteilung und zu einer entsprechenden Spezialisierung menschlicher Tätigkeit in eine Unzahl von Berufsrollen mit zahllosen, in der Regel aber eng begrenzten Verwendungsmöglichkeiten. Sofern ein historischer Vergleich möglich ist, lassen sich zwei drastische Veränderungen herausarbeiten: Die eine führt zu der Trennung von Wohnung und Arbeitsplatz und damit zur Trennung von Arbeits-und Freizeit, zu einer spezifischen Organisation des persönlichen Lebensrhythmus. Die andere führt zu Arbeitsteilung und Spezialisierung, mithin dazu, daß der einzelne nicht mehr am gesamten Produktionsprozeß beteiligt ist, sondern sich nur noch in diesen eingebunden findet, wobei oh seine Arbeit durch Maschinen oder Automaten ersetzt oder in ihrem Ablauf bestimmt werden kann. Das muß zu einer anderen Arbeits-Ethik führen, als es sie früher gegeben hat, weil für viele der vorkommenden Arbeiten Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit, reibungsloses Einpassen in das jeweilige Ar-beitssystem wichtiger geworden sind als manche individuellen und schöpferischen Tugenden.
Neben und mit der ständigen Zunahme von abhängigen Positionen und dem Verlust von relativer Selbständigkeit kommt es zu Ehl- iremdungsprozessen, die sich auf das Produkt der Arbeit wie auf den Produktionszusammenhang allgemein beziehen. Weder verfügt der Arbeiter über das von ihm hergestellte Produkt noch überblickt und durchschaut er den Herstellungsvorgang. Diese Entfremdung verstärkt sich vielfach durch die mit der Arbeitsteilung verbundene Ausprägung der innerbetrieblichen Hierarchie. Die meisten Milarbeiter sehen sich auf Teilaspekte beschränkt, die man ihnen zuweist. Der uns mögliche historische Vergleich läßt die Befürchtung zu, daß es für die Masse der unselbständigen Arbeitnehmer schwer, wenn nicht sogar unzumutbar geworden ist, sich mit Arbeit und Beruf zu identifizieren.
Die moderne Gesellschaft stellt nach verbreiteter Anschauung als Ersatz dafür den Konsum zur Verfügung. Man charakterisiert sie als Überflußgesellschaft und will damit zum Ausdruck bringen, daß der einzelne über sehr viel mehr Güter verfügen kann als früher, daß freilich diese Verfügungsgewalt auch einen anderen Charakter erhalten hat. Das größere Güterangebot ist Folge der durch die industrielle Revolution veränderten Produktionsweise. Sie erlaubt bzw. erfordert zum elB nen die Serien-und Massenproduktion und zum anderen in unendlich viel größerem Umfang als früher die Machbarkeit der Sachen.
Das größere Güterangebot verliert allerdings im Vergleich zu früher dadurch an Wert, daß die meisten Gebrauchsgüter von vornherein nur auf kurze Lebensdauer angelegt sind. Im Konsum auch der sogenannten längerlebigen Wirtschaftsgüter, wie Möbel oder Autos, wird ein rascher Verbrauch erwartet, weil die Wirtschaft auf Wachstum hin angelegt ist und die Wirtschaftsverfassung bislang eine Abschwächung der Wachstumsraten nur schwer auszugleichen vermag — in Zusammenhang mit der zunehmenden Rohstoffverknappung stellt sich dies gegenwärtig als eines der größten Probleme jeder Wirtschaftsverfassung dar. Mit dem im Vergleich zu früher sehr viel größeren Konsumangebot verbindet sich vielfach ein erheblicher Konsum-zwang. Da Arbeit und Beruf das Leben nicht mehr so wie früher ausfüllen, erlangt umgekehrt der Konsum eine wesentliche Bedeutung dafür, wie der einzelne sich selbst versteht und seinen Platz in der Gesellschaft bestimmt. Den Verlust an Selbständigkeit am Arbeitsplatz kompensiert damit eine allerdings widersprüchliche Freiheit in der Konsumsphäre. Zwar ermöglicht die Loslösung von den traditionellen Verhaltensregeln kleiner sozialer Gebilde wie der Großfamilie eine individuelle Lebensführung. Der so entstandene Spielraum für das Verhalten des einzelnen wird aber stark durch die Notwendigkeit beansprucht, die durch die Massenproduktion erstellte Warenfülle zu verbrauchen. Der Zwang des Wirtschaftssystems zum Wachstum fordert auf der individuellen Seite ein entsprechendes Maß an Konsum. Die auf diese Weise bereits eingeschränkte Freiheit trägt noch zusätzliche widersprüchliche Merkmale. Der Kurzlebigkeit der Güterwelt entspricht es, daß sich die darauf bezogenen Teile des Normensystems schnell wandeln, was sich auch auf die anderen Teile dieses Systems auswirkt und dem einzelnen Orientierung und Bindung erschwert. Anstelle der kleinen sozialen Bezugsgruppen und der traditionellen Vermittlung von Normen treten vielfach die Massenmedien als Orientierungsinstanzen.
Die fehlende Übersicht in der Arbeitswelt wird also nicht durch größere Einsicht im Konsum-und Freizeitbereich aufgehoben. Es steigen im Gegenteil die Unsicherheiten gegenüber den gesamten Lebensbedingungen. Hierzu haben die Massenmedien paradoxerweise auch dadurch beigetragen, daß sie die Bevölkerung mit einer bislang nie gekannten Fülle von Informationen versorgen. Die Möglichkeit einer weitaus intensiveren Teilnahme auch an überregionalen Vorgängen und Ereignissen wird aber wegen der nur unzureichenden Fähigkeit, die Informationen auch zu verarbeiten, nicht befriedigend genutzt. Zudem sind die Massenmedien keine quasi neutralen Institutionen, sondern selbst eingebunden in die politischen und wirtschaftlichen Bezüge der Gesellschaft.
Global betrachtet, stehen schließlich auf der Kostenseite der Überflußgesellschaft auch alle Folgelasten, welche die industrielle Entwicklung für die Allgemeinheit mit sich gebracht hat. Im Zusammenhang mit der Gefährdung und dem notwendigen Schutz der Umwelt wird dieses Problem in.den letzten Jahren auch in der Öffentlichkeit stark diskutiert. Dabei wächst die Übereinstimmung in der Ansicht, daß das Nebeneinander von gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung wirtschaftlichen Reichtums bei gleichzeitiger relativer öffentlicher Armut durch eine stärkere Betonung der öffentlichen Belange aufgebrochen werden muß.
Dieses Nebeneinander geht zu einem Teil auf die besonderen Formen der Trennung von Staat und Gesellschaft zurück, die sich im 19. Jahrhundert im Rahmen der jeweiligen nationalen politischen Kultur durchgesetzt hat und in Deutschland auf Sonderformen des wohlfahrtstaatlichen Absolutismus im 18. Jahrhundert beruht. Allgemein bedeutet jene Trennung den Versuch, zwischen einer begrenzten öffentlichen und einer prinzipiell privaten Sphäre zu unterscheiden. Da bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts konkrete Macht in der Regel politische Macht war, bemühte man sich weiter darum, die politische Macht durch entsprechende Verfassungsformen zu bändigen und ihr den Eingriff in die private Sphäre zu verbieten. Dem Schutz der letzteren dienten die Grundrechte, die zunächst Abwehr-rechte gegen mögliche Staatseingriffe waren. Nach dem Beginn der industriellen Revolution ergaben sich daraus sehr vielschichtige Entwicklungen. Zu ihnen gehören die Macht-ballung im privaten Bereich aufgrund ökonomischer Verfügungsgewalt, der Einfluß ökonomischer Macht auf die politische Führung und damit eine oft einseitige Orientierung der Politik an den Interessen mächtiger Gruppen, was alles die Funktion der Grundrechte ändern kann. Da sie nur gegen politische, nicht gegen ökonomische Macht schützen, d. h. keine „Drittwirkung" besitzen, helfen sie dem einzelnen im täglichen Leben oft nur wenig, während Inhaber ökonomischer Machtpositionen mit der Behauptung, die letzteren gehörten in den privaten Bereich, für sich einen stärkeren Grundrechtsschutz in Anspruch nehmen können. Der Versuch des Grundgesetzes, neben die Eigentumsgarantie die Sozialverpflichtung des Eigentums zu setzen, deutet an, wie man sich eine allmähliche Lösung dieses Problems vorstellen kann. Demokratie geht von der Gleichheit, von der rechtlichen und politischen Gleichheit aller aus. Der tatsächliche Einfluß wirtschaftlicher Machtgruppen widerspricht diesem Prinzip. Es kommt zu einem Widerspruch zwischen Verfassung und Verfassungswirklichkeit. Ihn aufzulösen, ist bisher nicht gelungen. Deshalb stellt sich für die modernen Industriestaaten allerorts das Problem, daß allgemeine Interessen, wie beispielsweise die Reinerhaltung der Luft, in der Gruppenauseinandersetzung keine mächtigen Fürsprecher finden, während partikularen Interessen durch eine entsprechende Verbands-organisation, durch Einfluß auf die Organe der öffentlichen Meinung und durch andere Machtinstrumente zum Durchbruch verhülfen wird.
Die Bevorzugung bzw. Benachteiligung von Gruppen ist nicht zufällig, sondern stellt ein Strukturproblem unserer eigenen wie auch anderer Gesellschaften dar. Ungleichheiten als ungleiche Lebenschancen werden zwar nicht mehr wie in vorindustriellen Gesellschaften weitgehend nur durch Geburt festgelegt; es ist aber von entscheidender Bedeutung, in welcher Umwelt, in welchem Milieu man aufwächst. Der als Sozialisation bezeichnete Prozeß der Erziehung, die Einführung in die engere und weitere soziale Umwelt, das Erlernen von Sprache und Verhaltensweisen geschieht trotz des zunehmenden Einflusses gesamtgesellschaftlicher „ Sozialisationsinstanzen", wie der Massenmedien, in verschiedenen Bevölkerungsgruppen noch unterschiedlich. Diese Unterschiede spiegeln die ungleichen Positionen in der Gesellschaft wider — oder anders ausgedrückt: über Sozialisation erhalten Ungleichheiten in der Gesellschaft Bestand. Auch das staatliche Bildungssystem hat lange Jahre die Ungleichheiten eher verstärkt als ausgeglichen. Erziehung war primär auf sprachliche Fähigkeiten angelegt und bevorzugte damit die Kinder aus gehobenen Schichten, während andere wenig Chancen hatten, auch nur die ersten Hürden der Auswahl zu nehmen. Die ungleichen Bildungsvoraussetzungen stellen ungleiche Lebenschan. cen dar. Es kann als gesichert gelten, daß Bildung ein, wenn nicht der entscheidende Einflußfaktor für die Möglichkeiten ist, das berufliche wie das sonstige Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Dies gilt in besonderem Umfang auch für die „politischen Verhaltensweisen". Personen mit guten Bildungsvoraussetzungen vertreten ihre Interessen überdurchschnittlich häufig und inten, siv.
Das Grundgesetz erklärt die Bundesrepublik zu einem Rechts-und Sozialstaat. Es bringt damit zum Ausdruck, daß die grundlegenden Prinzipien der Gleichheit vor dem Recht, des Anspruchs auf soziale Sicherung, des Anspruchs auf persönliche Entfaltung und Selbstverwirklichung und damit des Anspruchs auf Freiheit für alle und für alle in gleicher Weise gelten. Soweit ihnen die gesellschaftliche Wirklichkeit nicht entspricht, bedarf diese der Veränderung. Politik soll in diesem Sinne die Verhältnisse verbessern. Die an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert entstandenen bürgerlichen Freiheits-und Abwehrrechte erhalten damit unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen einen veränderten Stellenwert. Die ihnen zugrunde liegende Idee gilt aber nach wie vor als die gemeinsame Richtlinie der Politik. Dem kann, zumindest öffentlich, niemand widersprechen. Dennoch bedeutet ein solcher Konsens noch keinen Konsens im Konkreten; der Weg der politischen Konkretisierung des Rechts-und Sozielstaates bleibt umstritten; die jeweilige politische Mehrheit besitzt zwar einen Spielraum in der Wahl eines sozialstaatlichen Programms, seiner Realisierung stehen dann allerdings erhebliche Widerstände entgegen.
Auch hierin zeigt sich eine widersprüchliche Entwicklung: Einerseits erweist sich der Staat oft als relativ ohnmächtig gegenüber partikularen Interessen, andererseits gewinnt er immer zentralere Bedeutung als globale Steuerungsinstanz für eine überraschungsfreie Entwicklung der Gesellschaft und der Wirtschaft. Für den einzelnen sind solche Widersprüche allerdings kaum durchschaubar, zumal er den Staat meist als eher ohnmächtig gegenüber wirtschaftlichen Krisen erlebt, immer jedoch gegenüber dem Bürger omnipotent als öffentliche Bürokratie.
Das hier angedeutete, prekäre Verhältnis von Parlament, Regierung, Verwaltung — sprich Staat — zur Gesellschaft wurzelt tief und ist auch in der Bundeswehr vorhanden. An die Stelle der überlieferten Vorstellungen vom Staat mit hohen, politisch-moralischen Verpflichtungen und Sinngehalten ist das Erlebnis bloß faktischer Machtfülle und zumeist ökonomischer Funktionalität getreten. Der Widerstreit von guter Tradition und moderner Sinn-entleerung im zeitgenössischen Staatsgedanken läßt die Identifikation jedes Bürgers mit dem Staat zum Problem werden.
Man hat von der Gegenwart als von dem Zeitalter der „verwalteten Welt" gesprochen und wollte damit zum Ausdruck bringen, daß allenthalben die Regelungs-und Steuerungsvorgänge (der Arbeitsteilung im Betrieb, des öffentlichen Verkehrs, im Krankenhauswesen usw.) an Gewicht gewinnen und die Inhalte, um die es geht, an Gewicht verlieren. In einem modernen Produktionsbetrieb ist heute der kleinere Teil der Mitarbeiter in der unmittelbaren Produktion tätig, während der größere Teil verwaltende Tätigkeiten im weiteren Sinne ausübt. Diese Bürokratisierung ist Folge und Ausdruck der Komplexität der Lebensverhältnisse und macht damit die Abhängigkeit jedes einzelnen von einer Unzahl oft kaum wahrnehmbarer öffentlich oder privat organisierter Funktionen deutlich.
In der verwalteten Welt verliert generell das spontane menschliche Handeln seinen Platz. Straßenverkehr ohne feste Regeln, also ohne Organisation, ist ebenso wenig denkbar wie eine Energieversorgung, eine Müllabfuhr oder ein Transportangebot ohne Organisation. Auch außerhalb des arbeitsteilig organisierten Berufsfeldes bewegt sich der einzelne in einer Fülle von Organisationsabläufen, die jeweils von einer Bürokratie und für den einzelnen praktisch anonym gesteuert werden. Diese Steuerung trägt in sich die Tendenz zur Zentralisierung, weil nur so die Verzahnung der verschiedenen Steuerungssysteme einigermaßen zu gewährleisten ist. Hier ist der historische Vergleich wieder uneingeschränkt möglich: Die Wachstumsraten des Verwaltungspersonals lassen sich präzise ermitteln; daß in früheren Zeiten spontaner gehandelt werden und der Wille des einzelnen oder die Initiative sich unmittelbar durchsetzen konnten, ist gewiß. Organisationsbedürftigkeit, Organisationsfähigkeit und damit Bürokratisierung als Organisationssteuerung gehören zu den wesentlichen Merkmalen der modernen Gesellschaft.
Ein letztes dieser Merkmale muß schließlich Doch angesprochen werden, das nämlich der zunehmenden Internationalisierung nahezu aller einzelstaatlichen Probleme. Die einzelstaatliche Souveränität, die sich erst im 19. Jahrhundert voll entwickelt hat, setzte keine völlige, aber doch eine bedingte Unabhängigkeit von den Nachbarstaaten oder der kontinentalen und Weltwirtschaft voraus. Die Souveränität zumindest der mittleren und größeren Staaten erlitt zunächst militärpolitische Einbußen, als die Entwicklung der Waffensysteme zu der herausragenden Rolle von einigen wenigen Großmächten und damit zu Schutzbedürftigkeit und Abhängigkeit aller anderen Staaten führte. Im weiteren Verlauf der Entwicklung prägten sich ähnliche Tendenzen auch im ökonomischen und sozialen Bereich aus. Die gegenwärtige Gesellschaft kann in der Folge davon kaum eines ihrer wesentlichen Probleme allein im nationalen Rahmen lösen. Die Wasserverschmutzung ist so international wie das Flußsystem, Probleme der Sozialpolitik stellen sich so international wie die der Konjunktur-und Währungspolitik. Für Verkehr und Arbeitsmarkt sind Grenzen im wesentlichen lästig. Zur Abhilfe oder auch nur in Anpassung an diese Entwicklung bemüht man sich um internationale Vereinbarungen, um bi-und multilaterale Organisationen oder um Teil-und Vollzusammenschlüsse von Staaten. Für unseren Zusammenhang ist die sogenannte internationale Interdependenz bedeutsam, die wechselseitige Abhängigkeit des Handelns im nationalen Raum von internationalen politischen und wirtschaftlichen Institutionen und Entwicklungen und der internationalen Politik von den sehr unterschiedlichen Prioritäten der einzelnen nationalen, politischen und wirtschaftlichen Führungsgruppen. b) Zur Entwicklung der Beruisstruktur Curricula wurden weitgehend auch deshalb erforderlich, weil sich die einzelnen Berufe, die Berufsgruppen, die Felder, auf denen verschiedene Berufe Zusammenarbeiten, kurz: weil sich auch die Berufsstruktur seit geraumer Zeit verändert und man sich deshalb bemühen muß, in der Auswahl der Kenntnisse und Inhalte dem gegenwärtigen und dem in näherer Zukunft zu erwartenden „Bild" vom jeweiligen Beruf zu entsprechen. Dabei gilt es, einige allgemeine, d. h. für alle Berufe mehr oder weniger gleiche Entwicklungstendenzen zu sehen und solche, die den jeweiligen Beruf kennzeichnen. Die traditionelle Berufsvorstellung birgt in Deutschland zwei Komponenten in sich: Zum einen handelt es sich um die grundsätzliche Bedeutung des Berufes, um die lebensentscheidende Wirkung der Berufswahl und damit um den klaren Zusammenhang zwischen Ausbildung und lebenslanger Tätigkeit. Zum anderen gibt es die Komponente des Berufs-ethos. Ihr zufolge bietet der Beruf mehr als nur eine Existenzgrundlage. In ihm erfüllt sich auch eine „Berufung"; was der einzelne tut, steht auch im Dienst der Gesellschaft.
Ein solcher Berufsbegriff bedarf bestimmter sozialer Voraussetzungen, die bis weit in das gegenwärtige Jahrhundert hinein auch bestanden haben. Ihm muß auch ein Ausbildungssystem zugeordnet sein, das den einzelnen Beruf beständig hält. Das gewährleistete in besonderem Maße die alte handwerkliche Ausbildung, in der der Meister seine Fertigkeit und Kunst im Tun auf den Lehrling übertrug. Solche Ausbildung ist nicht bloß praxisnah, sie ist selbst Praxis. Nur für wenige Berufe benötigte man demgegenüber eine Theorie, wie sie für die herausgehobenen Tätigkeiten der Pfarrer, Ärzte, Juristen oder Soldaten und ihrer starken — und absondernden — Professionalisierung bereitgehalten wurde.
Seit geraumer Zeit verändern sich wichtige Voraussetzungen der alten Berufsstruktur.
Gleichzeitig erweitert sich das Ausbildungssystem und distanziert sich damit von der Berufspraxis. Was diese Prozesse bedeuten und bewirken, läßt sich am Unterschied zu den früheren Berufsvorstellungen verdeutlichen: Erstens sind Berufe nicht mehr in gleicher Weise auf Dauer gestellt wie früher. Viele Menschen sind gezwungen, weil es für den alten Beruf keinen Bedarf mehr gibt, ihren Beruf zu wechseln; fast alle Berufstätigen müssen erleben, daß die einmal erworbene Ausbildung nicht mehr für eine lebenslange Berufsausübung ausreicht; die Grenzen zwischen traditionellen Berufen werden fließend, und man streitet über die jeweilige Zuständigkeit; neue Berufe entstehen und rechtfertigen sich nach außen durch tatsächliche Spezialisierung wie durch — nötige oder unnötige — Professionalisierung schon in der Ausbildung. Das führt zweitens zu gegensätzlichen Entwicklungen, weil auf der einen Seite die Spezialisierung immer mehr zunimmt, auf der anderen Seite gegenüber der früheren weiten Verzweigung der Zünfte oder Innungen eine starke Vereinheitlichung stattfindet. Sie kommt in der Bezeichnung von neuen Großgruppen zum Ausdruck (Arbeiter, Angestellte, Büropersonal oder Dienstleistungsper. sonal). Drittens verliert der Beruf — das wurde bereits ausgeführt — an Gewicht im Leben des einzelnen. Das alles spiegelt sich auch im Ausbildungssystem wider. Dieses folgt durch zunehmende Differenzierung den Spezialisierungen innerhalb der verschiedenen Berufsfelder; man verlangt ihm aber zugleich ab, daß es den einzelnen nicht zu sehr festlege, ihm vielmehr den vielleicht notwendigen Wechsel offenhalte und vor allem dazu beitrage, Lernfähigkeit zu entfalten. Eine lebenslange Beschäftigung in einem Berufsfeld setzt ebenso wie ein Berufswechsel Lernfähigkeit voraus. Dabei geht es um die eigene Anpassung an neue Erfordernisse genauso wie um die aktive Teilnahme an den Erneuerungen und Veränderungen im Berufsfeld. Wieder stehen wir vor einem Widerspruch. Je mehr sich das Ausbildungswesen spezialisiert, desto größer ist zunächst die Berufsfähigkeit des Ausgebildeten, desto geringer aber seine Chance, sein Arbeitsleben lang Befriedigung im gewählten Beruf zu finden. Umgekehrt: je mehr das Ausbildungssystem auf spätere Veränderungen abzielt, je mehr es nur Grundlagen vermittelt, die für verschiedene Entwicklungen taugen, desto weniger führt es zur unmittelbaren Berufsfähigkeit. Diese wird in immer größerem wiederum Maße durch Zertifikate vermittelt, was zum Ausdruck bringt, daß es an sicheren Kriterien (eines Betriebes, einer Behörde usw.) fehlt, um die Eignung eines Bewerbers zu ermitteln und zu bewerten.
Praktisch bemüht man sich unter solchen Umständen mit jeder Ausbildungsreform um einen mittleren Weg. Auf ihm soll der Auszubildende weder an den jeweiligen Beruf, so wie er jetzt sich vorfindet, ausgeliefert noch aber berufsfremd ausgebildet werden. Das letztere erfordert die Berücksichtigung des Berufsfeldes in der Ausbildung; das erstere führt zur Betonung des grundlegenden Wissens, der Methodenkenntnisse, der Entfaltung von Lernfähigkeit, der Fähigkeit zur Partizipation und auch zu einer gewissen Distanz zum Beruf, schon damit man der Veränderung gewahr wird, der sich jeder Beruf ausgesetzt findet.
Die angedeuteten Veränderungen der Berufs-struktur machen es unerläßlich — darauf kommt es an —:
— daß Ausbildung nicht selbst schon Spezialisierung bedeutet, sie aber sehr wohl ermöglicht; — daß Ausbildung auch während des Studiums angesichts der unüberschaubaren Fülle des faktischen Wissensstoffes die jeweiligen fachlichen Grundlagen und die Methoden und Verfahren in den Mittelpunkt stellt, zugleich auch darin übt, mit großen Stoffmengen, mit einem Überfluß an Informationen fertig zu werden;
— daß Ausbildung schließlich zu dem eigenen Fachgebiet führt, aber nicht darauf einseitig festlegt, weil jeder Fachmann heute mehr mit Fachleuten anderer Spezialisierung zusammenarbeitet als mit denen, welche die gleiche Fachsprache beherrschen. c) Zur Entwicklung der Wissenschaft Der Entwicklung eines Curriculums für ein Hochschulstudium muß eine Analyse der Wissenschaftssituation vorausgehen. Wir beschränken uns hier auf die Darstellung einiger Trends. Der erste: Wissenschaft unterliegt ganz allgemein einer Explosion des von ihr verarbeiteten Wissens. Dieser Trend der Wissensvermehrung, seit etwa 150 Jahren feststellbar, hält nicht nur an, sondern beschleunigt sich noch. Er hat verschiedene Folgen; eine von ihnen bildet für sich einen zweiten Trend: Die wissenschaftliche Arbeitsteilung, welche sich ebenfalls in den vergangenen 150 Jahren ausgebildet hat. Damit nimmt auch die Spezialisierung noch zu, obgleich wissenschaftsintern ihre Probleme längst erkannt sind; man versucht, ihnen durch interdisziplinäres Arbeiten, durch fachübergreifende Methoden, durch Offnen der einzelnen Fachgebiete usw. zu begegnen.
Während die Spezialisierung des einzelnen Wissenschaftlers als Folge der wissenschaftlichen Arbeitsteilung verstanden werden kann, läßt sich dies aber nicht allein auf die Explosion des zu verarbeitenden Wissens beziehen. Ein dritter Trend besteht in der Funktionali- sierung der Wissenschaft, die ebenfalls im 19. Jahrhundert begonnen hat und sich auch noch verstärkt. Schon vor dieser Funktionali-sierung diente Wissenschaft — zu verstehen als Inbegriff der Einheit von Forschung und Lehre — praktischen Aufgaben. Sie bildete aus und war wegen der von ihr geleisteten Ausbildung der Juristen, des fürstlichen Verwaltungspersonals, der Theologen und der Mediziner von politischem und gesellschaftlichem Interesse. Deshalb fehlte es auch nicht an Einflußnahmen auf die Lehrtätigkeit und auf die Forschung, soweit diese überhaupt von Bedeutung war. Das 19. Jahrhundert brachte hier aber eine deutliche Wende. Immer größere Teile der Forschung wurden in unmittelbarem Sinne nützlich und verwertbar. Forschende Wissenschaft übernahm mannigfaltige Funktionen in der Grundlagenforschung, in der angewandten Forschung, in der reinen Zweck-und Auftragsforschung, in der Beratung von Politik und Wirtschaft — kurz: im Zur-Verfügung-Stellen wissenschaftlicher Arbeitsergebnisse. Das konnte kein einseitiger Prozeß bleiben, in dem Wissenschaft nur gibt und lediglich die materiellen Voraussetzungen für ihre Tätigkeit nimmt. Die Forschung bedurfte vielmehr einer besonderen Ausstattung und damit der Organisation. Wissenschaft wurde funktionalisiert, also den Funktionen des politisch-sozialen Systems eingeordnet oder sogar eingepaßt. Das brachte eine Flle von Problemen mit sich.
Man kann als Reaktion darauf einen vierten Trend feststellen: Die Wissenschaft analysiert in wachsendem Maße auch die Bedingungen ihrer eigenen Möglichkeit und wendet sich als Ergebnis dieses Tuns nicht selten durch Politisierung gegen die Funktionalisierung. Da dies keine einheitliche Wendung ist, kommt es zu entsprechender Gruppenbildung innerhalb der Wissenschaften. Ein künftiger Trend besteht darin, daß Wissenschaft zunehmend ihre Einheit verliert, weil sich jenseits der notwendigen Unterschiede in den Methoden usw. kein Einvernehmen mehr darüber erzielen läßt, welchen Interessen Wissenschaft dienen soll und faktisch dient. Im Streit ist auch, ob und wie diese Interessen jeweils das Arbeitsergebnis beeinflussen.
Obgleich hier von wissenschaftlichen Trends die'Rede sein sollte, deuten doch die meisten von ihnen auch auf einen engen Zusammenhang zwischen Wissenschaft und allgemeiner Entwicklung. In dieser bedeutet Wissenschaft zunehmend Macht, ohne dafür politische Verantwortung zu tragen. Diese Macht ergibt sich aus der Verwissenschaftlichung der Gesellschaft. Sie läßt sich zunächst technisch verstehen, weil immer mehr Verfahren — beim Hausbau, in der Büroorganisation, in der Stahlproduktion usw. — unmittelbar oder mittelbar wissenschaftlich angeleitet oder jedenfalls Ergebnis vorausgegangener Forschung sind. Die Verwissenschaftlichung greift aber auch über den Bereich des technisch Machbaren hinaus, weil neben den Naturwissenschaften zumindest die Sozialwissenschaften kritisch die praktische Politik (den Städtebau, die Sozialgestaltung im enge-19 ren Sinne) überprüfen und daraus Erkenntnisse gewinnen, denen sich die Praxis nolens volens zuwenden muß. Der Funktionalisierung von Wissenschaft als Verlust von Unabhängigkeit und auch an Unbefangenheit entspricht mithin jener Gewinn an Macht und Einfluß, der immerhin soweit reicht, daß viele die Wissenschaft zur Kennzeichnung der Gegenwart benutzen (wissenschaftliches Zeitalter) und sich entsprechend die Frage stellen, welche Verantwortung die Wissenschaft eigentlich trägt und wie sich diese Verantwortung auch konkretisieren läßt — über den bloßen moralischen Appell hinaus.
Die Curriculum-Entwicklung muß davon mindestens dies aufnehmen:
— da kein Lernprozeß der Wissensexplosion folgen kann, muß man sich in ihm auf das Exemplarische beschränken; im übrigen erhalten jene Grundlagen Priorität, welche die allgemeine Lernfähigkeit fachlich untermauern; — im Lernprozeß muß sich die wissenschaftliche Arbeitsteilung widerspiegeln, ohne daß man sich ihr ausliefert oder zu früh spezialisiert; — zum Lernprozeß gehört zumindest soviel unmittelbare Begegnung mit Forschung, daß Verständnis für deren Verfahren und Möglichkeiten erwächst, um später Forschungsergebnisse verarbeiten zu können;
— zum Lernprozeß gehört thematisch, daß Wissenschaft funktionalisiert und damit wissenschaftliche Freiheit gefährdet ist und umgekehrt Wissenschaft konkret greifbare Macht ausübt, ohne vergleichbar schon Verantwortung zu übernehmen;
— zum Lernprozeß gehört in einem allgemeineren Verständnis Wissenschaftstheorie, damit eigenständig über den Stellenwert von Wissenschaft in der gegenwärtigen und zukünftigen Gesellschaft reflektiert werden kann. 2. „Allgemeine Lernziele"
In Zusammenhang mit der Curriculum-Entwicklung wurde schon angesprochen, daß die soeben abrißhaft vorgetragenen Analysen der Gesellschaftsstruktur, der Berufsstruktur und der Entwicklung von Wissenschaft eine doppelte Funktion haben: Zum einen dienen sie als Rahmen für die Bestimmung fachspezifischer Lernziele, zum anderen bilden sie die Grundlage der „allgemeinen Lernziele”. Die allgemeinen Lernziele werden damit, wie ausgeführt, nicht bloß willkürlich festgelegt, sie sind nicht bloß Ergebnis einer politisch oder weltanschaulich bestimmten Entscheidung, sie müssen vielmehr mindestens so weit auch rational begründet sein, daß ihre Auswirkungen auf das Curriculum selbst sichtbar und verständlich werden. „Allgemeine Lernziele" lassen sich nicht verordnen. Sie stehen zur Diskussion, werden weiterentwickelt und ständig neu konkretisiert. Wer einen ersten Vorschlag macht, bemüht sich darum, daß dieser den eigenen Vorstellungen entspricht, sich aber auch die Zustimmung der Beteiligten finden läßt. Der Bezug auf ein Normengefüge, das in seinem — damit allerdings auch kleinen — Kem unumstritten ist, liegt nahe. Ein solches Normengefüge bilden die Grundrechte. Ihr „Menschenbild”, im einzelnen höchst unterschiedlicher Auslegung fähig, geht vom selbständigen Individuum aus. Ihm haben Staat und Gesellschaft zu helfen, seine Würde haben sie zu schützen, ohne es dabei zu gängeln — auch nicht während eines Studiums und auch nicht durch das Verordnen von Verhaltensnormen. Selbstverständlich ist — einmal unabhängig vom Bereich der Ethik — jeder dem staatlichen Gesetz und vergleichbar besonderen geschriebenen oder bloß eingebürgerten Normen im beruflichen und gesellschaftlichen Bereich unterworfen. Es gehört jedoch zur Freiheit des Menschen, an der Weiterentwicklung jenes Gesetzes und solcher Normen mitzuwirken und sich kritisch mit Normen auseinandersetzen zu können. Das Bundesverfassungsgericht stellt dazu schon 1956 fest: „Für den politisch-sozialen Bereich bedeutet das, daß es nicht genügt, wenn eine Obrigkeit sich bemüht, noch so gut für das Wohl von . Untertanen'zu sorgen; der einzelne soll vielmehr in möglichst weitem Umfange verantwortlich auch an den Entscheidungen für die Gesamtheit mitwirken. Der Staat hat ihm dazu den Weg zu öffnen; das geschieht in erster Linie dadurch, daß der geistige Kampf, die Auseinandersetzung der Ideen frei ist, daß mit anderen Worten geistige Freiheit gewährleistet ist. Die Geistesfreiheit ist für das System der freiheitlichen Demokratie entscheidend wichtig, sie ist geradezu eine Voraussetzung für das Funktionieren dieser Ordnung; sie bewahrt es insbesondere vor Erstarrung und zeigt die Fülle der Lösungsmöglichkeiten für die Sachprobleme auf." Jene Mitwirkung des einzelnen, seine Partizipation, ist damit das oberste allgemeine Lemziel. Es läßt sich als demokratische Norm wie als Ergebnis einer Analyse von Gesellschaft, Beruf und Wissenschaft gemäß unserem Vorgehen bezeichnen. Die Analyse verweist uns — bei insgesamt höchst unterschiedlichen Beurteilungsmöglichkeiten — auf die raschen Veränderungen. An ihnen muß der sich selbst bestimmende Mensch teilhaben oder er ist ihnen lediglich-ausgeliefert — ein Ausgeliefertsein, das sich heute stärker auswirken mag als unter anderen Verhältnissen, soweit diese wegen der geringeren Wirkung von Veränderungsprozessen eher berechenbar waren.
Die Fähigkeit zur Partizipation in dem hier gemeinten Sinne muß nunmehr konkretisiert, das allgemeine Lernziel muß aufgefächert werden, um im Studium überhaupt eine Rolle zu spielen. Hierfür bietet sich eine Unter-scheidung in dreierlei Richtung an, die sich selbstverständlich in der Lebens-und Studien-praxis nie voll durchhalten läßt:
Erstens geht es um eher individuelle Fähigkeiten, um das, was derjenige, der sich beteiligen will, selbst einbringen will. Gemeint sind Selbständigkeit, schöpferische Kraft, Kreativität. Greift man auf die Ergebnisse der Analyse von Gesellschaft und Berufswelt zurück, wird verständlich, warum auf solche Selbständigkeit und Kreativität nachdrücklich hinzuweisen und auf sie bei der Auswahl von Einzelthemen wie bei der Gestaltung von Unterrichts-oder Studienformen Rücksicht zu nehmen ist: In Vergangenheit und Gegenwart wurden und werden oft verläßliches, aber unselbständiges Funktionieren höher bewertet als die Entfaltung der schöpferischen Kräfte des einzelnen.
Bezogen auf die zu erwartenden Lebensbedingungen in der Gesellschaft und auf die Arbeitsbedingungen im Berufsfeld und die in ihnen wahrzunehmenden Veränderungen setzt die Kreativität zunächst die Offenheit für neue Entwicklungen und die Bereitschaft voraus, sich darauf einzustellen. Diese Flexibilität bedeutet allerdings etwas gänzlich anderes als bloße Anpassungsfähigkeit. Mit Flexibilität muß deshalb weiter Kritikfähigkeit verbunden sein, die Fähigkeit, eine Situation oder ein Problem unter verschiedenen Aspekten und damit differenziert zu betrachten, an Auffassungen anderer wie an die eigenen Auffassungen mit angemessenen, d. h. auf Unterscheidungsvermögen beruhenden Beurtei-
ungsmaßstäben oder Kriterien heranzugehen, demgemäß sorgfältig zu analysieren und dann zwischen Befund und Bewertung nach Möglichkeit zu unterscheiden. Kritikfähigkeit bedeutet nicht, zu allem und jedem seine Meinung zu äußern oder zu allem und jedem ein unerschütterliches Urteil zu haben, sondern sich immer wieder neu darum zu bemühen, den eigenen Standpunkt auszumachen und zu befragen.
Flexibilität und Kritikfähigkeit samt der Offenheit für Probleme und unterschiedliche Problemlösungen setzen auch die Fähigkeiten voraus, die eigene Arbeit organisieren, d. h. sich ein sinnvolles Pensum geben und die vorhandenen Fähigkeiten zweckmäßig einsetzen, aber auch im Sinne von Lernfähigkeit erweitern zu können. Weithin kommt es erst über die Erweiterung der eigenen Lernfähigkeit zur Innovation, zum Impuls für die weitere Gestaltung der durch die eigene Arbeit oder die eigenen Mitwirkungsmöglichkeiten erfaßten Verhältnisse und natürlich auch zum Impuls, den Rahmen dieser Mitwirkungsmöglichkeiten zu erweitern.
Wer „mitwirkt" (partizipiert) befindet sich dabei, wie es alle einschlägigen Begriffe zum Ausdruck bringen, nie allein. Neben der Steigerung eigener, individueller Fähigkeiten ordnet sich dem obersten Lernziel der Partizipation unbedingt das weitere Lernziel ein, die Fähigkeit zur Kommunikation zu erweitern. Wieder zeigt ein Blick auf die Gesellschaftsanalyse, daß hier ein besonderer Akzent gesetzt werden muß: Kommunikation ist ein wechselseitiger Vorgang. Ordnet man ihn dem obersten Lernziel der Partizipation unter, geht es entscheidend auch um die aktive Teilhabe an der Kommunikation und damit um Fähigkeiten, die bislang im Sozialisationsprozeß gerade nicht besonders gefördert worden sind. Dafür gibt die Massenkommunikation ein erstes, die verbreitete Unfähigkeit, die eigenen Interessen klar zu formulieren, ein zweites Beispiel.
Kommunikation in solchem Verständnis setzt deshalb zunächst die Bereitschaft zur Zusammenarbeit und die Fähigkeit zu ihr voraus. Das eine spricht eine Anforderung an menschlichem Verhalten an, das andere meint konkrete, erlernbare Fähigkeiten. Beides bedingt jedoch einander. Zur Kooperation gehören etwa Geduld oder Hilfsbereitschaft oder auch die Bereitschaft, die Überlegenheit eines anderen partiell zu akzeptieren — Tugenden also —, zu ihr gehören aber auch Techniken der Zusammenarbeit, der Arbeitsteilung, der Feststellung unterschiedlicher Fähigkeiten und deren sinnvoller Einsatz. Wer mit anderen kooperiert — und imweiteren Sinne immer: wer auch unter sich verändernden Bedingungen partizipieren wjll —, muß sensibel für die Probleme anderer sein, muß ihnen Toleranz entgegenbringen und sich darum bemühen, die Toleranzschwelle möglichst hoch anzubringen, damit nicht das Übermaß dessen, wofür man Konsens benötigt, das Zusammenwirken mit anderen behindert oder unmöglich macht. Deshalb wird die noch immer relativ abstrakte Kommunikationsfähigkeit weiter konkretisiert, wenn man einbezieht, wobei und womit sich ein solcher Austausch abspielt, bei der Informationsaufnahme und der Informationsweitergabe nämlich. Wer sich hier immer wieder rational verhält, das heißt die eigene Teilnahme am Informationskreislauf durchdenkt, wird sich ebenso bemühen, den eigenen Informationsbedarf zu erkennen und abzugrenzen, wie darum, den Informationsbedarf derer, mit denen man zusammenarbeitet oder -wirkt, zu erfassen und zu berücksichtigen. Konkret: Kommunikation wird durch Geschwätz häufig erschwert. Selbstverständlich kann schließlich niemand seinen Informationsbedarf näher bestimmen, der sich nicht über seine Interessen im klaren und der nicht bereit und in der Lage ist, sich auch zu artikulieren und anderen gegenüber zu vertreten. Der im Gemeinwesen geforderte Interessenausgleich kann nur gelingen, wenn Interessen ehrlich angemeldet und vertreten werden. Damit sind an dieser Stelle politische und soziale Interessen gemeint. Der Zusammenhang zwischen Klarheit über die eigenen Interessen und sinnvoller Teilnahme am Informationskreislauf besteht jedoch auch bei allen übrigen Interessen. Für viele Menschen liegt es, wie schon angedeutet, so, daß sie nur ihr Hobby klar umgrenzen und sich entsprechend informieren können, während ihnen in den zentralen Gebieten die Artikulation ihrer Interessen nicht gelingt — vielfach natürlich, weil man sie daran hindert.
Partizipation erfolgt, wenn schöpferische Fähigkeiten und solche der Kommunikation umgesetzt werden. Das führt zum Engagement. Es soll hier neben Kreativität und Kommunikation als dritter Zielbereich stehen, in dem sich Partizipation als allgemeines Lernziel konkretisiert und sich gegen Entwicklungen in der Gesellschaft wendet, welche die Selbständigkeit des Menschen übermäßig eingrenzen oder gar unterdrücken. Auch dieser Zielbereich läßt sich weiter entfalten, ohne daß man um den notwendigen Konsens fürchten muß.
Engagement setzt zunächst die Bereitschaft und die Fähigkeit zur Entscheidung voraus wobei wieder das eine auf eine praktische Tugend und das andere auf die in diesem Zusammenhang erforderliche Rationalität verweist. Angesprochen ist nicht die bloße, oft blindwütige Entscheidungsfreudigkeit, sondern das überlegte, besonnene Entscheiden. Wer entscheidet, dies kommt freilich hinzu, wählt unter Entscheidungsmöglichkeiten aus. Sein Differenzierungsvermögen sollte ihn dazu befähigen, sich das Feld der Auswahl nicht zu sehr beschränken zu lassen; dennoch geht es zuletzt um eine solche Wahl. Andere wählen anders, halten anderes für richtig, zumindest für besser. Wer sich entscheidet, muß mithin jedenfalls zwei weitere Fähigkeiten mitbringen. Er muß Konflikte ertragen und austragen können, die sich mit denen ergeben, welche anders entscheiden, und er muß die Unsicherheit auf sich nehmen, welche mit einer Entscheidung, also einer Auswahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten, verbunden ist — Möglichkeiten, die zum Zeitpunkt der Wahl meist noch nicht zureichend erprobt oder getestet sind. Sich zu entscheiden und sich der damit verbundenen Unsicherheit auszusetzen, bedeutet in aller Regel dann auch, Verantwortung zu übernehmen, sie also nicht nur auf kleine Führungsgruppen abzuschieben, dann abzuwarten und nur hinterher zu unverbindlicher Kritik bereit zu sein. Der Begriff Verantwortung macht schon in seinem Wortgehalt deutlich, daß es um das Antworten auf Fragen oder Ungewißheiten geht, wobei die Antworten zwar auf Kompetenz im weitesten Sinne beruhen sollten, sich zumeist jedoch nicht auf sicheres Wissen stützen können. Spricht man vom „Mut zur Verantwortung", ist ein für jedermann plausibler Zusammenhang zwischen Zivilcourage und Verantwortung hergestellt. Selbstverständlich erhält das, auf das oberste Lernziel der Partizipation bezogen, nur dann seinen Sinn, wenn jene Zivilcourage durch die Bereitschaft zum Kompromiß und die, sich mit anderen zu solidarisieren, ergänzt und angereichert wird. Partizipation als oberstes allgemeines Lernziel konkretisiert sich und läßt sich erreichen, wenn der einzelne kreative und kommunikative Fähigkeiten mitbringt und sich zu engagieren vermag. Die vorstehenden Ausführungen erweitern diesen Grundgedanken mit einiger Vorsicht. Wesentlich ist dabei, daß die hier abgestuft erwähnten Lernziele als „notwendig", nicht bloß als wünschenswert angenommen werden. Unbeschadet der Tatsache, daß man solche Verhaltensweisen oder Verhaltensnormen und die ihnen entsprechenden Fähigkeiten auch anders beschreiben kann, läßt sich wohl jene Notwendigkeit nicht bestreiten, solange jedenfalls der hier gewählte Ausgangspunkt, die demokratisch verfaßte Gesellschaft im Sinne des Grundgesetzes, akzeptiert wird. Sie bedarf des aktiven Bürgers, der seine Selbstverwirklichung nicht nur in einem isolierten privaten Bereich, sondern auch in der Teilhabe an der politischen und sozialen Entwicklung findet und der angesichts der zahlreichen Veränderungsprozesse nicht nur Opfer der jeweiligen Entwicklung ist, sondern im Rahmen objektiver Möglichkeiten diese auch gestaltet, d. h. im ständigen Ausgleich der Interessen und Ideen Zukunft antizipiert.
III. Spezielle Grundlagen
Zu Beginn des Abschnittes über die Curriculum-Entwicklung wurde festgestellt, daß die fachspezifischen Lemziele von den Tätigkeitsfeldern abzuleiten sind. Das macht folgende Arbeitsschritte notwendig: Erstens müssen die Tätigkeitsfelder selbst analysiert und die Situationen ermittelt werden, auf die hin auszubilden ist; zweitens werden hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit Kriterien gewonnen, mit deren Hilfe sich die einzelnen Qualifikationen (fachspezifische Lernziele) benennen lassen, welche zur Bewältigung jener Situationen notwendig sind; drittens muß man schließlich die Lemziele selbst so formulieren, daß sie im Zusammenhang eines Curriculum verwertbar, d. h. unter anderem auch ohne längeren Kommentar verständlich sind.
Die für die Curriculum-Entwicklung benötigten Analysen liegen vielfach noch nicht zureichend vor, und was vorliegt, eignet sich meist nicht dazu, in laufender Überprüfung fortgeschrieben zu werden. In einer längeren Übergangszeit ist deshalb nur ein pragmatisches Verfahren der Curriculum-Entwicklung möglich. In ihm arbeitet man mit verkürzten und vorläufigen Analysen und vermeidet gleichzeitig allzu spezielle Festlegungen. Wo Ungewißheit über die beruflichen Anforderungsprofile in näherer Zukunft besteht, ohne daß sich diese Unsicherheit durch tiefergehende Analysen vermindern läßt, muß sich das Curriculum darauf beschränken, einen Rahmen abzustecken und grundlegende Fähigkeiten in den Mittelpunkt zu stellen. Hierin unterscheiden sich die speziellen von den allgemeinen Grundlagen der Curriculum-Entwicklung: Bei den allgemeinen tritt der Ent-scheidungs-und Auswahlcharakter deutlicher hervor, bei den speziellen eher der Mangel an Analysen in den einzelnen Berufs-und Tätikeitsgeldem.
Die Einführung und der Abschnitt über die Situationsanalysen legten dar, daß die hier behandelten Curriculum-Entwürfe, abgesehen von den allgemeinen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, von drei Situationen ausgehen — der des Studiums, der des Offiziers und der eines Berufs-und Fachgebietes —, deren Lernziele und -inhalte im Studium aufeinander abgestimmt zu organisieren und damit zu integrieren sind. Ohne zu sehr auf das Beispiel Wirtschafts-und Organisationswissenschaften einzugehen, soll im folgenden kurz allgemein davon die Rede sein, wie die Verwendungssituation im Curriculum Berücksichtigung findet; etwas ausführlicher gehen wir dann auf die Offiziers-und die Studiensituation ein, da sie in allen Curricula für die Hochschulen der Bundeswehr weitgehend vergleichbar zur Geltung kommen sollten. 1. Verwendungssituation im jeweiligen Fachgebiet Ein wissenschaftliches Studium orientiert sich sowohl an der jeweiligen Fachwissenschaft als auch am künftigen Berufsfeld. Je stärker Fachwissenschaft und Berufsfeld sich decken und je enger die persönlichen Kontakte zwischen Wissenschaft und Praxis sind, desto leichter fällt im allgemeinen die Praxisorientierung des Studiums. In anderen Fällen fehlt dagegen eine solche Praxisorientierung ganz oder teilweise; vielfach wird erst nach Studienabschluß und vor Beginn der eigentlichen Berufstätigkeit die notwendige Hinführung zum Beruf versucht. Die moderne Curriculum-Entwicklung beruht u. a. auf der kritischen Überlegung, daß man zwar das wissenschaftliche Studium keinesfalls der späteren Berufs-praxis ausliefern, d. h. ausschließlich nach ihren (jeweils gegenwärtigen) Bedürfnissen allein gestalten, daß man aber auch nicht umgekehrt die Berufspraxis aus dem Studium verbannen soll. Wo immer das geschieht, kann sich die Berufspraxis der kritischen Reflexion entziehen, es kann sich aber auch Wissenschaft nach ganz zufälligen Bedürfnissen entfalten. Curriculum-Entwicklung schließt mithin heute das Bemühen um Berufsorieniierung ein.
Berufe, denen wissenschaftliche Ausbildungsgänge zugewandt sind, bieten nur selten ein für alle so Ausgebildete gleiches Tätigkeitsfeld an. Das erschwert die Berufsorientierung und die Curriculum-Entwicklung; in der Regel sind mehrere Tätigkeitsfelder oder -bereiche zu berücksichtigen, in denen durchschnittlich die Absolventen eines Studienganges arbeiten — Sonderfälle lassen sich ohnehin immer nur bedingt voraussehen und in das Studium einbeziehen. Umgekehrt fächert sich auch die Wissenschaft auf, wobei es nicht immer eine Orientierung von Fachgebieten an der Berufspraxis gibt. Dieser vielfältigen Differenzierung kann und soll das Curriculum nicht folgen. Es gilt vielmehr, die Verwendungssituation jeweils so systematisch zu verfassen, daß zumindest die Grobstruktur künttiger Tätigkeitsteider oder beruflicher Funktionen sichtbar, zugleich aber auch die innere Ordnung der jeweils zum Studium beitragenden Wissenschaftszweige berücksichtigt wird.
Das Ziel eines solchen Vorgehens besteht darin, neben der von der jeweiligen Wissenschaft angebotenen Systematik einen zweiten Weg zur Anordnung der Studieninhalte verfügbar und auf diesem Wege zugleich sichtbar zu machen, in welchem Zusammenhang mit der Berufspraxis solche Inhalte stehen, auf welche im Beruf geforderte Qualifikation sie sich beziehen. Auf solche Weise wird die Diskussion über die Bedeutung einzelner Inhalte angeregt; der Prozeß der Curriculum-Revision beginnt bereits mit der Vorlage des Curriculums. Außerdem führt jenes Vorgehen zu einem Überblick über den Zusammenhang zwischen Studiengang und gesamten Berufsfeld. Diesen Überblick erleichtert die Auswahl derjenigen Studieninhalte, welche im weiteren Sinne als Grundlagen zu gelten haben, und ermöglicht zugleich die Bestimmung der Vertiefungsrichtungen, der Wahlfächer, der Schwerpunktbildung, der Auswahl von Projekten im letzten Studienjahr — die Begriffe müssen hier gehäuft auftreten, weil es dabei Unterschiede von Fachbereich zu Fachbereich gibt.
Solche Unterschiede kennzeichnen dann auch die nähere Darlegung der jeweiligen Verwen.
dungssituation. Relativ leicht läßt sich eine solche Verwendungssituation zunächst abstrakt ansprechen. Ein Beispiel: „Der Inge, nieur für Luft-und Raumfahrttechnik arbeitet mit fliegenden Systemen unter Zugrundelegung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und technischer Methoden bei Beachtung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Bedingungen". Ein solcher abstrakter Zugang verweist auf die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wozu etwa die verfügbaren finanziellen Mittel, das Arbeitsrecht oder die jeweilige Situation der Luft-und Raumfahrtindustrie gehören; weiter geht es um die Voraussetzungen der Ingenieurtätigkeit hinsichtlich der Kenntnisse und Fähigkeiten; schließlich ist der Objektbereich selbst angesprochen.
Auf der nächsten Stufe mit verminderter Abstraktion sind schon wichtige Vorentscheidungen erforderlich. Sie bieten sich bei zahlreichen Ingenieurberufen dadurch an, daß man plausibel zwischen eher planenden Tätigkeiten, solchen im Produktionsvorgang und denen im Betrieb oder der Wartung des Produktes oder der Anlage oder des Systems unterscheiden kann, überträgt man eine solche Unterscheidung von der Analyse der Tätigkeit auf die Bestimmung der notwendigen Kenntnisse, wird in der Regel sichtbar, daß die meisten objektbezogenen Kenntnisse, hier also diejenigen, die sich z. B. auf den Antrieb, die Ausrüstung oder die Instrumentierung des Flugkörpers beziehen, sowohl in der Planung als auch in der Produktion oder im Betrieb verfügbar sein müssen, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität. Erhebliche Unterschiede zeigen sich dagegen bei den zusätzlichen Kenntnissen, die sich weniger auf das Objekt, sondern auf den jeweiligen Arbeitsablauf, seine Organisation und Planung, seine Wirtschaftlichkeit und anderes beziehen. In einem Planungsbüro oder in einer Forschungsabteilung herrschen andere Gesetzlichkeiten als dort, wo eine Produktion durchgeführt, ein Flugzeug also in Serie gebracht wird, und das eine wie das andere hat nicht sehr viel gemein mit dem Betrieb einer Flugzeughalle, in der Maschinen gewartet und auf den Einsatz vorbereitet werden.
Weniger leicht fällt die Systematisierung eines Tätigkeitsfeldes, wenn sich das Studium auf eine Berufsfunktion bezieht, welche zwar in ihrem Kern näher bestimmbar ist, kaum jedoch hinsichtlich der jeweiligen Rahmenbe-B dingungen. Das gilt z. B. für den Bereich der Wirtschafts-und Organisationswissenschaften (für den der Curriculum-Entwurf in schematischer Darstellung bei der Bundeszentrale für politische Bildung bezogen werden kann). Im Kern geht es hier um wirtschaftende und organisierende oder verwaltende Funktionen. Die ersteren umfassen etwa die Marktforschung, die allgemeine Produktplanung, die Mittelbeschaffung, den Einkauf, die Werbung und den Verkauf; zu den letzteren kann man z. B. die Betriebsorganisation, die Organisation eines Verkaufsnetzes, das Rechnungswesen, die Personalgewinnung oder die Lagerverwaltung zählen. Spezialaufgaben dieser Art stellen sich aber in unterschiedlichster Zuordnung und Häufigkeit in Behörden der öffentlichen Hand, in Wirtschaftsbetrieben der öffentlichen Hand, in Industrie und Handwerk, in Banken,Versicherungen, Verbänden usw. Schon deshalb wäre jede Differenzierung nach den Organisationsformen, innerhalb derer eine Tätigkeit auszuüben ist, sinnlos; sie würde der vielfältigen Zuordnung wirtschaftender, organisierender und verwaltender Tätigkeiten nicht gerecht. Im hier als Beispiel vorgelegten Curriculum wird aus solchen Gründen eine Systematik der Verwendungssituation zugrunde gelegt, die auf der Grobunterscheidung von Personal-wirtschaft, Finanzwirtschaft, Beschaffung und Bewirtschaftung sonstiger Betriebsmittel, Bereitstellung der benötigten Infrastruktur und Betriebsorganisation im engen Sinne beruht. Diese Grobunterscheidung kann und soll nicht trennscharf sein. Sie bestimmt jedoch Schwerpunkte, denen in der Berufspraxis Tätigkeitsschwerpunkte entsprechen. Im jeweiligen Tätigkeitsschwerpunkt werden speziellere Kenntnise erwartet; insgesamt wird aber auch die Kenntnis aller Funktionen des Wirtschaftens, Organisierens und Verwaltens verlangt, damit die Funktionen im jeweiligen System aufeinander abgestimmt wahrgenommen werden können. Dies muß im Studium sichtbar werden. Das Curriculum soll einen Über-blick über die Verwendungssituation insgesamt, über die wichtigsten Tätigkeitsfelder, hier also Funktionsbereiche, und über die Möglichkeiten individueller Schwerpunktbildung geben. Zugleich soll es dazu anregen, die einzelnen Lehreinheiten übergeordneten Fragestellungen'zuzuordnen, damit die Auswahl der Beispiele im Lehrbetrieb erleichtert und zugleich dessen zeitliche Organisation so transparent wird, daß der Zusammenhang zwischen den einzelnen Lehreinheiten immer sichtbar bleibt und sich entsprechend von den Lehrkräften berücksichtigen läßt.
Geht das Curriculum von der Verwendungssituation aus und kommt diese einigermaßen in ihrer vollen Breite zur Geltung, wird sichtbar, daß kein Studium eine volle und unmittelbare Vorbereitung auf den Beruf sein kann. Indem das Curriculum die Fülle der Anforderungen beschreibt und umfaßt, macht es auch die Notwendigkeit der generellen und der individuellen Auswahl deutlich. Diese Auswahl soll aber nicht willkürlich erfolgen, sondern im Blick auf das Ganze. Zugleich soll bei der Auswahl deutlich werden, für welchen inhaltlichen Komplex ein besonderer Lehrinhalt steht. Auch in diesem Sinne geht es um Transparenz und vor allem darum, daß der Studienanfänger möglichst bald eine Grob-orientierung erhält, die ihm das Zurechtfinden erleichtert. 2. Offizierssituation Die Neuordnung der Ausbildung zum Unteroffizier und Offizier der Bundeswehr beruht u. a. auf der Überlegung, Militär und zivile Gesellschaft seien soweit kompatibel, vereinbar und vergleichbar, daß auch zentrale Elemente der militärischen Ausbildung vergleichbar angelegt werden können. Die Analyse einzelner militärischer Tätigkeiten ergibt jedenfalls, daß in den meisten Fällen zwischen militärspezifischen und zivilvergleichbaren Tätigkeitselementen des Soldaten unterschieden werden kann. Auf ausschließlich militärische Tätigkeitselemente bereitet die militärische Ausbildung vor; die fachliche Ausbildung des Unteroffiziers und das Fach-studium des Offiziers beziehen sich stärker auf die mit zivilen Tätigkeitsfeldern vergleichbaren Tätigkeitselementen des Soldaten. Ein wissenschaftliches Studium könnte das Ziel der Berufsfähigkeit jedoch nicht erreichen, wenn wesentliche Elemente des beruflichen Handelns, die über das Studienfach im engeren Sinne hinausreichen, nicht zum Gegenstand wissenschaftlichen Denkens und Fragens gemacht würden. Sieht man von einer, der militärspezifischen Ausbildung vorbehaltenen, handwerklichen Komponente militärischer Tätigkeiten ab, so muß die Bundeswehr als ein Bezugsrahmen der beruflichen Tätigkeit in den Streitkräften angesehen werden. Die Bedingungen, unter denen sich die Berufstätigkeit z. B. eines Vermessungsinge-nieurs oder eines Pädagogen innerhalb der Bundeswehr vollzieht, ergeben sich aus diesem Bezugsrahmen und seinen gesellschaftlichen und politischen Besonderheiten. Das Studium kann nur sinnvoll auf berufliche Praxis vorbereiten, wenn es auch diese Bedingungen einbezieht; sie müssen folglich in die Lernzielbestimmung mit eingehen.
I. Berufliches Handeln in der Bundeswehr vollzieht sich zunächst unter denselben allgemeinen Bedingungen, wie sie auch für andere Berufsfelder gelten, die vom technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel der entwickelten Industriegesellschaften bestimmt werden. Wenn die mit dem Schlagwort der „Demokratisierung" gemeinte (tendenzielle) Zunahme partizipatorischer Elemente in den Entscheidungsvorgängen der Wirtschaft und der Verwaltung, d. h. die vermehrte Teilnahme der Betroffenen, als ein nicht unwichtiges Kennzeichen des gegenwärtigen gesellschaftlichen Wandels angesehen wird, so erfaßt dieser Wandel auch die Bundeswehr als ein Teilsystem der Gesellschaft, das sich schon wegen der allgemeinen Wehrpflicht personell ständig und schnell ergänzt. Selbst wenn man es versuchen wollte, ließen sich die Streitkräfte in der Bundesrepublik nicht von diesem Wandel ausnehmen.
Die Problematik etwa der Partizipation erscheint aber in den Streitkräften in einem besonderen Licht, da zwischen Teilnahme und dem Prinzip von Befehl und Gehorsam ein Widerspruch auftaucht, der nicht auf einfache Weise gelöst werden kann. Unabhängig von der Frage, ob Entscheidungsspielräume und Partizipationsmöglichkeiten in einem zivilen Betrieb oder, was nicht undenkbar ist, in einer militärischen Einheit größer sind, begleitet dieser Widerspruch den Berufsweg eines Soldaten und wird in der alltäglichen Praxis immer wieder neu zu durchdenken sein als ein durchaus praktisches Problem der Entscheidungsfindung und des Miteinanderumgehens in der Truppe. Gesellschaftliche Strukturen und gesellschaftlicher Wandel als Rahmenbedingungen für das Verhalten innerhalb der Bundeswehr prägen jedoch nicht nur den Bereich von Entscheidungsfindung und Führung, sondern auch das Ausbildungsgeschehen als einer speziellen und gezielten Art des Miteinanderumgehens, wo sich etwa soziale Schichtung und unterschiedliches Sprach-und Lernverhalten unmittelbar auswirken. Die Bundeswehr stellt zwar selbst eine Sozialisationsinstanz dar, die — gewollt und ungeB wollt — Einstellungen der Wehrpflichtigen verändert, verstärkt oder abschwächt, sie kann aber bei einer 15monatigen Wehrpflicht in einer nach außen relativ offenen Armee an der Bewußtseinslage 20jähriger Männer nicht viel verändern. Ihre Ausbilder müssen befähigt sein, auf das Verhalten der Wehrpflich tigen sinnvoll zu reagieren und sich mit Wandlungen, die bei jedem neuen Jahrgang zu beobachten sind, auseinanderzusetzen.
Konflikte zwischen Militär und Gesellschaft, die sich für den einzelnen Soldaten in dem oben angedeuteten Widerspruch zwischen Gehorsamspflicht und Partizipation zeigen können, müssen teils ausgehalten, teils ausgetragen werden. Der Soldat selbst ist dabei zunächst entlastet, weil er durch die rechtlichen Bestimmungen der Wehrverfassung insgesamt und der einzelnen Wehrgesetze, besonders des Soldatengesetzes, einem besonderen Gewalt- und Treueverhältnis unterworfen ist.
Ihm ist eine Reihe von speziellen Pflichten gesetzlich auferlegt, er ist in der Ausübung der Grundrechte zum Teil eingeschränkt, ist andererseits in seiner Position und Wahrnehmung der nicht eingeschränkten Grundrechte ausdrücklich gesichert und an die freiheitlich demokratische Grundordnung gebunden.
Die gesetzlichen Regelungen, welche die Wehrverfassung ausmachen, enthalten neben Pflichten und rechtlichen Beschränkungen des Soldaten auch die Sicherung seiner staatsbürgerlichen Rechte. Die Rolle des Soldaten, der in bezug auf seine soldatische Funktion rechtlich eingeschränkt ist, soll die Rolle des politisch freien, an der politischen Willensbildung teilnehmenden Staatsbürgers nicht ausschließen. So will es der Gesetzgeber der Bundesrepublik, der damit das Leitbild vom Staatsbürger in Uniform verbindlich gemacht hat, soweit dies durch Gesetze möglich ist Konflikte, die zwischen beiden Rollen gesehen werden können, wie etwa die oft behauptete Diskrepanz zwischen der Verpflichtung zur Kameradschaft innerhalb der Truppe und dem Recht zur politischen Parteinahme außerhalb der Kaserne, lassen sich nicht zugunsten der einen oder anderen Rolle entscheiden; sie gehören zum Berufsbild des Bundeswehrsoldaten. Zum Berufsbild gehört darüber hinaus die ausschließlich politische Begründung jedes militärischen Handelns. Die Streitkräfte der Bundesrepublik sind Teil der staatlichen Exekutive, werden von einem Minister mit parlamentarischer Verantwortlichkeit geführt und nehmen ihre Funktion im Rahmen der Sicherheitspolitik der Bundesrepublik wahr. DieWehrver-fassunq der Bundesrepublik hat die Bundeswehr eindeutig dem Primat der Politik unterworfen. Die Streitkräfte können keine eigene Politik betreiben, ihr Auftrag ist aber ein politischer: Innerhalb der auf Friedenssicherung und friedliche Konfliktbewältigung gerichteten Sicherheitspolitik nehmen sie den militärischen Part wahr. Die Auftragserteilung an die Streitkräfte erfolgt nicht nur durch die nationalen politischen Instanzen, sondern auch innerhalb der NATO, da die Mehrzahl der Bundeswehrverbände im Verteidigungsfall der NATO assigniert ist. Im Rahmen der Strategie der Abschreckung müssen die Streitkräfte der Bundeswehr präsent, d. h. ständig einsatzbereit sein. Der politischen Auftragserteilung entspricht die politische Kontrolle der Streitkräfte. Sie erfolgt in der Bundesrepublik vor allem durch die Organe des Bundestages, insbesondere durch den Verteidungsausschuß, den Haushaltsausschuß und den Wehrbeauftragten, nicht zuletzt aber auch durch die Öffentlichkeit.
Wenn militärischer Auftrag und Streitkräfte-planung ausschließlich eine Funktion der Sicherheitspolitik sind, so wird die Bundeswehr unmittelbar vom sicherheitspolitischen Wandelbetroffen. Strukturveränderungen der Streitkräfte einschließlich der Möglichkeit von Streitkräfteverminderungen werden die Tätigkeit des Bundeswehroffiziers in absehbarer Zukunft mitbestimmen als Folge von Veränderungen im internationalen Sicherheitssystem. Verhandlungen über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sowie ausgewogene Truppenverminderung haben zum Ziel, die äußere Sicherheit der Bundesrepublik auch auf ein anderes als ein ausschließlich militärisches Fundament zu stellen und gleichzeitig das Rüstungsniveau allseitig zu senken. Man hat sich hierbei auf einen langwierigen Wandlungsprozeß einzustellen, der sich nur in kleinen Schritten vollziehen kann. Die Streitkräfte werden von diesem Prozeß aber in allen Phasen betroffen sein, und sie haben die Aufgabe, ihn zu sichern gegen ein unfall-artiges Versagen des gegenwärtigen internationalen Sicherheitssystems.
Da der sicherheitspolitische Rahmen die Streitkräfte in ihrer Existenz sowie in ihrer jeweiligen Struktur Und Größe bestimmt, muß vor allem dieser Ausschnitt der Politik Gegenstand der politischen Bildung in der TrUp- Pe sein: Die Bundeswehr steht vor der Notwendigkeit, dem neu einberufenen Wehrpflichtigen die politische Begründung für Bundeswehr und Wehrdienst zu vermitteln.
Unter den Rahmenbedingungen, die das soziale Verhalten innerhalb der Bundeswehr beeinflussen, darf der technologische Wandel nicht übersehen werden. Vor allem neue Verfahren der Datenverarbeitung und der Nachrichtenübermittlung verändern Führungsverfahren und modifizieren zusehends die vertikale Hierarchie. Die Rolle des auf Befehle des anwesenden Vorgesetzten reagierenden Untergebenen hat sich in Richtung auf größere Entscheidungsspielräume schon dadurch verändert, daß Ausführende mit dem für eine Aktion Verantwortlichen in aller Regel nur noch indirekt über Medien der Nachrichtenübermittlung verbunden sind. Wenn der Spielraum in bestimmten Fällen trotzdem wieder eingeschränkt wird, dann durch Notwendigkeiten des technischen Apparates. Militärische Disziplin wird heute dementsprechend ganz anders beschrieben, als es noch aus der Zeit der Wehrmacht überliefert ist. Aus ganz anderen als gesellschaftspolitischen Motiven ergibt sich angesichts der Verfeinerung und Verkomplizierung der Technik in den Streitkräften die Notwendigkeit, in Entscheidungsvorgänge zunehmend Elemente der Teilnahme einzubauen, damit der verfügbare Sachverstand aller in die Entscheidungsfindung eingeht.
II. Diese gesellschaftlichen, rechtlichen, politischen und technologischen Rahmenbedingungen beeinflussen jede Tätigkeit im Berufsfeld Bundeswehr. Aus der Organisation der Streitkräfte selbst ergeben sich Besonderheiten für die Berufstätigkeit, mit denen die große Mehrheit der Bundeswehr-Hochschulabsolventen konfrontiert sein wird. Unabhängig von der fachlichen Spezialisierung, der Zugehörigkeit zu Waffengattungen oder Teilstreitkräften wird sich an die wissenschaftliche und militärische Ausbildung vielfach eine mehrjährige Tätigkeit als Eihheitsführer anschließen. Ein großer Teil der Offiziere auf Zeit wird seine Tätigkeit in der Bundeswehr sogar in dieser Funktion beenden. Die Funktion des Einheitsführers eignet sich deshalb besonders gut zur beispielhaften Beschreibung militärspezifischer Tätigkeitselemente, die in die Lernzielformulierung eingehen müssen.
Als Einheit bezeichnet man im militärischen Sprachgebrauch eine Kompanie, Batterie, Staffel oder Inspektion; bei der Marine kann ein Boot als schwimmende Einheit auf diese Ebene gestellt werden. Der Einheitsführer („Chef", „Kommandant") besitzt Disziplinargewalt, ist für Einsatz, Ausbildung und Personal-sowie Materialverwaltung seiner Einheit verantwortlich. In gröber Gruppierung lassen sich unterscheiden: (a) Einheiten mit Kampf-, Gefechts-, oder Einsatzauftrag, die direkt in Kampf-und Gefechtshandlungen eingreifen und damit Träger ursprünglich militärischer Tätigkeiten sind, und (b) alle übrigen Einheiten, die aus Kampfeinheiten ausgegliederte Teilaufgaben übernehmen und damit vorwiegend kampfunterstützend tätig werden. Im wesentlichen handelt es sich hier um Ausbil-dungs-, Stabs-, Versorgungsund Technische Einheiten.
Das Tätigkeitsfeld des Einheitsführers ist zunächst durch die spezifische Aufgabe der Einheit bestimmt. Uber allgemeine Leitungstätigkeiten hinaus werden etwa in Ausbildungskompanien pädagogische Probleme im Vordergrund stehen, in Instandsetzungseinheiten maschinenbautechnische, in Versorgungseinheiten material-und verkehrswirtschaftliche etc.
Diesen fachlichen Problemen wenden sich die entsprechenden Fachstudiengänge zu. Hier sind die Tätigkeiten zu skizzieren, die mit unterschiedlichen Schwerpunkten jeder Einheitsführer wahrzunehmen hat.
Als Betriebsleiter hat er das seiner Einheit zugewiesene Personal, das Material und die militärische Ausrüstung so einzusetzen, daß die gestellte Aufgabe — der militärische Auftrag — optimal wahrgenommen wird. Das verlangt von ihm die Ausbildung und das ständige Training der zur Einheit gehörenden Soldaten, eine rationelle Bewirtschaftung des Materials und die damit verbundenen Verwaltungsarbeiten. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Tätigkeit besteht in der Koordination der betrieblichen Teilbereiche und in der abStimmung ihrer verschiedenen Interessenlagen. Das bedingt vor allem eine Lenkung und Kontrolle der Entscheidungs-und Kommunikationsvorgänge in der Einheit. Der Einheitsführer vertritt schließlich die Belange der Einheit nach außen und wirkt mit, wenn die Kompanie in das Aktionsgefüge des übergeordneten Verbandes eingeordnet wird.
Einen größeren Spielraum für eigenverantwortliches Handeln besitzt der Einheitsführer auf dem Gebiet der Personalführung. Neben den rein administrativen Aufgaben, für deren Überwachung er auch hier zuständig ist, sowie seiner Disziplinargewalt muß er vor allern die Laufbahnplanung der Soldaten verantworten. Das äußert sich im Erstellen persönlicher Leistungsbeurteilungen, im Initiativrecht für Beförderungen und Versetzungen sowie in Vorschlägen für die Ausbildung der längerdienenden Soldaten. Die Machtposition des Einheitsführers und die entsprechende Aufgabenfülle sind weiter geprägt durch das Recht, Disziplinarstrafen auszusprechen und zu vollstrecken, Urlaub und Vergünstigungen zu gewähren oder zu versagen sowie betriebsinterne Konflikte u. a. im Beschwerdeverfahren zu entscheiden und besonders durch die Pflicht, die unterstellten Soldaten ggf. auch in privaten Angelegenheiten fürsor-gend und betreuend zu unterstützen.
In hochtechnisierten Einheiten ist Material im Wert von vielen Millionen DM einzusetzen und zu erhalten. Dementsprechend kommt der Materialverwaltung erhebliche Bedeutung zu. Zahlreiche Gesetze, Vorschriften und Bestimmungen regeln die Verwaltung, Lagerung, Erhaltung und laufende Kontrolle des Materials. Es geht dabei nicht nur um die Einhaltung der Vorschriften, sondern auch darum, dies so rationell zu tun, daß die Materialverwaltung zwar verantwortungsvoll wahrgenommen, aber nicht zur Hauptbeschäftigung der Einheit erhoben wird.
Auch in Einheiten, die nicht ausschließlich der Ausbildung von Soldaten dienen, in Kampfeinheiten ebenso wie in Versorgungseinheiten, nehmen Ausbildungsprozesse einen breiten Rahmen ein. In einer Wehrpflichtarmee mit Präsenzverpflichtung kann die Einsatzbereitschaft einer Einheit nur durch Ausbildung ständig wechselnder Wehrpflichtiger immer wieder neu hergestellt werden. Im Rahmen vorgegebener Ausbildungsziele hat der Einheitsführer als Ausbildungsleiter die Aufgabe, alle Ausbildungsvorgänge seiner Einheit zu planen, zu organisieren und zu überwachen. Dabei muß er sich mit den Lerngruppen in seiner Einheit und mit dem pädagogischen Verhalten der ihm unterstellten Ausbilder im einzelnen befassen. In diesem Bereich spielen die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen naturgemäß eine besondere Rolle. — Das Berufsfeld Bundeswehr grenzt sich gegenüber allen anderen Berufsfeldern durch eine Reihe von Besonderheiten ab (das gilt für jedes Berufsfeld), die an der generellen Vergleichbarkeit nichts ändern, aber eine spezifische Beschreibung erlauben. Struktur und Auftrag der Bundeswehr verbieten eine AbB sonderung von der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung in der Bundesrepublik, welche der Bundeswehr jede Basis für die Auftragserfüllung nehmen würde. Konflikte, die sich aus Divergenzen zwischen allgemeinen Bedingungen und besonderen Strukturen ergeben, müssen innerhalb der Gesamtgesellschaft ständig neu verarbeitet werden. Dabei stellt sich die. Bundeswehr nicht als ein Block einheitlicher Meinung gegenüber der übrigen Gesellschaft dar.
Da sich die Spannungen und Gegensätze innerhalb der Gesellschaft der Bundesrepublik auch in der Bundeswehr widerspiegeln, finden gesellschaftspolitische Kontroversen mit einem relativ breiten Spektrum auch in den Streitkräften statt; die jüngste Vergangenheit hat dies immer wieder — oft spektakulär — gezeigt. Für die Offiziere der Bundeswehr geht es darum, Kontroversen und Konflikte für die innere Entwicklung der Streitkräfte und für ihr Verhältnis zur Gesellschaft produktiv werden zu lassen, sich von Wandlungen nicht überraschen zu lassen, sondern an ihnen teilzunehmen.
Nicht zuletzt wird die . Frage nach der politischen Begründung des militärischen Dienstes jede Tätigkeit in der Bundeswehr begleiten. Der sicherheitspolitische Wandel wird immer wieder neu die Frage nach der Paradoxie soldatischer Existenz im Zeitalter der Massenvernichtungswaffen aufwerfen, wenn man sich auf einen Einsatz vorbereitet, nur um diesen zu verhindern, wenn man mit Hilfe von Streitkräften diejenigen politischen Veränderungen sichert, die zu einem Sicherheitssystem mit weniger Militär führen sollen. 3. Studiensituation Die Analyse der Studiensituation diente im Rahmen der Vorbereitungen für die Hochschulgründung mehreren Zwecken. Sie lieferte erstens wesentliche Teile der Begründung für eine curriculare Konzeption der Studiengänge. Zweitens erbrachte sie eine Reihe von Kriterien für die Organisation des Studiums. Drittens ergaben sich aus ihr die Tätigkeits-Merkmale für die Ableitung der Lernziele und -erninhalte, soweit sie das Studium als Studienobjekt betreffen.
Den gemeinsamen Ausgangspunkt für alle rei Fragestellungen bildeten die öffentlichen iskussionen und Auseinandersetzungen über den Zustand der Hochschulen in der Bundesrepublik seit der Mitte der sechziger Jahre. Diese im Rahmen der allgemeinen politischen Entwicklung ausgetragenen Kontroversen haben zu einer Art Mängelkatalog der wissenschaftlichen und politischen Verhältnisse an den Hochschulen geführt. Aus ihm lassen sich die für unseren Zusammenhang bedeutsamen Kritikpunkte etwa so darstellen: — Ungenügende Berufsbezogenheit vieler Studiengänge;
— -Unzureichende Berücksichtigung der gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen der Tätigkeitsfelder, auf die das Studium vorbereiten soll;
— Ungenügende Durchsichtigkeit der Studiengänge;
— Lange Studienzeiten;
— Relativ große Zahl von Studienabbrechern;
— Geringe Bereitschaft, Studiengänge zu reformieren;
— Hierarchisch bestimmte Arbeitsweise an den Hochschulen;
— Unzureichende Beteiligung der Nicht-Professoren an den Entscheidungen und an der Verwaltung der Hochschule;
— Ungenügende Vermittlung der Grundlagen von Lern-und Arbeitsprozessen;
— Tendenzen zur starken Reglementierung des Studiums;
— Ungenügende Berücksichtigung der Voraussetzungen, welche Studienanfänger mitbringen;
— Ungenügende Beratung und pädagogische Betreuung der Studenten;
— übermäßige Ausrichtung der Studiengänge am Faktenwissen und damit Stoffüberladung. Der curriculare Ansatz bezieht sich, wie bereits erläutert, auf Punkte wie die ungenügende Berufsbezogenheit vieler Studiengänge, deren Undurchsichtigkeit oder der zu starken Ausrichtung des Studiums an der Fülle von Faktenwissen. Keinesfalls darf das curriculare Vorgehen aber als Allheilmittel gegen alle Schwächen der derzeitigen Studienverhältnis-se betrachtet werden, zumal auch noch kaum Hochschulerfahrungen mit gurricularer Arbeitsweise vorliegen. Die Analyse der Studiensituation als Beschreibung der zentralen Tätigkeiten eines Studenten hat dem Einfluß des curricularen Vorgehens Rechnung zu tragen. Studieren an einer Hochschule der Bundeswehr heißt nach der Konzeption erst einmal „curricular organisiertes Studieren". Ein solcher Ansatz erfordert eine Einführung in die Grundlagen und Methoden der Curriculum-Entwicklung, um die Transparenz von Studienaufbau und Studienablauf zu gewährleisten und damit die Möglichkeit, an deren Verbesserung im Sinne auch der eigenen Interessen mitzuwirken. Die Wahrnehmung der eigenen Interessen setzt einen Überblick über die Struktur und die Organisation der Hochschule ebenso voraus wie die Reflexion der eigenen Zielvorstellungen. Eine Einführung ins Curriculum hat dabei nicht nur die Vorzüge eines solchen Verfahrens aufzuzeigen, sondern auch auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die sich damit verbinden können. Zu denken ist hier vor allem an die relativ starre Festlegung des Studienablaufs, an die relativ starke zeitliche Belastung von Hochschullehrern und Studenten, an eine Entwicklung, welche den rein funktionalen gegenüber den an den „allgemeinen Lernzielen" orientierten Elementen ein zunehmendes Gewicht verleiht, oder an eine auch geistige Reglementierung über einen zu geringen Spielraum für individuelle Entscheidungen während des gesamten Studiums.
Studieren an einer Hochschule der Bundeswehr bedeutet zweitens, daß eine Doppelrolle zu bewältigen ist: die Rolle als Student und die Rolle als Soldat. Das Studium zum Studiengegenstand zu machen, . erfordert unter dieser Perspektive die Behandlung der Zusammenhänge und Konflikte zwischen Gesellschaft und Bundeswehr. Individuell gewendet heißt das, daß der studierende Soldat einerseits durch Soldatengesetz und Wehrdisziplinarordnung gebunden ist, andererseits aber die Rechte und Pflichten eines Studenten im Sinne der Entwicklung einer selbstbestimmten, kritischen, politisch engagierten Persönlichkeit zu verwirklichen hat. Konflikte können sich daraus ergeben, daß im Vergleich zu den anderen Hochschulen bislang kaum Aufnahmebeschränkungen für ein Studium an den Hochschulen der Bundeswehr existieren und daß dieses zudem gut honoriert wird. Daß mit der Möglichkeit zum Studium die Verpflichtung für eine Dienstzeit in der Bundeswehr von mindestens zwölf Jahren einhergeht, wird bei den derzeitigen allgemeinen Studienbedingungen von den Kritikern der Hochschulen der Bundeswehr gering gewichtet. Zu den zu verarbeitenden Konflikten gehören fernerhin die Bedenken von militärischer Seite gegen eine „Intellektualisierung des Soldatenberufes, denen die Forderungen der allgemeinen beruflichen Praxis nach einer immer stärkeren auch wissenschaftlichen Fundierung vergleichbarer Berufe entgegenstehen. Zu den zu behandelnden Besonderheiten zählt drittens, daß das Studium an einer Hochschule der Bundeswehr nur eine eingeschränkte Wahl des Studienganges und des Studienortes erlaubt und eine dreijährige Regelstudienzeit mit einer Einteilung in Studienjahre und Trimester vorsieht. Diese Begrenzungen haben Einfluß auf die Motivation des Studienverhaltens und sind in ihren hemmenden oder auch fördernden Auswirkungen zu erkennen, über die Begründung für diese Rahmenbedingun-gen des Studiums wird deutlich, daß von der Bundeswehr ein allgemeiner Trend in der Hochschulpolitik der Bundesrepublik aufgegriffen wurde. Die Bemühungen um Verkürzung und Straffung der Studiengänge sollen u. a. das Angebot an Studienplätzen und die Zahl der wissenschaftlich vorgebildeten Arbeitskräfte erhöhen. Weiter verbinden sich mit diesen Bemühungen auch Versuche, die Studiengänge stärker an den Forderungen der Wirtschaft zu orientieren. Daran wird ersichtlich, daß Hochschulpolitik, auch die Bildungspolitik der Bundeswehr, nicht im luftleeren Raum geschieht, sondern auf ökonomische und politische Interessen zurückzuführen ist. Zur selbstbestimmten Position als studierender Soldat gehört deshalb auch die Kenntnis politischerEntscheidungsprozesse, ihrer Bedingungen und Funktionen.
Im Mittelpunkt eines Studiums des Studierens stehen verständlicherweise Probleme, die das Lernen unmittelbar betreffen. Lernen an der Hochschule der Bundeswehr bildet dabei viertens einen Teil des Sozialisationsprozesses allgemein. Der Student erfährt von theoretischen Bemühungen über das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, er lernt die Bedeutung von Anlagen und Umwelt für die individuelle Entwicklung einzuschätzen, er erkennt die Abhängigkeit des einzelnen Verhaltens von den Prägungen der verschiedenen Sozialisationsinstanzen und damit auch die Bedeutung der Bundeswehr für die eigenen Bezugssysteme oder die der Wehrpflichtigen Es wird deutlich, welche Bedeutung die soziale Herkunft für die eigenen Lebenschancen haben kann, welches Gewicht ein bestimmtes Sprachverhalten für die Teilnahme an gesellschaftlichen Prozessen hat, welche Schwierigkeiten des Austausches von Meinungen, Er-, kenntnissen oder Informationen mit dem individuellen Wahrnehmungs-und Ausdrucksvermögen verbunden sind. Der Student erkennt schließlich auch, wo die Möglichkeiten und wo die Grenzen liegen, frühere Prägungen, Mängel der eigenen Sozialisation und der anderer Personen zu beseitigen. Die Behandlung der Sozialisationsproblematik soll nicht nur dem stark auf die unmittelbaren praktischen individuellen Studienschwierigkeiten fixierten Studenten den notwendigen sozialen Hintergrund geben, sondern auch die Aufmerksamkeit auf Übergreifendere Fragestellungen lenken, die als gesellschaftliche, ökonomische und politische Prozesse den Rahmen für die spätere berufliche Tätigkeit bilden.
Grundlagen für das Studieren sind fünftens die wichtigsten Ergebnisse der Lern-und Ge-dächtnisiorschung. Mit Hilfe von Erkenntnissen über die Gesetzmäßigkeit von Behalten und Vergessen, über die verschiedenen Formen der Problemlösung, über „produktives" und „unproduktives" Denken soll der Student lernen, seine Arbeit sinnvoll, d. h. problembezogen zu organisieren, Informationen aufzunehmen, zu speichern und zu verarbeiten und Unterrichtshilfen, wie die verschiedenen Medien, entsprechend zu nutzen. Zur wissenschaftlichen Arbeitsweise benötigt er neben den verschiedenen Techniken der Darstellung wissenschaftlicher Resultate auch die Kenntnis von den grundlegenden wissenschaftstheoretischen wie erkenntnistheoretischen Problemen, um die Grenzen wie die Möglichkeiten der verschiedenen Disziplinen seines Studienbereiches einschätzen und beachten zu können. Vor allem die historisch ausgebildete wissenschaftliche Arbeitsteilung ist auf ihre Rationalität wie auf ihren Praxisbezug kritisch zu befragen. Es gilt, über die den Teildisziplinen zugrunde liegenden gemeinsamen Fragestellungen und die Bearbeitung von solchen Problemen in größeren Projekten eine engere Kooperation der Teilwissenschaften und damit eine wirklichkeitsnahe, nicht aufgespaltene Behandlung von zusammenhängenden Phänomenen zu erreichen. Lernbarrieren sind nicht nur in der eigenen, individuellen Entwicklung und Prägung zu suchen, sondern durchaus auch in den Vorstellungen der ochschullehrer oder der Geschichte einer Wissenschaft
Studieren und Lernen sind sechstens keineswegs nur rein individuelle Verhaltensweisen. Sie finden in einem erheblichen Umfang in kleineren und größeren Gruppen statt. Da sozialeGruppen mehr sind als nur die Summe der sie bildenden Mitglieder, d. h. eine eigene Struktur und Entwicklung kennen, und die Individuen sich in einer Gruppe oft anders verhalten als einzeln, stellen soziale Gruppen auch einen notwendigen Gegenstand des Studiums dar. Dabei sollen Struktur und Funktion von sozialen Gruppen, die Merkmale von Gruppen, wie Gruppenziele, Gruppenatmosphäre, Gruppendruck, Status und Rolle in einer Gruppe und die gruppendynamischen Prozesse vor allem unter der Perspektive behandelt werden, welche fördernden und hemmenden Wirkungen sie auf das Lernverhalten haben können. Interaktions-und Kommunikationsprozesse in und zwischen Gruppen, Ursachen und Lösungsmöglichkeiten von Konflikten in und zwischen Gruppen sind allerdings nicht nur für den eher individuellen Lernvorgang bedeutsam, sondern auch für die Revision der Studiengänge in Form der Zusammenarbeit der daran beteiligten Personen, Gruppen und Institutionen wie für die Vertretung von anderen Interessen, welche die Hochschule oder die politische Sphäre allgemein betreffen.
Eine Besonderheit des Studiums als Studien-gegenstand bildet der Zwang zur ständigen unmittelbaren Bewährung dessen, was gelernt wurde. Im Unterschied zur Mehrzahl der Studienelemente, die sich aus der Berufssituation und der Offizierssituation herleiten, findet eine dauernde Rückkoppelung, eine dauernde Überprüfung des Erfolges beim Lernen-lernen statt. Damit sind gute Möglichkeiten gegeben, unzureichende Konzeptionen und Fehlplanungen, soweit sie sich auf die Studiensituation beziehen, auch kurzfristig zu korrigieren. Andererseits erfordert die unmittelbare Bewährung ständige Aufmerksamkeit und Bereitschaft zur Selbstkritik aller am Lernprozeß beteiligten Personen. Der davon ausgehende Druck kann durchaus eine zeitweise Überforderung nach sich ziehen, wenn die Erwartungen urd die Ansprüche an diese Studienelemente zu hoch angesetzt werden. Enttäuschungen lassen sich vermeiden, wenn die Erkenntnisse von den Schwierigkeiten jedes Lern-und Sozialisationsprozesses ebenso im Bewußtsein bleiben wie die Absichten, die zur Berücksichtigung der Studiensituation führten. Im Vordergrund sollte die pädagogische Hilfe beim Studieren stehen.
B. ein integrierter Studiengang — Wirtschafts-und Organisationswissenschaften als Beispiel
Wie sich die allgemeinen und speziellen Grundlagen in einem Curriculum konkret niederschlagen, soll am Beispiel der Wirtschaftsund Organisationswissenschaften schematisch dargestellt werden. (Wir beziehen uns im folgenden auf ein vierteiliges Schema, das bei der Bundeszentrale für politische Bildung bezogen werden kann und von dem der Teil 2 als Beispiel dem Hauptteil dieser Ausgabe beiliegt.) Die Wahl dieses Studienganges, die aus Gründen der größeren Allgemeinverständlichkeit gegenüber den technischen Studiengängen getroffen wurde, bringt allerdings einen Nachteil mit sich': Das Problem der Intergration von aus den drei Tätigkeitsfeldern abgeleiteten Lernzielen und Lerninhalten in einem Studiengang stellte sich hier weit weniger als etwa bei Elektrotechnik oder Maschinenbau. Von der Verwendungssituation als Wirtschafts-und Organisationswissenschafter leiten sich einerseits Teile der Qualifikationen ab, welche auch für die Bewältigung der Studien-und Offizierssituation erforderlich sind. Andererseits wirken die erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlichen Elemente in einem sozialwissenschaftlichen Studium eher selbstverständlich denn als Zusatz. Für die technischen Studiengänge dagegen ist ganz neu zu entwickeln, daß sich das Studienfach über die drei Tätigkeitsfelder definieren läßt und dabei erziehungs-und gesellschaftswissenschaftliche Lernziele und Lerninhalte nicht Störfaktoren für das „eigentliche Studium", sondern weithin integrierte Bestandteile des Faches selbst darstellen.
Die oben vorgelegten Situationsbeschreibungen sollen das Tätigkeitsfeld näher bestimmen, welches der Student im Rahmen der sozialen und politischen Bedingungen der Bundesrepublik Deutschland an der Universität und in seiner späteren Verwendung zu bewältigen hat. Das Ziel einer solchen Beschreibung besteht, wie bereits ausgeführt, darin, mittels einer möglichst genauen Benennung von Tätigkeiten ein Orientierungsmuster dafür zu gewinnen, welche Qualifikationen der Student erwerben muß. Der hier geforderten Genauigkeit sind jedoch Grenzen gesetzt. Zwar lassen sich die Anforderungen an die Ausbildung um so exakter benennen, je konkreter jene Beschreibung ausfällt. Umgekehrt vermehrt sich aber mit dem Grad der Genauigkeit auch die Komplexität und damit die Schwierigkeit, die beschriebenen Tätigkeitsfelder zu überblicken und sie als Orientierung für die Lernzielgewinnung zu begreifet Um das Verfahren der Lernzielgewinnung wie das weitere Vorgehen durchsichtig zu hallet fassen wir die Situationsbeschreibung abstrakt zusammen mit dem Ziel, die Struktur der Situationen und die darauf aufbauenden Schritte der Curriculum-Entwicklung überschaubarer darzustellen, als es die Vorstellung im Text allein vermag. Daraus ergibt sich das vierteilige Schema. Es spiegelt in abstrahierter Form die Grundstruktur der Curriculum-Entwicklung wider:
— Situationsbeschreibungen (Ebene I)
— davon abgeleitete Lernziele (Ebene II)
— Zuordnung der Lerninhalte zu den Lernzielen (Ebene III)
— Zusammenfassung der Lerninhalte zu Lerneinheiten und deren Organisation zu einem Studienablaufmodell (Ebene IV)
Aus Gründen des Umfanges und zum Zwecke der noch überschaubaren Darstellung wurde das Schema in vier Teile aufgegliedert. Teil 1 enthält die Verwendungssitutation als Wirtschafts-und Organisationswissenschaftler, die davon abgeleiteten Lernziele und die den Lernzielen zugeordneten Lerninhalte, Teil 1 die Offizierssituation (dieser Teil ist in dieser Ausgabe der Wochenzeitung DAS PARLAMENT wiedergegeben) und Teil 3 die Stt diensituation, beide jeweils wieder mit Lernaelen und Lerninhalten. Die Trennung erfolgte wie gesagt, aus rein organisatorischen Überlegungen. Inhaltlich gehören die aus den dre: Situationen abgeleiteten Lernziele und die diesen zugeordneten Lerninhalte im Studium zusammen. Daß es sich bei den Eiementender drei Tätigkeitsfelder um integrative Bestandteile eines Studienganges handelt, wird anhand des Schemas 4 deutlich. Dieser Teil enthält die Zusammenfassung der Lernziele und Lerninhalte aus den ersten drei Teilen 1I Lehreinheiten und deren Organisation zu einem Studienablaufmodell. Während die Teile 1 bis 3 von den Ebenen her betrachtet die Ebenen I bis III umfassen, bezieht sich Teilt ausschließlich auf organisatorische Probleme d. h. also auf die Ebene IV. Für das bessere Verständnis der Aufteilung siehe die graphische Darstellung auf Seite 33.
1. Erläuterungen zum Schema — die Ebenen I bis III in den Teilen 1 bis 3
Die Ebene I enthält in abstrahierter Form die Beschreibung der drei relevanten Situationen. Die Beschreibung erfolgt auf mehreren Stufen. Auf der ersten Stufe wird versucht, die jeweilige Situation in einem Satz zu beschreiben. Die nächste Stufe oder die nächsten Stufen stellen Konkretionen, Erläuterungen der obersten bzw.der jeweils höheren Stufe dar. Die Zahl der Stufen richtet sich danach, wann ein Grad an Konkretion erreicht ist, anhand dessen sich die Anforderungen für eine Bewältigung der Situationen in Form von Lernzielen benennen lassen. Bei der Betrachtung der zweiten oder dritten Stufe der ersten Ebene ist darauf zu achten, daß der in den Ober-sätzen angesprochene gesellschaftliche Rahmen in der Bundesrepublik Deutschland auch für die nächste(n) Stufe(n) gilt und Konsequenzen für die Formulierung der Lernziele besitzt.
Auf der Ebene II (Lernziele) sind die allgemeinen Lernziele (vgl. dazu 1. 2. im Abschnitt „Zur Curriculum-Entwicklung") wegen ihrer übergreifenden Bedeutung für die fachspezifischen Lernziele wie für die Studienorganisation nochmals aufgeführt. Die Lernziele, die sich aus den Situationen herleiten, sind jeweils konkret benannten Tätigkeiten zugeordnet. Dabei sollte mehrerlei beachtet werden: Auf der Ebene der Lernziele benötigen wir erstens für die Verwendungssituation zwei, für die beiden anderen Situationen nur eine Stufe, um den notwendigen Grad an Konkretion zu erreichen. Die zweite Stufe bildet wie bei den Situationen eine Kopkretion der ersten. Zweitens sind je nach Komplexität der Tätigkeiten diesen ein oder mehrere Bündel (im Scheina: Kästchen) an Lernzielen zugeordnet. In der Verwendungssituation erfordert z. B. die Tätigkeit der Personalgewinnung und des Personaleinsatzes (1. 1.) sowohl Kenntnisse der wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen, die das Personalwesen beeinflussen (II. 1. 1.), als auch Kenntnisse der Strukturmerkmale von Organisationen, soweit sie für das Personalwesen wichtig sind (II. 1. 2.), als auch Kenntnisse von Verfahren der Personal-planung und des Personaleinsatzes (II. 1. 3).
Drittens können einzelne Lernzielbündel sich auch auf mehrere Tätigkeiten der untersten Stufe der I. Ebene beziehen. So erfordert z. B. die Bedingung „im Rahmen der Politik der Friedenssicherung" im Obersatz der Offiziers-situation, daß allen Tätigkeiten auf der 3. Stufe der Situation das Lernzielbündel zuzuordnen ist, welches sich auf „kollektive Sicherheit und internationale Politik“ (II. l. l. — I. 1. 3. d) bezieht. Viertens betreffen die Lernziele in manchen Lernzielbündeln mehrere Wis.senschaftsbereiche. Daran wird deutlich, welche vielfältigen wissenschaftlichen Ansätze zur Bewältigung einer Situation gehören und in welchem Umfang die Vermittlung der Qualifikationen die Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen notwendig macht.
Ebene III enthält die den Lernzielen zugeordpeten Lerninhalte. Ebenso wie die Lernziele können sich die einzelnen Lerninhaltsbündel auf verschiedene Wissenschaftsbereiche beziehen. Im Unterschied zur Ebene II gibt es auf der Inhaltsebene nur eine Stufe. Wiederholungen von Inhalten in mehreren Bündeln verweisen darauf, daß die entsprechenden Inhalte mehrere Lernzielbündel und mehrere Tätigkeitsbereiche betreffen und deswegen eine besondere Bedeutung besitzen. Die Bestimmung von Inhalten, durch welche die Lernziele vermittelt bzw. erreicht werden sollen, ist kaum in allen Punkten stringent be-
gründbar oder eindeutig vorzunehmen. Man kann vielfach dieselben Lernziele auch mit anderen Inhalten erreichen, wenn auch nicht mit jedem Inhalt. Es läßt sich also bei der Zuordnung der Inhalte zu den Lernzielen von einer relativen Beliebigkeit im Vorgehen sprechen. Die Ziffern hinter den einzelnen Lerninhalten verweisen auf die Lerneinheiten, zu denen die Inhalte zusammengefaßt werden. Einzelne Inhalte können dabei durchaus in zwei oder noch mehr Lehreinheiten erscheinen. über diese Verweise ist auch ablesbar, in welchem Umfang zwischen den einzelnen Lehreinheiten koordiniert und in welchem Umfang eine einzelne Lehrinheit die Zusammenarbeit verschiedener Wissenschaften erfordert.
2. Erläuterungen zum Schema — die Ebene IV (Schema Teil 4)
Die Ebene IV enthält die unter wissenschaftssystematischen wie methodischen Gesichtspunkten in Lehreinheiten zusammengefaßten Inhalte und einen Überblick auf den Studien-ablaut nach Lehreinheiten und Trimestern. Teil 4 des Schemas integriert also die ersten drei Teile auf der Ebene der Organisation. Die organisatorische Aufbereitung der Lern-ziele/Lerninhalte erfolgte im Rahmen der allgemeinen Lemziele in fünf Schritten:
a) die Zusammenfassung der Lernziele/Lern-inhalte nach Themenbereichen;
b) die Bildung von Lehreinheiten;
c) die Ortsbestimmung der Lehreinheiten im Studiengang;
d) die Bestimmung des Zeitbedarfs je Lehreinheit;
e) die Bestimmung der Vermittlungsart bzw.der Veranstaltungsform.
Zu a) Die Zusammenfassung der Lemziele/Lerninhalte nach Themenbereichen vermittelt aus der Sicht der verschiedenen Wissenschaften einen Überblick darüber, welche Fachthematiken (Inhalte) im Curriculum mit welcher Zielsetzung (Lernziele) berücksichtigt sind. Eine solche Zusammenfassung bildet einen Zwischenschritt zur Erlangung von Lehreinheiten. Er ist hier nur zu erwähnen.
Zu b) Für die Bildung von Lehreinheiten aus den Themenbereichen sind didaktische Kriterien ausschlaggebend. So werden im Curriculum Wirtschafts-und Organisationswissenschaften die grundlegenden Fakten über die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland mit gesellschaftstheoretischen Ansätzen zu einer Lerneinheit zusammengefaßt, weil einerseits das Grundlagenwissen ohne eine theoretische Orientierung schwer zu bewerten, einzuordnen und schließlich auch zu behalten ist und andererseits gesellschaftstheoretische Modelle wegen ihres abstrakten Charakters der beispielhaften Konkretion in allgemein-verständlichen Fakten der Wirtschafts-und Gesellschaftsstruktur bedürfen. In technischen Studiengängen, wie Maschinenbau oder -ektrotechnik, erfolgt etwa eine Zusammenfassung von Inhalten, die sich auf die rganisationsstruktur von technischen Betrieben beziehen, mit Inhalten, die den Sozialisationscharakter von Organisationen betreffen, zu der Lehreinheit „Organisationsformen und Sozialisationswirkungen technischer Betriebe“. Eine solche Kombination soll erreichen, daß die eher auf naturwissenschaftliche Sachgesetzlichkeiten eingestellten Denkweisen die soziale Wirksamkeit und Einbettung technischer Entwicklungen am Beispiel der Betriebe kennenlernen. Im Vermessungswesen werden z. B. die Thematiken Bodenpolitik, Gesellschaftslehre und politische Ökonomie gemeinsam vermittelt, weil einerseits die zu Gesellschaftslehre und politische Ökonomie zusammengefaßten Inhalte den Rahmen für eine zureichende Behandlung der bodenpolitischen Fragen darstellen und andererseits eben nicht einfach Soziologie und politische Ökonomie zu lehren bzw. lernen sind, sondern nur Elemente der beiden Bereiche unter vor allem bodenpolitischen Problemstellungen.
In den technischen Studiengängen, wie bei Wirtschafts-und Organisationswissenschaften, bildet Lernen mit Mathematik im ersten Trimester eine Lehreinheit, weil sich einmal die Probleme von Gedächtnis, Denken und Lernen am Beispiel des abstrakten Stoffes der Mathematik gut verdeutlichen lassen und zum anderen das Grundlagenfach Mathematik zu Studienbeginn wegen seines fehlenden oder noch nicht einsichtigen Praxisbezugs in hohem Maße der didaktischen Hilfestellung bedarf. Eine Hilfestellung zur Bewältigung der Studiensituation bietet auch die Lehreinheit „Orientierungsprojekt". Anhand einer Fachthematik soll der Student sowohl die Problemstellungen seines Faches in ihrer Vielfalt erfahren als auch Fertigkeiten erwerben, wie Techniken des Suchens, Sammelns und Speicherns von wissenschaftlichen Informationen, der Aufbereitung und Darstellung von Ergebnissen, der Arbeitsund Zeitplanung oder Kenntnisse über erkenntnistheoretische Grundlagen. Im Vermessungswesen ist das Orientierungsprojekt als Teil der Thematik geodätisches Messen geplant, weil der Grundlagencharakter, der Praxisbezug, die Breite der Anwendungsmöglichkeit wie die Notwendigkeit, in kleineren Gruppen zu üben, günstige Voraussetzungen für eine solche Orientierung bieten.
Die Integration der drei Tätigkeitsfelder (Verwendungssituation, Offiziersituation, Studien-situation) in einem Studiengang als Voraus-Setzung des Curriculums an einer Hochschule der Bundeswehr sollte nicht mißverstanden werden. Keinesfalls kann Integration bedeuten, daß die eher erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlichen Elemente, die sich aus der Offiziers-und Studiensituation herleiten, vor allem bei den technischen Studiengängen mehr oder minder zwanghaft mit mathematisch-naturwissenschaftlichen Elementen zusammenzufassen sind. Um es zu wiederholen: Die Zusammenfassung der Lernziele und Lerninhalte zu Lehreinheiten hat unter wissenschaftssystematischen und methodischen Gesichtspunkten zu erfolgen. Ist danach eine Verknüpfung von naturwissenschaftlich-technischen mit erziehungsund gesellschaftswissenschaftlichen Elementen möglich, sollte sie vorgenommen werden. Für einen Teil der erziehungs-und gesellschaftswissenschaftlichen Elemente wird es dagegen stets eigene Veranstaltungen geben. Diese Veranstaltungen sind wie die darin abzuhandelnden Thematiken jedoch keine Fremdkörper in einem „technischen" Studiengang, sondern gleichberechtigte und gleichwertige Elemente, auch wenn sie rein quantitativ in den vorliegenden Curriculum-Entwürfen „nur" etwa 20 Prozent der Zeit beanspruchen. Die Gleichwertigkeit ergibt sich aus der gleichen Wertigkeit der drei Situationen, für die das Studium Qualifikationen zu vermitteln hat. zu c) Für die Ortsbestimmung der Lehreinheiten im Studienablaut waren für alle Studiengänge eine Reihe von gemeinsamenGesichtspunkten maßgebend. Einmal erfolgte eine grobe Sortierung nach Grundlagen-, anwendungsbzogenen und Vertiefungsfächern, die sich etwa, vor allem in den technischen Fächern, weitgehend mit den Studienjahren deckt. Zweitens sollte der in vielen Teilen abstrakte Stoff der Grundlagenfächer nicht allein die Anfangsstadien bestimmen; so wurden, vor allem wieder in den technischen Fächern, neben Mathematik, Physik oder Chemie auch Lehreinheiten mit praktischen Elementen plaziert. Zur Bewältigung der Studien-situation erfolgt drittens eine allgemeine Orientierung im Rahmen eines Fachprojekts; parallel dazu vermittelt die Lehreinheit „Mathematik und Lernen" im ersten Trimester weitergehende lernpsychologische Erkenntnisse. Darauf aufbauend folgt im zweiten Trimester die Ausweitung des Arbeits-und Lernverhaltens auf den Gruppenaspekt, der über die Lehreinheit „Sozialisation" von der eher individualistischen und Kleingruppenperspektive zur gesellschaftlichen Dimension der verhaltensbestimmten Einflußgrößen führt. Im zweiten Studienjahr lockert sich viertens etwas der Zwang, eine bestimmte Reihenfolge einzuhalten. Zwischen dem 4., 5. und 6. Trimester lassen sich manche Lehreinheiten in der Abfolge austauschen. Entscheidend für die Plazierung sind dann Gesichtspunkte wie etwa die Nähe der Problemstellung. Im Mittelpunkt des letzten Studienjahres stehen Lehreinheiten, die eine Verwertung der erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten an konkreten Projekten eines möglichen späteren Verwendungsbereiches üben. Ein über die letzten Trimester laufendes Projekt soll verschiedene Elemente des jeweiligen Faches zusammenfügen und möglichst in die Diplomarbeit einmünden. Zwischen dem ersten und zweiten und dem zweiten und dritten Studienjahr bleibt jeweils Zeit für ein Praktikum.
Für das Curriculum Wirtschaftsund Organisationswissenschaften ergeben sich in diesem Zusammenhang drei Besonderheiten. Ähnlich wie in Pädagogik kann man erstens nicht so einfach wie in technischen Studiengängen zwischen Grundlagen-, anwendungsbezogenen und Vertiefungsthematiken unterscheiden. Zweitens beginnt die Spezialisierung auf eine der Vertiefungsrichtungen bereits im 5. Trimester. Drittens ist für alle Vertiefungsrichtungen im Unterschied zu den technischen Fächern, die meist erst im 8. oder 9. Trimester ein Projektstudium vorsehen, dies bereits zu Beginn des letzten Studienjahres geplant. zu d) Die Bestimmung des Zeitbedarfs richtete sich nach den Inhalten der Lehreinheiten, ihrem Schwierigkeitsgrad und den Lernzielen, die mit den Inhalten erreicht werden sollen. Die der Organisation zugrunde gelegte Wochenstundenzahl 24 in Wirtschafts-und Organisationswissenschaften (vgl.den Maßstab am Studienablaufplan) und 25 in den technischen Fächern muß unter dem Aspekt gesehen werden, daß hierbei auch Übungen und Gruppen-arbeiten enthalten sind. zu e) Besonders klar wird die Bedeutung der allgemeinen Lernziele für die Organisation des Studiums bei der Bestimmung der Veranstaltungsform (im Schema nicht angegeben). Vorlesungen sind unter partizipatorischen Gesichtspunkten wenig sinnvoll, wenn sie sich aufgrund der überall knappen Personal-lage auch nicht vermeiden lassen — im vor liegenden Fall etwa für „System-und Ent scheidungstheorie" oder „Einführung in die Verwaltungslehre" läßt sich auf reine Vorlesungen zugunsten des dialogischen Lehrgesprächs(als Vorlesung mit Frage und Antwort) verzichten. Die Eigentätigkeit des Studenten wird bei Diskussionen nach Textstudium wie für „Verfassungssystem und politischer Prozeß" oder „Sozialisation" und bei Seminaren, wo einzelne Studenten oder Arbeitsgruppen das Material für die jeweiligen Thematiken erarbeiten und mit einzelnen oder mehreren Dozenten diskutieren, am weitesten gefördert. Seminarcharakter im genannten Sinne sollten die Lehreinheiten „kollektive Sicherheit und internationale Politik" oder „Wirtschaftsordnung und politische Ökonomie" haben. Übungen, vor allem in Gruppen, unter Anleitung von Dozenten bereiten, wie bei „Rechnungswesen" oder „Sozialpsychologie", auf die Arbeitsweise in Seminaren vor. Sollte der jeweilige Dozent bei interdisziplinär angelegten Lehreinheiten, wie bei „Mathematik und Lernen", nicht in der Lage sein, beide Aspekte zu vertreten, so ist an „Teamteaching" als Vermittlungsform zu denken. Natürlich sind die genannten Formen nicht streng für die jeweilige Lehreinheit durchzuhalten, sondern in einer Lehreinheit nach den Bedürfnissen von Studenten, Dozenten und den Anforderungen des Fachs selbst kombinierbar. Bei einer Reihe von Problemstellungen wäre es erstrebenswert, Lehreinheiten auch von den Studenten aus interdisziplinär zu bestreiten. ’
Das S o z i a 1 w i s s e n s c h a f 11 i c h e Institut der Bundeswehr (früher Wissenschaftliches Institut für Erziehung und Bildung in den Streitkräften) ist ein Forschungsinstitut mit stark empirischer Ausrichtung. Es besteht seit Winter 1970/71 mit Sitz in München, beschäftigt im Augenblick 20 Wissenschaftler verschiedenster Fachrichtungen und wird z. Z. von Prof. Dr. Thomas Ellwein (Direktor) und Prof. Dr. Ralf Zoll (stellv. Direktor) geleitet. Bis 1973 bestand der Schwerpunkt der Institutsarbeit in der Entwicklung von Rahmencurricula für die Fachrichtungen der Hochschulen der Bundeswehr. Von den seit 1973 verstärkt betriebenen empirischen Untersuchungen in den Problembereichen „Organisation“, „Kommunikation", „Aus-und Weiterbildung" sowie „Militär und Gesellschaft' sind vor allem folgende Projekte zu erwähnen: eine Analyse der Sozialisationswirkungen der Bundeswehr bei Wehrpflichtigen (Sozialisationsstudie); die Analyse des Informationsangebotes der Bundeswehr im Bereich politischer Bildung (Informationsstudie); eine Analyse der Behandlung von Bundeswehr und Sicherheitspolitik in den Schulbüchern (Schulbuchstudie); eine Analyse der Ein-heitsführerfunktiönen und der Einstellung von Einheitsführern zu Politik und Gesellschaft (Einheitsführerstudie) und eine Analyse der Rekrutierungsmuster von Offiziersanwärtern (Rekrutierungsstudie). Im Bereich der Grundlagenforschung arbeitet das Institut an der Entwicklung von Instrumenten zur Messung tatsächlicher und erlebter Verfügungsgewalt (Einstellungs-Index-Studie) und an der Entwicklung neuerer Verfahren der multidimensionalen Kontingenztafelanalyse für die Sozialwissenschaften (Entwicklungsstudie „multidimensionale Verfahren“).
Helfen Sie mit, unser Angebot zu verbessern!
Ihre Meinung zählt: Wie nutzen und beurteilen Sie die Angebote der bpb? Das Marktforschungsinstitut Info GmbH führt im Auftrag der bpb eine Umfrage zur Qualität unserer Produkte durch – natürlich vollkommen anonym (Befragungsdauer ca. 20-25 Minuten).