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Funktion, Entstehung und Sprache von Parteiprogrammen | APuZ 34-35/1974 | bpb.de

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APuZ 34-35/1974 Probleme innerparteilicher Demokratie in der CDU Funktion, Entstehung und Sprache von Parteiprogrammen

Funktion, Entstehung und Sprache von Parteiprogrammen

Wulf Schönbohm

/ 53 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der Verfasser hat sich zum Ziel gesetzt, seine langjährigen praktischen Erfahrungen bei der Erarbeitung von Parteiprogrammen im Bereich der CDU unter Berücksichtigung der vorliegenden Literatur zu diesem Thema politologisch auszuwerten. Dabei werden auch die übrigen Parteien zum Vergleich herangezogen. Die Funktion von Parteiprogrammen hängt ab von der Aufgabenstellung der Parteien, wobei das Parteiprogramm nur eins von vielen Instrumenten zur Erfüllung der Partei-aufgaben ist und deshalb in seiner politischen Bedeutung nicht überschätzt werden darf. Das Parteiprogramm ermöglicht die politische Selbstdarstellung gegenüber dem Wähler und den Massenmedien und fördert die innerparteiliche Integration und Innovation. Während der Oppositionszeit ist es der CDU im Gegensatz zur SPD nur sehr beschränkt gelungen, ihr Parteiprogramm populär zu machen, während sie der Forderung nach innerparteilicher Integration und Innovation bei der Erarbeitung eines Programms gerecht wurde. Der politische Handlungsspielraum bei der Erarbeitung von Parteiprogrammen ist sehr stark eingeengt durch die bisherige Programmatik und Politik einer Partei. Die Erwartungen der bisherigen Mitglieder und Wähler sowie die verschiedenen innerparteilichen Gruppen, die das verabschiedete Programm in seinen politischen Grundzügen unterstützen müssen, wenn es wirksam werden soll, grenzen den politischen Handlungsspiel-raum weiter ein. Eine erfolglose Oppositionspartei wird in der Regel zu einer radikaleren Überprüfung ihrer bisherigen Politik bereit sein als eine Regierungspartei. Die theoretische Unterscheidung zwischen Grundsatz-und Aktionsprogramm ist in der politischen Praxis problematisch. Die Sprache von Parteiprogrammen kann nach Meinungs-und Funktionssprache unterschieden werden, wobei die Meinungssprache eher mit einem Grundsatzprogramm und die Funktionssprache eher mit einem Aktionsprogramm korrespondiert. Jede Partei versucht für ihre Programmatik griffige Kurzformeln sowie eine eigene Programmsprache zu entwickeln. Jedes Programm, das nicht in die ständige politische Arbeit einbezogen wird als Ausgangspunkt der politischen Überlegungen, wird weder innerhalb noch außerhalb der Partei auf Dauer Gewicht erhalten. Deswegen ist die politische Realisierung von Partei-programmen eine zumindest ebenso wichtige Aufgabe für Partei und Fraktion wie dessen Erarbeitung.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um den über-arbeiteten Artikel „über die Schwierigkeiten bei der Erarbeitung von Parteiprogrammen", der in der Materialsammlung zum Thema „Politik und Sprache" erscheint, die von der Politischen Akademie Eichholz der Konrad-Adenauer-Stiftung herausgegeben wird.

Eine Untersuchung über politische Programme, deren Aussagen, Vokabular und Stil, ist gleichermaßen reizvoll wie schwierig. Reizvoll, weil das Stichwort Parteiprogramm gemeinhin spontane Assoziationen wie langweilig, geistlos, Neckermannkatalog u. ä. provoziert, und schwierig, weil der Fülle des dazu vorhandenen empirischen Materials der Mangel an systematischen Arbeiten und eindeutigen Kriterien zur Verarbeitung dieses Materials entspricht So erhebt mein Beitrag keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern er stellt den Versuch dar, langjährige Erfahrungen bei der Erarbeitung von politischen Programmen im Bereich der Union politologisch auszuwerten

Parteiprogramme entstehen nicht im luftleeren Raum und werden nicht von wortgewaltigen Dichterfürsten im stillen Kämmerlein ausgebrütet; Parteiprogramme werden von Programmkommissionen der Parteien, eingesetzt durch deren Vorstände, erarbeitet und von Parteitagen verabschiedet. Das Parteiprogramm gibt die politische Marschrichtung einer Partei an, spiegelt die strategischen und taktischen Überlegungen der Partei wider und gibt Aufschluß über die innerparteilichen Kräfte und Mehrheitsverhältnisse. Wer von einem Parteiprogramm schöngeistige Stilübungen und tiefschürfende philosophische Erörterungen erwartet oder gar verlangt, überfordert es. Ein Parteiprogramm hat primär andere Aufgaben als die Befriedigung ästhetischer Bedürfnisse: es hat bestimmte politische Funktionen zu erfüllen. Die Funktionen von Parteiprogrammen, ihr Entstehungsprozeß und der politische Handlungsspielraum bei deren Erarbeitung sollen daher zunächst im Vordergrund stehen.

I. Funktion von Parteiprogrammen

Abbildung 3

Die Funktion von Parteiprogrammen kann nur abgeleitet werden von den Aufgaben der Parteien im allgemeinen, wobei das Programm eine bestimmte Funktion im gesamten Aufga-benspektrum einer Partei zu erfüllen hat. Flechtheim definiert die politische Partei sehr allgemein als „eine aut mehr oder weniger freier Werbung beruhende relativ festgefügte Kampforganisation, die innerhalb einer politischen Gebietskörperschaft (Staat, Gemeinde usw.) mittels der Übernahme von Stellen im Herrschaftsapparat so viel Macht besitzt oder zu erwerben sucht, daß sie ihre ideellen oder (bzw. und) materiellen Ziele verwirklichen kann.

Nach Sigmund Neumann haben die politischen Parteien vier entscheidende politische Funktionen:

-Organisation der politischen Willensbil-düng, — Darstellung des Gemeinwesens als eines Ganzen gegenüber Wählern und Interessen-verbänden, — Bindeglied zwischen Regierung und öffentlicher Meinung, — Auslese des politischen Führungspersonals. Diese Funktionsbeschreibung der politischen Parteien soll hier der Einfachheit halber als* Grundlage zu weiteren Erörterungen dienen und vor allem zu der Funktion von Parteiprogrammen überleiten. Das Parteiprogramm ist eines von mehreren wichtigen Hilfsmitteln zur Erfüllung dieser Funktionen. Grundsätzlich sind die nach außen und die nach innen gerichteten Funktionen eines Parteiprogramms zu unterscheiden die wiederum dann noch weiter differenziert werden können. 1. Außenwirkung: Selbstdarstellung gegenüber dem Wähler und den Massenmedien Jedes Parteiprogramm ist Teil der Gesamt-werbung einer Partei um den Wähler. Das Programm soll dem interessierten Wähler möglichst eindeutig und überzeugend die politische Alternative zu den anderen Parteien, die eigenen Vorzüge, die Schwächen der anderen aufzeigen; es ist Basis und Richtschnur für die detaillierten Sachentscheidungen der Partei. Das Programm muß bei Wahlen mehrheitsfähig und in absehbarer Zeit politisch realisierbar sein. Kaack differenziert dementsprechend nach der Werbungs-, Profil-, Agi-tations-und Operationsbasisfunktion

Das beste Parteiprogramm nutzt aber nichts und hat keinen politischen Effekt, wenn es nicht bekannt ist. Deshalb beginnt die eigentliche politische Arbeit für die Partei unter dem Aspekt der Außenwirkung erst nach Verabschiedung des Programms bei dem Versuch, dem Wähler die Vorzüge des neuen Programms und der neuen Politik vor Augen zu führen. Dies setzt voraus, daß das Programm von der großen Mehrheit der Partei getragen wird und bedingt eine schlagkräftige Parteiorganisation, die die wichtigsten Bevölkerungsgruppen anspricht. Denn die Zahl der Wähler, die von sich aus ein Parteiprogramm in die Hand nimmt und es durchliest, ist sicherlich verschwindend gering. Eine große Mehrheit der Wähler kennt nach einer EMNID-Umfrage keinerlei Einzelheiten über die Parteiprogramme, und selbst die Parteimitglieder kannten das Programm ihrer Partei kaum. So konnten z. B. auch SPD-Mitglieder nach der Verabschiedung des Godesberger Programms nicht viel mehr als das Gefühl äußern, daß die SPD einigen politischen Ballast abgeworfen habe Ein Programm lebt aber nur und wird bekannt, wenn bei jeder wichtigen politischen Initiative, Rede und sonstigen Verlautbarung darauf Bezug genommen wird.

Die CDU hat zum Beispiel in vorbildlicher Weise das Berliner Programm in der Partei diskutiert und es nach einem langwierigen Willensbildungsprozeß, der jede Gliederung voll beteiligte, beschlossen. Dies hatte sicherlich. einen sehr positiven innerparteilichen Effekt. Aber nach der Verabschiedung des Bet liner Programms war davon weder in der Partei noch in der Öffentlichkeit die Rede. Wür de man eine Stichprobe machen, wie viele Mitglieder und Funktionsträger der Partei, wie viele Parlamentarier das Berliner Programm kennen und es in ihre Überlegungen und politische Arbeit einbeziehen, so wäre der Prozentsatz sicherlich niederschmetternd gering. Im Gegensatz zur CDU hat die SPD ihr Godesberger Programm immer wieder ins Gespräch gebracht, als Grundlage ihrer Politik und ihrer konkreten Aussagen dargestellt, so daß heute das Godesberger Programm einen hohen Bekanntheitsgrad hat und es positiv beurteilt wird, obwohl es wenige gelesen haben dürften. Ein Programm ist also vor allem dann politisch etwas wert und erzielt einen Werbeeffekt, wenn eine Partei es versteht, die wichtigsten Aussagen beim Wähler bekanntzumachen.

Der zweite Weg zur Bekanntmachung eines politischen Programms ist neben der direkten Kontaktaufnahme mit dem Wähler die Mobilisierung der Massenmedien. Gerade weil der Durchschnittswähler keine Programme liest wird sein Urteil darüber wesentlich durch die Berichterstattung der Massenmedien beeinflußt. Von entscheidender Bedeutung für die politische Wirksamkeit eines Parteiprogramms ist daher seine Beurteilung durch Pre'sse, Rundfunk und Fernsehen. Ein Parteiprogramm, das die Massenmedien nach seiner Verabschiedung eher negativ beurteilen, hat kaum eine Chance, politisches Gewicht zu erhalten; es wird dann vor allem auch innerhalb der eigenen Partei nicht ernst genommen. Das publizistische Echo auf einen Programmparteitag entscheidet also weitgehend über die innet wie außerparteiliche Wirkung des verab schiedeten Programms. Insofern stellt die Durchführung von Programmparteitagen ® jede Parteiführung ein großes Risiko dar, We ein schlechtes Echo in der Öffentlichkeit da Partei schadet und letztlich der Parteiführung angelastet wird.

Programmparteitage sind auch deshalb S schwierig zu bewältigen, weil jeder PTe rammparteitag den Versuch darstellt, eine stimmte Fortschreibung und Akzentuierung r bisherigen Politik vorzunehmen, um da-juch eine politische Signalwirkung gegenber bestimmten Wählerschichten zu errei-jen. Gerade dies kann aber zu heftigen Kon-oversen und unbefriedigenden Ergebnissen ähren.

Einbeinah klassisches Beispiel für einen Pro-

rammparteitag, mit dem gerade diese ange-«ebte positive Signalwirkung nicht erreicht wurde, ist der Düsseldorfer Parteitag der CDU ton 1971, auf dem die zweite Fassung des Berliner Programms verabschiedet wurde. Nach dem Beschluß des Mainzer Parteitages von 1969 war es das Ziel der Fortschreibung des Berliner Programms, die Union attraktiver a machen bei der sogenannten neuen Mittelichicht, den Arbeitnehmern und den. Jugendichen. Deshalb sollten gesellschaftspolitische Fragen im Vordergrund stehen.

In der Berichterstattung der Massenmedien iberden Düsseldorfer Parteitag wurde (ob zu Becht oder zu Unrecht sei hier dahingestellt) ik Maßstab für die Reformfähigkeit der . nion auf gesellschaftspolitischem Gebiet die Entscheidung über die Mitbestimmung ge-vählt, deren Ergebnis durch die Berichterstatlag in den Medien eben gerade nicht die Simalwirkung erzielte, die man mit dem Parteiaq bei den angesprochenen Wählergruppen ugestrebt hatte. An dieser Tatsache ändert lieh der sicherlich richtige Einwand nichts, iil durch die beinahe ausschließliche Fixieng der Medien auf die Mitbestimmungsfrayeandere wichtige Aussagen des Programms mt«r den Tisch fielen. Dies war vorauszuse-»nund hätte von der Parteiführung berückschtigt werden müssen. Die negative Bericht-tstattung über den Düsseldorfer Mitbestim-nungsbeschluß ist sicherlich ein wesentlicher orund für den Stimmungsumschwung in der Partei, der zum Hamburger Mitbestimmungs-Schluß führte.Binnenwirkung:

und Innovation Innerparteiliche Integration Neben der erstrebten Außenwirkung eines auf den Wähler und die arteiprogramms Of-

ntlichkeit hat die Erarbeitung und die Ver-tbschiedung eines Parteiprogramms auch eine tentrale innerparteiliche Funktion. Die ein bis twe Jahre dauernde innerparteiliche Diskus-Son über ein neues Programm bietet Gelegenheit, überkommene Auffassungen in Frage zu stellen, unterschiedliche Standpunkte aus-111 iskutieren und die programmatischen Aus-sdgen angesichts der veränderten innen-und außenpolitischen Gegebenheiten fortzuschreiben, weil Parteiprogramme ohnehin allzuoft hinter gesamtgesellschaftlichen Fortentwicklungen herhinken.

Offenheit, innerverbandliche Demokratie, Sachbezogenheit und die Bereitschaft zur geistigen Erneuerung einer Partei zeigen sich vor allem im Verlauf einer Programmdiskussion. Sie erneuert und vertieft die Bindung des beteiligten Parteimitglieds an seine Partei, weil es diese Bindung auf eine rationalere politische Basis stellt und damit auch zu einem klareren Bekenntnis zur Partei in der Öffentlichkeit anregt. Es ist sicherlich nicht zu bestreiten, daß ein verabschiedetes Programm für die Parteiführung ein wesentliches Herr-Schafts-und Disziplinierungsinstrument bei der Interpretation und Handhabung des Programms darstellt Die Auseinandersetzun-

gen zwischen SPD-Vorstand und Jusos über die Interpretation des Goclesberger Pro-gramms zeigen dies deutlich. Flohr weist ergänzend darauf hin, daß gerade die Pro-grammdiskussion auch ein Mittel zur Austra-gung parleiinterner Machtkämpfe ist Der Unterschied zwischen dem Ahlener Programm der CDU und den Düsseldorfer Leitsätzen signalisiert zum Beispiel die damaligen Machtkämpfe zwischen den beiden wesentlichen Gruppen in der CDU um Jakob Kaiser und Konrad Adenauer

Die Bearbeitung eines Programms kann eine Partei diskussions-und konfliktfähiger machen, was vor allem dann eine positive Wirkung In der Öffentlichkeit erzielt, wenn interessierte Nichtparteimitglieder an dieser Diskussion beteiligt werden.

Deshalb ist das Verfahren, das den Ablauf der innerparteilichen Diskussion festlegt, von besonders großer Bedeutung für den Beitrag zur Klärung politisch strittiger Fragen in der Partei. In dieser Beziehung hat sich das von der CDU angewandte zweistufige Verfahren bei der Diskussion der zweiten Fassung des Berliner Programms bewährt. Zweistufiges Verfahren bedeutet, daß ein erster Programmentwurf von einer Programmkommission erarbeitet und in der Partei zur Diskussion gestellt wird. Der Bundesparteivorstand erarbeitet auf der Basis dieses Entwurfs und der dazu eingegangenen Änderungsanträge einen neuen Programmentwurf, der die Grundlage für die Diskussion und Antragstellung auf dem Parteitag darstellt. Dort wird dann die endgültige Fassung des Programms verabschiedet.

Dieses Verfahren bietet den Vorteil einer langen Diskussionszeit und ermöglicht es dem Vorstand, mit seinem eigenen Entwurf die politischen Korrekturen vorzunehmen, die er für notwendig hält angesichts der Reaktion von Seiten der Gliederungen und Vereinigungen der Partei. Praktisch bedeutet das in der Regel, daß der Vorstand diejenigen Passagen in seinem Entwurf wegläßt, die im Entwurf der Programmkommission zuvor starke Kritik und Widerstände hervorriefen wegen des politischen Inhalts, der Formulierung oder der gewählten Begriffe.

Vergleicht man z. B.den Entwurf der Pro. grammkommission für die zweite Fassung des Berliner Programms mit dem Entwurf de Bundesvorstandes, so läßt sich feststellen, da! der Bundesvorstandsentwurf eine in wesenti. chen Punkten entschärfte Vorlage da stellt

Bei dem zweistufigen Verfahren erhöht sih auch der Einfluß der hauptamtlichen Partei-mitarbeiter, die für die Zuarbeit und Betreuung der Programmkommission und des Partei-Vorstandes eingeteilt sind. Sie besitzen oft die beste Detailkenntnis und haben alle Phasen der Entstehung des Programms genau verfolgt. Der Einfluß dieser Parteiangestellten bs in die letzte Formulierung des Programms hinein muß insofern hoch eingestuft werdet also sowohl in der Programmkommission als auch im Bundesvorstand in der Regel Politiker mitarbeiten, die sich in ihren Ausführu gen und bei ihren Vorschlägen häufig auf die Konzepte dieser Mit-und Zuarbeiter stützen und diese sich auch im Auftrag ihrer politisch Verantwortlichen untereinander in Formulie rungsfragen abstimmen. Insofern verhindert das zweistufige Verfahren auch allzu radikale Veränderungen und verringert die Zahl der Konfliktfälle.

Wie weit ein Parteiprogramm in der inhaltlichen Aussage, in der Gliederung, der Wortwahl und im Stil sich sehr oder nur geringfügig von früheren Programmen abhebt, hängt beinahe ausschließlich von der politischen Ausgangssituation ab, in der sich die Partei zur Zeit der Verabschiedung des Programms befindet. Damit sind wir bei der Frage angelangt, wie der Entstehungsprozeß eines Parteiprogramms im einzelnen aussieht und durch welche Faktoren er beeinflußt wir, denn, es sei nochmals wiederholt: Parteiprogramme entstehen nicht im luftleeren Raum und auch nicht im stillen Kämmerlein.

II. Entstehungsprozeß und Beeinflussungsfaktoren von Parteiprogrammen

1. Politische Lage Nach dem Untergang des Nationalsozialismus im Jahr 1945 standen die neugegründeten demokratischen Parteien vor der einmaligen Situation des totalen Zusammenbruchs fast aller staatlichen und gesellschaftlichen Funktionen und der Notwendigkeit eines umfas-send angelegten Wiederaufbaues. Der Pol tisch, ethische, wirtschaftliche und sozial« Neubeginn war Herausforderung und Chand zugleich. Es ist einleuchtend, daß in einf Zeit der Existenzbedrohung durch materiels Mangel die wirtschafts-und gesellschaftspo tischen Fragen zunächst im Vordergru standen, was auch den Programmen aller Parteien aus dieser Zeit zu entnehmen ist. Partei-programme in einer solchen Ausnahmesituation müssen grundsätzlicher sein, Schlußfolgerungen aus der Vergangenheit ziehen und klare Schwerpunkte für die Zukunft erkennen lassen. Vergleicht man z. B. das Ahlener Programm der CDU von 1947 mit den Düsseldorfer Leitsätzen (1949), mit dem Hamburger Programm (1953), mit den nachfolgenden Wahl-programmen und dem Berliner Programm, so läßt sich feststellen, daß die Programme immer weniger grundsätzlich werden und immer weniger klare politische Schwerpunkte erkennen lassen; statt dessen werden sie wesentlich umfangreicher, detaillierter und „fachidiotischer“. Die prinzipiellen Aussagen erstarren zu Formeln, deren Zusammenhang mit den vielfältigen Einzelvorschlägen nicht mehr deutlich erkennbar ist. . Der Trend zum Pragmatismus ist unübersehbar“ er ist wohl damit zu erklären, daß nach halbwegs befriedigender Klärung und Entscheidung der Grundfragen von Staat und Gesellschaft (soweit dies überhaupt jemals der Fall ist) die Detailfragen und Einzelinteressen immer stärker in den Vordergrund rückten; aufgrund des vorhandenen breiten politischen Konsensus in Grundsatzfragen war den Parteien eine Profilierung weniger in Grund-als in Einzelfragen möglich. Spätestens seit Verabschiedung des Godesberger Programms im Jahre 1959 übernahm die SPD die wirtschaftspolitischen Grundvorstellungen der Union und mit der Bundestagsrede Herbert Wehners im Jahre 1961 auch ihre außen-und verteidigungspolitischen Grundvorstellungen. „Aus der Partei ohne Programm wurde in den sechziger Jahren eine programmlose Partei."

Damit war der Konfliktstoff in Grundsatzfragen weitgehend abgebaut. „Die SPD, zum Staate drängend, wurde zuerst Anti-Funktion der Regierung, und dann, nach einer lange vorbereiteten, in ihrer Rigorosität doch überraschenden Wendung tendenziell Regierungs-Mit-Partei, wieder nach dem Vorbild der Regierung Adenauer sich ausrichtend."

Erst mit Bildung der kleinen Koalition von SPD und FDP 1969 und dem Wiedererstarken neomarxistischer Gruppen innerhalb der SPD wurde die Übereinstimmung zwischen SPD und CDU/CSU in grundlegenden Positionen zunehmend in Frage gestellt Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist die Phase des reinen politischen Pragmatismus in der Bundesrepublik vorbei. Es beginnt eine Reideologisierung der Politik; eine zunehmende Polarisierung der großen politischen Parteien und Lager ist feststellbar. Die Reaktion aller politischen Parteien auf diese grundlegend geänderte Situation ist die Programmdiskussion. Die CDU verabschiedet ihr Berliner Programm 1969 und dessen Fortschreibung 1971. Sie diskutiert die beiden Berichte der CDU-Grundsatz-kommission 1972/73 und beschließt auf dem Hamburger Parteitag 1973, sich ein Grundsatzprogramm zu erarbeiten. Die SPD diskutiert seit 1972 Perspektiven für die achtziger Jahre und die FDP verabschiedet ihre Freiburger Thesen von 1971.

Neben der politischen Großwetterlage, die aus der Sicht der Parteien neue Programme erfordert oder nicht, ist vor allem die eigene parteipolitische Situation bestimmend für politische Ausrichtung und Formulierung eines Programms. Immer dann, wenn eine Partei noch nicht im Besitz der Regierungsmacht ist, sondern (wie 1949) entweder zum ersten Mal um die Regierungsmehrheit kämpft oder durch eine Wahlentscheidung erstmals oder wiederholt zur Oppositionspartei wurde, wird die Bereitschaft der Partei zu einem „radikaleren", politisch und begrifflich prägnanteren Programm zunehmen. Schärfer formuliert: Langjährige Regierungsparteien finden erst dann die Kraft zur politisch-programmatischen und geistigen Erneuerung sowie personellen Regeneration, wenn sie die Wahl bereits verloren haben. Dies läßt sich anhand von zahlreichen Beispielen belegen. Dafür seien nur die Reformbemühungen der englischen Konservativen nach der Wahlniederlage 1946 genannt die programmatische Neuorientierung der SPD nach den Wahlniederlagen von 1953 und 1957, die in das Godesberger Programm mündeten und das Salzburger Programm der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) von 1972, das eine Folge, der Wahlniederlage vom März 1970 war’ Auch die CDU verabschiedete erst 1968 im Gefolge der Großen Koalition, in der sie zum erstenmal in ihrer Geschichte die Regierungsmacht mit einem fast gleichstarken Partner teilen mußte, ihr Berliner Programm. 1971 beschloß sie als Konsequenz aus der Wahlniederlage von 1969 die zweite Fassung; seitdem ist sie mehr oder minder in einer ständigen Programmdiskussion, die in die Verabschiedung des CDU-Grundsatzprogramms münden wird.

Wie wichtig gerade die Beurteilung der Zukunftsaussichten einer Partei für die Bereitschaft zur Überprüfung bisheriger Positionen ist, läßt sich auch an der Erarbeitung der zweiten Fassung des Berliner Programms ersehen. Noch im frischen Eindruck des Verlusts der Regierungsbeteiligung hatte der CDU-Bundesparteitag in Mainz 1969 folgendes beschlossen: „Die Union muß daher ihre neue Aufgabe (Opposition) als eine Chance zur personellen, organisatorischen und sachlichen Erneuerung nutzen . . . Der Bundesparteitag fordert deshalb den Bundesvorstand auf, unverzüglich eine Kommission einzusetzen, die unter Berücksichtigung der neuen Aufgaben der Union ein Reformkonzept entwickelt, daß dem Bundesparteitag 1970 zur Beschlußfassung unterbreitet wird .. . Die Kommission soll bei ihrer Arbeit berücksichtigen, daß die Politik der Union insbesondere der jüngeren Generation, der Großstadtbevölkerung und Arbeitnehmerschaft verständlich und annehmbar gemacht wird.“

Um aber mehr Zeit für die Programmdiskussion zu haben, fand der Parteitag erst im Januar 1971 statt. Im Laufe des Jahres 1970 fingen sich jedoch Partei und Fraktion nach dem ersten Schock des Verlusts der Regierungsbeteiligung sehr schnell, und die in dieser Zeit stattfindenden Landtagswahlen brachten der Union teilweise beträchtliche Stimmengewinne. Diese scheinbar ersten deutlichen Anzeichen der Rückgewinnung der Regierungsbeteiligung ließen die 1969 noch eindeutig feststellbare Bereitschaft zur Infragestellung bisheriger Positionen sehr schnell wieder abkühlen; die Zurückschreibung des Programmentwurfs durch den Bundesparteivorstand die oben bereits skizziert wurde, war sicher-lieh nicht zuletzt eine Folge dieses politischen Klimawechsels in der Partei. Dieses Beispiel zeigt, wie leicht Parteien in der Gefahr stehen, sich zu sehr von aktuellen Ereignissen unter Vernachlässigung langfristiger Perspektiven leiten zu lassen.

Neben der Beurteilung der eigenen Lage wird das Programm auch durch die Politik des Hauptkonkurrenten bestimmt. Als Oppositionspartei wird das Programm vor allem die Schwächen und Fehler der jeweiligen Regierung aufgreifen und in diesen politischen Bereichen die eigene Alternative aufzeigen, während das Programm einer Regierungspartei besonders die bisherigen Erfolge der Regierungspolitik herausstellt und auf diesen aufbauend die zukünftigen Maßnahmen erläutert. Insofern werden Programme von Regierungsparteien auch immer vorsichtiger, pragmatischer, realitätsbezogener und Programme von Oppositionsparteien „radikaler“ sein.

Ein Parteiprogramm stellt auch die politisch-inhaltliche Umsetzung taktischer und strategischer Überlegungen dar. Das deutsche Dreiparteiensystem macht der jeweiligen Oppositionspartei die Formulierung politischer Ziele deshalb besonders schwer, weil jede Oppositionspartei berücksichtigen muß, daß sie fast nur mit einer der beiden Parteien, die gerade die Regierungskoalition bilden, die Regierungsbeteiligung zurückerobern kann. Daher muß die Oppositionspartei rechtzeitig entscheiden, welche der Regierungsparteien sie als Hauptangriffspunkt herausgreift oder ob sie eine Politik betreibt, die es ihr letztlich ermöglicht, mit jeder der aktuellen Regierungsparteien später einmal zu koalieren.

So sind Inhalt und Formulierung eines Parteiprogramms nie ausschließlich das Ergebnis politisch-prinzipieller Überlegungen, sondern auch das Resultat taktisch-strategischer Erwägungen. Unter diesem Gesichtspunkt ist die „Umarmungstaktik" der SPD gegenüber der CDU seit dem Godesberger Programm und der Wehner-Rede von 1961 zu sehen; sie schuf die Voraussetzung für die spätere Bildung der Großen Koalition, wodurch die SPD das Image einer regierungsfähigen Partei erhielt, und die wiederum war die Grundlage für die spätere Koalition mit der FDP, die sich nach links profiliert hatte. Es ist daher die Schwierigkeit jeder Oppositionspartei im deutschen Parteiensystem, neben der eigenen programmatischen Erneuerung auch die zukünftigen Koalitionsmöglichkeiten und -not-wendigkeiten im Auge zu behalten. 2. Eigene Politik und Programmatik Jede Partei ist bei der Formulierung und Erarbeitung eines neuen Programms eingebunden in ihre bisherige Politik, in ihre bisherigen Programme. Jedes Weglassen oder Hinzufügen bestimmter politischer Aussagen, zentraler Leitbegriffe, die Umstellung der Gliederung, wird von der Öffentlichkeit als politisches Signal, als Akzentverschiebung verstanden Dies zwingt die Programmdiskussion von vornherein in ein ziemlich enges Korsett; denn da jedes Weglassen und jede Neuformulierung interpretationsfähig ist, verstärkt dies die Tendenz in der Partei, Aussagen und Formulierungen nicht zu häufig und nicht zu weitgehend zu verändern. Also werden bestehende Programme und Aussagen ergänzt und detailliert, ohne daß damit bisherige zentrale Aussagen und Begriffe über Bord geworfen werden. Dies erklärt auch, warum viele Parteiprogramme so vollständig, so detailliert und oft auch unverständlich sind, zumal viele verklausulierte Formulierungen nicht endgültig ausgetragene politische Konflikte überbrücken sollen.

Neue Programme werfen insbesondere auch das Problem auf, in welchem Verhältnis das neue zum alten Programm steht. Verliert das alte Programm seine Gültigkeit, so muß das neue ähnlich vollständig sein und politische'Selbstverständlichkeiten der Vollständigkeit halber mit aufführen. Behält das alte Programm Gültigkeit, so stellt sich die Frage nach dem Verhältnis beider Programme besonders dann, wenn sie teilweise politisch gegensätzliche Aussagen beinhalten.

Für die CDU entstand dieses Problem bereits 1949 bei der Verabschiedung der Düsseldorfer Leitsätze, denn das 1947 beschlossene Ahle-ner Programm war eher vom Gedankengut des christlichen Sozialismus her geprägt, während im Gegensatz dazu die Düsseldorfer Leitsätze auf der neoliberalen Wirtschaftstheorie basierten. Die teilweise völlig gegensätzlichen Ansatzpunkte der christlichen Soziallehre und des ordnungspolitischen Liberalismus wurden in der CDU theoretisch nie ausdiskutiert, weil sich im Gefolge der erfolgreichen Wirtschaftspolitik Ludwig Erhards der Ordoliberalismus voll durchsetzte - Der damalige Konflikt wurde scheinbar durch folgende Formulierung in den Düsseldorfer Leitsätzen überdeckt: „Die vorwiegend eigentumsrechtlichen und gesellschaftspolitischen Grundsätze des Ahlener Programms werden anerkannt, jedoch nach der marktwirtschaftlichen Seite hin ergänzt und fortentwik-kelt." Auch das Verhältnis zwischen dem Berliner Programm und dem CDU-Regierungsprogramm von 1972 oder das Verhältnis zwischen Berliner Programm und den beiden Berichten der CDU-Grundsatzkommission, die von keinem Parteigremium verabschiedet wurden, ist weitgehend ungeklärt; der Stellenwert des Berliner Programms im Vergleich zum zukünftigen CDU-Grundsatzprogramm wird ebenfalls klärungsbedürftig sein.

Neben früheren Programmen schaffen die tägliche politische Arbeit der Partei auf Bundes-, Landes-und kommunaler Ebene, die Äußerungen ihrer führenden Politiker, die Beschlüsse ihrer Vereinigungen und Gliederungen zusätzliche Fakten, die die Erarbeitung eines neuen Programms einengen und kontrovers machen. Ein neues Parteiprogramm darf auch nicht den Eindruck erwecken, als ob sich die Partei von ihrer bisherigen Politik total gelöst habe, wodurch sie ihre Mitglieder und Wähler vor den Kopf stoßen und überfordern würde.

Die harten Auseinandersetzungen in der SPD bei der Verabschiedung des Godesberger Programms und die aktuellen Kontroversen über dessen Interpretation zeigen ebenso wie die Folgen der politischen Umorientierung der FDP in ihrer kurzen Oppositionszeit, daß grundlegende politische Veränderungen und Imageumprägungen nicht zu schnell und zu radikal vorgenommen werden dürfen; beide Parteien mußten ihre neue Politik mit Partei-austritten führender Politiker bezahlen.

Die Union ist die einzige demokratische Partei in der Bundesrepublik, die bisher ihre seit 1968 betriebene Programmdiskussion trotz aller gegenteiliger Voraussagen ohne schwere innerparteiliche Belastungen durchgeführt hat. Es wird die schwierige Aufgabe der Partei-und Fraktionsführung sein, die progtam-23 matische Fortschreibung der Unionspolitik energisch voranzutreiben, ohne dabei die Handlungsfähigkeit der Union zu gefährden. 3. Öffentlichkeit und Wähler Wie schon oben betont wurde, sind die Adressaten eines Parteiprogramms die veröffentlichte Meinung und die Wähler. Die Massenmedien greifen sich je nach politischem Standort natürlicherweise die politischen Aussagen und Formulierungen heraus, die ihnen bemerkenswert erscheinen. Da ein Parteiprogramm eine Wählermehrheit schaffen oder erhalten soll, spielt der angebliche oder wirkliche (soweit feststellbar) Wählerwille in der innerparteilichen Argumentation für oder gegen bestimmte Aussagen immer wieder eine besondere Rolle. Es gibt aber auch immer wieder Gruppen innerhalb einer Partei, die jede Rücksichtnahme auf Wählerströmungen als politischen Opportunismus verstehen. Sie argumentieren wie folgt:

Unsere Partei hat seit ihrem Bestehen und in ihrer langjährigen Geschichte immer bestimmte Prinzipien erfolgreich vertreten — diese müssen wir hochhalten. Ein Abweichen von diesen ehernen Prinzipien in der politischen Aussage oder in der Formulierung ist Anpassung an den Zeitgeist und Verrat an den Prinzipien. Und wenn wir bei den Wahlen schlecht abgeschnitten haben, dann deshalb, weil wir unsere Politik nicht deutlich genug formuliert haben

Diese Argumentation erklärt die eigene oder eine bestimmte historische Interpretation parteipolitischer Grundsätze für sakrosankt und verdammt von vornherein jede andere Politik. Sowohl in einigen gesellschaftspolitischen als auch vor allem in deutschlandpolitischen Fragen ist dies im Zusammenhang mit der Diskussion über die zweite Fassung des Berliner Programms der CDU eine beliebte Argumentation gewesen. Zitate wie „kollektiver Zug, Zurückweichen vor linksliberalen Kritikern, Druck nach links, erschreckende Identität mit den Forderungen des DGB und dem Programm der SPD, die oft fragwürdige Anpassungsbereitschaft, Bereitschaft zur Anpassung an die Realität und die Grundhaltung des Verzichts" usw. sind typisch für diese Argumentationsrichtung Letztlich ist der Hin-tergrund derartiger Auseinandersetzungen auf zwei gegensätzliche Positionen in bezug auf das Selbstverständnis als Partei zurückzuführen: Die Partei hat vor allem und in erster Linie die Aufgabe, die Regierungsmacht zu erobern, „das Anstreben des Wahlerfolgs ist der „Raison d'etre“ einer Partei“ oder: es ist ihre primäre Aufgabe, die als richtig angesehene Programmatik und Politik zu vertreten, unabhängig davon, wie das die Wahlaussichten im einzelnen beeinflußt. Flechtheim geht sogar so weit, eine neue Partei zu fordern, die „die allgemeinsten Interessen und umfassendsten Ideen zu ihrem Sonderanliegen macht ... Sie hätte aber deutlich zu machen, daß sie nicht erwartet, zur Mehrheitspartei zu werden"

Keine große Partei kann auf Dauer mit Erfolg eine der beiden Positionen ausschließlich beziehen, sondern muß in einem ständigen Diskussions-und politischen Innovationsprozeß versuchen, beiden Überlegungen gerecht zu werden. Deshalb ist Falke grundsätzlich zuzustimmen, wenn er zu dem Schluß kommt, daß organisationstheoretische Analysen wahrscheinlich auf Dauer fruchtbarere Ergebnisse liefern als die endlose Erörterung darüber, welche der beiden normativen Positionen nun die richtige sei Für die politische Praxis bei Programmdiskussionen in politischen Parteien ist damit allerdings der Gegensatz zwischen diesen beiden Grundpositionen nicht aufgehoben.

Deshalb bleibt die zweite wichtige Argumentationsmethode zur Begründung von Programmforderungen zu erörtern; es ist der Rückgriff auf den Wählerwillen, dessen Berücksichtigung den Wahlerfolg garantiere. Dabei besteht die große Gefahr, daß die eigenen Interessen mit denen von Wählergruppen verwechselt werden, weil man halbwegs fun-dierte sozialwissenschaftliche Untersuchungsergebnisse zu diesem Thema entweder nicht kennt oder nicht zur Kenntnis nehmen will. Es gibt zum Beispiel eine Vielzahl von Aussagen des Berliner Programms der CDU, die vor allem bei internen Sitzungen, aber auch auf dem Parteitag erfolgreich damit begründet wurden, daß durch bestimmte Aussagen beispielsweise in der Deutschlandpolitik oder in der Wirtschaftspolitik die Vertriebenen bzw. die mittelstandige Wirtschaft usw. verprellt werden könnten, ohne daß die Richtigkeit dieser Aussagen ernsthaft angezweifelt oder überprüft wurde. Dies ist im übrigen die Gefahr von Vereinigungen, die für bestimmte politische Aussagen in bestimmten Sachbereichen und für bestimmte Wählergruppen als besonders „zuständig“ gelten, obwohl ihre Forderungen häufig an den Problemen derjenigen, die sie eigentlich vertreten wollen, vorbeigehen.

Der Versuch, ein Parteiprogramm an Wähler-gruppen und deren Wünschen auszurichten, kann also allein schon daran partiell oder total scheitern, daß man sich aus Bequemlichkeit oder Desinteresse falsche Vorstellungen von den Wünschen der Wähler macht. Die richtige Handhabung und Interpretation solider Umfrageergebnisse ist die Voraussetzung für eine rationale Diskussion über den Wählerwillen. Nichts ist allerdings gefährlicher für eine Partei, als den Wähler in seinem Urteilsvermögen zu unterschätzen oder die eigene Politik an dem gerade aktuellen Wählerwillen auszurichten, ohne mittel-und langfristige Perspektiven zu berücksichtigen.

Die Kontroversen entzünden sich in der Partei auch oft daran, daß die einen sich vor allem an den traditionellen Stammwählern ausrichten, während andere Gruppen sich vor allem auf die sogenannten Wechselwähler konzentrieren. Diejenigen, die vor allem den Stammwähler meinen, wenn sie vom Wähler sprechen, werden eher eine behutsamere und . konservativere" Aussage wählen, während diejenigen, die sich an den Wechselwählern orientieren, versuchen, neue politische Aussagen und Ideen einzubringen und auch Formulierungen und Begriffe zu wählen, die einen Stammwähler eher befremden, einen Wechselwähler aber für die Partei interessieren könnten. Da sich selten die eine oder andere der aufgezählten Argumentationsrichtungen eindeutig und klar in allen Fragen durchsetzt, ist es also nicht verwunderlich, wenn ein Parteiprogramm in der Regel sowohl von der Aussag als auch von der Formulierung her keinen einheitlichen Duktus besitzt.

4. Volkspartei

Die CDU kann insofern zu Recht als eine Partei neuen Typs bezeichnet werden, als sie 1949 vor dem Hintergrund des Parteiensystems der Weimarer Republik und des Deutschen Kaiserreichs die erste Partei war, die den Anspruch erhob, sowohl in programmatischer als auch konfessioneller und schichten-spezifischer Hinsicht Volkspartei zu sein. Eine Volkspartei lehnt die einseitige Bindung an eine bestimmte Klasse bzw. Schicht ab und versucht durch Ansprache und Integration aller wichtigen Bevölkerungsschichten mehrheitsfähig zu sein. Dieser Anspruch hat den Verzicht auf eine einheitliche Weltanschauung oder Theorie zur Folge und verlangt von ihr programmatische Offenheit und die Anerkennung des innerparteilichen Pluralismus. Gruppen und Vereinigungen mit bestimmten Interessen innerhalb der Partei sind daher kein geduldetes Übel, sondern ein notwendiges Instrument zur Integration der verschiedenen Interessen zu einem politischen Gesamtwillen. Die Chance der Volkspartei ist ihr realitätsbezogener Pragmatismus, ihre politische Offenheit und ihre Attraktivität für alle Bevölkerungsschichten; die Gefahr der Volkspartei ist ihre mangelnde programmatische Schärfe, der schwerfällige und schwierige Willensbildungsprozeß, die drohende Handlungsunfähigkeit. Die Volkspartei steht immer wieder neu vor der Aufgabe, einen Kompromiß in kontroversen Fragen zu finden, der sachlich vertretbar ist und von der Gesamtpartei getragen wird. „Der wirkliche Erfolg einer demokratischen Volkspartei zeigt sich darin, ob sie beides kann: eine große Schar von Wählern anziehen, sehr verschiedene Interessen in sich vereinigen und doch die nötige Geschlossenheit für tatkräftiges Handeln aufbringen."

Unter diesem Gesichtspunkt wird die Parteiführung immer bemüht sein, die Gremien für die Formulierung von Programmentwürfen so zusammenzusetzen, daß die wichtigsten Gruppen und Vereinigungen darin bereits vertreten sind; dies wird andererseits notwendigerweise auf Kosten der Klarheit und Prägnanz in Formulierung und Aussage des Programms gehen. Insofern überfordert jeder von vornherein das Programm einer Volkspartei, der es anhand ähnlicher Kriterien beurteilt wie einen Schulaufsatz, einen Intellektuellenaufruf oder die Verlautbarung einer Regie-rung Wer also die Entstehung einer bestimmten politischen Aussage oder Formulierung in einem Programm verstehen und nachvollziehen will, der muß sich auch die personelle Zusammensetzung und politische Struktur der Programmkommission und der politischen Entscheidungsgremien vor Augen führen, denn die vorgelegten Entwürfe können zwar geändert und umgeschrieben werden, aber sie haben doch eine stark präjudizierende Wirkung.

Verfolgt man den Willensbildungsprozeß zu einem Parteiprogramm in einer Volkspartei, so fällt auf, daß die Diskussion sehr bald durch Beschlüsse der Gliederungen und Vereinigungen strukturiert wird. An diese Beschlüsse sind die Vorsitzenden und wichtigen Repräsentanten dieser Gliederungen und Vereinigungen zunächst einmal gebunden, und sie haben am Ende der Programmdiskussion vor ihren Gremien darüber Rechenschaft abzulegen, inwieweit es ihnen gelungen ist, den eigenen Forderungen im beschlossenen Programm auch zum Durchbruch zu verhelfen. Deshalb sind Kontroversen über inhaltliche oder Formulierungsfragen oft zusätzlich durch Prestigeüberlegungen aufgeladen, denn Abstimmungssieg oder -niederlage entschei.det über Prestigegewinn oder -minderung für den betroffenen Vorsitzenden und dessen Führungsmannschaft. „Die dem Typus Volkspartei weitgehend entsprechende CDU bietet durch ihre Offenheit gegenüber gesellschaftlichen Interessen, durch ihre innere Heterogenität und pluralistische Struktur gute Voraussetzungen für erfolgreiche außer-und innerparteiliche Einwirkungen auf ihren sachpolitisch-programmatischen Willensbildungsprozeß.“

Obwohl diese Aussage grundsätzlich richtig ist, ist es für die CDU z. B. eine nicht einfach zu realisierende Aufgabe zu verhindern, daß eine bestimmte Vereinigung permanent unterliegt, weil dies auf Dauer die Integration dieser Vereinigung in die Gesamtpartei gefährdet. Da oft keine Seite in der Sache nachgeben will, werden dann verbale Kompromisse gefunden, die einen allzu großen Gesichtsverlust der jeweils Betroffenen verhindern, die Klarheit der politischen Aussage allerdings abschwächen. Je größer die politische Bandbreite einer Volkspartei ist, um so zahlreicher werden derartige Formelkompromisse (Leer-formeln) im Programm anzutreffen sein.

III. Sprache von Parteiprogrammen

Auf dem Hintergrund des bisher Gesagten wird deutlich, wie vergleichsweise gering der Handlungsspielraum für eine Partei bei der Erarbeitung eines neuen politischen Programms in bezug auf den Inhalt ist und welche zahlreichen Faktoren ihn beeinflussen. Außerdem werden die Einheitlichkeit und Stringenz von politischer Aussage und politischer Sprache in einem Programm dadurch stark eingeschränkt, daß eine Vielzahl von verschiedenen, teilweise gegensätzlichen Einflüssen sich bei der endgültigen Formulierung durchsetzen. Je mehr ein politisches Programm das Ergebnis eines wirklich demokratischen Willensbildungsprozesses von unten nach oben ist, um so weniger lassen sich Stil-brüche, sprachliche Unkorrektheiten und terminologische Unklarheiten vermeiden. Deshalb ist es auch leicht, vor allem sprachliche Schwächen in einem Programm nachzuweisen; für die Beurteilung eines Programms sollte dies allerdings nicht der alleinige Maßstab sein.

Der Erwartungshorizont innerhalb und außerhalb der Parteien gegenüber politischen Programmen ist zu hoch. Das Programm soll neue Wähler und Mitglieder werben, den existierenden Wählern und Mitgliedern die eigenen Ziele verdeutlichen, konkrete Problemlösungsvorschläge für verschiedene Sachbereiche anbieten, die gesellschaftliche Wirklichkeit analysieren und daraus Forderungen für die Zukunft folgern; es soll für jeden Bürger verständlich, für einen Fachmann aber nicht zu banal sein, es soll eine klare Abgrenzung gegenüber dem politischen Gegner vornehmen, ohne dauernd von ihm zu sprechen: Dies alles und möglichst vieles andere mehr müßte ein Programm leisten, und so besteht die Gefahr, daß der Versuch unternommen wird, allen Forderungen gerecht zu werden, ohne einer wirklich genügen zu können.

Ein Programm erarbeiten, heißt vor allem, klare politische Schwerpunkte zu setzen und eindeutig zu sagen, was eine Partei mit diesem Programm erreichen und leisten will.

Es wurde bereits betont, daß Inhalt und Sprache eines politischen Programms vor allem auch unter dem Gesichtspunkt der Werbe-wirksamkeit und der Attraktivität für potentielle Wähler gesehen werden müssen; es läßt sich schwerlich bestreiten, daß für diejenigen, die ein Parteiprogramm formulieren, nicht nur die Frage im Vordergrund steht, was politisch richtig ist, sondern auch, was vom Wähler erwartet und verlangt wird. Deshalb erscheint es legitim, Erkenntnisse über die Gemeinsamkeiten kommerzieller und politischer Werbung auch auf unser Them anzuwenden So stellt z. B. Hanns Linhardt folgendes fest:

, 1. Jede Werbung, die politische wie die kommerzielle, muß gegenständlich sein.

2. Die gegenständliche Werbung muß vom Besonderen zum Allgemeinen durchstoßen oder vom Allgemeinen zum Besonderen hinkommen. 3. Das Allgemeine muß auf höhere individuelle oder soziale Werte abzielen und damit zu identifizieren sein.

4. Die Zielprojektion des Allgemeinen darf nicht zu weit gehen.

5. Der Spannungsbogen zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen muß entsprechend richtig bemessen sein."

Das richtige Spannungsverhältnis, die richtige Mischung zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen, dies nun ist genau eines der zentralen Probleme bei der Erarbeitung eines Programms. 1. Anlage und Struktur des Programms Dem Problem des richtigen Verhältnisses zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen versuchten die Parteien terminologisch durch die Unterscheidung zwischen Grundsatz-und Aktionsprogramm Rechnung zu tragen Wenn diese Unterscheidung sinnvoll sein soll, dann muß man von einem Grundsatzprogramm erwarten, daß es die grundlegenden politischen Prinzipien einer Partei formuliert. Ein Grundsatzprogramm kann keinen Katalog konkreter Aktivitäten ähnlich wie ein Regierungsprogramm enthalten. Die einmal festgelegten Prinzipien werden auch nicht jedes Jahr verändert und überarbeitet, denn das Grundsatzprogramm einer Partei ist Vergleichbar mit der Verfassung eines Staates. Auch diese beinhaltet die wesentlichen Prinzipien, auf denen der Staat basiert, und wird nur in besonderen Fällen geändert.

Nach Flohr soll ein Grundsatzprogramm vor allem folgende Funktionen erfüllen:

Es soll — den Wähler über die Politik des kommenden Jahrzehnts, über das gesamtpolitische Leitbild informieren, — die Formulierung und Interpretation von Grundanliegen, Wertprämissen liefern, — eine Analyse und Bestandsaufnahme der Gesellschaft, der sozialen Situation sowie der politischen Möglichkeiten vermitteln

Während Flohr Forderungen an ein Grundsatzprogramm unter dem Gesichtspunkt „rationaler Politik" entwickelt, formuliert Kaack eher unter Berücksichtigung praktischer Überlegungen aus der Sicht der Parteien: „Die Grundsatzprogramme müssen so allgemein gehalten und damit im Grunde genommen unverbindlich sein, daß sie für längere Zeit gültig blieben, aber dennoch offen sind für Veränderungen in den strukturellen Grund-bedingungen der Politik und in konkreten politischen Entwicklungen."

Ein Aktionsprogramm ist mit de Gesetzen vergleichbar, die basierend auf der Verfassung (auf dem Grundsatzprogramm) zu konkrete Problemen verabschiedet werden. Es verdeutlicht die Interpretation und Handhabung der politischen Prinzipien anhand konkreter Probleme; es bestimmt die Prioritäten und die einzelnen Notwendigkeiten praktischer Politik einer Partei

Neben der Konkretisierung des Grundsatzprogramms bis zu Details wie der Aufzählung der Subventionen, die gekürzt werden sollen, fordert Flohr: „Solche Programme müssen Informationen über die Politik der Partei während der kommenden Legislaturperiode enthalten." Damit wird praktisch die oben von Kaack zitierte Unterscheidung von Ak-tionsund Regierungsprogramm weitgehend aufgehoben.

So leicht die Trennung in Grundsatz-und Aktionsprogramm theoretisch nachvollziehbar ist, so schwierig ist es in der politischen Praxis, dem Rechnung zu tragen. Grundsätzlich stellt sich die Frage, inwieweit die Trennung in ein Grundsatz-und ein Aktionsprogramm überhaupt sinnvoll ist, weil das angestrebte SpannungsVerhältnis zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen einseitig zugunsten des einen oder anderen aufgehoben ist. Die Gefahr eines Aktionsprogramms liegt darin, einen Warenhauskatalog von wünschenswerten Forderungen zu präsentieren, ohne daß ein roter Faden, eine politische Stoßrichtung, politische Prioritäten erkennbar sind. Ein Grundsatzprogramm hingegen muß sich davor hüten, in der Wiederholung und Aufzählung von Allgemeinplätzen oder abstrakten Prinzipien steckenzubleiben und dadurch politisch fad und esoterisch zu wirken.

Wie wenig diese Fragen auch bei den Parteien berücksichtigt und geklärt sind, zeigen meines Erachtens ihre Programme. Das Go-desberger Programm wird von der SPD als ein Grundsatzprogramm bezeichnet, obwohl es gerade in den Grundsätzen unklar und ambivalent ist, so daß zwei völlig gegensätzliche Richtungen in der SPD sich gleichzeitig auf das Godesberger Programm berufen können; andererseits beinhaltet das Godesberger Programm Einzelforderungen und -aussagen, die kaum in ein Grundsatzprogramm gehören dürften. Die CSU wiederum verabschiedete 1968 ein Grundsatzprogramm das aus zahlreichen allgemeinen Einzelforderungen ohne Gesamtzusammenhang besteht und daher eher dem Typus Aktionsprogramm zuzurechnen ist. Die „Freiburger Thesen der Liberalen" dagegen stellen auf dem Hintergrund der Frage Grundsatz-oder Aktionsprogramm eine interessante Variante dar, da sie in einer Einleitung die Prinzipien liberaler Gesellschaftspolitik darstellen und erläutern, um diese anschließend anhand der vier konkreten Themenbereiche: Eigentumsordnung, Vermögens-bildung, Mitbestimmung, Umweltpolitik zu verdeutlichen. Dies scheint mir eine recht ge-

lungene Möglichkeit zur Lösung des ange-sprochenen Spannungsverhältnisses zwischen Allgemeinen und Besonderen zu sein.

Besonders überzeugend scheint unter diesem Aspekt auch das Salzburger Programm der Österreichischen Volkspartei (OVP) zu sein welches neben einem einleitenden historischen Rückblick und der Formulierung des eigenen Selbstverständnisses ein Grundsatz-kapitel sowie die Kapitel „Neue Verantwortung in der Gesellschaft" und „Neue Verantwortung für den Menschen" enthält Die Verbindung politischer Prinzipien mit „Semi-Konkretionen" für die praktische politische Arbeit ist deshalb gelungen, weil sie einen überzeugenden Weg zwischen der Allgemeinheit eines reinen Grundsatz-und der Detail-anhäufung eines reinen Aktionsprogramms darstellt.

Die CDU besitzt bis zum heutigen Tage kein Grundsatzprogramm, sondern hatte bis zur Verabschiedung des Berliner Programms verschiedene Wahlplattformen und Regierungsprogramme, die jeweils vor den Wahlen ohne längere Diskussion in der Partei von den Parteitagen verabschiedet wurden. Die erste und zweite Fassung des Berliner Programms der CDU sind eindeutig Aktionsprogramme. Die ursprüngliche Überlegung der Programmkommission zur Fortschreibung des Berliner Programms ging allerdings dahin, den Versuch zu machen, prinzipielle Aussagen stärker mit darauf basierenden konkreten politischen Einzelforderungen zu verbinden. Dazu sollte, ausgehend von der Präambel des Gesamtprogramms, jedem Einzelkapitel wiederum eine Kapitelpräambel vorausgeschickt werden, die zu den Detailforderungen hinführt. Schon im Verlauf der Beratung in der Programmkommission wurde die Tendenz deutlich, die sich dann im Vorstandsentwurf noch stärker durchsetzte, die Kapitelpräambeln möglichst zu kürzen und die nachfolgenden Aussagen durch immer mehr Details anzureichern. Dies ging auf Kosten der klaren politischen Linie und der Lesbarkeit

Der Detail-und Vollständigkeitsfetischismus der „Fachleute" in einer Programmkommission kann dazu führen, daß aus einem geplanB lag Programm eine beziehungslose Aneinan-derreihung von dem Laien kaum verständli-chen Detailforderungen wird. Sie sind für den jeweiligen Fachmann und die jeweilige Interessengruppe vielleicht von Bedeutung, lassen aber die große politische Linie und die klaren Prioritäten völlig vermissen. Dies war wohl auch das Manko des Berliner Pro-aramms, denn sonst wäre es kaum zu verstehen, daß nach Verabschiedung seiner zweiten Fassung im Januar 1971 bereits im Dezember 1971 eine Grundsatzkommission vom CDU-Bundesvorstand eingesetzt wurde, mit dem Auftrag, folgende Fragen zu beantworten:

a Vor welchen Herausforderungen stehen Mensch, Gesellschaft und Staat in unserer Zeit? bpolitischen Werte und Ziele leiten uns im Angesicht dieser Herausforderung?“

Die Einsetzung einer solchen Kommission wurde deshalb notwendig, weil auch die weite Fassung des Berliner Programms offensichtlich keine ausreichende Antwort auf diese Fragen gab. Die bereits verabschiedeten finzelaussagen sollten nachträglich program-matisch überhöht und in einem politischen Ge-samtzusammenhang gestellt werden.

Die CDU-Grundsatzkommission, deren Tätigkeit mit dem Bundesparteitag im November 1973 endete, erarbeitete zwei Berichte für den Parteitag, wobei der letzte in die Forderung lach der Erarbeitung eines CDU-Grundsatz-programms mündete. Schon der erste Bericht der Grundsatzkommission und dann noch wesentlich später ihr zweiter Bericht machten den Versuch, die Interpretation der eigenen politischen Prinzipien, die Analyse der gesellschaftlichen Gegebenheiten sowie die Erar-beitung von konkreten politischen Forderungen miteinander zu verknüpfen Genau ta müßte, wie ich meine, auch von einem künftigen CDU-Grundsatzprogramm geleistet »erden. 'eben der zentralen Frage Grundsatz-oder Aktionsprogramm stellen sich im Zusammenhang mit der Anlage und Struktur des Pro-gramms weitere Probleme, z. B.: Wie erfolgt die Gliederung in Einzelkapitel, Bezeichnung des Programms, in welchem Umfang und in welcher Form wird das Programm präsentiert?

Die GJiederung eines Programms in Unterkapitelist weniger eine formale Frage der Logik, sondern vor allem eine politische Frage, da leicht von der Reihenfolge der Themen auf eine politische Rangfolge geschlossen wird.

Dies wurde besonders deutlich bei der Erarbeitung der zweiten Fassung des Berliner Programms der CDU. Dort war von der Programmkommission im Gegensatz zur ersten Fassung des Berliner Programms als erstes Kapitel „Bildung, Wissenschaft und Forschung" und als letztes Kapitel die Außenpolitik vorgesehen. Die Begründung dafür war, die CDU könne durch diese Umstellung demonstrieren, daß sie der Bildungs-und Gesellschaftspolitik nunmehr einen besonderen Vorrang gebe; außerdem müsse zunächst einmal dargestellt werden, welche innen-und gesellschaftspolitischen Ziele man verfolge, die man durch die Außenpolitik absichern wolle. Der Bundesvorstand folgte dieser Argumentation nicht, sondern begann mit der Außenpolitik. Auch der Parteitag war der Auffassung, „daß eine außenpolitische Absicherung unseres Landes überhaupt die Grundvoraussetzung dafür ist, daß wir Bildungspolitik, Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik betreiben können." Die CSU beginnt ebenfalls ihr Grundsatzprogramm mit einem außenpolitischen Kapitel. Im Godesberger Programm der SPD ist fast die Hälfte des gesamten Kapitels „staatliche Ordnung“ der Landesverteidigung gewidmet; dies laßt sich nur mit dem Bemühen der damaligen SPD erklären, besonders zu betonen, welch wichtiges politisches Anliegen ihr (mittlerweile) die Landesverteidigung ist

Diese Beispiele zeigen welch eminent politische Bedeutung Gliederungsfragen bei Partei-programmen haben können. Das gilt auch für Kapitelüberschriften. So hatte die Programm-kommission in ihrem Entwurf folgende Über-schrift vorgesehen: „Soziale Marktwirtschaft als Gesellschaftspolitik", während der Parteitag die vom Bundesvorstand vorgeschlagene Formulierung „Die soziale Marktwirtschaft Grundlage einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung" annahm. Politischer Hintergrunddieses scheinbar belanglosen Unterschiedes in der Formulierung ist der alte Streit in der CDU zwischen denjenigen, die Soziale Marktwirtschaft als ein gesellschaftspolitisches Gesamtkonzept interpretieren, und denjenigen, die die soziale Marktwirtschaft als ein wirtschaftspolitisches Ordnungsmodell verstehen, das durch soziale und gesellschaftspolitische Maßnahmen ergänzt wird.

Traditionell erfolgt die Bezeichnung der Parteiprogrammenach den Orten, an denen der Parteitag das Programm verabschiedet hat (Godesberger, Berliner Programm usw.). Das Grundsatzprogramm der Jungen Union weicht von dieser Tradition zum erstenmal ab durch die Bezeichnung „Für eine humane Gesellschaft". Dieser Titel stellt den schwierigen Versuch dar, das Konzept des Grundsatzprogramms in einer plakativen Formulierung wiederzugeben; sie ist sozusagen das Markenzeichen, unter dem die Mitglieder die programmatische Auseinandersetzung führen. Die „Soziale Marktwirtschaft“ der CDU, die Erhardsche „Formierte Gesellschaft", die Barzelsche „Humane Leistungsgesellschaft“, der „demokratische Sozialismus" der SPD, die „Doppelstrategie" der Jusos und die „Liberale Politik" der FDP sind ähnliche Versuche, programmatische Ansätze in verbale Markenzeichen umzusetzen; sie waren oder sind gedacht als zentraler Leitbegriff, als roter Faden der Gesamtprogrammatik, ohne daß sie unbedingt mit der Bezeichnung des Programms identisch sein müssen. Die Änderung oder Neuformulierung derartiger Leitbegriffe signalisiert immer wichtige programmatische Veränderungen.

Das gilt für die JU (Für eine humane Gesellschaft), die Jusos (Doppelstrategie) und die SPD (von „sozialdemokratischer Politik" zu „demokratischem Sozialismus").

Ob die CDU einen für ihre Gesamtprogrammatik zentralen neuen Leitbegriff findet, wird sich im Zusammenhang mit der Beratung des Grundsatzprogramms herausstellen. Die von der CDU-Grundsatzkommission besonders herausgestellte Formel „verantwortete Freiheit" hat sich in der CDU bisher nicht durchgesetzt. Weniger politische als praktische Bedeutung hat die Frage, wie ein Programm von der äußeren Form her präsentiert werden soll. Zunächst ist es sicherlich erforderlich, die Länge eines Parteiprogramms auf ein erträgliches Maß zu begrenzen. Allzu umfangreiche Programme gehen auf Kosten der Geschlossenheit und Überzeugungskraft. Deshalb sollten die Detailaussagen begrenzt sein. Die Tendenz läuft bei Programmdiskussionen aber eher gegenläufig, weil jede Gruppe und Vereinigung der Partei sich mit ihrer Forderung und mit ihrem Problem durch entsprechende Aussagen im Programm repräsentiert sehen will

Die FDP hat mit ihren Freiburger Thesen zum erstenmal den Versuch gemacht, das Pro-gramm in Form von Thesen mit jeweiliger Begründung zu formulieren. Dies strukturiert den Text stärker und gibt die Möglichkeit Zentralaussagen in den Thesen hervorzuheben und in der Begründung diese durch Argumente und Hinweise auf Analysen näher zu erläutern. Allerdings stellt sich dabei das Problem, die strikte Trennung zwischen These und Begründung jeweils durchzuhalten; außerdem besteht die Gefahr, daß der Leser durch die ausführlichen Begründungen den Gesamtzusammenhang des Programms aus den Augen verliert Wahrscheinlich empfiehlt es sich am ehesten, ein Programm in der Art und Weise des Salzburger Programms der OVP von Struktur und äußerer Form her anzulegen und daneben eine „Langfassung" vorzusehen, in der die Aussagen der einzelnen Programmkapitel durch zusätzliche Analysen, Argumente, Statistiken usw. belegt und erläutert werden. Dies kann auch deshalb sinnvoll sein, weil die zu Recht geforderte gesamtgesellschaftliche Anlayse in einem Programm quasi als Vorstufe der Programmberatungen und -formulierung nicht oder selten erscheint. Uber Analysen läßt sich auf einem Parteitag auch schwer abstimmen. 2. Programmsprache „Der politische Erfolg unserer Partei wird entscheidend davon abhängen, ob es gelingt, eine Sprache zu finden und zu praktizieren, die unsere Sprache ist. Sprache ... ist nicht nur ein Mittel der Kommunikation. Wie die Auseinandersetzung mit der Linken zeigt, ist Sprache auch ein wichtiges Mittel der Strategie. Was sich heute in unserem Land vollzieht, ist eine Revolution neuer Art. Es ist die Revolution der Gesellschaft durch die Sprache. . . . Statt der Gebäude der Regierungen werden die Begriffe besetzt, mit denen sie re giert, die Begriffe, mit denen wir unsere staat-idhe Ordnung, unsere Rechte und Pflichten, unsere Institutionen beschreiben.“

Dieses Zitat aus der Rede von Professor Bie-denkopf

dem CDU-Bundesparteitag inauf Hamburg formuliert besonders plastisch den Stellenwert von Sprache und Begriffen in der Politik. Vor das Problem „richtige“ Formulierungen ist daher jede Partei bei der Erarbeitung eines Programms gestellt. Ein Programm, das niemand versteht, ist unbrauchbar.

Auch die folgende Feststellung Biedenkopfs ist sicherlich zutreffend und in jeder Partei populär: „In vielen Gesprächen in Landes-und Kreisverbänden bin ich immer wieder auf die Frage gestoßen, ob es nicht möglich sei, unsere Politik so darzustellen, daß unsere politischen Aussagen auch ohne umfangreiche Kommentare verständlich sind." Anders formuliert: Ein Programm muß von dem Mann auf der Straße" verstanden werden.

Richtig daran ist sicherlich, daß die Sprache eines Programms nicht nur für einen speziellen Kreis von politischen Fachleuten verständlich sein darf; allerdings meine ich, daß ein Programm für den vielzitierten „Mann auf der Straße" genauso unbrauchbar ist, wie ein Programm für Esoteriker. Denn während das letztere keine politische Wirkung erzielt, weil es zu wenig Wähler anspricht, wird ersteres nur einen geringen politischen Effekt erzielen, weil es sprachlich und damit auch inhaltlich so anspruchslos und banal ist, daß es jeden nur halbwegs politisch Interessierten ab-stößt.

Die Wirksamkeit politischer Argumente hängt entscheidend davon ab, ob die von den politischen Akteuren gebrauchten Begriffe mit der im Bewußsein der . Empfänger’ erfahrenen politischen Wirklichkeit übereinstimmen. Deshalb muß jede Programmsprache den Begriffshorizont derjenigen berücksichtigen, an die sich das Programm insbesondere wendet. Die politische Sprache ist aber eine Fachsprache mit einer bestimmten Terminologie, die zwangsläufig nur von einer begrenzten Zahl der Wähler und auch Mitglieder verstanden wird.

Nach verschiedenen sozialwissenschaftlichen Untersuchungen werden bestimmte politische Begriffe von Angehörigen der unteren und mittleren sozialen Schichten, also dem grö-—

ßeren Teil der Bevölkerung, falsch verstanden, oder sie wissen damit gar nichts anzufangen. So verstehen z. B. 49% der Arbeitnehmer unter „Mitbestimmung" (im Unternehmen) „Teilnahme des einzelnen an politischen Entscheidungen", 37% verstehen unter „Herausforderung des Kommunismus“, „Empfängnisbereitschaft für kommunistische Ideen“, also das Gegenteil, und 25 % interpretieren den Begriff „Wettbewerbspolitische Kontrolle" als „wettbewerbshemmende Kontrollmaßnahmen durch den Staat" Soll man deshalb auf derartige Begriffe im Programm verzichten?

Dieses Phänomen, daß bestimmte Fachbegriffe in weiten Teilen der Bevölkerung falsch oder unterschiedlich verstanden werden, ist sicherlich auch bei allgemeineren politischen Begriffen, wie Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit usw., anzutreffen. Unter dem Gesichtspunkt der politischen Propaganda ist die genaue Definition dieser allgemeinen und damit auch ambivalenten Begriffe für die Parteien allerdings weniger wichtig, sondern in diesem Zusammenhang ist es interessanter, ob diese Begriffe bei der Mehrheit der Wähler positiv oder negativ besetzt sind. Deshalb ist die Feststellung von Janßen durchaus zutreffend und demonstriert die skrupellose Handhabung politischer Propaganda: „Auch Diktatoren pflegen sich als Demokraten, Freiheitskämpfer und Friedensfreunde aufzuführen. Die Radikalen hierzulande, die offiziell als Verfassungsfeinde angeprangert werden, bekennen sich allemal zur Verfassung."

Die Erkenntnis, daß politische Fachbegriffe von der Mehrheit der Bevölkerung nicht verstanden werden und die allgemeinen politischen Begriffe des täglichen Sprachgebrauchs positiv oder negativ besetzt sind, ist sicherlich die wichtigste Ursache dafür, daß sich die Wahlkämpfe der politischen Parteien in ihrer Werbung immer stärker reduziert haben auf einige wenige Slogans, die eine möglichst geschickte Kombination verschiedener positiver Begriffe darstellen.

Ein Parteiprogramm sollte allerdings in seinem Anspruchsniveau nicht auf das eines politischen Werbefeldzuges reduziert werden und kann sich deshalb auch nicht an dem zitierten „Mann auf der Straße" orientieren. Der Adressat eines Programmes ist nicht der Fließbandarbeiter und nicht der Politologieprofessor, sondern der politisch interessierte und kritikfähige Bürger. Dies schließt beson-ders auch die Journalisten ein, die, wie bereits oben dargelegt, eine wichtige Mittlerfunktion zwischen dem Programm und den Rezipienten der Massenmedien ausüben.

Aus dem bisher Gesagten lassen sich von zwei verschiedenen Ansätzen her insgesamt fünf Kategorien von Sprache entwickeln, die sich teilweise überschneiden: Zum einen wäre die Meinungs-und die Funktionssprache zu unterscheiden, zum anderen gilt es, zwischen der eigenen politischen Sprache, der neutralen Sprache und der Sprache des politischen Gegners zu differenzieren.

a) Meinungsund Funktionssprache

Die theoretische Trennung in Meinungs-und Funktionssprache ist ein Hilfsmittel zur Beurteilung und Analyse von politischen Verlautbarungen Die Meinungssprache vermittelt Deutungen der Wirklichkeit. Sie basiert auf Werten, benutzt häufig Worte wie Demokratie, Freiheit, Gerechtigkeit usw. Es ist die Sprache der Bekenntnisse, der Meinungen, der Behauptungen und der Appelle; sie ist auch die Sprache der Ideologen. Die durch die Meinungssprache vermittelten Deutungen der Wirklichkeit haben oft wenig mit der Wirklichkeit zu tun. Die Begriffe der Meinungssprache stehen in der Gefahr, die realen Gegebenheiten nicht adäquat wiederzugeben. Am konsequentesten wird die Meinungssprache von Marxisten, aber auch Faschisten benutzt. Die Attraktivität der Marxisten aller Schattierungen ist unter anderem auch darauf zurückzuführen, daß sie ein einfaches Deutungsschema mit einem entsprechend ideologischen Begriffsinstrumentarium anbieten. So werden aus „Interessengegensätzen", „Klassenkämpfe“ und aus „Werbung", „Konsumterror”; aus der „Parteidiktatur" wird die „Volksdemokratie". Alles, was dem eigenen Deutungschema entsprechend negativ ist, wird auch sprachlich übersteigert und emotional aufgeladen, so daß aus einer vergleichsweise harmlosen Angelegenheit wie der „Werbung", „Konsumterror" wird. Die eigene Politik wird dementsprechend sprachlich überhöht und positiv verbalisiert. Dem Marxismus kann man daher als den radikalsten und konsequentesten Versuch ansehen, eine Umdeutung der Wirklichkeit durch eine Umprägung der Begriffe vorzunehmen.

Aber auch demokratische Sozialisten bedienen sich der Meinungssprache, was an den Beschlüssen und Verlautbarungen der Jungsozialisten zu ersehen ist. Ferner ist das Godesberger Programm insbesondere in seinem Anfangs-und Schlußteil durch die Meinungssprache geprägt. Dies sei durch folgende Zitate belegt:

„In unsere Hand ist die Verantwortung gelegt für eine glückliche Zukunft oder für die Selbstzerstörung der Menschheit. Nur durch eine neue und bessere Ordnung der Gesellschaft öffnet der Mensch den Weg in seiet Freiheit. Diese neue und bessere Ordnung erstrebt der demokratische Sozialismus." „Sozialismus wird nur durch die Demokratie verwirklicht, die Demokratie durch den Sozialismuserfüllt."

„Die sozialistische Bewegung erfüllt eine geschichtliche Aufgabe ... Die Vorrechte der herrschenden Klasse zu beseitigen .,. das war und das ist der Sinn des Sozialismus."

„Darum ist die Hoffnung der Welt eine Ordnung, die auf den Grundwerten des demokratischen Sozialismus aufbaut .. .“

Das Godesberger Programm der SPD ist ein Grundsatzprogramm, es liegt nahe, daß besonders Grundsatzprogramme sich der Meinungssprache bedienen. Dies zeigen auch das JU-Grundsatzprogramm „Für eine humane Gesellschaft” und die beiden Berichte der CDU-Grundsatzkommission, die im Vergleich zum Berliner Programm wesentlich stärker von der Meinungssprache Gebrauch machen. Meinungssprache, Grundsatzprogramm und Leer-formeln korrespondieren relativ stark miteinander

Im Gegensatz zur Meinungssprache vermittelt die Funktionssprache Beschreibungen der Wirklichkeit. Sie basiert auf einer realitätsbezogenen, stark mit Fakten und Zahlen angereicherten Analyse der gesellschaftlichen Gegebenheiten. Sie differenziert bis in die kleinsten Details und formuliert eine Fülle von konkreten Einzelforderungen. Es ist die Sprache der „Fachidioten" und die der Aktionsprogramme. Pragmatismus und Funktionssprache gehören zusammen wie Ideologie und Meinungssprache. Das Berliner Programm 65 enthält — typisch für ein Aktionsprogramm _ eine Fülle von Fachausdrücken, von denen hier einige herausgegriffen seien: Da ist im bildungspolitischen Kapitel die Rede von Curriculum-Entwicklung“, „Milieusperren", Kernpflichtfächern", „beschützenden Werkstätten“, „Habilitierten", „Zulassungsbeschränkungen", „Stufenschwerpunkte“ sowie der „Fachwissenschaft mit Fachdidak-tik“

Im Kapitel „soziale Marktwirtschaft" wird gesprochen von „aktiver Konjunkturpolitik", . gesamtwirtschaftlichen Wachstumsmöglichkeiten“, „funktionsfähigen Wechselkursen", „mittelfristiger Finanzplanung", „Bruttosozialprodukt“, „Eigenkapitalerstattung“, „Produktivkapital", „Harmonisierung der Steuersysteme“, „nationalen und internationalen Verzer-rungen", „funktionsfähige Wettbewerb", . qualitativem Wirtschaftswachstum", „funktionsgerechter Mitbestimmung“, „partnerschaftlicher Zusammenarbeit", „partnerschaftlicher Familie" usw.

Die Zitate ließen sich endlos fortsetzen und zeigen, welch fachspezifisches Vokabular man beherrschen muß, wenn man in der Funktionssprache geschriebene Aktionsprogramme verstehen will. Noch deutlicher wird dies bei der Durchsicht der Beschlüsse des Hamburger CDU-Parteitages, wo z. B. im Beschluß zum Bodenrecht von „Infrastrukturerstattung“, „abgaberechtlichen Maßnahmen", . totem öffentlichem Kapital", „Planungsvollzugsinstrumenten", „städtebaulichen Zugriffs-instrumenten" usw. die Rede ist.

Die Funktionssprache ist die Sprache der Pragmatiker und Technokraten, die Meinungssprache der Ideologen und Dogmatiker. Vergleicht man beide Spracharten miteinander, so wird verständlich, wieso die Apologeten der Meinungssprache und die der Funktionssprache so leicht aneinander vorbeireden. Nicht umsonst werfen „Ideologen“

den „Technokraten" Meinungssprache)

(Funktionssprache) vor, daß sie ein fachidiotisches Vokabular benutzten, das die Bevölkerung nicht verstehe, während umgekehrt die •Technokraten" den „Ideologen" vorhalten, * sie würden mit Fremdwörtern, einem soziologischen Kauderwelsch und wirklichkeitsfremden Forderungen die Wähler verunsichern und vor den Kopf stoßen.

Spätestens hier dürfte deutlich werden, daß keine der beiden Spracharten in ihrer reinsten und extremsten Form als Programmsprache zu empfehlen ist. Es wird daher die schwierige Aufgabe jeder Partei sein, eine Mischung zwischen Meinungs-und Funktionssprache zu praktizieren und damit Beschreibung und Deutung der Wirklichkeit zu leisten, ohne in die Extreme zu verfallen. Einer derartigen Sprache würde ein Grundsatzprogramm mit Semi-Konkretionen entsprechen, wie es oben für das Salzburger Programm der OVP als nachahmenswert hingestellt wurde.

Die Aufteilung in zwei Spracharten läßt sich auch personalisieren, denn in jeder Partei gibt es bestimmte Politiker, die stärker die Meinungsoder die Funktionssprache bevorzugen. So wären z. B. in der SPD Jochen Steffen, in der CDU Norbert Blüm, in der FDP Hermann Flach eher den Meinungssprachlern zuzuordnen; während Helmut Schmidt von der SPD Gerhard Stoltenberg von der CDU und Walter Scheel von der FDP eher den Funktionssprachlern angehören. Es ist selbstverständlich, daß sich die Sprache der Politiker auch an aktuellen Gegebenheiten und taktischen Erwägungen orientiert’ Die Politiker aber, die glaubwürdig beide Sprach-und Denkstile zu einer überzeugenden eigenen Sprache integrieren können, sind selten. Sie werden immer eine besondere Attraktivität innerhalb und außerhalb der Partei besitzen. b) Neutrale Begriile Gilt die Unterscheidung von Meinungsund Funktionssprache ganz generell für die politische Sprache, so bezieht sich die Unterscheidung in neutrale, eigene und konkurrierende Begriffe vor allem auf die Sprache parteipolitischer Texte und hier insbesondere auf Parteiprogramme. Unter neutralen Begriffen werden solche verstanden, die im allgemeinen Sprachgebrauch üblich und selbstverständlich sind und keine spezielle parteipolitische Aus-prägung erfahren haben: Dies sind vor allem die traditionellen Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität, Gleichheit, Demokratie usw. Derartige Begriffe gehören zum programmatischen Grundbestand jeder demokratischen Partei, da dies auch ihrer historischen Entwicklung und ihrem politischen Selbstverständnis entspricht. Vor allem FDP und SPD verdeutlichen in ihren Programmen, daß ihre aktuelle politische Tätigkeit und Existenz als Partei auf dem Hintergrund des Liberalismus bzw. Sozialismus im 18. und 19. Jahrhundert zu sehen ist Für die CDU jedoch als einer im Jahre 1949 neu gegründeten Partei ist dieser direkte Bezug auf die Vergangenheit nicht möglich.

Angesichts des bestehenden Konsensus über Grundfragen der Politik bei den demokratischen Parteien ist die Berufung auf dieselben Grundwerte nicht verwunderlich. Deshalb ist auch deren unterschiedliche Interpretation und ihre gegenseitige Wechselwirkung bei den Parteien von Interesse. Das SPD-Grundsatzprogramm stellt fest: „Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität . . . sind die Grundwerte des sozialistischen Wollens." In der Präambel des Berliner Programms heißt es: „Die Christlich-Demokratische Union Deutschlands orientiert ihre Politik an den Grundsätzen christlicher Verantwortung. Zielsetzungen dieser Politik sind die Freiheit des einzelnen, der sich der Gemeinschaft verpflichtet weiß, die Gerechtigkeit und die Chancengleichheit für jedermann sowie die Solidarität aller Bürger, die auf der Eigenverantwortung der Person aufbaut." Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sind bei beiden Parteien zentrale Begriffe, wobei die CDU noch zusätzlich die Chancengleichheit erwähnt. Obwohl beide Parteien fast dieselben zentralen Begriffe verwenden, handelt es sich einmal um die Grundwerte „des sozialistischen Wollens“ bzw.des „demokratischen Sozialismus" und das andere Mal um eine Politik, „die sich an den Grundsätzen christlicher Verantwortung orientiert". Beide Parteien können diese Begriffe als zentral für ihre eigene Programmatik herausstellen, weil sie allgemeine Gültigkeit haben und keine spezifische parteipolitische oder sonstige Bindung an eine Interessengruppe signalisieren. c)

Eigene Begriffe Ganz anders hingegen ist es bei den Begriffen und Begriffskombinationen, die sozusagen termini technici und Markenzeichen der Programmsprache der jeweiligen Partei geworden sind. Solche Begriffskombinationen sind für die CDU z. B. . soziale Marktwirtschaft', „Politik aus christlicher Verantwortung" und für die SPD „demokratischer Sozialismus'und „Demokratisierung". Jede Partei muß sich deshalb darüber im klaren sein, daß das Weglassen bestimmter Reizworte, die als Markenzeichen für die eigene Programmatik gelten, eine politische Signalwirkung hervorrufen wird. Dies gilt im übrigen auch für weniger zentrale Begriffe. So hat z. B.der CDU-Bundesparteivorstand im Zusammenhang mit der Beratung des Berliner Programms (zweite Fassung) bei der Einleitungspräambel zu dem Kapitel „Soziale Marktwirtschaft" folgende zwei Zusätze vorgeschlagen und auch durchgesetzt, die vorher im Entwurf der Programm-kommission nicht vorgesehen waren. Der beschlossene Satz-nach der Annahme des Änderungsvorschlages lautet: „Wir wollen die soziale Marktwirtschaft so fortentwickeln, daß die persönliche Initiative gestärkt und immer mehr Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt verwirklicht wird." „Die persönliche Initiative gestärkt" wurde zusätzlich durch den Vorstand eingeführt und war nicht vorgesehen. Etwas ähnliches hat der Vorstand in derselben Ziffer durchgesetzt, als es darum ging, darzustellen, was die Soziale Marktwirtschaft für alle Bürger verwirklichen und sichern kann; außer „persönliche Freiheit", „Gleichheit der Chancen", „wachsender Wohlstand" und „sozialer Fortschritt" wurde „Eigentum" durch den Vorstand ergänzt.

Die Förderung des Eigentums und der persönlichen Initiative rn der Wirtschaftsund Gesellschaftspolitik sind von jeher Charakteristika der CDU gewesen, und offensichtlich befürchtete man, daß die Kapitelpräambel ohne diese Zusätze für bisherige Wähler und Mitglieder der Union mißverständlich sein könnte. Es ist naheliegend, daß derartige begriffliche Markenzeichen der Parteien leicht zu Leerformeln werden die ohne die Kenntnis des Bedeutungshorizontes und der historischen Entwicklung der Partei nicht mehr ohne weiteres verständlich sind. d) Gegnerische Begriffe Eine noch viel stärkere politische Signalwirkung kann eine Partei erzielen, wenn sie bestimmte Begriffe übernimmt, die eher durch den parteipolitischen Konkurrenten vorgeprägt und mit dessen Progranunsprache verbunden sind. Wie stark die Zurückhaltung ist gegenüber der Übernahme von Begriffen in die Programmsprache, die politisch ambivalent oder dem politischen Gegner zuzuordnen sind, zeigt die Entstehung der Präambel des Berliner Programms der CDU. In dem Entwurf der Programmkommission war im Zusammenhang mit den Zielsetzungen der CDU-Politik von der „Selbstverwirklichung der Person" sowie der „Chancengleichheit" die Rede, außerdem fand sich dort folgender Satz: „Die auf dem Leitbild der dynamischen Demokratie beruhende Politik der CDU will den gesellschaftlichen Fortschritt fördern und die Bedingungen für eine freie Selbstentfaltung der Person schaffen." Der Parteivorstand strich in seinem Entwurf den gesamten letzten Satz sowie die Begriffe „Selbstverwirklichung der Person" und „Chancengleichheit". Reizworte wie „dynamische Demokratie", den gesellschaftlichen Fortschritt fördern", . Selbstverwirklichung der Person“ und . Chancengleichheit" wurden als offensichtlich atypisch für die CDU-Programmsprache und als mißverständlich abgelehnt. Es ist eines der erfreulichen Ergebnisse des Düsseldorfer Parteitages, daß dieser die alte Fassung der Programmkommission bis auf die Formulierung „Selbstverwirklichung der Person" wieder voll herstellte und damit dem Vorstand in seiner Argumentation nicht folgte’

Ein weiterer grundsätzlicher Streitpunkt auf dem Düsseldorfer Parteitag war die Interpretation des Begriffs „Demokratie". Während der Parteivorstand in seinem Entwurf formuliert hatte: „In der Demokratie müssen die Rechte des einzelnen und die Rechte der Gemeinschaft aufeinander abgestimmt werden; eine Politisierung privater Bereiche unter dem Vorwand der Demokratisierung lehnen wir ab“ so wurde durch die Antragskommission und die Junge Union eine eher ge-gensätzliche Formulierung mit folgendem Wortlaut durchgesetzt: „Die Grundwerte der Demokratie gelten nicht nur für den staatlichen Bereich; die schematische Übertragung der Strukturprinzipien parlamentarischer Demokratie auf den gesellschaftlichen oder privaten Bereich ist aber nicht möglich." Die Negativbegrenzung des Parteivorstandes gegenüber der „Demokratisierung" wurde positiv umgemünzt und gleichzeitig eingegrenzt, so daß Mißverständnisse vermieden wurden. Damit hatte der Parteitag zwar den schillern-den Begriff des politischen Gegners „Demokratisierung“ nicht selber benutzt, aber doch eine ähnliche Aussage inhaltlicher Art gemacht.

Dagegen spricht die FDP in ihren Freiburger Thesen ganz ungeniert von der Notwendigkeit der „Demokratisierung" der Gesellschaft Sie versucht, durch die Verklammerung der beiden Begriffe „Liberalisierung" und „Demokratisierung", den letzteren für ihre eigene Programmsprache zu usurpieren. Im ersten Bericht der CDU-Grundsatzkommis-sion werden Begriffe wie „Lebensqualität“, „humane Gesellschaft“, „Humanisierung der technischen Welt“, „Selbstverwirklichung des Menschen“ positiv genannt In dem zweiten Bericht ist von „Selbstbestimmung" anstelle von „Fremdbestimmung" und von „Emanzipation" die Rede All dies sind Begriffe, die in dem bisherigen Repertoire der CDU-Programmsprache nicht zu finden waren und deshalb auch innerhalb und außerhalb der Partei einige Kritik provoziert haben.

Interessant ist auch, wie sich in der CDU die Terminologie in bezug auf die Mitbestimmung geändert hat. Während das Berliner Programm noch von „funktionsgerechter Mitbestimmung in partnerschaftlicher Zusammenarbeit" spricht beschloß der Hamburger Parteitag im November 1973 zu dem Thema, daß das neue Unternehmensrecht „ein partnerschaftliches Verhältnis von Arbeitnehmern, Kapitaleigner und Unternehmensleitung auf der Grundlage der Parität gewährleisten" soll Während der Düsseldorfer Parteitag der CDU noch bewußt von „funktionsgerechter Mitbestimmung" sprach und das Reizwort „Parität" auf jeden Fall vermied, wurde es zwei Jahre später auf dem Hamburger Parteitag akzeptiert.

An diesen wenigen Beispielen läßt sich zeigen, wie schwer sich eine große Partei wie die CDU tut, ihr traditionelles Programm-Vokabular durch neue Begriffe zu erweitern. Dies ist durchaus verständlich, denn eine Partei würde unglaubwürdig werden, wenn sie alle paar Jahre ihr programmatisches Vokabular und damit letztlich auch ihre Politik änderte Auf der anderen Seite besteht für jede Partei die Gefahr der politischen Erstarrung, wenn sie ihr programmatisches Vokabular in keiner Weise ergänzt und erneuert, weil sie dann auf Dauer den Anschluß an die gesellschaftspolitische Diskussion verliert; denn politische Sprache und politisches Denken sind letztlich nicht zu trennen, und neuartige Probleme und Entwicklungstendenzen benötigen adäquate Bezeichnungen. Insofern ist für mich die Fähigkeit einer Partei, rechtzeitig neuartige Begriffe in ihre Programm-Sprache und ihren Sprachschatz einzubeziehen, auch ein Maßstab für ihre politische Innovationsfähigkeit. Wenn neue Begriffe die zutreffende und auch griffige sprachliche Beschreibung neuer Probleme darstellen, dann sollte eigentlich die Frage zweitrangig sein, wer diesen Begriff als erster erfunden und in die politische Diskussion eingeführt hat; denn je länger man bestimmte Begriffe nur dem politischen Konkurrenten überläßt, desto schneller werden sie ausschließlich ihm zugeordnet" Vor allem zwingt auch die ständige Auseinandersetzung mit dem politischen Konkurrenten, neue Begriffe selbst zu finden, um damit die politische Diskussion zu prägen.

IV. Parteiprogramm und politische Realisierung

Die folgende Funktionsbeschreibung eines Parteiprogramms von Flechtheim scheint nur nach wie vor zutreffend zu sein: „Das Programm einer politischen Partei soll vor allem über ihren Charakter und ihre Ziele Aufschluß geben. .. . Das Programm einer Partei ist nämlich auch ihre Visitenkarte nach außen — es wird stets mehr oder weniger .frisiert'sein. Es mag zur inneren Einigung der Partei und zum Ausgleich zwischen verschiedenen, ja sogar entgegengesetzten politischen Strömungen in der Partei beitragen. ... Man wird — so schwierig das sein mag — nicht umhin können, den Zusammenhang zwischen der Programmatik einer Partei, ihrer organisatorischen, sozialen usw. Struktur und ihrem gesamten Verhalten im politischen Alltag zu untersuchen. Alle drei Ebenen stehen in Wechselwirkung miteinander."

Wenngleich sich diese Arbeit beinahe ausschließlich auf die Programmatik der Parteien und weniger auf die von Flechtheim angesprochene Wechselbeziehung der drei Ebenen konzentriert, so sei abschließend doch in aller Kürze auf die Frage nach der Realisierung von Parteiprogrammen eingegangen. Narr erhebt „die bewußt gemachte Korrelation von Programm und Praxis zur unabweislichen Forderung. Aus der Art, wie die jeweilige Partei ihm nachkommt, läßt sich ihr politischer Typus weit eher ablesen als aus der Sicht der analysierten Parteiorganisation etwa. ,.. Programm und Praxis ermöglichen aneinander wechselseitig geübte Kritik und verhindern das Verschwimmen der einen in Ideologie und Utopie und das un-bzw. nach-politische Aufgehen der anderen im bloßen Management bürokratischer Herkunft" ’ Diese starke Betonung der Programm-Praxis-bzw. Ziel-Mittel-Spannung ist auch bei Heiner Flohr zu finden. Er favorisiert daher besonders das Aktions-und Regierungsprogramm, das aufgrund seiner konkreten Aussagen vom kritischen Wähler auf Realisierbarkeit hin überprüft werden kann. Nach seiner Auffassung muß die Formulierung von Zielaussagen in Programmen folgenden Kriterien genügen: — Eindeutigkeit des Geltungsmodus _ Operationalitat der Aussagen _ Zeitliche Begrenzung auf die Legislaturperiode _ Realisierbarkeit der Ziele innerhalb der Legislaturperiode (detaillierter Finanz-plan)

-Orientierung an Konzeptionen _ Verbindlichkeit des Programms (unter Berücksichtigung zukünftiger Entwicklungen)

Es ist das Verdienst von Flohr, Kriterien für die Beurteilung von Programmen entwickelt zu haben; allerdings richtet sich der politische Entstehungsund Entscheidungsprozeß der Parteien in Programmfragen nur sehr wenig danach, so daß das Ergebnis bei der Handhabung der Kriterien immer niederschmetternd sein muß. Die entscheidende Frage ist daher auch, ob für den „kritischen Wähler', dessen Existenz hier einmal vorausgesetzt werden soll, das Programm einer Partei und die enge Übereinstimmung von Programm und Praxis wirklich wahlausschlaggebend sind. Wahrscheinlich wird der Wähler (von den Stammwählern einmal abgesehen) seine Stimmabgabe viel eher danach ausrichten, ob die Politik der jeweiligen Regierung seinen Interessen und Forderungen entspricht, unabhängig davon, ob diese Politik nach ihrem Parteiprogramm oder ihrer Wahlplattform erfolgt.

Trotzdem kann es sich auf Dauer keine Partei leisten, in der politischen Praxis ständig gegen eigene Programme und Parteitagsbeschlüsse zu verstoßen. Wird die Diskrepanz zwischen Parteitagsbeschlüssen und politischer Praxis zu groß, stellt dies die Funktion von Programmen sowie die Glaubwürdigkeit der gesamten Partei in Frage

Das besondere Problem der Opposition ist es, daß sie ihre Programme nicht in die politische Realität umsetzen kann (wenn man von der Länder-und Gemeindeebene absieht), sondern im wesentlichen die Politik der Regierung kritisch begleitet. Ihre einzige „Realisierungsmöglichkeit“ von Programmen ist das Einbringen von Gesetzentwürfen im Parlament, die in der Regel aber abgelehnt oder von der Regierung übernommen und von der Öffentlichkeit ihr und nicht der Opposition zugerechnet werden

Zwar sind die Zeiten, in denen der Ausspruch von Hermann-Josef Dufhues „Programmdiskussionen sind Angelegenheiten der SPD — wir wollen handeln" in der CDU Unterstützung fände, seit langem vorbei, denn die CDU besitzt ein Aktionsprogramm, erarbeitet ein Grundsatzprogramm und hat zu allen wesentlichen politischen Fragen ergänzende Parteitagsbeschlüsse vorzuweisen. Dennoch erleichtert die besondere Struktur der CDU es nicht, das Parteiprogramm zum für alle Gliederungen und Vereinigungen gemeinsamen Ausgangspunkt politischer Entscheidungen zu machen. Die Umsetzung von CDU-Programmen in politische Initiativen, aber besonders auch Gesetzesinitiativen im Bundestag, wird durch die Fraktionsgemeinschaft zwischen CDU und CSU nicht erleichtert. Deshalb besteht immer wieder die Gefahr, daß programmatische Beschlüsse von CDU-Parteitagen an der politischen Entscheidungsunfähigkeit der CDU/CSU-Fraktion scheitern, die auch auf die politisch-heterogene Zusammensetzung der CDU-Abgeordneten zurückzuführen ist. Um so wichtiger ist es, daß die neue Partei-und Fraktionsführung immer wieder Anstöße zur politisch-programmatischen Profilierung der Opposition innerhalb und außerhalb des Parlaments gibt.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die umfassendste Arbeit zu diesem Thema ist wohl die von Heiner Flohr, Parteiprogramme in der Demokratie, Göttingen 1968.

  2. Der Verfasser war Mitglied der CDU-Programm-kommission zur Erarbeitung des Berliner Programms, zur Fortschreibung des Berliner Programms, Mitglied der CDU-Grundsatzkommission, Vorsitzender der JU-Grundsatzkommission und ist Mitglied der CDU-Grundsatzprogrammkommission.

  3. Ossip K. Flechtheim, Stichwort Parteien, in: Fraenkel /Bracher (Hrsg.), Staat und Politik, Hamburg 1964, S. 243 f.

  4. Sigmund Neumann, Zum vergleichenden Studium politischer Parteien, in: ders. (Hrsg , Political Parties, Chicago 1955, abgedruckt in: Gilbert Ziebura (Hrsg ), Beiträge zur allgemeinen Parteienlehre, Weqe der Forschung, Bd. 6, Darmstadt 1969, S. 218— 220.

  5. So auch Heino Kaack, Geschichte und Struktur des deutschen Parteiensystems, Opladen 1971 S. 402 f.

  6. Kaack, a. a. O., S. 402.

  7. Vgl. Viggo Graf Blücher u. a„ Der Prozeß der Meinungsbildung, dargestellt am Beispiel der Bundestagswahl von 1961, Bielefeld o. J.

  8. Kaack a a O, S 403,untersecheidet dahei auch zu Recht die Integrations-, Idenntikations-, Stimulations-, und Legitimationsfunkton

  9. Vgl. H Flohr, a. a. O„ S. 60.

  10. Vgl. Rudolf Dreher, Der Weg zum Kanzler, Düsseldorf 1972, S. 143 ff.

  11. Vgl. dazu die Artikel von Dadder, Forscla Lamers, Prangenberg, Schönbohm in: Die Ents düng, vom 25. Januar 1971. S. 8 ff.

  12. Kaack, a. a. O., S. 401.

  13. Wolf-Dieter Narr, CDU—SPD. Programm

  14. A. a. O., S. 159.

  15. über die Studentenunruhen und deren Auswirkungen auf die politischen Parteien vgl. W. Schön-bohm, P. Radunski, J. B. Runge, Die herausgeforderte Demokratie, Mainz 1967, sowie W. Schönbohm, Die CDU und die Neue Linke, in: Dietrich Rollmann (Hrsg.), Die CDU in der Opposition, Hamburg 1970, S. 128.

  16. Vgl. „The Industrial Charter" vom Mai 1974 und „The Right Road for Britain" vom Juli 1949.

  17. Vgl. hierzu Willi Eichler, Der Weg nach Godesberg, in: ders., Weltanschauung und Politik, Frankfurt 1967, S. 59 ff. Vgl. dazu auch Jürgen Dittberner, Entwicklungstendenzen des Parteiensystems der Bundesrepublik, in: ders., Rolf Ebbighausen (Hrsg.), Parteiensystem in der Legitimationskiise, Opladen 1973, S. 496 ff.

  18. Vgl. hierzu Peter Diem, Zurück zur Theorie politischen Handelns, in: Sonde Nr. 1/71, S. 23 ff.

  19. Beschlüsse des 16. Bundesparteitages der CDU 1969 in Mainz, Niederschrift, herausgegeben von der CDU-Bundesgeschäftsstelle, S. 116

  20. Vgl. dazu im einzelnen Wulf Schönbohm, Wo sind sie geblieben? Die Union und ihre Reformen, in: Sonde Nr. 4/70, S. 7 ff.

  21. Vgl. die Wiedergabe der Reden von Ollenhauer, Erler, Wehner auf dem Godesberger Parteitag bei Jürgen Dittberner, Die Parteitage von CDU und SPD, in: Jürgen Dittberner, Rolf Ebbighausen (Hrsg ), a. a O„ S. 97, Danach wurde betont, daß die SPD führende Kraft werden und man deshalb ein Programm verabschieden müsse, das die Ausweitung des Wählerpotentials ermögliche.

  22. Vgl. Ossip K. Flechtheim, Parteienprogramme, in: Theorie und Soziologie der politischen Parteien, hrsg. v. Lenk /Neumann, Neuwied 1968, S. 416.

  23. Vgl. hierzu Kurt Biedenkopf, Die Politik der Unionsparteien — die freiheitliche Alternative zum Sozialismus, Rede vom 9. 12. 1973, hrsg. v d. CDU-Bundesgeschäftsstelle, S. 7 ff., sowie Ludwig Erhard, Das Ahlener Programm und die soziale Marktwirtschaft, in: Deutschland Union Dienst Nr. 36'1974.

  24. Düsseldorfer Leitsätze der CDU vom 15. 7. 1949, abgedruckt in: Dokumente zur christlichen Demokratie, Handbuch 2 der Politischen Akademie Eichholz der Konrad-Adenauer-Stiftung, Bonn 1969, S. 210.

  25. Dieses Argumentationsschema kann sowohl von eher konservativen als auch „linken" Gruppen benutzt werden.

  26. Vgl. dazu im einzelnen Wulf Schönbohm, Bemerkungen zur Programmdiskussion, in: Die Entscheidung, vom September 1970, S. 6 ff.

  27. Werner Kaltefleiter, Instrumente demokratischer Regierungsweise? Zur Innovationsfähigkeit politischer Parteien, in: die politische Meinung Sonderheft April 1974, S. 10.

  28. Ossip K. Flechtheim, Haben die Parteien noch eine Zukunft? in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 1/74 v. 5 1. 1974, S 15.

  29. Vgl. Wolfgang Falke, Programmpartei oder Wählerverein? Zum funktionellen Selbstverständnis von Parteimitgliedern, in: die politische Meinung, Sonderheft April 1974, S. 77. Vgl. auch die Dissertation von Hans Otto Mühleisen, Theoriebildung und politische Parteien, Bestandsaufnahme 1971 und Entwicklungsmöglichkeiten, Freiburg Mühleisen untersucht die grundsätzlichen Möglich-keiten der Anwendung des organisationstheoreti-sehen Ansatzes auf die Parteientheorie. Vgl. zur normativen Auseinandersetzung auch Peter Molt, Wertvorstellungen in der Politik, in: PVS 1963, sowie Wolf Dieter Narr, a. a. O.

  30. Wilhelm Hennis, Aufgabe und Grenzen der Parteien, in; ders., Die mißverstandene Demokratie, Freiburg 1973, S. 141.

  31. Audi der Ansatz von Heiner Flohr, a. a. O., mit dem Versuch zur Entwicklung einer „Theorie rationale Politik" scheint mir in seinen Anforderungen an Parteiprogramme und Wähler an der politischen Realität vorbeizugehen.

  32. Helmuth Pütz, Innerparteiliche Willensbildung. Empirische Untersuchung zum bildungspolitischen Willensbildungsprozeß in der CDU, hrsg. vom Institut für Begabtenförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung, Band 8, Neuwied 1974, S. 165. Vgl. auch Karl-Joachim Kierey, Ist die CDU eine Volkspartei?, in: Sonde, 5. Jg. Nr. 3/1972, S. 17— 28.

  33. 1 Vgl, dazu Heidrun Abromeit, Zur Identität von politischer und wirtschaftlicher Werbung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B. 48/72 vom 25. November 1972.

  34. Hanns Linhardt, Das Plakat der politischen Parteien, Bonn-Bad Godesberg o. J., S 15 f.

  35. Kaack, a. a. O., S. 401, unterscheidet außerdem noch Wahl-und Regierungsprogramme, die ich aber als Spezialformen eines Aktionsprogramms anse-nen würde.

  36. Vgl. Flohr, a. a. O., S. 61 ff. Flohrs Modell basiert in seinen Überlegungen allerdings auf bestimmten Prämissen, die empirischer Überprüfung schwerlich standhalten. Er versucht darzustellen, wie Programme aussehen müßten, damit sie vom Wähler als Maßstab für ihre rationale Wahlentscheidung benutzt werden können.

  37. Kaack, a. a. O., S. 402.

  38. Vgl. dazu Wulf Schönbohm, Zum Erfolg verurteilt, in: Die Entscheidung, vom 25. Februar 1972, S. 24 f.

  39. Flohr, a. a. O., S. 67.

  40. CSU-Grundsatzprogramm. Leitsätze einer Politik für heute und morgen, verabschiedet auf dem CSU-Parteitag am 14. 12. 1968, hrsg. v. d. CSU-Lan-desleitung, München o. J.

  41. Das Salzburger Programm der ÖVP, verabschie-det vom ÜVP-Bundesparteitag am 30. 11. 1972 in Salzburg. Vgl. dazu auch Peter Diem, Zurück zur Theorie politischen Handelns, in: Sonde Nr. 1/71, S. 23 ff.

  42. Vgl. dazu den Entwurf der Programmkommission für das Berliner Programm zweite Fassung, verabschiedet am 21. Juni 1970, und den Entwurf des Bundesvorstandes der CDU für den Parteitag vom 25. bis 27. Januar 1971; die Änderungen des Bundesvorstandes werden vor allem im bildungspolitischen Kapitel deutlich.

  43. Bericht der Grundsatzkommission für den Paritag, in Wiesbaden am 9. Oktober 1973, hrsg. v. d. CV-Bundesgeschäftsstelle, S. 3.

  44. Vgl. die ähnliche Dreiteilung . Werte — Realbhalyse _ Forderungen“ bei Joachim Raschke, Rrteien, Programme und „Entideologisierung“, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 8/70, v. 21. 2. m 2, S. 8 ff, der das Thema allerdings sehr vom nheoretischen und Methodologischen her angeht.

  45. So Dr Kliesing auf dem Parteitag, Niederschrift des 18. Bundesparteitages, hrsg. v. d. CDU-Bundes-geschäftsstelle, S. 47; vgl. auch die Gegenargumente des Delegierten Alfons Müller, S. 46.

  46. Vgl. Godesberger Programm der SPD, a. a O, S. 11 ff.

  47. Vgl. dazu als Beispiel die Forderung des Hamburger Landesverbandes, in dem wirtschaftspolitischen Kapitel des Berliner Programms auch die Probleme der Schiffahrt und der Werften in Norodeutschland zu erwähnen; Niederschrift des 18 CDU-Bundesparteitages, S. 200 f.

  48. Rede des Generalsekretärs auf dem 22. BundesParteitag in Hamburg vom 18. bis 20. November 1983Niederschrift hrsg. v. d. CDU-Bundes9eSchäftsstelle S. 61.

  49. A. a. O.

  50. Vgl. Horst Schmelzer, Politisches Bewußtsein und politische Wirklichkeit in: Sonde Nr. 4/69,S. 39.

  51. Karl-Heinz Janßen, Politikern aufs Maul geschaut,

  52. Vgl. Ehrenfried Schnebel, Sprache in der Politik, In: Sohde Nr. 2— 3/70, S. 54.

  53. Vgl. das von Rolf Schroers entwickelte Raster zur Analyse von Politikerreden, über das Karl-Heinz Jansen, a. a. O., berichtet, das hier aber nur begrenzt brauchbar ist.

  54. Grundsatzprogramm der SPD, hrsg. v. Vorstand der SPD, Bonn 1959, S. 5.

  55. A. a. O„ S. 8.

  56. A. a. O„ S. 26.

  57. A. a. O„ S. 27.

  58. Dies zeigen die Beispiele v. Heiner Flohr a. a. O., S. 72 ff., anhand des Godesberger Pro gramms der SPD.

  59. Zitiert nach Berliner Programm der CDU, hrsg.

  60. CDU-Bundesvorstand in der Reihenfolge der zitierten Begriffe, die Ziffern 30, 31, 32, 34, 43, 44, 45.

  61. A. a. O. Die Zitate finden sich in der angegebe-nen Reihenfolge in folgenden Ziffern: 63, 64, 65, 66, 67, 69, 72, 91 B) Beschlüsse des 22. Bundesparteitages der CDU Vom 18. — 20. 11. 1973 in Hamburg, veröffentlicht in Union in Deutschland, Nr. 45/73; die Begriffe sind Miert der Reihenfolge nach in folgenden Ziffern

  62. Vgl. auch die aktuelle Kritik an dem Sprachstil von Bundeskanzler Helmut Schmidt bei Prof. Ulrich Lohmar, SPD-MdB, in: Der Spiegel Nr. 22/1974, S. 8 ff., sowie Ludolf Hermann, Die Sprache des Machers, in: Deutsche Zeitung, Christ und Welt,

  63. Dies läßt sich besonders gut bei den SPD-Politikern beobachten, die ihre Reden neomarxistisch anreichern, um den Jusos nicht zu viel Angriffs-punkte zu liefern.

  64. Vgl. die Freiburger Thesen der Liberalen, a. a. O., S. 57 ff., sowie das SPD-Grundsatzprogramm, a. a. O., S. 26 f.

  65. SPD-Grundsatzprogramm, a. a. O., S 7.

  66. Berliner Programm der CDU, a. a. O., S. 5.

  67. Vgl. dazu auch Joachim Raschke, a. a. 0 , S. 11 f.

  68. Vgl. Berliner Programm der CDU, a. a. 0., Ziffer 61.

  69. Entwurf für das Berliner Programm, zweite Fas-sng, a. a. O„ Präambel S. 1.

  70. Vgl. Niederschrift des 18. CDU-Bundesparteitain Düsseldorf, a. a. O., S. 49— 57, wo die Be9rundung der Befürworter dieser Formulierung deutlich wird.

  71. Bundesvorstandsentwurf für das Berliner Pro-9ramm, zweite Fassung, a. a. O., Ziffer 104.

  72. Berliner Programm, zweite Fassung, a. a. O., Ziffer 107.

  73. Vgl. Freiburger Thesen, a. a. O., Ziffer 3, S. 62.

  74. Herausforderung unserer Zeit, Berichte der Grundsatzkommission für den Parteitag in Wiesbaden, 9. Oktober 1972, hrsg. v. d. CDU-Bundesgeschäftsstelle, S. 8, 10 u. 14.

  75. Schutz und Ausbau der freiheitlichen Grundordnung, zweiter Bericht der CDU-Grundsatzkommission, hrsg. v. d. CDU-Bundesgeschäftsstelle, UID-Dokumentation Nr. 34/73, S. 7.

  76. Berliner Programm, zweite Fassung, a. a. O., Ziffer 72.

  77. Beschlüsse des 22. Bundesparteitages der CDU vom 18. bis 20. November 1973 in Hamburg, abgedruckt in Union in, Deutschland, Informationsdienst der CDU, Nr. 45/73, S. 41.

  78. Dies scheint mir ein wenig das Problem der FDP zu sein, die als Folge ihres taktischen Konzepts der stärkeren Linksprofilierung mit den Freiburger Thesen ein völlig neues Programm in Aussage und Vokabular schuf, das dem Erwartungshorizont der alten Stammwählerschaft der FDP sicherlich nicht entsprach. Solch eine Radikalkur kann die FDP nicht so leicht wiederholen.

  79. So auch Jürgen Heidborn, Lebensqualität. _ SPD-Schlagwort oder CDU-Programm?, in: Sonde Nr. 1/73, S. 9 ff.

  80. Ossip K. Flechtheim (Hrsg ), Dokumente zur parteipolitischen Entwicklung in Deutschland seit 1945, Berlin 1963, Bd. 2: Programmatik der deutschen Parteien, 1. Teil, Einführung, S. 1.

  81. Wolf-Dieter Narr, a. a O., S. 34.

  82. Heiner Flohr, a. a. O., S. 70— 96.

  83. Vg). z. B. die Kritik von Ulrich Lohmar, Die Reformen geopfert, in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt v. 28. 5. 1974, S. 6, an der neuen Bundesregierung, der er Abkehr von wesentlichen im Wahlkampf propagierten Zielen vorwirft.

  84. Vgl. dazu im einzelnen Hans-Joachim Veen, Die CDU/CSU-Opposition im parlamentarischen Entscheidungsprozeß, München 1973, insbes. S. 79 ff,

  85. Hermann-Josef Dufhues am 2. 6. 1962 im Deutschen Fernsehen, zitiert nach Ute Müller, Die demokratische Willensbildung in den politischen Parteien, Mainz 1967, S. 72.

Weitere Inhalte

Wulf Schönbohm, M. A., geb. 1941; Studium der Politischen Wissenschaft, Soziologie, Neueren Geschichte und des Staatsrechts in Berlin und Bonn; seit 1968 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bonn. Veröffentlichungen u. a.: Die herausgeforderte Demokratie. Deutschlands Studenten zwischen Reform und Revolution (zus. mit Radunski und Runge), Mainz 1968; Die Thesen der APO. Argumente gegen die radikale Linke, Mainz 1969; Die CDU und die Neue Linke, in: Die CDU in der Opposition, hrsg. von D. Rollmann, Hamburg 1970; Probleme einer großen Koalition im parlamentarischen Regierungssystem, in: Reale Utopien. Glanz und Elend der Parteien, Mainz 1970; Repräsentative und plebiszitäre Elemente in westlichen Demokratien, in: Herrschaftsmodelle und ihre Verwirklichung, Mainz 1971; Die Reform der beruflichen Bildung als politische Aufgabe, in: Berufsausbildung zwischen Revolution und Reform, Bonn 1971; Linksradikale Gruppen im Lehrlingsbereich, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 51/72, v. 16. 12. 1972; Zur Arbeits-und Zeitökonomie von Bundestagsabgeordneten, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, Jg. 4, H. 1, März 1973 (zus. mit Paul Kevenhörster); Keine Zeit zur Forschung — Zur Zeitökonomie von Hochschullehrern, in: Die Deutsche Universitätszeitung, Jg. 1973, H. 24.